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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Hennie
Wohnort: 
Chemnitz

Bewertungen

Insgesamt 268 Bewertungen
Bewertung vom 25.02.2022
Aurora und die Sache mit dem Glück
Weeks, Sarah

Aurora und die Sache mit dem Glück


ausgezeichnet

Übermittlung wertvoller Botschaften
Aurora st ein liebenswertes, freundliches Mädchen, das etwas seltsam ist und verschiedene Marotten pflegt. Deshalb wird sie von ihrer Mutter von klein auf betüttelt und umsorgt. Deshalb meint der Vater:
„Sie wird nie lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, wenn du immer da bist, um sie aufzufangen, bevor sie fällt.“ (S. 29)
Sie selbst weiß, dass sie komisch ist. Sie lebt in der Kleinstadt Liberty und dort hat sie ihren Ruf weg.
(S. 35 ) "Ich war sonderbar, aber nicht autistisch.“ Ihr bester Freund heißt Duck. Sie liebt den kleinen Hund.

Sarah Weeks gelang es eine wunderbare Geschichte zu schreiben. Mit der heranwachsenden Aurora stellt sie eine Protagonistin vor, die wertvolle Erfahrungen macht über den Zusammenhalt in der Familie, über das Glück eine solche zu haben, über den Wert von Freundschaft, Gemeinsamkeit, Solidarität u.v.mehr. Sie erzählt das mit einer herrlichen Leichtigkeit. Ich flog nur so durch die Seiten und fieberte mit Aurora mit, ob sie ihr Hündchen wiederfindet oder ob sie ihre Eifersucht auf die Pflegetochter Heidi überwindet.
Das Schönste zum Schluß ist das versöhnliche Happyend!

Das Cover mit dem hellblauen Hintergrund finde ich schön. Im Mittelpunkt befindet sich ein Bettelarmband, das wie die Dinge, die daran hängen eine mehr oder weniger tragende Rolle im Buch spielen (außer natürlich die Buchstaben des Hanser-Verlages!). Ganz zentral sieht man Aurora selbst von hinten mit einer roten Kappe und rechts unten ein Glöckchen, das auch wichtig ist.

Das Buch übermittelt wertvolle Botschaften. Es ist eine tolle Geschichte für Jugendliche und alle Junggebliebenen! Ich vergebe meine Höchstbewertung.

Bewertung vom 18.02.2022
Unser kostbares Leben
Fuchs, Katharina

Unser kostbares Leben


sehr gut

Was hat sich verändert?

Für mich als Ostdeutsche und in den 50er Jahren Geborene war es eine interessante Zeitreise in das Westdeutschland der 70er und 80er Jahre.

Die umfangreiche Geschichte gefiel mir gut, auch weil die Protagonisten ausführlich vorgestellt werden. Da sind in erster Linie die beiden zehnjährigen Mädchen Caro Stern und Minka Schönwetter. Beide stammen aus gutsituierten Elternhäusern und haben jeweils mehrere Geschwister. Vater Stern führt als Generaldirektor die örtliche Schokoladenfabrik und Vater Schönwetter ist der Bürgermeister von Mainheim. Die dritte Hauptfigur wird uns mit der Vollwaise, der Vietnamesin Claire vorgestellt, die als „Boatpeople" in die Bundesrepublik kam und im Kinderheim des Ortes ihre neue Heimat findet. Es sind also im wesentlichen die drei Mädchen neben vielen anderen wichtigen Charakteren, die in dem über 600 Seiten starken Roman die Hauptrollen spielen. Wir begleiten sie ab 1972 bis 1983, wo sie ihren Platz im Leben und ihre Berufung gefunden haben.

Für mich war es die erste Begegnung mit einer Geschichte von Katharina Fuchs. Ihr Schreibstil und die Darstellung ihrer Charaktere in dem geschichtlichen Kontext sagen mir sehr zu. Ich vermochte mir ein lebendiges Bild der kleinen Stadt Mainheim und ihrer Bewohner anhand ihrer plastischen Schilderungen machen. Das sind z. B. die besonderen Luftverhältnisse im Ort, die sich je nach Windrichtung ändern. Einmal ölig und süßlich durch die Schokoladenfabrik Cassada oder beißend, brennend für die Atemwege durch die Schadstoffe des Pharmaunternehmens Ruberus AG. Sechs Männer und indirekt eine Frau bestimmen die Geschicke des Ortes und damit auch die Lebensläufe der Bewohner. Obwohl die Chemiedämpfe der Ruberus AG die Bürger Mainheims quälen, wird nichts unternommen. Es gibt keinen Widerspruch, keine Proteste, nur Fenster und Türen zu. Sie schweigen, sie dulden. Es wird hingenommen!

Der Roman unterteilt sich in 3 große Abschnitte (I. Buch: Mainheim, 27. April 1972; II. Buch: Mainheim, September 1976; III. Buch: 1980). Dazwischen erfährt man ausführlich durch Kapitelüberschriften mit den Namen der handelnden Personen in ausführlicher Weise über die Geschehnisse der Zeit einschließlich der Infos über Mode, Musik, Einrichtungsgegenstände und bekannte Label für Konsum und Haushalt. Die ganz großen Themen der damaligen Zeit finden viel Raum in der Erzählung: Umwelt- und Naturschutz, Tierversuche, Medikamentenexperimente an Kindern, die Wahlen, das Ende der Brandt-Ära und des Vietnamkrieges, Demonstrationen, die Besetzerszene, die neue Partei Die Grünen und Petra Kelly ...

Das breite Spektrum ist sehr beachtlich und teilweise beklemmend wegen der Brisanz, der Aktualität. Vieles wird angesprochen und meine vorrangige Feststellung aus dem Roman ist, dass wir in all den Jahren nicht viel erreicht haben trotz der Erkenntnis von Minka auf S. 601: "Wir können nicht darauf warten, dass die Zeit etwas verändert, wir müssen es selbst tun".

Meine Empfehlung für die Lektüre, die sich mit der Zeitgeschichte befasst. Ich bewerte mit vier von fünf Sternen.

Bewertung vom 17.02.2022
Im Schatten der Wende
Goldammer, Frank

Im Schatten der Wende


ausgezeichnet

Fast anarchische Zustände
Mittendrin im heißen Wendeherbst 1989 – so beginnt der neue Krimi von Frank Goldammer. Der junge Polizist Tobias Falck wird von seiner Weiterbildung aus Aschersleben abberufen, um die kritische Lage der Demonstrationen mit seinen Genossen der Volkspolizei in Leipzig, unter Kontrolle zu halten. Seine Gefühle, seine Ängste bei diesem Einsatz, die drohende Eskalation werden eindrücklich und fassbar geschildert. Nach der kurzen Einführung erfolgt ein Rückblick ins Frühjahr 1988 und man erhält Einblicke in den Arbeitsalltag von Volkspolizei-Obermeister Falck in seiner Heimatstadt Dresden. Ich finde das als einen geschickten Schachzug von Frank Goldammer, um die damaligen Gegebenheiten in der DDR zu verdeutlichen. Es handelt sich ja nur um wenige Monate, in denen sich große gesellschaftliche Veränderungen ereigneten.
Kurz nach dem Fall der Mauer tritt Tobias Falck als Leutnant seinen Dienst beim Kriminaldauerdienst an. Die Rechtsgrundlagen in der veränderten Situation sind unsicher und die Herausforderungen an die Kriminalisten erweisen sich bald als sehr hoch. Die Kriminalität entwickelt sich rasant. Plötzlich haben sie es mit schwersten Delikten zu tun: Drogenhandel, Prostitution, Mord auf offener Straße. Leichen verschwinden spurlos vor ihren Augen. Dazu kommt plötzlich eine westdeutsche Kommissarin, die in Dresden einen Serienkiller vermutet. Das Team gerät immer mehr unter Druck.

Der Autor verbindet geschickt die geschichtlichen Ereignisse der Wendezeit mit den Kriminalfällen. Dabei zeigt er eine realistische Sicht auf die Lage der Menschen in ihren Lebensumständen, auf die Orientierungslosigkeit der Jugend und ihr Abgleiten in die Kriminalität, auf den desolaten Zustand der Bausubstanz und der gesamten Infrastruktur. Das ist gut recherchierte Zeitgeschichte.
Nach der Reihe um den sympathischen, geradlinigen Max Heller, die mir sehr gefiel, begegne ich nun einem neuen Typus Polizist. Tobias Falck wurde in der DDR ausgebildet und schwor seinem sozialistischen Staat die Treue. Doch der kam ihm fast über Nacht abhanden.

(S. 86) „In den letzten Tagen hatte sein Bild von der DDR Flecke und Kratzer bekommen. Was er früher als kleine Unzulänglichkeit betrachtet hatte,…, hatte hier auf einmal eine andere Bedeutung bekommen. Hier waren kein Aufbau und kein Fortschritt. Hier sah man nur Stillstand und Verfall.“

Wie der junge Mann damit zurechtkommt, wie er die neue Situation verarbeitet, wurde gut dargestellt. Es geht allzu vieles drunter und drüber. Ich bin gespannt auf die Fortsetzung der Reihe und auf die Entwicklung der Charaktere der Kollegin Steffi Bach und des Vorgesetzten Edgar Schmidt. Vielleicht gibt es auch eine weitere Begegnung mit der Kommissarin aus Frankfurt am Main, Sybille Suderberg! Ich bin sehr gespannt auf Band 2.

Fazit:
„Schatten der Wende“ ist eine hervorragend aufgebaute Geschichte und interessant erzählt. Der Autor bleibt authentisch, beschönigt nichts an der Realität, übertreibt aber auch nicht. Ich kann das als ostdeutsche Zeitzeugin beurteilen.
Der Protagonist Tobias Falck wurde nachvollziehbar charakterlich dargestellt, seine langsame Erkenntnis, die Wandlung in seinen Ansichten wird ersichtlich, sein Selbstvertrauen wächst.

Bewertung vom 15.02.2022
Gala und Dalí - Die Unzertrennlichen / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.1
Frank, Sylvia

Gala und Dalí - Die Unzertrennlichen / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.1


gut

Der große Maler und seine Muse
„Gala und Dalí – Die Unzertrennlichen“ gehört zur Serie "Berühmte Paare – große Geschichten" des Aufbau Verlages. Es ist der erste Band. Ein Autorenehepaar schrieb gemeinsam unter dem Namen Sylvia Frank die Liebesgeschichte des berühmten Malers und seiner Muse.

Das Buch beginnt im Jahr 1929. Gala folgt ihrem Mann Paul Éluard nach Cadaqués, in ein kleines katalanisches Fischerdorf. Er und seine Surrealistenfreunde aus Paris wollen Salvador Dalí treffen, einen hoffnungsvollen jungen Künstler. Das Schicksal entscheidet, dass Gala und Dalí sich ineinander verlieben und bald gemeinsam ihr Leben verbringen...

Ich mag ja eigentlich keine Herz-Schmerz-Geschichten, keine Rührseligkeit, kein Liebesgesülze. Aber das hier Niedergeschriebene ist mir doch zu wenig Leidenschaft. Zumal das erste Aufeinandertreffen von Gala und Dalí mehr erhoffen ließ.
Was ich schön herausgearbeitet fand, ist die Heimatverbundenheit Dalís und wie Gala, die ja durch Paul Eluard ein Luxusleben gewöhnt war, sich da mit ihm einig ist.
In den „Anmerkungen" des Autorenpaares wird betont, dass es sehr schwierig war, mit den bekannten biographischen Daten umzugehen. Das merkt man dem Buch leider auch an. Wollten sie eine Autobiographie oder einen Roman schreiben? Wo Fakten fehlen, hätte man doch die Phantasie spielen lassen können. Nachweislich war Dalí ein Narziss oder hatte zumindest narzisstische Züge. Das klang in Ansätzen an, hätte aber noch mehr hervorgehoben werden können. Das Geschehen um Gala und Dalí wird zwar chronologisch korrekt erzählt, wie ich durch eigene Recherchen feststellen konnte, aber wirkt dadurch für mich viel zu sachlich. Mir bleiben die Charaktere von Gala und Dalí irgendwie fremd, unnahbar. Ich kann sie nicht richtig fassen. Die gelegentlichen Emotionen erscheinen mir aufgesetzt und Salvadors Handlungen sind hin und wieder sehr befremdlich. Die Lebendigkeit fand ich in der kulinarischen Vielfältigkeit des katalanischen Landstrichs, der Darstellung von Folklore (Beschreibung von Tanz, speziellen Musikinstrumenten und Kostümen) und in der Landschaftscharakteristik. Dagegen verblassten die menschlichen Charaktere. Hier fehlte mir der Facettenreichtum.

Mir ist die gesamte Geschichte um die Beiden zu wenig emotional, teilweise unterkühlt. Ihre Gemeinsamkeit (siehe Untertitel: „Die Unzertrennlichen“) kommt für mich nicht zum Ausdruck. Gala kümmert sich um alles. Dalí widmet sich in introvertierter Weise seiner Kunst.

Fazit:
Der Schreibstil ist gut, die Schriftgröße angenehm. Das Cover finde ich passend für das Thema und für die Zeit der Handlung (von 1929 bis 1931) .
Der Umschlagtext verspricht u. a. eine bewegende Liebesgeschichte. Das kann ich leider nicht bestätigen.
Ich hoffe sehr, dass Band 2 der Reihe mir mehr zusagt. Leider nur drei von fünf Sternen!

Bewertung vom 13.02.2022
Das große Buch der Collagen
Rivans, Maria

Das große Buch der Collagen


ausgezeichnet

Unerschöpflicher Quell an Ideen
Maria Rivans ist eine zeitgenössische britische Künstlerin, die für ihre Collagenästhetik im Scrapbook-Stil bekannt ist. (Quelle: Thalia)

Mit ihrem wunderbaren Collagenbuch (Größe: 31 cm x 23,5 cm) gibt sie für alle Interessierten Inspiration, Anleitung und wertvolle Hinweise. Sie zeigt viele attraktive Beispiele für die Collagenkunst, ein kreatives, buntes Spiel mit Formen, Farben, abwechslungsreichen Motiven und verschiedenen Hintergrundwelten.

Die Künstlerin empfiehlt aus ihrer Erfahrung eine Liste von Werkzeugen und Materialien zur Erstellung der Collagen. In einer Schritt für Schritt-Anleitung gibt sie Tipps und Hinweise zum Aufbau der Bilderwelt und verrät Kniffe und Tricks zum guten Gelingen.

Schöne, wertvolle Anregungen in großer Anzahl wecken die individuelle Phantasie, der keine Grenzen gesetzt sind. Meine eigene Ideenwelt wird hier richtig „befeuert“. Passende Bilder für Collagen lassen sich überall finden, bspw. auf Flohmärkten, bei Haushaltauflösungen, in Zeitschriften, Flyern, Prospekten...

Ich werde wahrscheinlich die 1500 Abbildungen nicht anrühren, um das Buch nicht zu zerstören. Meine Enkeltöchter sollen noch ihre Freude daran haben. Ich habe in meinem Alter keine künstlerischen Ambitionen mehr, sondern nutze andere Quellen, um Collagen zu erstellen – für ganz persönliche Überraschungen zu Jubiläen von Verwandten, Freunden und Kollegen.

Ich empfehle dieses tolle Buch für alle, ob Kinder oder Erwachsene, zum Basteln, Kleben und kreativen Gestalten. Viel Spaß dabei!

Bewertung vom 06.02.2022
Das Loft
Geschke, Linus

Das Loft


ausgezeichnet

Unheilvolle Alliance
„Die, die wir lieben, sind immer die, die uns am meisten wehtun können, weil nur sie Zutritt zu unserem Herzen haben.“ (Letzte Seite, ohne Zahl, nach 347)

Drei junge Menschen, Sarah, Marc und Henning, bewohnen zusammen ein exquisites Loft in Hamburg. Die beiden Männer sind seit längerem Freunde. Sarah und Marc lernten sich später kennen und sind ein Liebespaar. Oberflächlich betrachtet scheint alles paletti, aber zwischen Henning und Sarah schwelen Konflikte fast von Beginn an. Sie werden ständig größer und unversöhnlicher. Eines Tages ist die gemeinsame Küche über und über mit Blut besudelt, eine Menge, die klarmacht, dass hier jemand zu Tode gekommen sein muss. Bald stellt sich heraus, es ist tatsächlich Hennings Blut. Er ist verschwunden. Von ihm gibt es nicht eine Spur. Sarah und Marc rücken in den Fokus der Polizei. Sie sind die Hauptverdächtigen in dem Mordfall ohne Leiche.

Die unerklärliche Geschichte ist unterteilt in 5 Abschnitte mit jeweils einem vorangestellten Zitat von Voltaire.
In ständig abwechselnden Kapiteln kommen Sarah Hauptmann und Marc Lammert zu Wort. Sie sind ein Paar, das sich sehr liebt. Es ergeben sich tiefe Einblicke in ihr Leben. Die Sichtweisen, ihre Blickwinkel sind mitunter unterschiedlich. Dazu kommen die Berichte aus dem Polizeipräsidium durch das verschiedenartige Ermittlerduo Bianka Rakow und Peter Höger.
Die Spannung steigt mit jedem neuen Detail und ebenso die Zweifel an den Aussagen. Wer sagt die Wahrheit? Wie ist nur das Rätsel um Henning zu lösen? Wer brachte ihn um? Wo ist seine Leiche? Es gibt noch eine Menge mehr an Fragen, auf die es erst am Ende des Thrillers eine Antwort geben wird. Nur langsam kommen die wirklichen Beziehungen zwischen den Dreien ans Licht, ihre Charakterzüge nehmen Gestalt an. Ausgangspunkt bzw. die Ursache für das grausige Geschehen im Loft bildet der gemeinsame Urlaub in Nicaragua.
Wie der Autor im Klappentext schon voraussagt, gibt es (fast) keine Chance für die Lesenden herauszufinden, was mit Marc, Sarah und Henning geschah. Aufmerksamkeit beim Lesen ist gefragt! Durch die fortwährenden Perspektivwechsel bleibt der Spannungsbogen hoch, bis es zum Ende hin nochmal kulminiert. Wie die ganze Story ausgeht, überraschte mich sehr. Das war ohne Frage ein schrecklicher Tod, aber für den verantwortungs- und rücksichtslosen Menschen hatte ich kein Mitleid.

In beeindruckender Weise wurden die verschiedensten Gefühle (Qual, Schmerz, Liebe, Haß, Erkenntnis), vor allem die von Sarah und Marc, herausgearbeitet. Emotionen spielen die herausragende Rolle, sowohl die positiven als auch die negativen. Es ist schon erstaunlich, wozu Menschen fähig sind! Und auch, wie es der Autor schafft, das alles in eine fesselnde Lektüre zu verwandeln.

Für mich war es das erste Buch von Linus Geschke. Es hat mir gut gefallen. Ich vergebe die Höchstbewertung und empfehle es für alle Thrillerfans!

Bewertung vom 30.01.2022
Der fürsorgliche Mr Cave
Haig, Matt

Der fürsorgliche Mr Cave


gut

Der gepeinigte Peiniger
Liegt wirklich ein Fluch über dem Leben des Antiquitätenhändlers Terence Cave? Im Kleinkindalter verlor er seine Mutter durch Suizid, dann kam seine Ehefrau durch einen Einbrecher ums Leben und schließlich stürzt sein Sohn Reuben von einer Straßenlaterne und stirbt. Schließlich verbleibt ihm nur Reubens Zwillingsschwester Bryony. Sie will und muss er beschützen! Das ist seine Pflicht und Aufgabe. Doch Cave nimmt der 15 jährigen durch seine grenzüberschreitende, distanzlose Fürsorge die Luft zum Atmen.

Die ganz große Katastrophe bahnt sich an. Die Leserschaft erfährt die Entwicklung aus der Sicht des Vaters in Briefform oder in der Art eines Tagebuches, das er an die Tochter richtet. Er ist tief traumatisiert, von fürsorglich wie es der Titel ausdrückt, kann keine Rede sein. Für die Ratschläge, die Hilfeangebote und die gutgemeinten Hinweise von seiner Schwiegermutter Cynthia bleibt er immun. Er lebt in seiner eigenen Welt. Seine Handlungsweisen sind extrem übergriffig. Sie wirkten auf mich krank, völlig daneben und ließen mich teilweise fassungslos zurück. Sein Wahn steigert sich bis zur Eskalation und endet schließlich in weiteren entsetzlichen Ereignissen.

Auf S. 72 bezeichnet der Autor seinen Protagonisten als "Terence, der gepeinigte Peiniger". Ich finde, das trifft es ganz ausgezeichnet.

Das war leider ein Lesestoff, den ich am liebsten abgebrochen hätte.
Matt Haig steckte sicherlich selbst in einer depressiven Phase als er diese Geschichte 2008 niederschrieb. „Die Mitternachtsbibliothek“ von ihm hat mir dagegen gut gefallen. Das Buch polarisierte zwar auch, wenn man sich die Rezensionen anschaut.
„Der fürsorgliche Mr. Cave“ brachte mir leider keinen Lesegenuß. Das Buch zog mich runter und hatte für mich eine sehr negative Aura. Gerade jetzt in Pandemiezeiten keine Lektüre, die ich empfehlen möchte.

Meine Bewertung: 3 von 5 Sternen!

Bewertung vom 03.01.2022
Perfect Day
Hausmann, Romy

Perfect Day


sehr gut

Lou Reed und der perfekte Tag
Ich habe Romy Hausmanns Debüt-Thriller „Liebes Kind" gelesen und war davon sehr angetan, was ich in meiner Rezension auch zum Ausdruck brachte.
Zitat daraus: „Liebes Kind“ ist eine Story wie eine Lawine! Gewaltig! Grausam! Erschütternd! Sehr tragisch! Tief berührend!
Nun las ich ihren dritten Thriller, den ich in der Schreibweise anders empfand, nicht ganz so überzeugend.

Es war ein ganz normaler Donnerstag im Leben von Ann. Lou Reed sang von einem perfekten Tag. Da sprang plötzlich die Haustür auf und Polizisten drangen in den Wohnraum ein. Sie verhafteten ihren Vater, den international anerkannten Professor der Philosophie und Anthropologie Walter Lesniak. Ihm wird vorgeworfen, zehn Mädchen im Alter zwischen sechs und zehn Jahren ermordet zu haben. Diese verschwanden im Zeitraum von 14 Jahren. Den Weg zu ihren geschundenen toten Körpern zeigen rote Schleifen an, die der Mörder gemeinsam mit den Opfern vorher verteilte.
Ann kann das nicht glauben. Ihr alleinerziehender Vater war stets fürsorglich zu ihr, seinem „Käferchen". Gemeinsam macht sie sich mit einem fragwürdigen Journalisten auf die Suche nach dem wahren Täter. Um alles in der Welt muss sie die Unschuld ihres Vaters beweisen.

Aus der Sicht von Ann erlebte ich einen langen Trip bis zur endgültigen Aufklärung der Verbrechen. Sie begibt sich ohne nachzudenken in abenteuerliche Situationen, überschreitet Kompetenzen ohne Rücksichten, bringt sich und andere in Lebensgefahr. Ich habe das Buch mit Spannung gelesen. Es ist in einem guten Stil geschrieben. Jedoch reichte es nicht an den Erstling heran. Gut gefallen haben mir die Tagebucheinträge Anns. Sie machte sich Gedanken über die verschiedensten Gefühlszustände, Emotionen – von Traurigkeit, Zuversicht, Einsamkeit, Scham, Enttäuschung, Sicherheit, Verbundenheit (als Kind)...bis hin zu Liebe (als Erwachsene). Das ist berührend in der Ausdrucksweise und den Rechtschreibfehlern der kleinen Ann. Welche Bedeutung diese Eintragungen besitzen erfährt man gegen Ende des Thrillers.
Zwei Sätze von mehreren, die ich mir notierte, möchte ich zitieren, die mir das Gelesene näher brachten.
S. 259
„Alles, was geschieht auf der Welt, jede einzelne Handlung und jede Konsequenz beruht auf einem Gefühl.“
S. 372
„Wir sehen, was die Leute uns glauben machen.“

Ich möchte für „Perfect Day“ meine Lese-/Kaufempfehlung geben mit vier von fünf Sternen.

Bewertung vom 13.12.2021
Was uns schmeckt
Gladwin, Laura

Was uns schmeckt


ausgezeichnet

IRDISCHE KÖSTLICHKEITEN
Schon die Aufmachung des großformatigen Buches fällt sofort ins Auge. Davon war ich sehr angetan. Das setzte sich im Inneren von Seite zu Seite bis zum Ende fort.
Die illustrierte Übersicht erfolgt in ungefährer Reihenfolge zu Obst, Tropischen Früchten, Gemüse, Fleisch, Fisch, Milch, Käse und vielem mehr. Wie es schon auf dem Cover vermerkt ist, werden über 1000 leckere Sachen nicht nur vorgestellt, sondern auch erklärt. Es sind irdische Köstlichkeiten!
Nicht nur die Kinder erfahren eine Menge über Essbares, Nahrungsmittel, Speisen und Gerichte rund um die ganze Welt – alle Altersgruppen können hier dazu lernen. Es werden Fragen beantwortet, aber es stellen sich auch viele neue. Mir als Großmutter begegneten beispielsweise auch noch unbekannte Begriffe, Bezeichnungen, die ich noch nie hörte genauso wie fremde Früchte- und Gemüsesorten.
Es ist ein lehrreiches Werk über die Esskultur, in dem Wissen vermittelt zu Proteinen, Kohlehydraten, Fetten, zur Verarbeitung und Zubereitung von Speisen. Sehr umfangreich und anschaulich sind die Themenbereiche (s.o.) dargestellt. Eine kleine Auswahl gebe ich hier mit Getreide, Hülsenfrüchte und Brot. Dazu werden süße Sachen wie Kuchen, Torten, Kekse und Nachspeisen nicht vergessen. Ebenso wenig wie Gewürze, Kräuter und Aromen oder Öl, Essig, Zitronensaft und die vielfältigen Zutaten zum Backen, Braten. Ich habe noch kein vergleichbares Buch für Kinder und Jugendliche gesehen. Deshalb nenne ich es wertvoll. Lobend möchte ich zur Autorin Laura Gladwin, die Illustratorin Zoë Barker und die Übersetzerin Ursula Heinzelmann erwähnen. Ihnen gemeinsam gelang ein wunderbares Werk. Vielleicht wird es mal ein Klassiker!

Am Ende des Atlas der Genüsse werden verschiedene Rezepte (nicht wie herkömmlich zu verstehen!) vorgestellt, Hinweise gegeben zum Kreieren von eigenen Speisefavoriten. Damit kann jeder seine Gerichte einzigartig gestalten.

Mir gefällt dieses Buch, was ich Lexikon des Hochgenusses nennen möchte, außerordentlich gut. Jederzeit empfehle ich es als Geschenk. Es verdient die Höchstbewertung und meine nachdrückliche Lese- und Kaufempfehlung!

Bewertung vom 17.11.2021
Was bleibt, wenn wir sterben
Brown, Louise

Was bleibt, wenn wir sterben


ausgezeichnet

Alltag mit dem Tod
In „Was bleibt, wenn wir sterben" berichtet Louise Brown von ihrem Alltag mit dem Tod, von den Begegnungen mit Menschen, die einen Verlust erlitten haben, von der Auseinandersetzung mit Trauer und Tod, von der Endlichkeit unseres Lebens... Sie erzählt von ihren Erfahrungen als trauernde Tochter und wie sie schließlich zu ihrer Berufung kam.

Louise Brown schreibt über das diffizile Thema sehr umgänglich, ihre Empathie kommt deutlich zum Tragen. Sie hat die soziale Kompetenz dazu. Aus ihrer eigenen Trauer und deren schwerwiegenden Bewältigung heraus wurde sie Trauerrednerin. Des Öfteren kommt sie auf das eigene Erleben des plötzlichen Verlustes ihrer Eltern innerhalb kurzer Zeit zurück. Sie versteht das fundamentale Erlebnis des Sterbens und des Todes mit dem Leben in Einklang zu bringen. Ich fühlte mich in meinen Verlusten persönlich angesprochen.
Das Buch wurde in drei Teile gegliedert: 1. Teil – Konfrontation mit dem Tod; 2. Teil - Leben mit der Trauer; 3. Teil – Die Endlichkeit annehmen. Die Teile wiederum enthalten Kapitel mit aussagekräftigen Überschriften.
Mit einfachen Sätzen spricht sie einfache Wahrheiten aus und konfrontiert mit dem Tod. Ich verstehe zutiefst, was sie ausdrücken möchte. Ihre Erkenntnisse, ihre Erfahrungen teilt sie unaufdringlich mit und zeigt z. B. auf, dass Erinnerungen an den Verstorbenen/die Verstorbene auch aus unperfekten Momenten bestehen und schön sein können.
Eingeschlossen sind solche bitteren Erkenntnisse, dass nichts im Leben beständig ist und Liebe immer Verlust bedeutet. Die Autorin zeigt z. B. auf, dass Erinnerungen, Gedanken, Gefühle im Zusammenhang mit dem Verstorbenen auch aus unperfekten Momenten bestehen und durchaus auch schön sein können.
Schließlich gab mir das Buch auch Einblicke in die verschiedensten Möglichkeiten, wie wir die Trauer bewältigen, wie wir damit umgehen und uns mit Würde von den Verstorbenen verabschieden können. Es gab einige Stellen, die mich sehr ergriffen haben, mir ans Herz gingen, die mich tief erwischten.
Mir gefällt Louise Browns Schreibstil. Da kommt ihr ganz sicher ihr Beruf als Journalistin sehr gelegen. Sie schreibt angenehm, findet tröstliche, berührende Worte, bleibt stets authentisch. Sie findet eine wohltuende Leichtigkeit im Umgang mit dem schweren Thema. Ich habe mir wunderbare Sätze festgehalten. Sie selbst zitierte oft. Ein Zitatnachweis ist am Ende zu finden. „Was bleibt, wenn wir sterben" erhält einen würdigen Platz in meinem Bücherregal.

Fazit:
Das kleine Buch war für mich voller aufrichtiger Empfindungen und es störte mich überhaupt nicht, dass immer wieder auf den Tod der Eltern bzw. auf ihr Leben Bezug genommen wurde. Nach meinem Empfinden gelang es Louise ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen.
Das Interview am Ende gibt mir noch mehr Aufschluß über die Autorin und ihre Beweggründe über das Thema zu schreiben. Mir wurde noch einiges klarer.
Zum Titel: Es gibt eine Menge, was von uns bleibt! Jeder Mensch ist einzigartig und besonders!

Das Buch ist kein Ratgeber, kein Sachbuch, den roten Faden sehe ich in den vielseitigen Vorschlägen der Unterstützung in einer schweren Zeit. Der Tod ist wie das Leben sehr individuell! Jeder kann hier etwas für sich finden! Ich kann das Buch für alle empfehlen.
Deshalb die Höchstbewertung!