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Klara

Bewertungen

Insgesamt 185 Bewertungen
Bewertung vom 10.03.2022
Vertrauen
Mishani, Dror

Vertrauen


gut

Wem kann man vertrauen?
In Dror Mishanis neuem Roman bekommt Inspektor Avraham zwei neue Fälle auf den Tisch, die zunächst nach den üblichen Bagatellfällen aussehen. Ein Baby wird in einem Café in der Nähe eines Krankenhauses ausgesetzt. Die Überwachungskamera hat die Frau gefilmt, und so kann sie schnell gefunden und befragt werden. In dem anderen Fall geht es um einen Touristen, der in Tel Aviv in einem Hotel absteigt und schon am nächsten Morgen spurlos verschwindet. Zwei Männer, die sich als Verwandte ausgeben, holen seine Koffer ab und halten sich verdächtig lange in dem Zimmer auf. Später wird man den Mann tot im Wasser finden – mit Spuren von Misshandlungen. Ist er einfach nur ertrunken oder war es ein Verbrechen? Nachdem Avi die Tochter des Toten befragt hat, führen Spuren zum Mossad. Da wundert es nicht, dass der Inspektor schon bald bei seinen Ermittlungen ausgebremst wird und Drohungen erhält. Letztlich lässt sich Avi aber nicht einschüchtern und macht weiter, weil er die offizielle Version einer Abrechnung im Drogenmilieu nicht glaubt. Das Ende ist in diesem Fall offen, so dass der Leser mit einer Fortsetzung rechnet.
Im Fall um das aufgrund einer späten Abtreibung mit schwerwiegenden Problemen geborenen Frühchen durchschaut der Inspektor die zahllosen Lügen der Mutter einer minderjährigen Schwangeren und sorgt für die strafrechtliche Aufarbeitung. Hier gibt es sogar etwas wie ein versöhnliches Ende einer privaten Tragödie, die auch mit dem Konflikt zwischen Juden und Arabern zu tun hat.
Mir hatte der vor ein paar Jahren veröffentlichte Roman “Drei“ gut gefallen, und ich war deshalb sehr gespannt auf das neue Buch. Ich habe es gern gelesen, fand es aber insgesamt weniger gelungen. Vor allem hat mich der Handlungsstrang um das ausgesetzte Baby nicht besonders gefesselt. Dennoch werde ich sicher auch künftig Mishanis Romane im Auge behalten.

Bewertung vom 06.03.2022
Selber backen statt kaufen

Selber backen statt kaufen


sehr gut

Ein Duft, den man nicht vergisst
„Selber backen statt kaufen“ ist im smarticular Verlag erscheinen. Das kleine, leider immer zusammenfallende und dadurch unhandliche Backbuch umfasst 77 einfache Rezepte für Brot, Brötchen, Kuchen und mehr. Die Einleitung des Backbuches enthält viele sehr nützliche und interessante Informationen wie z.B. Abwiegen ohne Waage, Mehrweg-Alternativen zu Backpapier, Hefe richtig dosieren, umrechnen und verarbeiten, Mehltypen und ihre Verwendung, sowie Tipps für die Herstellung von Tortenguss und Brotgewürz. Danach folgt der Rezeptteil, der übersichtlich gegliedert ist in Brot, Brötchen, Kuchen, Gebäck, Kekse, Herzhafte und süße Knabbereien, Herzhaftes aus dem Backofen sowie Backen ohne Backen. Das Stichwortverzeichnis am Ende hilft, dass man den Überblick behält und das Rezept schnell wiederfindet. Zu jedem Rezept gibt es den Verweis, doch auch die Internetseite zu diesem Buch zu besuchen. Ich finde, das ist eine sehr gelungene Idee, weil man sich hier mit anderen Lesern sehr gut austauschen kann. Wer den Duft von frischem Brot liebt, dem empfehle ich, den Beitrag über die Herstellung und Pflege von Sauerteig zu lesen und umzusetzen.

Das Backbuch enthält für mich jetzt keine neuen, noch nie dagewesenen Kuchen, die nur eine erfahrene Hobbybäckerin oder ein erfahrener Hobbybäcker mit schwer beschaffbaren Zutaten herstellen kann. In meinen Augen ist es ein gutes und auch relativ preisgünstiges Backbuch für Anfänger, die meisten Zutaten sollten in einer gut sortierten Küche vorhanden sein, und gesünder als Fertigprodukte zu essen ist selber backen schon immer gewesen. Hier weiß man, dass das selbstgebackene Brot keine Emulgatoren und Verdickungsmittel enthält. Außerdem ist selber backen inzwischen wesentlich günstiger als kaufen, und wer auf Vorrat backt, der spart nochmals, denn der Backofen muss nur einmal angeheizt werden. Wer einmal seine Liebe zu Selbstgebackenem entdeckt hat, gibt sie so schnell nicht wieder auf.

Bewertung vom 04.03.2022
Die Gezeiten gehören uns
Vida, Vendela

Die Gezeiten gehören uns


sehr gut

Erwachsenwerden – eine manchmal schmerzliche Erfahrung
Eulabee und Maria Fabiola sind 13 Jahre alt und leben in Sea Cliff bei San Francisco. Sie besuchen eine Privatschule und sind eng befreundet. Auch Faith und Julia gehören zu der Gruppe. Maria Fabiola zieht stets die Blicke auf sich, weil sie wunderschön ist. Eines Tages fragt ein Autofahrer sie nach der Uhrzeit. Hinterher behauptet Maria Fabiola, er habe sich angefasst. Dabei bleibt sie auch gegenüber der Polizei und den Lehrern. Faith und Julia unterstützen sie. Nur Eulabee äußert sich abweichend. Sie hat eine solche Handlung nicht gesehen. Die anderen beschimpfen sie als Verräterin, und sie wird von allen ignoriert. Kurze Zeit später verschwindet Maria Fabiola spurlos. Als sie wiederauftaucht, behauptet sie, entführt worden zu sein. Eulabee glaubt ihr nicht. Einige Zeit später verschwindet Eulabee, aber dieser Fall liegt anders. Sie fürchtet eine Zeit lang, den Tod eines jungen Mannes verschuldet zu haben und versteckt sich. Einmal kommen sich Eulabee und die Freundin doch noch einmal näher, weil sie ihren Lehrern einen Streich spielen wollen. Mit Schulverweis bestraft wird am Ende nur Eulabee.
Der Roman erzählt von jungen Mädchen, deren Äußeres sich verändert, die sich verlieben, erwachsen werden. Das kann für die Betroffenen eine schwere Zeit sein, vor allem, wenn einige sich so grausam verhalten wie die Figuren im Roman. Für Eulabee ist es besonders schwer, weil sie ausgegrenzt wird, ihre Freundschaft von einem Tag zum anderen zerbricht und sie von allen gemieden wird. Maria Fabiola mit ihrer Ich-Bezogenheit und ihrem übertriebenen Geltungsbedürfnis wirkt auf den Leser sehr unsympathisch. Vendela Vidas Roman ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die sicherlich auch junge Leser anspricht.

Bewertung vom 04.03.2022
Unser wirkliches Leben
Crimp, Imogen

Unser wirkliches Leben


gut

Ungleiche Partner
Die junge Anna ist dabei, ihren Traum zu verwirklichen. Sie hat ein Stipendium für eine Ausbildung an einem Londoner Konservatorium und teilt sich ein Zimmer mit ihrer besten Freundin Laurie in einem schäbigen Haus mit übergriffigen, neugierigen Vermietern. Um finanziell über die Runden zu kommen, kellnert Laurie in einer Hotelbar, und Anna singt dort an mehreren Abenden der Woche Jazz. Eines Abends lernt sie dort den gutaussehenden, deutlich älteren Max kennen, einen reichen Banker aus der City. Er lädt sie in teure Restaurants und in sein schickes Loft ein. Anna ist beeindruckt, aber sie ist auch verliebt, will ihn unbedingt für sich gewinnen. Max manipuliert sie, genießt seine Macht, wenn sie ihm erlaubt, mit ihr zu machen, was er will. Sie erfährt fast nichts über sein Privatleben, weiß nicht, ob ihre ungleiche Beziehung überhaupt eine Zukunft hat oder ob er nicht vielmehr zu seiner Familie zurückkehrt, wenn er behauptet, beruflich unterwegs zu sein. Gleichzeitig wird der Druck, stimmlich und schauspielerisch Höchstleistungen zu erbringen, immer größer. Anna wird von Selbstzweifeln und Panikattacken geplagt, und ihre Stimme versagt ihr den Dienst. Der Leser sieht, dass nicht nur Erkältungen und verqualmte Räume eine Gefahr für die Stimmen der Sänger darstellen, sondern auch psychische Probleme und Konflikte aller Art wie die mit den Rivalinnen im Konservatorium. Anna muss sich Geld von Max leihen, um sich die Teilnahme an diversen Vorsingen leisten zu können und wird dadurch nicht nur immer abhängiger von Max, sondern in den Augen der anderen zu einer Frau, die sich von ihrem Liebhaber aushalten lässt.
Der Roman ist interessant von der Thematik her, vor allem wegen der kenntnisreichen Einbeziehung der Musik, aber er hat durchaus Längen, weil sowohl die musikalische Ausbildung als auch Annas schwierige Beziehung in großer epischer Breite dargestellt werden. Wer daran keinen Anstoß nimmt, kann dennoch Freude an dem Buch haben.

Bewertung vom 19.02.2022
Alkoholfreie Drinks
Derndorfer, Eva;Fischer, Elisabeth

Alkoholfreie Drinks


ausgezeichnet

Trinken ohne Reue
„Alkoholfreie Drinks“ von Eva Derndorfer und Elisabeth Fischer ist im Brandstätter Verlag erschienen. Die beiden Autorinnen präsentieren eine umfassend neu bearbeitete zweite Ausgabe der erstmals im Jahr 2016 erschienenen „Alkoholfreien Drinks“. Willkommen in der Wunderbar! heißt es zu Beginn, und das stimmt. Endlich sind die Zeiten vorbei, wo man sich bei Alkoholverzicht für Mineralwasser mit oder ohne Kohlensäure oder Apfelschorle entscheiden musste. Jetzt können die Leser experimentieren. Das Buch ist aufgeteilt in fünf Kapitel: Sommerbar, Fruchtbar, Weinbar, Cocktailbar und Winterbar. Die Rezepte für die Drinks, die meistens mit wenigen Zutaten auskommen, sind kurz und knapp beschrieben und mit einem Standmixer oder einem Pürierstab schnell und leicht umsetzbar. Sie enthalten auch den Hinweis, zu welchen Speisen sie sich besonders gut eignen. Ich habe mit einer ganz einfachen Herstellung eines Drinks begonnen, nämlich dem Minutendrink Mango-Weiße. Das ist geschmacklich keine große Überraschung, da man gemischte alkoholfreie Biere kennt, die Kombination ist jedoch interessant. Da ich noch Mangonektar übrighatte, habe ich den Mango-Lassi ausprobiert, der sehr gut angekommen ist. Es gibt natürlich auch anspruchsvollere Rezepte, wo die Zutaten erst beschafft werden müssen. Das ist vielleicht nicht immer ganz einfach, allerdings lohnen sich Mühe und Kosten. Das Buch ist für mich eine unwahrscheinliche Bereicherung und wenn es wieder frisches Obst und Gemüse aus der Region gibt, können der Reihe nach Drinks wie Erdbeer-Holunderblüten-Cooler, Spritz Tropical mit Cassis & Kokos oder Rhabarber-Beeren-Limo zubereitet und genussvoll getrunken werden. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der Wert auf einen überaus wohlschmeckenden Drink legt und der die Abwechslung liebt. Sollte ein Geschenk benötigt werden, ist der Kauf des Buches eine sehr gute Entscheidung. Prost!

Bewertung vom 18.02.2022
Einfach genial gesund
Manke, Matthias;Rose, Tarik

Einfach genial gesund


sehr gut

Es ist nie zu spät, sein Leben zu ändern
„Einfach genial gesund“ ist eine Gemeinschaftsproduktion der beiden Autoren Dr. Matthias Manke (dem Doc aus dem Revier) und Tarik Rose (dem Koch von der Elbe). Beide haben es sich zum Ziel gemacht, den Leser in kleinen Schritten zu Veränderungen zu bewegen. Wenn nur ein paar Dinge im Leben geändert werden, kann man ansonsten genussvoll weiterleben. Das ist die Idee hinter dem Buch. Um sie umsetzen zu können, wurde eine To-do-Liste mit 10 goldenen Regeln aufgestellt, die in einer Challenge näher erläutert werden. Zum einen muss Stress abgebaut werden, mehr Power auf den Teller, was bedeutet, Hände weg von gefährlichem Fast Food oder Alkohol. Je weniger wir davon konsumieren, je länger bleiben wir gesund. Wichtig ist auch, dass wir uns mehr bewegen, nicht hungern oder einseitige Diäten machen. Dem Leser wird nach den ersten 45 Seiten klar, dass ihm vieles nicht fremd ist, es allerdings bisher an der Umsetzung scheiterte. Danach folgen diverse Rezepte, vom gesunden Frühstück über herzhafte Sattmacher bis hin zu raffinierten Salaten und Snacks. Die Rezepte sind für mich persönlich etwas zu anspruchsvoll, um sie nach einem anstrengenden Arbeitstag auf den Teller zu bringen. Ich kann mir deren Umsetzung am Wochenende vorstellen, wobei ein gut angerichteter Salat eigentlich immer geht. In dem letzten Kapitel des Buches ist Schluss mit Ausreden und Aufschieben. Hier werden diverse Fitnessübungen vorgestellt, die man zu Hause oder am Arbeitsplatz in seinen Tagesablauf einbauen kann. Alles in allem hat mich das Buch motiviert, mich mehr zu bewegen und zu versuchen, alles etwas ruhiger angehen zu lassen. Ob es klappt wird sich mit der Zeit zeigen.

Bewertung vom 14.02.2022
Fuchsmädchen / Berling und Pedersen Bd.1
Grund, Maria

Fuchsmädchen / Berling und Pedersen Bd.1


gut

Die Suche nach einem grausamen Serienmörder
In einem Kalksteinbruch auf einer schwedischen Insel wird eines Tages die Leiche eines schwangeren jungen Mädchens gefunden. An ihrem Suizid besteht schon bald kein Zweifel mehr, denn eine Überwachungskamera hat die letzten Augenblicke ihres Lebens aufgezeichnet. Dann werden in kurzen Abständen weitere Leichen gefunden. Diese Menschen sind alle auf die gleiche Weise brutal mit einem Jagdmesser ermordet worden. Sanna Berling und ihre neue Kollegin Eir Peddersen ermitteln in alle Richtungen. Sanna glaubt an einen Zusammenhang zwischen dem Selbstmord und den Morden – ihr Vorgesetzter nicht. Das Mädchen hatte eine grausige Fuchsmaske getragen. Als die Ermittler in der Wohnung einer Ermordeten ein Foto finden, das sieben Kinder mit unterschiedlichen Tiermasken zeigt, unter anderem der Fuchsmaske, ist der Zusammenhang nicht mehr zu leugnen. Ganz verschiedene Menschen werden verdächtigt, weil sie Jahre zuvor mit einem Ferienlager für Kinder zu tun hatten. Im Lauf der Geschichte gibt es Hinweise, dass nicht nur die sieben Tiere für die sieben Todsünden stehen, sondern dass es im Lager seltsame Praktiken, Teufelsaustreibungen, Scheinhinrichtungen und unappetitliche Schlacht- und Blutspiele gegeben hat. Die Auflösung kann man schon wegen zahlreicher Handlungsumschwünge nicht erraten, auch wenn man vielleicht irgendwann ahnt, wer die Morde begangen hat.
Nach dem überschwänglichen Lob auf dem Cover war ich sehr gespannt auf den Roman. Er ist spannend, gar keine Frage, aber mir gefällt die blutige Gewaltorgie nicht, die der Geschichte um Bestrafung für schwere Schuld und Rache zugrunde liegt. Die Charakterisierung der Figuren, vor allem der beiden Ermittlerinnen ist dagegen gelungen. Beide sind wie so oft in skandinavischen Krimis und Thrillern beschädigte Persönlichkeiten: Sanna kämpft mit den Dämonen der Vergangenheit und wird nicht mit ihrem großen Verlust fertig, Eir hat Schwierigkeiten, ihre Wut zu kontrollieren und wird schnell gewalttätig. Außerdem kümmert sie sich um ihre drogenabhängige Schwester. Was mich noch stört, sind die sprachlichen Fehler, die das Lesevergnügen beeinträchtigen.
Fazit: Maria Grund erzählt eine düstere Geschichte mit zahlreichen Grausamkeiten. Der Roman ist für sensible Leser eher nicht geeignet.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.02.2022
So reich wie der König
Assor, Abigail

So reich wie der König


gut

Keine Chance im Leben ohne Geld
Abigail Assors erster Roman “So reich wie der König“ hat sie in Frankreich sofort sehr bekannt gemacht. Im Mittelpunkt steht die bildschöne 16jährige Französin Sarah, deren Mutter einige Jahre vorher in Marokko gestrandet ist, nachdem ihr Partner mit ihrem Geld verschwunden ist. Seitdem kann sie nur überleben, indem sie sich prostituiert. Auch Sarah setzt ihre Schönheit in ihrem gutsituierten Bekanntenkreis ganz bewusst ein, um nicht zu hungern und anständige Kleidung zu besitzen. Sie besucht eine französische Schule, wo niemand von ihrer Armut wissen darf.
Eines Tages lernt sie Driss kennen, dessen Familie sehr reich ist. Obwohl sein Äußeres ausgesprochen unattraktiv ist, beschließt Sarah, dass sie ihn heiraten wird. Driss lässt sich von ihr verführen, und sie werden ein verliebtes Paar. Driss ist sogar bereit, die Autorität seines Vaters herauszufordern und sich den Wünschen seiner Familie zu widersetzen.
Assor zeigt ein Porträt von Marokko in den 90er Jahren, wo nur Geld zählt und Macht verleiht. Es ist ein autokratischer Polizeistaat mit einem starren, völlig undurchlässigen Sozialsystem. Die junge Sarah durchschaut sehr genau, wie diese Gesellschaft funktioniert und verfolgt dennoch ihren Plan, gesellschaftlich aufzusteigen. Der Roman ist keine leichte Kost, vor allem wegen der detaillierten Darstellung sozialer Ungerechtigkeit und der exzessiven Gewalt gegen jeden, vor allem gegenüber Frauen. Weitere Themen sind Homosexualität, Antisemitismus und Drogen. Mir hat das Buch nicht besonders gut gefallen, weil mir beide Charaktere vollkommen unsympathisch waren: Sarah, die es auf das Geld von Driss abgesehen hat und nicht begreift, dass Reichtum nicht automatisch glücklich macht, worauf sie ein Dienstmädchen aufmerksam macht. Driss gibt sich der Illusion hin, er könne die Autorität seines Vaters in Frage stellen und dennoch von seinem Geld profitieren. Der Leser ahnt früh, dass für sie eine bittere Erkenntnis unausweichlich ist und freut sich, in einer demokratischen, etwas gerechteren Gesellschaft zu leben.

Bewertung vom 31.01.2022
Der Erinnerungsfälscher
Khider, Abbas

Der Erinnerungsfälscher


ausgezeichnet

Der lange Weg in eine neue Heimat
Said Al-Wahid lebt schon lange in Deutschland, ist mit der Deutschen Monica verheiratet und hat mit ihr den Sohn Ilias. Eines Tages erfährt er durch einen Anruf seines Bruders Hakim, dass seine Mutter nicht mehr lange zu leben hat. Da er sie noch einmal sehen will, macht er sich auf den Weg nach Bagdad. Unterwegs erinnert er sich an seine Kindheit im Irak, seine Flucht und die erste schwierige Zeit in Deutschland. Er hat immer seine Geschichte aufschreiben wollen, scheitert aber an den großen Erinnerungslücken. Er vergisst nämlich nicht nur einzelne Namen und Daten, er kann auch nicht unterscheiden, ob sich das, woran er sich erinnert, wirklich ereignet hat oder nicht. Dieser Verlust von Erinnerungen dient auch dem Selbstschutz. Sonst könnten die alten Wunden niemals heilen. Wenn er dieses Buch eines Tages schreibt, muss er sehr kreativ werden und beträchtliche Teile selbst erfinden.
Nach seiner Flucht aus dem Irak braucht er Jahre, bis er in Deutschland ankommt, und dann wird es auch nicht leichter. Nicht nur, dass er wegen seines fremden Aussehens auffällig oft von der Polizei kontrolliert wird, über sein Leben bestimmen Gesetze: „die befristete und die unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die Abschiebungsandrohungen, das Widerrufsverfahren, die Duldung, die Einbürgerung.“ (S. 19) Nicht einmal eine Geburtsurkunde für seinen Sohn wird ihm ohne weiteres ausgestellt. Da sind erst einmal Saids „derzeitige staatsangehörigkeitsrechtliche Verhältnisse zu beurteilen.“ (S. 22)
Nach der Lektüre von Khiders in Anlehnung an die eigene Geschichte geschriebenem Roman müsste eigentlich auch der Letzte wissen, dass Flüchtlinge nicht ohne Not ihre Heimat verlassen, um sich in Deutschland ein schönes Leben zu machen. “Der Erinnerungsfälscher“ beeindruckt und erzeugt hoffentlich viel Empathie. Sehr empfehlenswert.

Bewertung vom 31.01.2022
Der letzte Sommer in der Stadt
Calligarich, Gianfranco

Der letzte Sommer in der Stadt


gut

Porträt einer verlorenen Generation
Der junge Leo Gazzarra zieht von Mailand nach Rom, um bei einer Zeitung zu arbeiten. Bald wechselt er zum Corriere dello Sport. Er hat nie viel Geld, findet aber Freunde, die ihm eine Wohnung leihen und einen alten Alfa Romeo schenken. Vor allem zieht er mit ihnen durch die Bars, lernt jede Menge Frauen kennen und trinkt zu viel Alkohol. Er liebt Bücher, möchte selbst Schriftsteller werden oder einen Film drehen. Stattdessen lässt er sich ziellos treiben, statt seinen Tagen Struktur zu geben und sein Leben sinnvoll zu planen. Immer wieder macht er Versuche, sein Leben zu ändern, vor allem seinen Alkoholkonsum zu reduzieren, aber ohne nennenswerten Erfolg. Eines Tages lernt er bei einer Party die sehr attraktive, exzentrische Arianna kennen. Sie wird die Liebe seines Lebens, aber sie ist so wenig greifbar wie die Stadt, die er so sehr liebt.

Calligarichs 1973 erschienener Roman weist deutlich autobiografische Züge auf, denn sein Autor ging einen ähnlichen Weg wie der Ich-Erzähler Leo Gazzarra. Der Roman wurde gefeiert und zum Kultbuch ernannt, dann aber schnell wieder vergessen. Mich hat das Buch nicht begeistert, und es ist für mich schwer nachvollziehbar, was diesen Roman zum Meisterwerk macht. Die Identifikation mit den Figuren fällt schwer. Einzig das Porträt von Rom in den 70er Jahren mit seinen imposanten Bauwerken und der speziellen Atmosphäre bleibt mir positiv im Gedächtnis genauso wie die Beschreibungen des Meeres als Sehnsuchtsort des Protagonisten, aber das reicht mir nicht so ganz.