Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
YukBook
Wohnort: 
München

Bewertungen

Insgesamt 278 Bewertungen
Bewertung vom 04.12.2022
Die Symphonie der Sterne
Kornberger, Ruth

Die Symphonie der Sterne


gut

Mit Astronomie habe ich mich bisher nur sehr wenig beschäftigt. Gerade deshalb wollte ich mich über das Porträt einer Astronomin dieser mir unbekannten Welt nähern. Dazu bot sich diese Romanbiografie geradezu an. Darin schildert Ruth Kornberger den Lebensweg der Sängerin Caroline Herschel, die ihrem Bruder nach England folgte und sich der Astronomie verschrieb. In einer zweiten Zeitebene, etwa 40 Jahre später, erfahren wir, wie Caroline in ihre Geburtsstadt Hannover zurückkehrt, ihrem Dienstmädchen Agnes Mathematik beibringt und ihre Memoiren schreibt.

Die wissenschaftliche Arbeit war für Caroline ihr Ein und Alles. Mit welcher Beharrlichkeit sie Nacht für Nacht an der Seite ihres Bruders am Teleskop verbrachte, den Himmel nach Sternen und Nebeln absuchte und Kataloge erstellte, ist bewundernswert. Entdeckte sie einen Kometen, war es jedoch Wilhelm, der den Forschern der renommierten Royal Astronomical Society davon berichtete. Der Weg von einer wissenschaftlichen Assistentin zur vielfach ausgezeichneten Astronomin war lang und mühsam.

Das alles erzählt die Autorin sprachgewandt und einfühlsam, doch manchmal verliert sie sich in Details. Auch im zweiten Handlungsstrang, in dem Agnes einem Geheimnis ihrer Dienstherrin auf der Spur ist, fehlte mir die Stringenz, so dass keine Spannung aufkam. Auch wenn die Romanbiografie nicht ganz meine Erwartungen erfüllt hat, konnte ich interessante Fakten über eine leidenschaftliche Forscherin erfahren, die sich als „Aschenputtel der Sternkunde" sah und sehr lange um Anerkennung kämpfte.

Bewertung vom 24.11.2022
Die Katze, die von Büchern träumte
Natsukawa, Sosuke

Die Katze, die von Büchern träumte


sehr gut

Der deutsche Titel des Romans ist etwas irreführend. Verträumt ist wenn überhaupt dann der junge Stubenhocker Rintarô Natsuki, der sich am liebsten in das Antiquariat seines Großvaters verkriecht. Als dieser plötzlich stirbt und ihm die Buchhandlung vererbt, versinkt Rintarô in Apathie. Genau zum richtigen Zeitpunkt taucht aus dem Nichts eine freche, sprechende Katze auf und bittet ihn um Hilfe: Rintarô soll gefährdete Bücher retten, daher auch der japanische Originaltitel, wörtlich übersetzt: „Die Geschichte einer Katze, die versucht, Bücher zu beschützen“.

So begleiten wir den jungen Helden samt Katze und einer Klassenkameradin auf mehrere abenteuerliche Rettungsmissionen. Sie führen über verschlungene Wege in dystopische Welten, die nicht nur Rintarô, sondern auch jeden Buchliebhaber schmerzen! So überzogen die Szenarien auch wirken mögen, findet sich überall ein wahrer Kern, der zum Nachdenken anregt. Wer möchte nicht seine Lesegeschwindigkeit steigern, um ein größeres Bücherpensum zu schaffen? Schön an dieser fantasievollen Geschichte fand ich die philosophischen Gedanken über die Bedeutung und die 'Seele' von Büchern und Rintarôs Charakterentwicklung, dem nicht nur die Lebensweisheiten seines Großvaters, sondern auch seine eigenen Erkenntnisse bei der Rettungsaktion helfen.

Bewertung vom 20.11.2022
Geschichten, die das Denken herausfordern
Wiss, Elke

Geschichten, die das Denken herausfordern


sehr gut

Bereits im Prolog setzt Elke Wiss ihr Thema praktisch um und verpackt ihr Anliegen in eine szenische Darstellung mit einer Schar von Protagonisten. Sie möchte uns dazu anregen, mit Hilfe von Geschichten unser Denken zu hinterfragen, große Themen aus philosophischer Sicht zu betrachten und bedeutungsvolle Gespräche zu führen. Zunächst erklärt sie, warum, wann und mit welchen Grundwerkzeugen es sich lohnt zu philosophieren. Neu war für mich, dass solch ein Gespräch diszipliniert und strukturiert ablaufen muss und nichts damit zu tun hat, über Gott und die Welt zu reden.

Dann geht’s in die Praxis: In 17 kurzen Erzählungen werden wir mit verschiedenen Themen wie Zeit, Besitz, Wettbewerb, Fehler oder Beziehung konfrontiert. Hier dürfte für jeden je nach Interesse und persönlicher Lebenssituation etwas Passendes dabei sein. Sehr nützlich finde ich die Themenliste am Ende des Buches. Mich haben besonders die Erzählungen über Sprache, das Reisen und den Verlust eines geliebten Menschen angesprochen. Zu jeder Geschichte hat sich Elke Wiss interessante vertiefende Fragen und kreative Aufgaben überlegt, die Denkanstöße und Stoff für philosophische Gespräche liefern.

Ich ertappte mich dabei, dass ich in manchen Erzählungen sofort eine bestimmte Bekannte oder ein Erlebnis vor Augen hatte. Die Schwierigkeit sehe ich besonders in der Versuchung, persönliche Meinungen, Erlebnisse und Anekdoten auszutauschen statt Distanz zu wahren, worauf auch die Autorin hinweist. Im Familien- und Freundeskreis lässt sich dieses Buch sicher gut anwenden, zum Beispiel wenn man herausfinden möchte, was in den Köpfen von Kindern vorgeht oder seinen Blickwinkel mal ändern möchte; in Unternehmen wäre ich eher skeptisch, ob die märchenhaften und teilweise kindlichen Erzählungen funktionieren.

Bewertung vom 12.11.2022
Kummer aller Art
Leky, Mariana

Kummer aller Art


ausgezeichnet

Wie ist es möglich, dass mich ein Buch mit dem Titel „Kummer aller Art“ laufend zum Schmunzeln bringt? Dabei widmet sich Mariana Leky durchaus ernsten Themen wie Schlaflosigkeit, Konfliktängste, Liebeskummer und Neurosen. Sie geht ihnen aber auf so humorvolle und berührende Art auf den Grund, dass ich das Gefühl hatte, eine gute Freundin weiht mich in ihre Alltagsnöte und Suche nach Lebensweisheiten ein.

Nicht nur die Erzählerin selbst, auch eine Reihe von Nebenfiguren wie Nachbarn, Verwandte oder flüchtige Zugbekanntschaften werden durch ihr Verhalten bestens charakterisiert. Die durch und durch cremeweiße Praxis ihrer Kusine hatte ich ebenso plastisch vor Augen wie die Ratlosigkeit angesichts eines plötzlich verschwundenen Briefkastens oder die Mahnungen, die von der Decke herunterflattern und der Autorin den Schlaf rauben. Sie blickt mal melancholisch, mal liebevoll auf typisch menschliche Macken und aktuelle Trends wie Entspannungstechniken. Ihre ausgefeilte Sprache und überraschenden Bilder gefielen mir so gut, dass ich mir gleich ihr viel gepriesenes Buch "Was man von hier aus sieht" besorgt habe.

Bewertung vom 01.11.2022
Das Vermächtnis der Familie Lagerfeld / Das Glück unserer Zeit Bd.2
Koschyk, Heike

Das Vermächtnis der Familie Lagerfeld / Das Glück unserer Zeit Bd.2


ausgezeichnet

Obwohl es schon ein halbes Jahr her ist, dass ich den ersten Band gelesen habe, fand ich mich schnell in die Fortsetzung hinein. Noch immer schreckt Otto Lagerfeld, Direktor der Glücksklee Milchwerke, vor tollkühnen Ideen nicht zurück und sucht angesichts der steigenden Zollbelastung Investoren für eine eigene Fabrik. Als wenn er nicht schon genug Sorgen hätte, erschweren ihm die Forderungen der amerikanischen Zentrale und die Machtergreifung der Nationalsozialisten zunehmend das Geschäft. Beruflich völlig ausgelastet, lässt er nichts unversucht, seine Familie und Geschwister, die sich in alle Himmelsrichtungen verstreut haben, zusammenzuhalten.

Manchmal erschien mir Ottos Verhalten schon fast zu ehrenhaft und makellos – was man von seiner zweiten Ehefrau Elisabeth, die in dieser Geschichte viel Raum einnimmt, keineswegs behaupten kann. Sie verhält sich so egoistisch und undankbar, dass ich sie am liebsten geschüttelt hätte. Andererseits konnte ich ihre Sehnsucht nach einer Karriere in der Modebranche, schöngeistiger Kultur und einem mondänen Leben verstehen.

Für mich war dieser Roman wieder eine perfekte Mischung aus Biografie, Familien- und Zeitgeschichte. Die Expansion der Glücksklee Milchwerke in Deutschland unter Ottos Führung habe ich ebenso gern verfolgt wie den Alltag seiner so unterschiedlichen Familienmitglieder und die Anfänge seines Sohnes Karl als Modezeichner.

Bewertung vom 20.10.2022
Vivaldi und seine Töchter
Schneider, Peter

Vivaldi und seine Töchter


ausgezeichnet

Antonio Vivaldi habe ich bisher nur mit seinem bekanntesten Violinkonzert „Die Vier Jahreszeiten“ in Verbindung gebracht. Dabei war der rothaarige Priester, Komponist und Violinist unglaublich produktiv, wie man in diesem Buch nachlesen kann. Der Antrieb war allerdings nicht nur seine Kreativität, sondern auch der permanente Druck, seine Eltern und Geschwister zu ernähren.

Die Lektüre macht viel Freude, denn der Autor präsentiert Vivaldis Lebensstationen in lebhaften, stimmungsvollen Szenen, verwoben mit persönlichen Kommentaren und Spekulationen. Mal wohnen wir einer Konzertprobe im Ospedale della Pietà, einem Mädchenwaisenhaus in Venedig, bei, wo Vivaldi als musikalischer Leiter das erste Frauenorchester Europas gründete; mal begleiten wir ihn nach Mantua, wo er als Hofkapellmeister tätig war, später auf seine zahlreichen Konzertreisen mit seiner jungen Schülerin und bevorzugten Sängerin Anna Girò, was die Gerüchteküche brodeln ließ.

Ich habe in dieser Romanbiografie nicht nur viel über Vivaldis Charakter, seine Geschäftstüchtigkeit und seinen Konflikt zwischen dem Priesteramt und dem musikalischen Schaffen erfahren, sondern auch über die Opernszene in Venedig und die Abhängigkeit der Künstler vom Wohlwollen des gnadenlosen Publikums.

Bewertung vom 04.10.2022
Trotzdem lachen
Bossart, Yves

Trotzdem lachen


ausgezeichnet

Lachen ist etwas so Spontanes, dass ich mir bisher wenig Gedanken darüber gemacht habe. Umso erhellender fand ich dieses Buch von Yves Bossart. Er führt uns auf unterhaltsame Weise zu den Ursprüngen des Humors, erläutert, warum Komik eine spielerische Form der Grenzüberschreitung ist und was uns zum Lachen bringt.

Bisher wusste ich gar nicht, dass es eine Wissenschaft gibt, die sich mit den Auswirkungen des Lachens beschäftigt, genannt „Gelotologie“. Dabei scheinen sich die Humorforscher nicht ganz einig zu sein: Lachen wir über einen Witz, weil wir eine eigene Überlegenheit fühlen oder ist es eine Reaktion auf Widersprüche und Ungereimtheiten? Den Ausdruck „Geistiges Stolpern“ fand ich sehr zutreffend. Der Autor erläutert vier Erklärungsansätze anhand vieler Beispiele, so dass man begreift, was das Lachen auslöst. Sein Verdienst liegt vor allem darin, komplizierte Zitate von Philosophen wie Helmuth Plessner oder Joachim Ritter verständlich zu machen und sich mit viel Feingefühl an das Thema heranzutasten.

Angesichts der aktuellen politischen Lage könnte uns das Lachen wahrlich vergehen. Die Fallstricke der Sozialen Medien und Diskussionen um Political Correctness fordern außerdem mehr denn je einen sensiblen Umgang mit ethischen Grenzen der Komik. Umso wichtiger finde ich die Botschaft, die Yves Bossard in seinem kleinen, aber feinen Buch vermittelt: dass Humor nicht nur die Kunst ist, mit Ambivalenzen des Lebens umzugehen, sondern auch das Potenzial hat, Aufklärung, Toleranz und Kreativität zu fördern.

Bewertung vom 01.10.2022
Ihr glücklichen Augen
Heidenreich, Elke

Ihr glücklichen Augen


ausgezeichnet

„Ihr glücklichen Augen“ – diesem Titel kann ich nur zustimmen. Was diese Augen auf zahlreichen Reisen alles gesehen haben! Und wie schön, dass Elke Heidenreich ihre Erlebnisse – mal humorvoll, mal melancholisch – mit uns teilt.

Sie lässt sich von keinem Reiseführer oder bestimmten Erwartungen leiten, sehr wohl aber von ihren persönlichen Vorlieben. So erfuhr ich eine ganze Menge über Opernhäuser und Aufführungen zum Beispiel in Oslo, Siena oder Riga und dem Geheimtipp Bologna. Kaum verwunderlich ist, dass sie sich den Orten auch über literarische Werke nähert, sei es von Herodot, Shakespeare oder Flaubert. Besonders auf den Dichter Dylan Thomas und seine Heimatstadt Swansea in Wales hat sie mich neugierig gemacht.

So unterschiedlich wie die Reiseziele sind auch ihre Emotionen. Auf der Südinsel Neuseelands ist sie überwältigt von der Tierwelt und der Schönheit der Natur, in Sankt Petersburg abgestoßen von der kalten Pracht der Palastfronten, in Shanghai verständnislos gegenüber der Schnelligkeit, Atemlosigkeit und Umweltverschmutzung.

In Städten wie Pesaro und auf Inseln wie Clare Island ist sie aber einfach nur glücklich und dankbar, das Leben genießen und die Verbundenheit mit Menschen und Orten spüren zu können, die die Grenzen von Raum und Zeit überwindet. Für mich war es eine große Freude, ihre Eindrücke, Begegnungen und Abenteuer – von ihr persönlich gelesen – miterleben zu dürfen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.09.2022
Frauen, die wandern, sind nie allein
Andrews, Kerri

Frauen, die wandern, sind nie allein


ausgezeichnet

Kerri Andrews, selbst passionierte Wanderin, hat sich auf die Spuren von zehn bedeutenden Denkerinnen aus den letzten drei Jahrhunderten begeben. Für sie war es längst überfällig, sich mit der Geschichte der weiblichen Wanderlust zu beschäftigen, die im Gegensatz zu männlichen Streifzügen bisher kaum Beachtung fand.

Das kann ich nur bestätigen, denn von den vorgestellten Protagonistinnen kannte ich nur drei. In den Kurzporträts gibt uns die Autorin anhand von Textpassagen aus Tagebüchern und Briefen die Möglichkeit, Wanderinnen wie Elizabeth Carter, Dorothy Wordsworth oder Virginia Woolf auf ihren langen Strecken zu begleiten und in verschiedenste Landschaften, zum Beispiel vom Lake District, von Kent oder Paris, einzutauchen. Sie lässt uns an ihren euphorischen Gefühlen teilhaben und nachempfinden, welche Wechselwirkung das Zufußgehen mit ihrer Befreiung aus gesellschaftlichen Konventionen, mit ihrem Denken, Schreiben und Selbstverständnis hatte.

Indem Kerri Andrews einige Wege selbst erkundet und ihre Erfahrungen mit uns teilt, bringt sie eine persönliche Note hinein. Ob Flaneuse, Bergwanderin oder Solo-Wildnis-Trekkerin – ich fand es sehr spannend und lehrreich, mit ihnen unterwegs zu sein. So unterschiedlich ihre individuellen Lebensumstände auch waren – die essentielle Bedeutung des Wanderns für sie und Erfahrungen wie ein wachsendes Selbstvertrauen verbinden die Frauen und haben sich über die Jahrhunderte hinweg bis heute gehalten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.09.2022
Moonlight und die Tochter des Perlenfischers
Pook, Lizzie

Moonlight und die Tochter des Perlenfischers


sehr gut

“Nie zuvor hat Eliza ein Land gesehen, das so sehr Blut ähnelte.” So beginnt dieser Roman und ist bezeichnend für die Geschichte, die in Bannin Bay an der Nordwestküste Australiens spielt. Dort boomt die Perlenfischerei, die Familien wie die Brightwells anlockt und ihnen Reichtümer verspricht, jedoch auch ihren Tribut fordert.

Eines Tages kehrt das Boot von Vater Charles, der sich zum erfolgreichsten Perlenfischer der Küste hochgearbeitet hat, ohne ihn zurück. Tochter Eliza ist überzeugt, dass er noch lebt und macht sich in Begleitung eines deutschen Abenteurers auf die Suche nach ihm. Dass sich diese Handlung mit Charles' Tagebucheinträgen abwechselt, die Eliza bei der Suche einige Anhaltspunkte liefern, fand ich dramaturgisch gelungen.

Spannender als dieser Plot war für mich jedoch der historische Rahmen, den die Journalistin Lizzie Pook detailliert recherchiert hat. Ich erfuhr, welche fatalen Auswirkungen die florierende Perlenmuschelindustrie im 19. Jahrhundert während der britischen Kolonialherrschaft in Australien auf die indigenen Völker hatte. Ihre Ausbeutung und Enteignung, der Sklavenhandel, die Polizeibrutalität sowie die Gefahren, denen sich die Perlentaucher aussetzten, gingen mir sehr nahe. In schöner Prosa bringt uns die Autorin sowohl die Schönheit als auch Unbarmherzigkeit des Landes näher.