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Benutzername: 
Birkatpet
Wohnort: 
Wesseling

Bewertungen

Insgesamt 90 Bewertungen
Bewertung vom 09.05.2018
Die Spuren meiner Mutter
Picoult, Jodi

Die Spuren meiner Mutter


gut

Bevor ich überhaupt das erste Wort in diesem Roman gelesen habe, war ich total von der Haptik des Covers begeistert, es fühlt sich ledrig an, so wie ich mir Elefantenhaut vorstelle.

Picoult´s Roman ist die bewegende Geschichte von Jenna, einem 13 Jährigen, sehr intelligentem und reifem Mädchen auf der Suche nach ihrer Mutter Alice.
Alice ist vor 10 Jahren spurlos nach einem Unfall im Elefantenreservat verschwunden. Jenna´s Vater liegt seit diesem Tag in einer psychatrischen Einrichtung, in einem Zustand, der es unmöglich macht mit ihm über Alice zu sprechen und sie selber wohnt bei ihrer Oma.
Erinnerungen an ihre Mutter hat Jenna kaum, vieles weiß sie aus Notiz- und Tagebüchern ihrer Mutter. Diese gibt es bergeweise von Alice, denn als Elefantenforscherin hatte sie einiges zu notieren, das Verhalten, und insbesondere die Gefühle der Dickhäuter, als Leser erfährt man sehr viel über die emotionale Welt der Tiere, vor allem ihr Trauerverhalten wird beschrieben.
Neben diesen Personen gibt es noch Serentity, ein Medium, die eigentlich keines mehr ist, denn die Geister haben sie verlassen und was sie heute tut ist Jahrmarktskunst und Virgil, ein Privatdetektiv, der schon mal bessere Zeiten hatte und für den Alice´ Verschwinden ein wunder Punkt in seiner Karriere ist.
In die Geschichte zu finden, fiel mir sehr leicht. Picoult hat eine ausgesprochen flüssige, leichte und bildhafte Sprache. Durch die Kapitellängen war es auch nicht anstrengend zwischen den Personen zu wechseln, denn kapitelweise wechseln sich Jenna, Alice, Serenitiy und Virgil in Ich-Perspektive ab ihre eigene, aber auch die gemeinsame Geschichte zu erzählen. Alles sehr starke und gut ausgearbeitete Charaktere.

Ich fand das Buch sehr interessant, vom Hocker gehauen hat es mich nicht. Mir waren die Elefanten und das Übersinnliche teilweise zu viel. Das Ende war für mich nicht überraschend und auch sonst fehlte es mir zwischendurch etwas an Spannung.
Der Schreibstil gefiel mir sehr gut, lebendig, sehr bildhaft, leicht und den jeweiligen Personen angepasst.
Für Elefantenfans und Fans von Übersinnlichem, gepaart mit Familiengeschichte und gut ausgearbeiteten Charakteren eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 09.05.2018
Alles, was ich über die Liebe weiß
Marzano, Michela

Alles, was ich über die Liebe weiß


ausgezeichnet

Das Cover weckte direkt meine Aufmerksamkeit, es erinnerte mich an die kleinen netten Geschenkbücher, die es zu vielen Anlässen und Themen zu kaufen gibt.
Der florale Schutzumschlag hat mein kleines, manchmal doch romantisches Herz höher schlagen lassen und ich finde ihn einfach wunderschön.
Der Zusatz unter dem Buchtitel "Philosophie eines Gefühls" hat meine Neugierde sehr geweckt. Ich kenne Liebesromane und auch Ratgeber für Liebesangelegenheit und nun sah ich ein Buch, welches die Liebe also mal philosophisch angehen wollte, in wunderschönem Mantel und ich las ein wenig in das Buch hinein und da war auch schnell, ich möchte es gerne haben und lesen.

"Die Liebe beginnt immer hinterher. Wenn der Leidenschaft die Zuneigung folgt. Und man dem anderen zu vertrauen beginnt. Und wenn man "mit dem anderen lieben" kann."

Marzano erzählt von sich und ihrem Leben, zunächst gibt es einen Exkurs in ihre Kindheit und die Ehe ihrer Eltern, sie erzählt von Prinzen und Prinzessinnen, ihren Liebesbeziehungen und von Jacques, wie sie ihn kenneblernte, wie sie ihn lieben lernte erfährt der Leser im Laufe des Buches.
Die ehrliche, sehr selbstkritische, authentische Auseinandersetzung Marzano´s mit sich selber hat mir dabei sehr gut gefallen.
Sie erzählt von ihren Träumen, ihren Hoffnungen, Ängsten, Herzschmerz, Klischees, Rollenverteilungen, Freiheit, dem Konsumismus, dem auch die Liebe zum Opfer fällt, der Wegwerfgesellschaft...und dies alles während sie die Großen der Literatur und Dichtung zum Thema "Liebe" befragt und deren Aussagen überprüft und verstehen möchte, ihre Gedanken und Schlußfolgerungen mit dem Leser teilt.
Das Buch ist eingeteilt in "Intermezzi" und diese beginnen immer mit einem Zitat aus Werken von einem Dichter oder Denken, den sie befragt. Diese "Intermezzi" sind eingeteilt in kurze Kapitel unterteilt mit Überschriften.
Jedes "Intermezzo" wird in ihre Geschichte von ihren Erfahrungen aufgenommen als weiterer Gedankengang.

Marzano´s Buch ist lebendig, manchmal schmunzelt man, manchmal erkennt man sich selber, manchmal denkt man für sich selber weiter und geht eigene Erfahrungen durch.
Kurzweilig und interessant, das Mysterium Liebe wird nicht geklärt, denn ist nun mal wie es ist, einfach die Liebe, das stärkste Gefühl.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.05.2018
Der Tote in der Kapelle / Hugo Hawksworth Bd.1
Edmondson, Elizabeth

Der Tote in der Kapelle / Hugo Hawksworth Bd.1


gut

Tote in Kapellen sind ausserhalb von Beerdigungen sehr ungewöhnlich und so ist auch der Fund des Toten in diesem Kriminalroman alles andere als gewöhnlich.
Die Geschichte beginnt mit Hugo, der nach einem Unfall im Dienst schwer verletzt wurde und nun Schreibtischdienst leisten muss.
Als wäre es noch nicht genug als Geheimagent plötzlich hinterm Schreibtisch sitzen zu müssen, wird er auch noch versetzt und zwar nach Selchester, einer kleinen Ortschaft in England.
Widerwillig macht sich Hugo mit seiner pubertierenden Schwester Gloria, für die er die Verantwortung trägt seit ihre Eltern verstorben sind auf den Weg nach Selchester, er soll dort im Kriegsarchiv recherchieren und sie wird dort das Gymnasium besuchen.
Wohnen werden sie auf Selchester Castle.
Der Hausherr des Schlosses ist seit 7 Jahren spurlos verschwunden.
Von der befürchteten Langeweile ist schnell keine Spur mehr von übrig, denn der verschollene Earl of Selchester taucht auf sehr spezielle Art und Weise wieder auf. Man findet ihn, zumindest das was nach 7 Jahren noch von ihm übrig ist, bei Reparaturarbeiten unter den Steinfließen der Kapelle und dort kann er sich unmöglich selber vergraben haben.
Mit Freya, der Nichte des Earls macht sich Hugo auf die Suche nach dem Mörder.

Alles was zu einem typisch englischen Krimi gehört findet sich auch hier, grüne Landschaft, viel starker Tee, idyllische Umgebung...und hier sogar Hochadel und ein Schloß.

Motive und Verdächtige gibt es reichlich, Geheimnisse jedoch auch.
Nach und nach lernt man die teils sehr eigenwilligen Charaktere besser kennen und auch die Nebenrollen, das sehr detailliert und schnell entwickelte ich Antipathien oder Sympathien. Schön war, dass sich durch die im Verlauf immer genauere Beschreibung der Charaktere meine Meinung manchmal änderte und eine sehr unsympathische Person plötzlich doch eigentlich ganz nett wurde.

Für meinen Geschmack war die sehr detaillreiche Beschreibung teilweise etwas viel, aber da ich gesehen habe, dass demnächst ein weiterer Krimi mit Hugo erscheint macht es natürlich Sinn, sowohl ihn, Selchester und seine Bewohner so genau vorgestellt zu bekommen und ich bin gespannt welcher Fall als nächstes auf ihn wartet.
Der erste Teil war auf jeden Fall kurzweilig, interessant und perfekt für eine Auszeit zwischendurch.

PS: Ob es der Gärtner war, verrate ich nicht...

Bewertung vom 05.05.2018
Der Zopf
Colombani, Laëtitia

Der Zopf


sehr gut

Das Cover ist mit den Farben Türkis, Gold, Schwarz und Weiß für mich sehr schön anzuschauen und harmonisch, wunderschön.
Jedoch ist es kein leuchtendes Türkis, vermittelte mir nicht das Gefühl vor einem fröhlichen Buch zu stehen, auch sind da mehr geschlossene als geöffnete Blüten und der abgebildete Zopf nicht zu Ende geflochten.
Für mich ist das Cover eines Buches sehr wichtig, denn oftmals lasse ich mich visuell leiten.
Der Klappentext hat mich neugierig auf die Umsetzung gemacht, denn dieser lässt keine Fragen offen, was die Handlung betrifft aber die jeweiligen Leben der drei Frauen interessierten mich und wie Smitas Haare von Indien über Sizilien schließlich in Montreal bei Sarah landen.

Nach der Beschreibung rechnete ich mit Biographien und war auf schwere Kost eingestellt, denn das Thema "Perücke" betraf mich vor zwei Jahren selber. Wie das Schicksal einem manchmal mitspielt erkrankte ich an einer Autoimmunerkrankung und meine Haare vielen den Nebenwirkungen einiger Medikamente zum Opfer. Lösung: Ich brauchte fremde Haare.
Der Handelsweg der fremden Haare auf meinem Kopf war mir wohl bewusst, jedoch habe ich mir über die möglichen Einzelschicksale dahinter keine Gedanken gemacht.
Ich wurde allerdings überrascht. Laetitia Colombani nutzt eine sehr einfache Schreibweise und macht es dadurch leicht den Schicksalen zu folgen. Eine lockere, leichte Erzählweise, die nicht in die Tiefe geht und weder Schwermut noch dichte Atmosphäre eintreten lässt.
Kapitelweise wird zwischen den drei Frauen, den drei Erzählsträngen gewechselt und die Leichtigkeit dieser knappen Kapitel war für mich anfangs verwirrend, da ich wie vorhin erwähnt, mit viel mehr Tiefe und Schwere gerechnet habe. Dadurch wird zum einen natürlich immer wieder Spannung aufgebaut, aber es schützt auch davor, sich als Leser in einer der drei Schicksalen zu verlieren, da man ja immer jeweils zwei Kapitel Abstand gewinnt.

Es werden eine Reihe Klischees bedient, alles ist irgendwie vorhersehbar und große Überraschungen bleiben aus.
Und genau das macht dieses Buch so besonders.
Die Aussage des Buches ist ganz klar, Mut, Freiheit und ein lautes JA zum Leben.
Egal wie steinig der Weg auch sein mag, egal welche Schicksale sich ereignen... es gibt Dinge die sind unveränderbar und man muss sie nehmen wie sie sind. Entweder man verfällt in Passivität oder man macht es wie diese drei Frauen, lässt die Zeit fliegen, entscheidet aber Pilot seines Leben zu werden.
Der feste Glaube an Sonne, nach manchmal langer Regenzeit, lässt einen den strahlend, bunten Regenbogen umso mehr genießen.

Ein schönes, kleines Buch mit drei ganz besonderen Frauen und einem bezaubernden, starken Mädchen. Mich hatte das Buch nach einem Drittel gänzlich gepackt und ich musste es bis zum Schluss in einem Rutsch lesen.
Ein Buch voller Hoffnung, ein klares Plädoyer fürs Leben!
Steht auf, hadert nicht zu lang, lebt Euer Leben, denn die Zeit fliegt!!!

Bewertung vom 05.05.2018
Die Ladenhüterin
Murata, Sayaka

Die Ladenhüterin


ausgezeichnet

Das Cover hat mich magisch angezogen, dieses Knallrot, dazu das schöne Format und die kugelig dicken Fische.
Der Titel war hat mich zusätzlich sehr neugierig gemacht, denn mit einem "Ladenhüter" verbindet man generell nichts besonders tolles. Waren, die am Marktbedürfnis vorbei produziert werden, teilweise nicht oder zumindest nur schwer für den angestrebten Preis verkauft werden und letztlich auf den Grabbeltischen oder im Müll landen.
Kurz, kein erstrebenswert und wünschenswerter Titel in der "normalen" Definition des Begriffes.
Wobei wir auch beim Thema dieses wunderbaren Buches aus Japan wären...was ist schon normal? Muss Andersartigkeit direkt minderwertig sein?
Mit dem ersten Satz purzelte ich direkt zu Keiko in den Konbini und wurde mit den Geräuschen ihres Lebens konfrontiert, piepen, kratzen, rascheln, klimpern, schaben und noch viele mehr.
Dort in diesem Konbini beginnt Keiko ihre Geschichte, aus ihrem Leben zu erzählen.
Schnell war ich drin, in Keikos Leben, in ihrem Kosmos des Convenience-Supermarktes, in dem sie bereits seit 19 Jahren als Aushilfe tätig ist.
Keiko Furukura ist 36 Jahre alt, hat studiert und lebt für sich und den Konbini, alles dort ist ihr in Fleisch und Blut übergangen, sie achtet auf gesundes Essen und ausreichend Schlaf um fit für ihren Job dort zu sein. Eine andere Tätigkeit hat sie während und auch seit der Universität nicht gehabt und das stimmt einige skeptisch, denn sie muss sich dafür immer wieder rechtfertigen, auch dafür, dass sie mit ihren 36 Jahren immer noch unverheiratet ist und keine Liebesbeziehungen hatte. Vor allem ihre Familie, ihre Mutter und ihre Schwester leiden sehr darunter und für Keiko, denn die einzige, die dies nicht stört ist Keiko selber.
Keiko ist anders, entspricht nicht der Norm und diese ist in Japan nochmal eine andere, als wir es hier im Westen gewohnt sind, und auch leben. Das Frauenbild differiert sehr von unserem westlichen Bild. Der Leser taucht ein in Keikos Welt, eine Welt einer jungen Frau und damit in die fremde Welt Japans. Anfangs mag man es als Satire und Kritik an dem System sehen, aber so ist es gar nicht gemeint, denn die Autorin selber arbeitet trotz ihres Erfolges in einem Konbini.
Im Konbini findet Keiko ihren Hafen, denn Gefühle sind ihr ein Rätsel, menschliche Regungen und emotionale Reaktionen für sie unverständlich und so sondert sie sich seit Kindheit ab, lebt ohne großen gesellschaftlichen Anschluss und beginnt schon in der Schule damit eigenmächtiges Handeln einzustellen.
Im Konbini ist alles sortiert, nicht nur die Waren, sondern auch die Menschen die dort arbeiten sind einem klaren Regelwerk unterworfen und es herrscht Hirachie. Dies alles stellt niemand in Frage und da aufgrundessen eine Einheitlichkeit herrscht ist es für Keiko ihr schützender Kokon. Mimik, Gestik und adäquate Reaktionen auf Witze oder Wut schaut sie sich bei Kolleginnen ab und hat dadurch das Gefühl normal zu sein, in der Masse nicht mehr aufzufallen.
Als ein neuer Mitarbeiter eingestellt wird, Herr Shiraha, gerät dieses Gleichgewicht in Keikos Welt jedoch durcheinander und schneller als sie schauen sie kann sitzt er allabendlich in ihrer Badewanne....
Ob Keiko es schafft Mut aufzubringen, gegen die Gesellschaft, gegen ihre Familie zu sein wer sie ist?
Trotz ihrer menschlichen Differenzen die Kraft hat ein zufriedenes Leben zu führen, aus ihrer Passivität heraus kommt?
Nichthandeln ist schließlich auch eine Handlung.
Das Buch ist leicht und flüssig geschrieben, in Ich-Perspektive von Keiko erzählt und so erfährt man alles aus erster Hand, ihrem Inneren. Ich selber bin für eine bunte Welt, in der jeder leben darf, wie er möchte, egal ob anders oder normal, Hauptsache er/sie ist zufrieden und glücklich. Natürlich unter der Bedingung, dass gegen keine Gesetze verstoßen werden oder eine Gefährdung besteht für sich selber oder andere.
Eine ganz klare Leseempfehlung und: lasst jeden leben wie er ist.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.04.2018
Ich wollt, ich wär ein Kaktus / Kaktus-Serie Bd.1 (eBook, ePUB)
Teichert, Mina

Ich wollt, ich wär ein Kaktus / Kaktus-Serie Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das Leben ist manchmal echt nicht leicht, schon gar nicht wenn man kein Kind mehr ist, aber doch noch weit entfernt davon ist erwachsen zu sein...wie Lucinda Wolf, die 12jährige Protagonistin dieses Buches.
"Mama sagt, mit der Liebe ist das so eine Sache. Sie kommt und geht. Und man kann nichts dagegen machen. Nur mit den eigenen Kindern ist das anders, die liebt man ewig und drei Tage."
Lu´s Mutter hat sich verknallt und zwar in Jo, einen Bauern, der ganz in der Nähe von Oma Käthe wohnt. Logisch, dass die Ehe mit Lu´s Vater nun endgültig beendet ist und so muss Lu nun ausziehen, mit ihrer Mutter geht es auf´s Land, in die Einliegerwohnung von Oma Käthe. Natürlich zieht Lu´s Kakteensammlung mit dorthin, Erwin, Louisa und Co dürfen ebenso wie ihre Trompete nicht fehlen. Das Landleben und auch Oma Käthe sind Lu allerdings überhaupt nicht geheuer und sie wünscht sich ein Kaktus zu sein, denn ua können die nicht riechen, alles stinkt (ihr) nämlich enorm.
"Oma erzählt nämlich andauernd irgendeinen Unsinn von Auren, die Menschen umgeben. So wie Farben in der Luft, die ihre Stimmung verraten."
Das Leben von Lu überschlägt sich sehr, die Trennung der Eltern, die Wohnung auf dem Hof von Oma Käthe, Herbert, Oma´s Hahn, der alle ab 4 Uhr morgens weckt, der neue Mann in Mama´s und zwangsläufig ihrem Leben, die neue Schule, die neuen Klassenkameraden und ein völlig neues Gefühl im Magen...Bienen oder doch Schmetterlinge??
Mina Teichert schafft etwas, was wirklich schwierig ist, zu vermittelt zwischen Eltern und Kindern. Ein Kinderbuch, empfohlen ab 10 Jahren über das Thema "Trennung der Eltern" und zwar mit dem Fokus auf das Positive, den Neubeginn in all dem Abschied, Trauer, Ungewissheit, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Angst. Ich finde den Vergleich mit einem Kaktus wirklich toll, denn Lu erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht und hat eine Kakteensammlung und die ist ihr wirklich wichtig. Kakteen sind anpassungsfähig, genügsam, im Sommer blühen manche wunderschön bunt, aber sie können sich auch wehren das macht sie zu etwas besonderem unter den Pflanzen, ihre Stacheln. Lu wünscht sich oft ein Kaktus zu sein, wenn sie nicht umarmt werden will, wenn sie nicht nett gefunden werden will, wenn sie sich einfach wehren möchte gegen all die doofen Dinge, die in ihrem Leben passieren. Gefühle zu artikulieren fällt uns Erwachsenen oft sehr schwer, wie sollen es die Kinder da einfacher haben, vor allem in der Pubertät.
Ich habe die Zeit mit Lu und ihren Kakteen sehr genossen, musst oft schmunzeln und war fasziniert, denn so wie Lu geht es so vielen Kinder, so wie ihrer Mutter, ihrem Vater, aber auch Jo, dem neuen Freund der Mutter geht es vielen Erwachsenen.
Ein buntes, fröhliches, ehrliches, lautes, lustiges und tolles Buch.
Trennung bedeutet nicht immer das Ende, sondern es ist ein Ende mit vielen neuen Anfängen und neuen Wegen.
Eine ganz klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 22.04.2018
Der Herr der kleinen Vögel
Ogawa, Yoko

Der Herr der kleinen Vögel


ausgezeichnet

Die Geschichte um den Herrn der kleinen Vögel beginnt mit seinem Tod, ein Zeitungsjunge findet ihn tot in seinem Garten liegend und einen Bambuskäfig mit kleinem Vogel in den Armen haltend, seine Miene zeigte nicht die leiseste Spur von Agonie, ein friedliches Bild.
Und so ist dieses Buch auch, friedlich, zärtlich, ruhig, leise, stellenweise still und doch voller Veränderungen und Entwicklung.
Nach dem Fund des toten jüngeren Bruders wird die Geschichte der beiden Brüder erzählt.

Namen werden keine genannt, der eine ist der ältere Bruder, der andere der jüngere und Herr der kleinen Vögel.
Die beiden Brüder teilen sich die elterliche Wohnung, die Eltern sind früh verstorben.
Der Herr der kleinen Vögel kümmert sich aufopferungsvoll und verantwortungsbewußt von diesem Zeitpunkt an alleine um seinen älteren Bruder. Dieser lebt in seiner eigenen Welt, spricht seine eigene Sprache seit dem 11. Lebensjahr und einzig der jüngere Bruder versteht seine Sprache unter den Mitmenschen, die Vögel jedoch verstehen ihn ebenso, wie er sie.

Der Alltag ist völlig ritualisiert und auf die Bedürfnisse des älteren Bruders abgestimmt. Ausnahmen darf keine geben, da der Ältere sonst sehr verstört reagiert und unruhig wird.
Die Vögel, die Musik und der wöchentliche Lutscherkauf verbinden die beiden.
Mit dem Tod des Älteren verändert sich das Leben des Jüngeren sehr, denn seine sortierte Welt, die ganzen Abläufe fehlen und zum ersten Mal lebt er alleine und im Grunde frei.

Neue Rituale ziehen in sein sein Leben, das Versorgen der Vögel in der Voliere des benachbarten Kindergartens und jeden Sonntag der Besuch in der Bücherei, er leiht sich ausschließlich Bücher über Vögel aus und auch dort spricht die Biblithekarin, eine junge Frau zu der sich der Jüngere hingezogen fühlt spricht ihn mit "Herr der kleinen Vögel" an.

Trotz des Formates und der nicht allzu großen Seitenanzahl habe ich mir einige Tage Zeit gelassen mit der Geschichte, sie zu lesen, ihr zu folgen hatte etwas beruhigendes, zärtliches, warmes, meditatives. Keine Aufregung und Ruhe.

Ich habe die Zeit mit dem Herrn der kleinen Vögel sehr genossen, die leisen Töne, der Gesang der Vögel und die Veränderungen zu begleiten waren schön und entspannend.
Ich bin gespannt auf weitere Bücher der Autorin und hoffentlich damit wieder die Zeit etwas zu entschleunigen.

Bewertung vom 22.04.2018
Blaubart
Nothomb, Amélie

Blaubart


ausgezeichnet

Saturnine Puissant ist 25 Jahre alt, Belgierin und aus beruflichen Gründen in Paris gelandet, wo sie ein bezahlbares Zimmer sucht, denn bei ihrer Freundin Corinne auf der Gästecouch, die nach Zigarttenqualm stinkt zu schlafen ist keine Dauerlösung.

"Die Anzeige hat gelautet: Ein Zimmer, 40 Quadratmeter, mit Bad und freier Mitbenutzung einer großen, gut ausgestatteten Küche für 500Euro im Monat"

Solch ein Angebot mitten in Paris klingt zu schön um wahr zu sein, Saturnine wartet auch schon auf den Haken, alleine ist sie nicht unter den Bewerberinen, jedoch die Einzige, die nicht weiß, wer der Hausherr ist und welche Gerüchte sich um ihn ranken.
Don Elemirio Nibal y Milcar, ein adliger Spanier, begehrtester Junggeselle, 44 Jahre alt und beruflich Spanier, da es seine Aufgabe ist den ganzen Tag würdig zu sein, hat seit 20 Jahren sein Haus nicht mehr verlassen, da ihm die Welt draußen zuwider, zu vulgär und zu langweilig ist sucht nun eine Untermieterin. Die neunte in 20 Jahren, alle acht zuvor sind verschwunden und das wissen die anderen Bewerberinnen auch, sind nur aus Neugierde gekommen um den Hausherren persönlich kennen zu lernen, aber ohne Interesse an dem Inserat und dem ZImmer, klären Saturnine auf, aber ihr ist es egal, da sie von sich sagt ein harter Brocken zu sein und sich in einen Schürzenjäger sowieso nicht verliebe.

"Das ist die Dunkelkammer, in der ich meine Fotos entwickle. Sie ist nicht abgeschlossen - ich vertraue darauf, dass Sie sie nicht betreten. Der Raum ist absolut tabu. Wenn Sie hier eindringen, werde ich es merken, und es wird Ihnen leidtun."

Saturnine bekommt das Zimmer und der Hausherr führt sie durch durchs Haus. "Schließlich standen sie vor einer schwarz gestrichenen Tür", welche als tabu erklärt wird, alle anderen 30 Räumen darf sie betreten und sich ganz zuhause fühlen mit allen Annehmlichkeiten, wie Chauffeur und Diener.
Saturnine wird bekocht, der Adelsmann ist ein begnadeter Koch und für ihn ist Kochen Kunst und Macht, ihre Liebe zu Champagner wird auch erfüllt und es wird ein "Champagner-Kühlschrank" eingerichtet mit den teuersten Flaschen der Welt.
Die Dialoge beim gemeinsamen Abendessen jeden Abend sind grandios, geistreich, witzig und ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand, war perfekt unterhalten bei den Unterhaltungen der beiden. Wortgefechte, verbale Bälle zuwerfen und Wortklauberei. Das dies ist nicht ohne Folgen bleiben kann ist klar, ein Mann, eine Frau, Champagner, perfekte Dinner...

"Liebe ist das geheimnisvollste Phänomen des Universums. (...) Wenn man sich verliebt, verhandelt man mit sich selbst, ob man sich diesen Unsinn erlauben soll"

Es ist, wie es ist sagt die Liebe.
Den beiden bei ihrem Miteinander zu erleben hat mir große Freude bereitet und erschreckend, wie leicht selbst ein wacher und kluger Verstand manipulierbar ist.
Die Frage nach der Dunkelkammer und den verschwundenen acht Frauen werde ich natürlich nicht beantworten und wer Amelie Nothomb kennt, weiß, dass das Ende ihrer Geschichten immer das Beste ist...

Ein mehr als gelungenes Remake des gleichnamigen Märchens, geniale und rasante Dialoge, Geschichte, Wahnsinn, Katholizismus, Ablasshandel, Adel, Liebe, Dom-Perignon-Rock, Gold, Farben...alles auf 143 Seiten.
Ich hebe das Glas auf Amelie Nothomb, Blaubart und das Gold. Prost!

Bewertung vom 22.04.2018
Der Dieb
Nakamura, Fuminori

Der Dieb


gut

"Wenn ich die Wahl hatte, entschied ich mich stets für die Veränderung, das heißt für den Weg, der mich von der Welt entfernte."

Wir begleiten Nishimura, einen Taschendieb in der Großstadt Tokio.
Er ist ein einsamer junger Mann ohne Familie, ohne Kinder, ohne Freunde. Seine Motivation, seine Wünsche, seine Ziele werden nicht klar. Die Geschichte wird aus seiner Sicht erzählt, er erzählt aus seinem Leben.
Tokio ist nahezu ein Paradies für Taschendiebe wie ihn, jedoch ist Geld für ihn nicht wichtig, er lebt in einem billigen, Appartement, vielmehr haust er dort und auch sonst geht er keinem Vergnügen nach.
Einzig Dosenkaffee und Zigaretten scheinen seine Laster.

"Während ich spürte, wie meine Körpertemperatur weiter anstieg, beobachtete ich aus dem Augenwinkel die Umgebung. Das elektrisierende Gefühl beim Berühren des verbotenen Objekts, die Benommenheit nach dem Eindringen in die Privatsphäre einer fremden Person waren noch immer da. Kleine Schweißperlen rannen mir den Nacken runter."

Auch über die Gefühlswelt von Nishimura außerhalb seines "Jobs", der jedoch der einzige Lebensinhalt zu sein scheint, erfährt der Leser nicht sehr viel.
Trostlosigkeit, Aussichtslosigkeit, Stillstand, wirklich tut sich zunächst nichts....doch irgendwann zieht der Autor "das Böse" aus dem Hut und die Geschichte nimmt etwas an Fahrt auf, zeitgleich lernt Nishimura im Supermarkt einen kleinen Jungen kennen, den er beim Stehlen beobachtet und sich selber als kleiner Junge in ihm wiedersieht.
Das Böse ist in dem Fall die "Yakuza", die japanische Mafia und seine Vergangenheit holt ihn ein.

Ich war während des Lesens unterhalten, Anspruch war kaum da, ich empfand die Geschichte ziemlich deprimierend, kurzweilig.
Beschäftigt hat er mich nicht, hängenbleiben wird wohl auch nichts und ich vermute ich werde ein weiteres Buch des Autors nicht lesen.

Eine nette Darstellung eines modernen Meisterdiebes in der Anonymität einer Großstadt.

Bewertung vom 16.04.2018
Bora
Cerha, Ruth

Bora


ausgezeichnet

Über dieses Buch etwas zu sagen fällt mir gar nicht so leicht.
Es hat mich eingesogen, mit auf die kroatische Insel genommen und die Personen waren zum Greifen nah, so dreiminsional erweckt Ruth Cerha ihre Figuren.
Ich habe mich treiben lassen.
Auch war es einem Zufall (oder Schicksal) geschuldet, dass ich es überhaupt gelesen habe. Ich hatte das neue Buch "Traumrakete" gekauft und angefangen zu lesen, aber es gibt darin eine Szene, die mich aufgrund eines persönlichen Ereignisses zu sehr traf und ich abbrechen musste, der Stil hat mich aber gefesselt und so war schnell klar, ich muss etwas anders von ihr lesen.

Der Titel lautet "Bora", einer der stärksten Winde dieser Welt mit Spitzengeschwindigkeiten über 200km/h fegt er über die Gebiete, durch die kleinen Gassen, im Sommer eigentlich nur wenige Stunden, im Winter bis zu 14 Tagen.
Der Wind macht in dem Sommer, in dem die Geschichte spielt, den Menschen auf der Insel sehr zu schaffen. Da es sich hier nicht um ein Sachbuch handelt wird schnell klar, dass der Wind und dieses merkwürdige Wetter Stilmittel sind und nicht bloße Wetterphänomene, die zufällig in der Geschichte häufig Erwähnung finden

Die Inselgäste, wie es Mara und Andrej sind, aber noch viele andere wunderbare Personen, wie das Paar Tereza und Pedro, denen das Haus gehört in welches Mara seit 10 Jahre einkehrt um dort den Sommer zu verbringen und Harry, ebenfalls Künstler sind der Meinung das Wetter spiele verrückt und mögliche Ursache könne das merkwürdige Verhalten der Menschen sein und die Bora seie die Rache der Natur.

Mara und Andrej, die Hauptfiguren lassen die Handlung ihren Lauf nehmen und so wie die Winde in dieser Geschichte, Bora und Jugo wehen diese beiden durch das Leben und Herz des anderen.
Beide Gefangene ihrer selbst und haltlos oder heimatlos. Freigeister und doch auf der Suche nach ihrem persönlichen Hafen, wo sie keinem Wind dieser Welt schutzlos ausgeliefert sind.

Ich bin verliebt, wie Mara und Andrej, aber nicht in eine Person dieser Geschichte, sondern in die Worte, die Formulierungen und den Stil der Autorin.
Dieses Buch voll von Post-it´s aller Farben und so bunt im Inneren hinterlässt es mich auch, mit Sätzen, Gerüchen, Bildern und Gefühlen, es wehte durch mein Leben, wie Bora und Jugo es nun mal eben tun.
Eine sehr bildhafte Sprache, leise und doch gewaltig.
Dadurch, dass sowohl Mara, als auch Andrej die Geschichte erzählen in Ich-Perspektive ist per se wenig Abstand möglich und unweigerlich halten sie einem einen Spiegel vor. Ausgeprägte Charaktere mit vielen widersprüchlichen Eigenschaften in sich selber, Stärken und Schwächen, Menschen wie Du und ich.
Nicht nur die Hauptfiguren werden so detailliert gezeichnet, sondern auch die Nebenfiguren glaubt man zu kennen.
Eine FIgur, Harry, die ich sehr mochte, eine Nebenfigur, sagt etwas ganz wunderbares und zwar, dass das in-die-Luft-gucken das wichtigste ist und damit hatte er mich, denn einfach mal Ruhe, abschalten der Welt um sich herum und nichts tun oder denken wird oft als unproduktiv und faul angesehen, dabei steckt hinter dieser Verurteilung auch Neid, denn viele können es gar nicht, sich so sehr entspannen und ausklinken...einfach in die Luft starren, den blauen oder grauen Himmel ansehen und nur dieses Bild und den eigenen Atem wahrnehmen, sich selber spüren und genug sein.

Dieses Buch hätte durchaus eine leichte Lektüre für den Sommer sein können und viel Potential für Kitsch und Klischee war da, aber daran ist die Autorin weit vorbei geschifft.
Wenn man die Seiten allerdings überfliegt und tatsächlich die reine Liebesgeschichte im Vordergrund sieht, die Fähigkeit hat nur zu lesen, was man lesen will und Zwischentöne gekonnt ignoriert und verdrängt ist es das vielleicht auch, eine sommerliche Liebesgeschichte in der die ewige Erwähnung der Bora nervt.