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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Hennie
Wohnort: 
Chemnitz

Bewertungen

Insgesamt 260 Bewertungen
Bewertung vom 13.12.2021
Was uns schmeckt
Gladwin, Laura

Was uns schmeckt


ausgezeichnet

IRDISCHE KÖSTLICHKEITEN
Schon die Aufmachung des großformatigen Buches fällt sofort ins Auge. Davon war ich sehr angetan. Das setzte sich im Inneren von Seite zu Seite bis zum Ende fort.
Die illustrierte Übersicht erfolgt in ungefährer Reihenfolge zu Obst, Tropischen Früchten, Gemüse, Fleisch, Fisch, Milch, Käse und vielem mehr. Wie es schon auf dem Cover vermerkt ist, werden über 1000 leckere Sachen nicht nur vorgestellt, sondern auch erklärt. Es sind irdische Köstlichkeiten!
Nicht nur die Kinder erfahren eine Menge über Essbares, Nahrungsmittel, Speisen und Gerichte rund um die ganze Welt – alle Altersgruppen können hier dazu lernen. Es werden Fragen beantwortet, aber es stellen sich auch viele neue. Mir als Großmutter begegneten beispielsweise auch noch unbekannte Begriffe, Bezeichnungen, die ich noch nie hörte genauso wie fremde Früchte- und Gemüsesorten.
Es ist ein lehrreiches Werk über die Esskultur, in dem Wissen vermittelt zu Proteinen, Kohlehydraten, Fetten, zur Verarbeitung und Zubereitung von Speisen. Sehr umfangreich und anschaulich sind die Themenbereiche (s.o.) dargestellt. Eine kleine Auswahl gebe ich hier mit Getreide, Hülsenfrüchte und Brot. Dazu werden süße Sachen wie Kuchen, Torten, Kekse und Nachspeisen nicht vergessen. Ebenso wenig wie Gewürze, Kräuter und Aromen oder Öl, Essig, Zitronensaft und die vielfältigen Zutaten zum Backen, Braten. Ich habe noch kein vergleichbares Buch für Kinder und Jugendliche gesehen. Deshalb nenne ich es wertvoll. Lobend möchte ich zur Autorin Laura Gladwin, die Illustratorin Zoë Barker und die Übersetzerin Ursula Heinzelmann erwähnen. Ihnen gemeinsam gelang ein wunderbares Werk. Vielleicht wird es mal ein Klassiker!

Am Ende des Atlas der Genüsse werden verschiedene Rezepte (nicht wie herkömmlich zu verstehen!) vorgestellt, Hinweise gegeben zum Kreieren von eigenen Speisefavoriten. Damit kann jeder seine Gerichte einzigartig gestalten.

Mir gefällt dieses Buch, was ich Lexikon des Hochgenusses nennen möchte, außerordentlich gut. Jederzeit empfehle ich es als Geschenk. Es verdient die Höchstbewertung und meine nachdrückliche Lese- und Kaufempfehlung!

Bewertung vom 17.11.2021
Was bleibt, wenn wir sterben
Brown, Louise

Was bleibt, wenn wir sterben


ausgezeichnet

Alltag mit dem Tod
In „Was bleibt, wenn wir sterben" berichtet Louise Brown von ihrem Alltag mit dem Tod, von den Begegnungen mit Menschen, die einen Verlust erlitten haben, von der Auseinandersetzung mit Trauer und Tod, von der Endlichkeit unseres Lebens... Sie erzählt von ihren Erfahrungen als trauernde Tochter und wie sie schließlich zu ihrer Berufung kam.

Louise Brown schreibt über das diffizile Thema sehr umgänglich, ihre Empathie kommt deutlich zum Tragen. Sie hat die soziale Kompetenz dazu. Aus ihrer eigenen Trauer und deren schwerwiegenden Bewältigung heraus wurde sie Trauerrednerin. Des Öfteren kommt sie auf das eigene Erleben des plötzlichen Verlustes ihrer Eltern innerhalb kurzer Zeit zurück. Sie versteht das fundamentale Erlebnis des Sterbens und des Todes mit dem Leben in Einklang zu bringen. Ich fühlte mich in meinen Verlusten persönlich angesprochen.
Das Buch wurde in drei Teile gegliedert: 1. Teil – Konfrontation mit dem Tod; 2. Teil - Leben mit der Trauer; 3. Teil – Die Endlichkeit annehmen. Die Teile wiederum enthalten Kapitel mit aussagekräftigen Überschriften.
Mit einfachen Sätzen spricht sie einfache Wahrheiten aus und konfrontiert mit dem Tod. Ich verstehe zutiefst, was sie ausdrücken möchte. Ihre Erkenntnisse, ihre Erfahrungen teilt sie unaufdringlich mit und zeigt z. B. auf, dass Erinnerungen an den Verstorbenen/die Verstorbene auch aus unperfekten Momenten bestehen und schön sein können.
Eingeschlossen sind solche bitteren Erkenntnisse, dass nichts im Leben beständig ist und Liebe immer Verlust bedeutet. Die Autorin zeigt z. B. auf, dass Erinnerungen, Gedanken, Gefühle im Zusammenhang mit dem Verstorbenen auch aus unperfekten Momenten bestehen und durchaus auch schön sein können.
Schließlich gab mir das Buch auch Einblicke in die verschiedensten Möglichkeiten, wie wir die Trauer bewältigen, wie wir damit umgehen und uns mit Würde von den Verstorbenen verabschieden können. Es gab einige Stellen, die mich sehr ergriffen haben, mir ans Herz gingen, die mich tief erwischten.
Mir gefällt Louise Browns Schreibstil. Da kommt ihr ganz sicher ihr Beruf als Journalistin sehr gelegen. Sie schreibt angenehm, findet tröstliche, berührende Worte, bleibt stets authentisch. Sie findet eine wohltuende Leichtigkeit im Umgang mit dem schweren Thema. Ich habe mir wunderbare Sätze festgehalten. Sie selbst zitierte oft. Ein Zitatnachweis ist am Ende zu finden. „Was bleibt, wenn wir sterben" erhält einen würdigen Platz in meinem Bücherregal.

Fazit:
Das kleine Buch war für mich voller aufrichtiger Empfindungen und es störte mich überhaupt nicht, dass immer wieder auf den Tod der Eltern bzw. auf ihr Leben Bezug genommen wurde. Nach meinem Empfinden gelang es Louise ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen.
Das Interview am Ende gibt mir noch mehr Aufschluß über die Autorin und ihre Beweggründe über das Thema zu schreiben. Mir wurde noch einiges klarer.
Zum Titel: Es gibt eine Menge, was von uns bleibt! Jeder Mensch ist einzigartig und besonders!

Das Buch ist kein Ratgeber, kein Sachbuch, den roten Faden sehe ich in den vielseitigen Vorschlägen der Unterstützung in einer schweren Zeit. Der Tod ist wie das Leben sehr individuell! Jeder kann hier etwas für sich finden! Ich kann das Buch für alle empfehlen.
Deshalb die Höchstbewertung!

Bewertung vom 02.11.2021
Meeressarg / Fabian Risk Bd.6
Ahnhem, Stefan

Meeressarg / Fabian Risk Bd.6


ausgezeichnet

Zwei Tote im Kopenhagener Hafenbecken
Mit "Meeressarg" legt der schwedische Autor Stefan Ahnhem bereits den sechsten Band aus der Fabian-Risk-Reihe vor.

Allerdings bildet nicht Kommissar Fabian Risk den Mittelpunkt, sondern die Handlungsebenen verteilen sich auf zwei weitere Protagonisten, die in den vorangegangenen Bänden wesentliche Rollen spielten. Da ist zum einen der Polizeichef von Kopenhagen - Kim Sleizner – und zum anderen die Expolizistin Dunja Hougard, die aus dem Untergrund gegen ihren ehemaligen Chef ermittelt.
Der Autor hat viel an Aktionen in seinen Krimi hineingepackt. Noch dazu zwingt die kompakte, konzentrierte Erzählweise Ahnhems den Leser sehr aufmerksam den Inhalt zu verfolgen. Zum vollen Verständnis sollte die Reihe nacheinander gelesen werden. Für mich bedeutete es vollen Lesegenuß. Die Vernetzung der Handlungsorte sowie die Verzahnung der Handlungsstränge mit den drei charakteristischen Hauptfiguren habe ich als genial empfunden. Die Charaktere von den Haupt- bis zu den Nebenfiguren sind hervorragend ausgearbeitet. Sie sind sehr verschieden und damit wunderbar realistisch. Das gilt auch für den fiesesten Menschen von allen. Kim Sleizner verkörpert den Prototyp des negativen Charakters. Er ist arrogant, hinterhältig, unvorstellbar brutal, korrupt bis in jede Pore, ein mit allen Wassern gewaschener Unmensch, wie ich es nicht für möglich gehalten habe. Ihm bleibt unerklärlicherweise stets ein Hintertürchen offen! Was für ein unvorstellbarer Filz in den besten Kreisen!
Ahnhem gelingt es den roten Faden sowohl bei den vielen Geschichten als auch bei den handelnden Personen immer im Blick zu behalten.

Fazit:
Zuallerst spannend bis zur letzten Zeile!
Der Kriminalroman wird klar und logisch in allen seinen Handlungssträngen weitergeführt. Das gilt ebenso für die Verbindung zwischen den Ländern Schweden (Helsingborg) und Dänemark (Helsingör) und deren Ermittler samt Team.

Das ist ein Krimi, den ich allen Fans mit bestem Gewissen mit Höchstbewertung empfehlen kann.

Bewertung vom 21.10.2021
Das Leben, ein großer Rausch / Die Polizeiärztin Bd.2
Sommerfeld, Helene

Das Leben, ein großer Rausch / Die Polizeiärztin Bd.2


ausgezeichnet

Powerfrauen in harter Zeit
Es geht nahtlos weiter: „Das Leben, ein großer Rausch" ist der zweite Teil der Magda Fuchs Reihe. Der 2. Band schließt nahtlos ans Geschehen an, nachdem mit einem hochgradig neugierig machenden Cliffhanger geendet wurde. Eine lange Wartezeit entstand bis zur Möglichkeit des Weiterlesens.

Den Mittelpunkt bildet nach wie vor Magda Fuchs, eine junge Frauenärztin, die engagiert ihren Beruf ausübt und zusätzlich im Dienst der Polizei das schlechtbezahlte Amt einer Polizeiärztin erfüllt. In der schwierigen Zeit der Inflation eröffnet sie in Charlottenburg ihre eigene Praxis. Dabei kommt ihr der Zufall zu Hilfe. Sie übernimmt die Praxisräume des verstorbenen Mannes ihrer Pensionswirtin Agnes Fahrland. Über mangelnde Arbeit und die auch noch unter schwierigsten Bedingungen kann sie sich nicht beklagen.
Um Magda herum entwickelt das Autorenduo Helene Sommerfeld weiterhin eine grandiose Authentizität, die mir die Realität im Berlin Anfang der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts recht nah brachte. Der rote Faden verbindet die verschiedenen Charaktere, die mal mehr und mal weniger mit der Ärztin in Kontakt stehen. Ich las nun sehr erwartungsvoll weiter über die Entwicklung Magdas und die der anderen weiblichen Personen: Doris, Ina, Celia, Erika. Auch über die Männer wird berichtet. Am besten gefiel mir wiederum der junge Kommissar Kuno Mehring, der genau wie Magda leidenschaftlich, engagiert und mit Erfolgswillen in seinem Beruf agiert. Sie arbeiten zusammen und ergänzen sich hervorragend, was sich natürlich auch im Privatleben niederschlägt. Ihre Harmonie ist beeindruckend.
Sehr anschaulich und lebensecht erfährt man von den Jahren zwischen 1922 bis 1924. Dabei werden neben dem überbordenden Reichtum (z. B. Familie Hinnes) auch Berlins Schattenseiten beleuchtet, die unvorstellbare Armut, Hunger und Elend, die grausamen Schicksale von Frauen und Kindern, deren aussichtlose Notlagen im familiären Umfeld. Kriminelle Auswüchse wie Mord, Totschlag, Kinderhandel sind an der Tagesordnung. Die sozialen Umstände für die unteren Schichten sind katastrophal und jede Hilfe, die Magda und Ina Dietrich, die Fürsorgerin, den Frauen zukommen lassen, erscheint wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Bildung und Aufklärung tut Not, um kleine Verbesserungen des Lebensnivaus zu erreichen. Es ist ein weiter Weg!

Die Covergestaltung gefällt mir gut. Nach dem auffallenden Grün nun ein Titelumschlag in sattem Rot. Der Untertitel „Das Leben, ein großer Rausch“ läßt sich weiterführen. Auf der einen Seite sind da die grandiosen Verführungen, der Rausch des Lebens, die zum Beispiel Doris bis zum Exzeß genießt. Das wird ihr fast zum Verhängnis.

Fazit:
Sehr gute Erzählung über die Jahre 1922 bis 1924 mit all seinen Schrecken bis hin zur historischen, beispiellosen Inflation.
Epochale Geschichte wird eingebettet in den Werdegang von jungen Frauen.

Ich fühlte mich wieder hervorragend unterhalten und war traurig als ich am Ende des Buches angekommen war. Nun heißt es erneut warten auf Band 3, der im März 22 erscheint. Allerdings freue ich mich sehr darauf.

Von mir gibt es die Höchstbewertung und die unbedingte Kauf- und Leseempfehlung!

Bewertung vom 20.10.2021
Jahre der Hoffnung / Kinderklinik Weißensee Bd.2
Blum, Antonia

Jahre der Hoffnung / Kinderklinik Weißensee Bd.2


ausgezeichnet

Große Herausforderungen
Teil zwei beginnt mit dem Kriegsjahr 1914 und gibt einen kurzen Einblick in die euphorische Zeit der Mobilmachung. Deutschland hatte Rußland den Krieg erklärt. Auch ihr Verlobter Dr. Maximilian von Weilert erhielt den „Gestellungsbefehl“ und wird als Arzt in einem Lazarettzug arbeiten. Marlene ist im Medizinstudium. Max möchte eine Nothochzeit, um sie versorgt zu wissen. Doch daraus wird nichts...

Es geht weiter mit den beiden Lindow-Schwestern im Jahr 1918. Marlene hat ihr Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen, arbeitet nun für ein Jahr als Medizinalpraktikantin in der Kinderklinik Weißensee. Sie, ihre Schwester Emma und die Kinderkrankenschwestern haben an vielen Fronten zu kämpfen. Es fehlen Ärzte. Max kommt äußerlich unverletzt, aber total wesensverändert aus dem Krieg.
Die Spanische Grippe erfaßt epidemisch ganz Berlin, d. h. die Kinderklinik muss zur Seuchenklinik umfunktioniert werden. Obendrein erkrankt Emmas kleiner Sohn schwer. Als ob das alles nicht ausreicht, kommen noch andere Probleme hinzu.

Der zweite Band hat mir noch besser gefallen als das erste Buch der Reihe. Die Charaktere und ihre Handlungsweisen sind ausgefeilter, detail- und nuancenreicher ausgearbeitet. Antonia Blum führt die Erzählung nahtlos fort. Sofort war ich wieder mit den handelnden Personen vertraut. Historie wird lebendig gestaltet mit Personen aus Fleisch und Blut. Ich fühlte mich mittendrin, in den Abläufen des Klinikalltags, im Lazarettzug mit Max bei den schrecklich leidenden Kriegsverletzten, in der privaten Umgebung der Protagonisten. Vieles findet bei der Autorin authentische Beachtung durch genaueste Recherche: die Fortschritte in der Medizin, hier vor allem die Säuglings- und Kinderheilkunde, die Rolle der Frau in der patriarchalischen, männerdominierten Gesellschaft bis hin zur Mode und der Musik der Zeit. Die persönlichen Schicksale, die sozialen Umstände verbindet sie mit den gesellschaftlichen Verhältnissen. 1918 war das Kaiserreich Geschichte. Die neue Zeit brachte mit der politischen Veränderung auch gewaltige Umbrüche mit sich.
Mir hat es sehr gefallen, wie die meisten Frauen in ihrer Stärke von der Autorin dargestellt wurden. Neben Marlene, die sich gegen den selbstherrlichen, eitlen Dr. Buttermilch zur Wehr setzt, oder Emma, die examinierte Kinderkrankenschwester und alleinerziehende Mutter, sind das für mich Oberin Hanny Polsfuß, Stationsschwester Vera und auch die Vermieterin Frau Schlawinski. Sehr schön wieder der Portier Willy Pinke mit seinem Wellensittich Jacky – er ist so ein warmherziger, lieber Mensch. Ein waschechter Berliner mit dem typischen Dialekt. Es bleibt offen, ob er in seiner Funktion noch weiter arbeiten wird.
Das Buch endet hoffnungsfroh, aber mit einer sehr neugierig machenden Wendung.

Ich freue mich nun sehr auf die Fortsetzung „Kinderklinik Weißensee – Tage des Lichts", die aber erst im September 2022 erscheinen wird.

Bewertung vom 05.10.2021
Abgetrennt / Paul Herzfeld Bd.3
Tsokos, Michael

Abgetrennt / Paul Herzfeld Bd.3


sehr gut

Lesenswerter Abschluß der Trilogie
„Abgetrennt“ von Michael Tsokos (Deutschlands bekanntestem Rechtsmediziner) ist der letzte Band der Trilogie um Paul Herzfeld.

Wie schon in den beiden Teilen zuvor erzählt der sachkundige Autor spannend und lebendig. Hier sind es dubiose Leichenteile, die gleich zu Beginn im Prolog eine wichtige Rolle spielen. Mit großer Brisanz wird der/die Lesende durch das Geschehen geführt. Dabei geht der rote Faden nie verloren, obwohl neben der explosiven Haupthandlung (im wahrsten Sinne des Wortes) noch Fälle aus dem ganz normalen Arbeitsalltag in der Rechtsmedizin untersucht werden.

Ein altbekannter, hochgefährlicher, totgeglaubter Serientäter meldet sich aus der Versenkung und schmiedet Pläne, um Herzfeld spektakulär aus dem Weg zu räumen.

Die kurzen Kapitel mit den Angaben zu Datum/Zeit/Ort ließen mich schnell mit dem Lesen vorankommen. Der ständige Wechsel zwischen den Schauplätzen sowie zwischen den unterschiedlichen Personen tragen erheblich zum schnellen Weiterlesen bei.
Die Charaktere sind vorzüglich dargestellt. Ich konnte sie mir gut vorstellen. Allein Heinrich von Waldstamm, ein junger Sektionsassistent, war für meinen Geschmack etwas überzeichnet. Diese Person und ihr Verhalten wurde mehrmals mit fast dem gleichen Wortlaut beschrieben. Trotz seiner Jugend war er mir zu naiv, zu unbedacht. Ihm fehlte anscheinend vollkommen die Vorausschau seiner gewagten Aktionen.
Insgesamt merkte ich dem Thriller an, dass hier ein Experte berichtet. Detailliert und fachspezifisch erfolgen die Informationen zu den Obduktionen. Auch über die spezifischen Gerüche werden wir nicht im Unklaren gelassen.

Für mich ein sehr unterhaltender Abschluß der Reihe um Rechtsmediziner Paul Herzfeld. Schade, dass sie nun zu Ende ist. Eigentlich könnte es ja weitergehen, ist doch ein krimineller Aspirant entkommen!

Meine Bewertung: 4 von 5 Sternen und die Empfehlung für alle Thrillerfans.

Bewertung vom 01.10.2021
Gegen alle Regeln / Strafverteidiger Pirlo Bd.1
Bott, Ingo

Gegen alle Regeln / Strafverteidiger Pirlo Bd.1


sehr gut

Ohne Regeln! Alles erlaubt?
Den ersten Band der neuen Anwaltsreihe "Pirlo: Gegen alle Regeln“ las ich in einer Leserunde.
Vom ersten Leseabschnitt war ich von den Protagonisten Anton Pirlo und Sophie Mahler angetan. Der Zwiespalt, in dem sich Pirlo mit seinen kriminellen Brüdern befindet, kommt recht gut zur Geltung. Sophie erscheint mir als recht unkompliziert, fast pragmatisch. Mit der Wohnzimmerkanzlei Pirlos findet sie sich schnell ab und mit seiner leicht überheblichen Art und Weise sowie seiner unkonventionellen Arbeitsweise kommt sie klar.

S. 115 „Der Typ ist eine Herausforderung. Aber sie arbeitet gern mit ihm zusammen.“

Die Zeitsprünge stören mich entgegen anderer LeserInnen nicht. Durch die Überschriften erfolgte vom Autor eine klare Definierung und Abgrenzung. Dadurch wußte ich immer, in welchem Monat ich mich gerade befand.
Was mich allerdings nervte, waren die Brüder Pirlos. Sie werden ihn ganz sicher noch in der Zukunft in große Schwierigkeiten bringen. Durch Rückblicke in die Vergangenheit erhält man sowohl zu Pirlos als auch zu Sophies Familienverhältnissen einiges an Informationen. Pirlo ist Libanese, heißt eigentlich Ramzes Khatib. Wie es zur Namensänderung kam und auch andere Umstände erfährt man zunächst noch nicht. Sie werden im nächsten Band ganz bestimmt aufgeklärt werden. Hier wurde das erst einmal so festgemacht. Wie konnte Pirlo die juristische Laufbahn einschlagen, Strafverteidiger werden mit einem kriminellen Familienclan-Hintergrund? Das ist sehr ungewöhnlich und bedarf Antworten.
Gemeinsam mit Sophie gelingt es Pirlo nach vielen Unanehmlichkeiten die extrem unsympathische Angeklagte Marlene von Späth frei zu bekommen.

Zum Cover:
Es paßt zum Inhalt - Ein adretter Mann im Anzug mit wahrscheinlich Prozeßakten in der rechten Hand hinter mehrfach gesprungener Glasscheibe.

Fazit:
Ein Krimi, der mich trotz vieler Klischees gut unterhalten hat. Unglaubliche Handlungen, vollzogen durch den Hauptdarsteller Pirlo, machen den Roman spannend. Am Ende des Buches bleiben für mich vorerst viele Fragen offen. Bis zu Band 2 im August 2022 vergeht noch viel Zeit. Hoffentlich werde ich mich dann noch erinnern!?

Ich vergebe vier von fünf Sternen und die Kauf- bzw. Leseempfehlung für alle Freunde von Anwaltkrimis!

Bewertung vom 27.09.2021
Das letzte Bild
Jonuleit, Anja

Das letzte Bild


ausgezeichnet

Das Mädchen, das verlorenging
„Das letzte Bild" ist ein Roman, der wie ein Krimi daherkommt. Anhand eines realen, aber ungeklärten Falles entwickelte Anja Jonuleit die fiktive Geschichte der Margarete Gruber. Am 29. November 1970 wird in Norwegen im Isdal (deutsch: Eistal) eine halbverbrannte Frauenleiche gefunden. Bis heute sind die Identität und die Todesumstände der Isdal-Frau ungeklärt.

Mit großem Rechercheaufwand, der am Ende des Buches eindrucksvoll verzeichnet wird, hat die Autorin ihre nachvollziehbare Version der Geschichte der unbekannten Toten hier erzählt. Ich finde, dass sie das ganz toll gemacht hat.

In kürzester Zeit fühlte ich mich tief in den Roman hineingezogen. Durch die unterschiedlichen Schriftarten waren die beiden hauptsächlichen Zeitebenen für mich deutlich abgegrenzt. In einer dritten Handlung wird noch kurz in die Kriegsjahre geblendet und die Umstände aufgezeigt, wie das kleine Mädchen „verlorengeht".
Die Sichtweisen wechseln sich ständig ab. Einmal berichtet Margarete aus der Vergangenheit, aus der Zeit um 1970 und zum anderen begleiten wir Eva in der Gegenwart auf der Suche nach der Wahrheit. Wie kam ihre Tante ums Leben? Wer hat ihren Tod gewollt? Und warum? Mit Evas Reaktion, nachdem sie in der Zeitung das Foto sieht, dass soviel Ähnlichkeit mit ihrer Mutter Ingrid und auch mit ihr hat, konnte ich mich voll identifizieren. Ich hätte auch sofort und auf der Stelle wissen wollen, was es damit auf sich hat.
Manchmal fühlte ich mich so, als wäre ich mit Eva auf Recherche. Dabei konnte ich ihre gelegentliche Ungeduld, ihr Unverständnis gegenüber Zeitzeugen und deren Nachkommen voll verstehen.
Die „Lebensborn"- Thematik hatte ich bisher nur am Rande mitbekommen und habe mich nun damit beschäftigt. Es geht u. a. um die Verschleppung von Kindern aus dem Ausland und ihre zwangsweise Eindeutschung.
Die Bemerkungen (datiert 2018) vor einigen Kapiteln, die sich auf den realen Fall beziehen, fand ich informativ. Vielleicht kommen doch noch die wahren Umstände ans Licht?

Fazit:
Die mysteriöse Geschichte wird sehr realistisch und spannend erzählt. Es könnte der Isdal-Frau so ergangen sein! Mancher Krimi ist nicht so fesselnd!

Für mich ein Roman, der die Höchstbewertung verdient. Ich vergebe gern meine Lese- und Kaufempfehlung!

Bewertung vom 20.09.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


ausgezeichnet

Martins Bestimmung
Martin, der 11jährige Junge, erlitt in seiner frühen Kindheit ein furchtbares Schicksal. Nur er blieb von der Familie übrig, nach dem der Vater sie alle umbrachte. Obwohl allein, meiden ihn die Dorfbewohner. Sie halten seinen treuen Gefährten, den schwarzen Hahn, für den Teufel. Das hält sie jedoch nicht davon ab, sein reines Herz und seinen wachen Verstand für ihre Zwecke auszunutzen. Schließlich verläßt Martin mit dem Maler den Ort, um seiner Bestimmung zu folgen.Er will einem immer wiederkehrenden, schrecklichen Geschehen ein Ende setzen. Er zieht aus, um gegen Unrecht und Bosheit zu kämpfen!

Wie durch ein Wunder bewahrte der Junge sein sonniges Gemüt. Er ist eine wahre Lichtgestalt in all dem Dreck, Gestank, in dem allgegenwärtigen Aberglauben vor Dämonen und Geistern, in der Unwissenheit bis zu der unvorstellbaren Dummheit. Auf seinem Weg lernt er die Folgen des Krieges, das Verderben, die Verrohung, die abgrundtiefe Gemeinheit der Menschen kennen. Sein verläßlichster Vertrauter, seine Zuflucht, sein ein und alles auf all seinen Wegen ist für ihn der schwarze Hahn, der auch sprechen kann. Durch seine natürliche Intelligenz und Gewitztheit kämpft sich das Kind durch all das Elend. Er beobachtet, analysiert und ordnet ein! Martin ist genial.

Der Debütroman von Stefanie vor Schulte begeistert mich. Die Erzählweise gefällt mir. Sie kommt daher wie im Stil der alten Märchen. Die Geschichte hat etwas Besonderes, verbindet das Alte mit dem Neuem, irgendwie zeitlos, obwohl scheinbar im Mittelalter verortet, anwendbar auch im Hier und Heute. Sie ist sehr metaphorisch, sinnbildlich.
Die Gegensätze zwischen gut und böse, schön und häßlich u.s.w. sind hier sehr deutlich herausgearbeitet.
Die Autorin erzählt Martins Geschichte ausdrucksstark in kurzen, prägnanten Sätzen. Die Charaktere sind zum großen Teil skurril (besonders die Fürstin, der Thomanns). Der Roman hat nicht viele Seiten, aber wurde sehr kreativ geschrieben und läßt vielfältige Interpretationen zu. Immer wieder sind mir Bezüge u. a. zu bekannten Märchen aufgefallen.

Fazit:
Das ist eine Erzählung, die ich in erster Linie als Märchen verstanden habe, mit Elementen aus Fabel, Legende, Parabel und in enger Symbiose mit diesen.
„Junge mit schwarzem Hahn“ beinhaltet eine Menge an Symbolik und Metaphern, dass es sich meiner Meinung nach lohnt, das Büchlein immer mal wieder zu lesen. Ich habe die Geschichte zwar aufmerksam verfolgt, aber ich bin mir sicher, dass ich nicht alles an Feinheiten erfaßt habe.

Für mich ist dieses Debüt bemerkenswert und verdient die hochgradigste Beachtung mit voller Sternenanzahl. Von mir gibt es die unbedingte Lese- und Kaufempfehlung!

Bewertung vom 11.09.2021
SCHWEIG!
Merchant, Judith

SCHWEIG!


sehr gut

Die Haßliebe zweier Schwestern
Das weiße Cover, sparsam illustriert mit Vögeln in der Luft und Bäumen, die aus den Buchstaben des Titels wachsen, paßt in seiner Schlichtheit sehr gut zur Geschichte. Es ist ein Hingucker und fällt in den Buchhandlungen sofort ins Auge!

Die Geschichte beginnt damit, dass Esther einen Tag vor Heiligabend zu ihrer jüngeren Schwester fährt, um ihr ein Geschenk und eine Flasche Wein zu bringen. Obwohl Esther im vorweihnachtlichen Stress steckt, noch tausend Dinge zu tun sind, macht sie sich auf. Sue ist frisch geschieden, wohnt mutterseelenallein in einem riesigen Haus mitten im Wald. Kaum angekommen, merkt Esther, dass sie nicht willkommen ist. Die kleine Schwester, um die sie sich seit der Kindheit kümmert, will sie ganz schnell wieder loswerden. Doch sie bleibt, es kommt zur Aussprache und es endet in einem Fiasko...

Judith Merchant entwirft die Psychografien zweier Schwestern, die ihre traumatischen Kindheitserlebnisse nie verarbeitet haben. Die Analyse durch die Autorin erfolgt sehr geschickt, in dem sie die Geschehnisse aus verschiedenen Aspekten des Erlebten ableitet.
Aus der Sicht dreier Personen entwickelt sich schnell eine beklemmende Dynamik. Da sind zum einem vornehmlich die Perspektiven von Sue und Esther, aber auch Martin, der Ehemann Esthers kommt zu Wort. Aus dem jeweiligen Blickwinkel liest man deren Wahrheit. Eine unheimliche Stimmung wird dadurch erzeugt, die durch die äußeren Umstände noch verstärkt werden - die Winterlandschaft, der Schneesturm, das einsame Haus im Wald...
In kurzen Kapiteln werden Gedanken, Beweggründe aufgeworfen, Begebenheiten aus der Vergangenheit erzählt. Und dann ist es doch anders als vermutet.
Mit klarem Schreibstil führt die Autorin den Leser zielgerichtet auf das überraschende Ende hin, das sehr abrupt kommt. Mir ist das nicht ganz einleuchtend bei dem emotional schwierigen Verhältnis der beiden Schwestern.

Fazit:
Mit wenigen Personen wird ein Psychothriller geformt, der durch zwischenmenschliche Beziehungen der besonderen Art zur Katastrophe führt.