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carola1475

Bewertungen

Insgesamt 167 Bewertungen
Bewertung vom 12.09.2023
Gefährlicher Freispruch / Strafverteidiger Pirlo Bd.3
Bott, Ingo

Gefährlicher Freispruch / Strafverteidiger Pirlo Bd.3


sehr gut

Von gefühlten Holdings und blindem Aktionismus

Im dritten Band um die Strafverteidiger Sophie Mahler und Anton Pirlo arbeitet der Autor die Corona-Maßnahmen während der Pandemie auf. Vordergründig geht es um die Verteidigung eines Clanmitglieds und alten Schulfreundes Pirlos, der beschuldigt wird, einen Brandanschlag auf ein Testzentrum verübt zu haben. Bei den Ermittlungen decken Pirlo und Mahler Mauscheleien und unglaubliche Vorgänge nicht nur was die Herstellung und Lieferung der Masken angeht, sondern auch auf Behördenebene auf.

Der Anfang des Buchs dreht sich hauptsächlich um Pirlos depressiven Gemütszustand aufgrund der Ereignisse im Vorgängerband und ist dadurch etwas langatmig, trotz manchen Wortwitzes ausschweifend und durch lange Sätze anstrengend zu lesen. Als Pirlo und Sophie dann das neue Mandat haben und mit Ermittlungen beginnen, macht das Buch zunehmend Spaß. Pirlo ist wieder der charismatische Chaot und Sophie kann die Sorgen um ihren Chef zurückstellen und so clever und gründlich agieren, wie ich sie aus den Vorgängerbüchern kenne. Ich empfehle, zumindest den ersten Band gelesen zu haben, um die Hintergründe der Protagonisten und ihre Entwicklung besser nachvollziehen zu können.

Pirlos Brüder, Clanmitglieder und Sophies Familie sind wieder mit von der Partie und werden ironisch und teilweise überspitzt dargestellt, auch andere Charaktere erscheinen überzeichnet. Das Düsseldorfer Flair finde ich wieder treffsicher und unterhaltsam dargestellt. Der Schreibstil ist gewohnt eigenwillig, augenzwinkernd und wortgewandt, das Cover passt zu den Vorgängerbänden und hat einen hohen Wiedererkennungswert.
Höhepunkt der Geschichte ist für mich der Prozess und Pirlos Vorgehensweise dabei, hier beweist Ingo Bott, selbst erfolgreicher Anwalt mit eigener Kanzlei, seinen Einfallsreichtum und sein Können.

Bemerkenswert finde ich, dass die Betitelung der fünf Teile, die laut des vorangestellten Zitats von Pirlos Doktorvater die Phasen einer Straftat benennen, auch zu Pirlos Vorgehen in der Geschichte passt.

Bewertung vom 28.08.2023
Der Wald
Rode, Tibor

Der Wald


sehr gut

Spannender und sehr gut recherchierter Near-Future-Wissenschaftsthriller

Das Cover mit der sogar Stein sprengenden Schlingpflanze beeindruckt auch mit haptisch unterschiedlich gestalteten Bereichen, das Buch macht schon beim In-die-Hand-nehmen neugierig auf die Geschichte. Von Beginn an ist der Leser, genau wie die Figuren des Thrillers, mit einer weltweit auftretenden, bisher völlig unbekannten Pflanze konfrontiert, die enorm schnell wächst, in allen Teilen giftig ist für Mensch und Tier und andere Pflanzen vernichtet und verdrängt. Wissenschaftler und Ermittler tappen im Dunkeln, sowohl was die Herkunft als auch die Möglichkeiten der Bekämpfung der Pflanze angeht.

Der Schreibstil ist bildhaft und lebendig, flüssig und angenehm zu lesen. Ein hohes Erzähltempo, zahlreiche Perspektiven und unterschiedlichste Charaktere, eine zweite Zeitebene und Cliffhanger am Ende jedes Kapitels sorgen für große Spannung und machen es schwierig, eine Lesepause einzulegen. Die Kapitel werden mit Zeitangabe und Namen überschrieben, so dass eine Zuordnung immer möglich ist, dennoch empfand ich den Lesefluss manchmal gestört durch die vielen verschiedenen Perspektiven, aus denen wechselnd erzählt wird. Wobei die Figurenzeichnung eher blass bleibt und manche Details aus dem Privatleben der Protagonisten mir wenig interessant und nicht handlungsrelevant erschienen.

Sehr gut recherchiert und wirklich spannend dargestellt sind die wissenschaftlichen Hintergründe und auch geschichtliche Informationen und philosophische Überlegungen haben mir gut gefallen. Tibor Rode gelingt es, viele interessante und aktuelle Themen in seinen Near-Future-Thriller einzubinden, über Künstliche Intelligenz bis zur bisher generell ignorierten Möglichkeit (oder vielleicht sogar Notwendigkeit), Pflanzen als unsere Mitgeschöpfe auf diesem Planeten zu betrachten.
Mich hat 'Der Wald' gut unterhalten und ich empfehle das Buch Thriller-Lesern mit Interesse an möglichen technologischen Entwicklungen und Gefahren.

Bewertung vom 14.08.2023
KRYO - Die Verheißung
Ivanov, Petra

KRYO - Die Verheißung


ausgezeichnet

Großartige Möglichkeiten oder erschreckende Horrorvorstellung?

Im neuen Thriller von Petra Ivanov geht es um die Optimierung des Menschen durch den Einsatz verschiedener technologischer Verfahren wie den Einsatz von KI, Kryotechnologie, Stammzellentherapie, Transfusionen des Blutplasmas junger Menschen, digitale Bewusstseinsspeicherung.
Schon der Prolog ist spannend und wirft viele Fragen auf. Verschiedene Erzählperspektiven und Handlungsstränge sind zu Beginn verwirrend, da der Zusammenhang nicht offensichtlich ist, sondern sich erst im Verlauf der Geschichte zeigt. Das Personenverzeichnis zu Anfang des Buchs erweist sich als hilfreich.
Michael, Arzt und Journalist, ist bei den Recherchen zum Thema Transhumanismus spurlos verschwunden und seine Mutter Julia, die selbst ein belastendes Geheimnis hat, begibt sich auf die gefährliche Suche nach ihm. Julia beweist Einfallsreichtum, Schauspieltalent und Kombinationsstärke, als sie Michaels Spuren folgt und immer mehr über die gewinnträchtigen Geschäfte der Zukunft herausfindet.
Die Figurenzeichnung ist gelungen, die Charaktere authentisch, auch die verschiedenen Schauplätze werden atmosphärisch beschrieben. Petra Ivanovs Schreibstil ist klar, angenehm zu lesen und fesselnd. Die Geschichte ist komplex und intelligent konzipiert, hat ein hohes Erzähltempo, überraschende Wendungen und bleibt auf hohem Niveau durchgehend spannend. Die wissenschaftlichen Hintergründe sind sehr gut recherchiert und verständlich erklärt. Die Interviews, die Michael führt, erscheinen mir wie eine Diskussion über die Vor- und Nachteile des Transhumanismus und lassen mich über meine eigene Meinung zur den verschiedenen Aspekten der Verbesserung des Menschen nachdenken.
Das Cover zeigt einen Eisblock, der mit seinen Einschlüssen etwas rätselhaft wirkt. Autorenname oben und Verlag unten in rot, Titel und Untertitel in schwarz-weiß, mir gefallen Layout und die Kombination besonders der Farben.
'Kryo – Die Verheißung' hat mich gut unterhalten, und einige offene Fragen am Ende des Thrillers lassen mich gespannt auf den 2. Band der Trilogie warten.
Ich vergebe 4,5 Sterne.

Bewertung vom 13.08.2023
Das Glück der Geschichtensammlerin
Page, Sally

Das Glück der Geschichtensammlerin


sehr gut

Berührender Entwicklungsroman

Janice ist eine zurückhaltende, geduldige, nachdenkliche Frau und eine gute Beobachterin, sie liebt Bücher und ist unglücklich in ihrer Ehe. Beruflich ist sie eine hervorragende Putzfrau, auch mit handwerklichen Fähigkeiten, und wird von ihren Kunden sehr geschätzt, manchen ist sie fast freundschaftlich verbunden und macht sich Gedanken um die betreffenden Personen. Sie sammelt und hütet die Geschichten, die ihr bei der Arbeit erzählt werden oder die sie im Bus aufschnappt. Sie hat strenge Regeln für diese Geschichten in ihrem Kopf, bis eine neue Kundin und ein freundlicher Busfahrer beginnen, diese Regeln ins Wanken zu bringen und bei Janice eine Veränderung in Gang zu setzen.

Die Geschichte wird aus Janice' Perspektive erzählt in einem angenehmen, zurückhaltenden Schreibstil, der zu diesem eher leisen Roman passt. Die Charakterzeichnung aller Protagonisten ist gelungen, die Autorin Sally Page ist ihren Figuren nah und zugewandt und kann Janice' Entwicklung glaubhaft darstellen.

Das Cover ist auch auf den Innenseiten aufwendig und zur Geschichte passend gestaltet. Sally Page ist ein beeindruckender Debütroman gelungen, der auch schwere Themen mit scheinbar leichter Hand und unterhaltsam vermittelt. Im Nachwort erklärt die Autorin, dass fast jede Geschichte, die im Buch erzählt wird, wahr ist.
Ich habe diesen berührenden, humorvollen und auch tiefgründigen Roman gern gelesen und kann ihn als bereichernde Lektüre empfehlen.

Bewertung vom 07.08.2023
Toxin
Lange, Kathrin;Thiele, Susanne

Toxin


sehr gut

Aktueller und spannender Wissenschaftsthriller

In Berlin sterben zwei Obdachlose an Milzbrand. Hat die Firma Janus Therapeutics damit zu tun, die an einem Krebsmedikament auf Basis von Anthraxerregern arbeitet? Die Mikrobiologin und Wissenschaftsjournalistin Nina Falkenberg kann gleichzeitig ihren Freund, Gereon Kirchner, Chef des Biotech-Startups, nicht mehr erreichen, der in das Permafrosttunnel-Camp in Alaska gereist ist, wo anthraxverseuchte Karibuüberreste entdeckt wurden. Nina bittet ihren guten Freund Tom Morell, Reise- und Foodblogger unterwegs in Kanada, nach Gereon zu suchen.

Der Thriller hat ein hohes Erzähltempo und durch parallel verlaufende Handlungsstränge und häufige Perspektivwechsel werden viele Protagonisten eingeführt, die detailliert, teilweise etwas klischeehaft und dennoch glaubwürdig beschrieben werden. Durch den ausführlich geschilderten jeweiligen Hintergrund der verschiedenen Figuren werden im ersten Drittel des Buchs viele Themen angesprochen, nicht nur in Zusammenhang mit dem Klimawandel, sondern auch aus dem gesellschaftspolitischen Bereich. Bevor die Vielzahl dieser nicht handlungsrelevanten Aspekte die Geschichte überfrachtet, wird das eigentlichen Thema wieder aufgenommen und der Wissenschaftsthriller um die Freisetzung gefährlicher Erreger im durch den Klimawandel tauenden Permafrost erweist sich als spannend und sehr gut recherchiert. Die wissenschaftlichen realen Hintergründe werden auch für Laien verständlich und anschaulich geschildert. Der Schreibstil der Autorinnen ist flüssig und angenehm zu lesen, die Zusammenarbeit der Mikrobiologin, Biochemikerin und Wissenschaftsautorin Susanne Thiele und der Schriftstellerin Kathrin Lange finde ich gut gelungen. Ich hatte keine Probleme, in diesen zweiten Band der Reihe um die Protagonisten Tom Morell und Nina Falkenberg einzusteigen, da Rückblenden zu 'Probe 12', dem ersten gemeinsamen Buch, mich mit notwendigen Informationen versorgt haben.

'Toxin' als gelungene Mischung aus informativem Wissenschaftsthriller und rasantem Actionkrimi mit einigen Wendungen und beeindruckendem Showdown schildert die Gefahren des tauenden Permafrosts sehr anschaulich, und das ist nur ein Aspekt der Klimaveränderung. Ein informatives Nachwort unter anderem um Kipppunkte unseres Klimas rundet den Roman ab.

Bewertung vom 03.08.2023
Der Skandal
Orgel, T. S.

Der Skandal


ausgezeichnet

Spannend, komplex und sehr unterhaltsam

Der charismatische Unternehmer Dan Light produziert in seiner Firma Light Foods sehr erfolgreich Laborfleisch, für das kein Tier sterben muss. Doch der weltweite Ausbruch einer tödlichen Krankheit wirft einen Verdacht auf die Firma. Die Suche nach der Wahrheit wird für Dan Light und eine kleine Gruppe von Umweltaktivisten lebensgefährlich.

Mit spürbarer Freude am Erzählen entwickeln die Brüder Tom und Stephan Orgel einen packenden und komplexen Near-Future-Wissenschaftsthriller. Die wendungsreiche Handlung bleibt spannend bis zum Schluss. Sehr gut recherchiert werden verschiedene Themen angesprochen und verständlich geschildert, so dass der Leser sich mit der Frage nach der Ernährung der Zukunft unter ethischen und klimapolitischen Aspekten auseinandersetzen kann, auch Produktionsfaktoren in der Nahrungsmittelindustrie und Biotechnologien werden thematisiert, ebenso spielen Korruption, Gier und die virale Verbreitung von Gerüchten, Verschwörungstheorien und Fake News in Social Media eine Rolle.

Die Protagonisten sind vielschichtige, nahbar angelegte Charaktere bis hin zu den Nebenfiguren und machen teilweise auch eine Entwicklung durch. Die fesselnde Geschichte unterhält nicht nur mit glaubhaft ausgearbeiteten Ideen, sondern auch mit Situationskomik, witzigen Dialogen, Anspielungen auf Bücher, Songs und Prominente.
T. S. Orgels Schreibstil ist angenehm, klar und bildhaft, Situationen werden atmosphärisch dicht beschrieben und es ist schwierig, eine Lesepause einzulegen. 'Der Skandal' ist spannend, überzeugt und gibt zu denken und macht gleichzeitig Spaß. Mir hat das Buch sehr gut gefallen.

Bewertung vom 19.07.2023
Eine zweite Chance
Schaumlöffel, Anette

Eine zweite Chance


ausgezeichnet

Unsere letzte Chance

Nachdem die Erde für Menschen unbewohnbar geworden ist, machen sich zwei sehr unterschiedliche Gruppen mit Raumschiffen auf die ungewisse Suche nach einer neuen Heimat. Von einem der Raumschiffe aus wird eine KI mit Hilfe eines Zeitmoduls in die Vergangenheit geschickt in der Hoffnung, ein Ereignis zu finden, das einen Unterschied gemacht hätte, wenn es anders gelaufen wäre. Vielleicht können die Menschen ihre zweite Chance nutzen, um den Zusammenbruch der Ökosysteme der Erde zu verhindern.

Die Handlung dieses Zeitreise-Science-Fiction-Romans wird durch häufige Perspektivwechsel mit hohem Tempo sehr schnell spannend und bleibt es bis zum Schluss. Die Geschichte ist fesselnd, komplex und wendungsreich. Wissenschaftliche Aspekte werden verständlich und unterhaltsam erklärt, sei es aus dem Bereich der Mikrobiologie oder der Verhaltensforschung. Auch philosophische Fragen werden erörtert. Gründliche Recherche und die Schreibfertigkeit der Autorin ermöglichen dem Leser scheinbar leichten Zugang zu unterschiedlichsten Themen.
Die Protagonisten sind gut ausgearbeitet und werden zu glaubhaften authentischen Figuren, die berühren, selbst die Künstlichen Intelligenzen haben erkennbar Persönlichkeit und Eigenart. Anette Schaumlöffels Schreibstil ist klar, lebendig und humorvoll, mit starken Bildern und witzigen Vergleichen machen ihre fantasievollen Einfälle viel Spaß und das Lesen zum spannenden Vergnügen.

Der Optimismus der Autorin vermittelt Hoffnung, Vertrauen in gemeinschaftliches Bemühen und gemeinschaftlichen Einfallsreichtum. Ich wünsche uns allen, dass Anette Schaumlöffel Recht behält.

Bewertung vom 15.07.2023
Nur ein einziger Tanz
Stellmacher, Hermien

Nur ein einziger Tanz


ausgezeichnet

Jede Entscheidung beeinflusst auch das Leben anderer

Rike hat gerade einen großen Übersetzungsauftrag abgeschlossen und überlegt, was sie mit der bevorstehenden Freizeit anfangen soll. Sie quält sich mit Selbstzweifeln, seit ihr langjähriger Lebensgefährte sie überraschend für eine 'Auszeit' verlassen hat. Immer noch vermisst die Mittfünfzigerin ihre vor einem Jahr verstorbene Mutter. Auch deshalb berührt sie der Brief, den sie aus Amsterdam erhält und in dem der ihr unbekannte Hendrik Rhee von seiner großen Liebe Cisca berichtet, das war ihre Mutter Francisca.
Trotz ihrer widerstrebenden Gefühle der alten Heimat gegenüber macht sich Rike auf den Weg nach Amsterdam, um Hendrik zu treffen. Doch Amsterdam tut Rike gut, Hendrik, seine WG-Freunde und auch ihre Zimmer-Vermieterin empfangen sie herzlich und Rike erfährt nicht nur Neues über ihre Mutter, sondern ihr fallen zu ihrer eigenen Überraschung auch immer mehr Details aus ihrer Kindheit wieder ein und sie beginnt, sich mit ihrem Familienleben auseinander zu setzen, wobei ihr Hendriks Erzählungen neue Impulse geben. Rike kann sich mit der Vergangenheit versöhnen, loslassen und ist am Ende der Geschichte selbstsicher und bereit für die Zukunft, was auch immer die bringt.

Erzählt wird aus Rikes und aus Hendriks Perspektive, aus Gegenwart und aus Vergangenheit. Hermien Stellmachers Schreibstil ist klar, lebendig und überrascht mit ungewöhnlichen Einfällen. So gibt es in der Alten-WG einen Flipper-Spielautomaten, der hilft, Entscheidungen zu treffen und Rikes Erinnerungen sind im Kopf in einem Lagerhaus untergebracht, dessen Räume unterschiedlich gut zugänglich sind. Die Autorin ist ihren Figuren sehr zugewandt und macht sie zu glaubwürdigen authentischen Charakteren, deren Geschichte und Emotionen berühren und die mich auch schmunzeln lassen. Amsterdam mit seinen Straßen, Grachten, dem Markt, Restaurants, dem Zoo und auch den Menschen wird beim Lesen lebendig und für mich unbedingt zu einem nächsten Reiseziel.
Im Nachwort erzählt die Autorin die interessante Entstehungsgeschichte des Romans, in den auch Autobiographisches einfließt. So ist auch ihre Familie von Amsterdam nach Deutschland ausgewandert, als Hermien 15 war.
Der Roman berührt und macht Mut und hat mir sehr viel Freude bereitet.

Bewertung vom 11.07.2023
Nachts erzähle ich dir alles
Landsteiner, Anika

Nachts erzähle ich dir alles


sehr gut

Anspruchsvoller Sommerroman

Das Cover gefällt mir mit den sommerlichen Farben, der mediterranen Küste im Hintergrund und der nachdenklichen jungen Frau am Tisch. Auch eine vorangestellte Playlist passt perfekt zum Roman.

Der kurze Prolog des Romans, mit „Ende“ überschrieben, macht von Anfang an neugierig auf die Geschichte. Léa will den Sommerurlaub im Haus ihrer Familie an der Côte d'Azur nutzen, um den Trennungsschmerz nach einer langjährigen Beziehung zu überwinden und sich von der anstrengenden Arbeit im eigenen Café zu erholen. Am ersten Abend macht Léa die Bekanntschaft der jungen Alice, die in der Nacht zu Tode kommt. Da Léa als Letzte Kontakt mit der jungen Frau hatte, sucht deren Bruder Emile sie auf, er will verstehen, was passiert ist.
Léa kann besser mit den Gefühlen anderer als mit ihren eigenen umgehen und die Gespräche mit Emile entwickeln sich tiefgründig und bieten ihm Trost, lassen ihn verstehen, tragen aber auch dazu bei, dass Léa sich allmählich mit ihren eigenen Empfindungen auseinandersetzt.

Erzählt wird aus Léas Perspektive mit Einschüben eines an Léa gerichteten Monologs einer anderen Frau. Anika Landsteiners Schreibstil ist bildhaft und intensiv, die Beschreibung der Orte an der Côte d'Azur, der sommerlichen Hitze, des ganzen Flairs ist atmosphärisch gelungen und weckt Fernweh nach Südfrankreich. Die Figurenzeichnung ist vielschichtig und glaubwürdig, sowohl die der Frauen Léa, Brigitte und Claire, als auch Emiles, alle Charaktere erscheinen authentisch. Die komplexen Beziehungen vor allem der Frauen zueinander und die beschriebenen Emotionen überzeugen und berühren.

Wie in Anika Landsteiners erstem Roman 'So wie du mich kennst' geht es auch in 'Nachts erzähle ich dir alles' um Trauerbewältigung und Loslassen, aber mehr noch um weibliche Selbstbestimmung, Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, Vertrauen und Liebe.
Mir hat das Buch gut gefallen und ich kann es Leser:innen empfehlen, die offen sind für eine anspruchsvolle Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Themen.

Bewertung vom 02.07.2023
Der Feind / Milla Nova ermittelt Bd.5
Brand, Christine

Der Feind / Milla Nova ermittelt Bd.5


ausgezeichnet

Überzeugender Krimi um ein bisher zu wenig beachtetes Thema

Ein bizarre Mordserie an Männern sowie ein Anschlag während einer Frauendisko – in Band 5 dieser Reihe halten gleich zwei Fälle TV-Reporterin Milla Nova und das Ermittlerteam um Millas Lebensgefährten Sandro Bandini auf Trab.

In der Nacht des Anschlags erlebe ich sowohl Sandros als auch Millas Empfindungen. Durch zwei Perspektiven auf ein und dasselbe Ereignis ist das Leseerlebnis um so intensiver und ich bin ganz schnell mitten drin in der Geschichte. Mehrere der mir aus den Vorgängerbänden bekannten und ans Herz gewachsenen Figuren sind durch die Katastrophe persönlich betroffen und Christine Brand gelingt es, ihre Emotionen und Gedanken glaubhaft und realitätsnah zu beschreiben. Der Schreibstil ist fesselnd, eindringlich und einfühlsam, Szenen werden atmosphärisch dicht beschrieben.

Cliffhanger an Kapitelenden, Perspektivwechsel, überraschende Wendungen und Ermittlungsergebnisse entweder durch Millas und Nathaniels teilweise auch gefährliche Recherchen oder Sandro und sein Team halten die Spannung durchgehend auf hohem Niveau und wirklich alle Handlungsstränge treiben die Geschichte voran. Scheinen die Morde an verschiedenen Männern, bei denen keine offensichtlichen Gemeinsamkeiten vorliegen, und der Anschlag auf die Frauen zuerst nichts miteinander zu tun zu haben, werden beide Fälle schließlich geschickt verknüpft.

Die ehemalige Gerichtsreporterin Christine Brand schreibt über Fälle, die in der Realität verankert sind. In 'Der Feind' geht es um die sogenannten Incels, eine Gruppe radikaler Frauenhasser mit haarsträubenden Überzeugungen, denen das Internet mit seiner Anonymität eine Basis bietet, um voller Selbstmitleid den Frauen die Schuld an ihrer Lebenssituation zuzuschieben. Und es gibt ein zweites Thema, das die Autorin im Fall der ermordeten Männer aufgreift.
Das Cover passt farblich und von der Gestaltung her zu den anderen Büchern der Reihe. Das Buch kann unabhängig von den Vorgängerbänden gelesen werden, mehr Spaß macht es aber sicherlich, die Entwicklung der Charaktere chronologisch zu verfolgen.

Dieser gut recherchierte und spannend geschriebene Kriminalroman hat mich erschreckt und berührt und ich kann ihn unbedingt empfehlen.