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LaNasBuchclub

Bewertungen

Insgesamt 129 Bewertungen
Bewertung vom 02.05.2023
Wenn Worte töten / Hawthorne ermittelt Bd.3
Horowitz, Anthony

Wenn Worte töten / Hawthorne ermittelt Bd.3


sehr gut

Sechs Stunden nachdem Diana Cowper, die Mutter des berühmten Schauspielers Damien Cowper, ein Bestattungsinstitut aufgesucht hat, um Pläne für ihre eigene Beerdigung zu besprechen, wird sie in ihrem eigenen Haus ermordet. Zufall oder nicht? Hat die Frau etwa geahnt, dass ihr Leben in Gefahr sein könnte?
An dieser Stelle kommt Daniel Hawthorne ins Spiel. Der ehemalige Inspektor der Metropolitan Police Force wird als privater Berater mit dem Fall betraut. Mit von der Partie ist bald auch Autor Anthony Horowitz höchst selbst, der für Hawthorne ein Buch über ihn und dem Mord an Mrs. Cowper schreiben soll. Keine leichte Aufgabe, denn Hawthorne ist ebenso verschlossen und schroff, wie er scharfsinnig und klug ist. Horowitz muss daher nicht nur völlig unbekannte Herausforderungen wie die Begutachtung eines Tatortes meistern, sondern auch einen Weg finden, um mit seinem grantigen Partner zurecht zu kommen.
Nach und nach offenbaren sich Hinweise und versteckte Motive, die gleich mehrere Personen aus dem Leben des Opfers verdächtig erscheinen lassen. Doch als ein sich eine schockierende Wendung offenbart, werden die Ermittlungen des Duos in eine neue Richtung gelenkt.
Das Buch "Wenn Worte töten" von Anthony Horowitz war eine wirklich fesselnde Lektüre. Mit gutem Tempo und raffiniert konstruiert erinnert es fast schon an klassische Kriminalromane à la Agatha Christie, mit einem Ende, das kaum vorhersehbar ist. Die Idee, dass der Autor sich selbst in die Geschichte hineinschreibt (und dann direkt als eine der Hauptfiguren) war ein zusätzlicher Faktor, der mich gleich am Anfang gepackt hat. Das hätte entweder super gut, oder ganz schrecklich schiefgehen können. Aber es funktioniert. Es ist definitiv mal was anderes und die Dynamik zwischen Horowitz und Hawthorne haben für so einige unterhaltsame Momente gesorgt. Die beiden haben etwas von Holmes & Watson. Es ist wirklich charmant zu verfolgen.
Die Handlung an sich war ebenfalls gut ausgearbeitet. Der Einstieg hat sich vielleicht ein wenig gezogen und auch sonst sind die Ermittlungen nicht durchweg spannend, aber es gibt wie gesagt ein gutes Tempo und interessante Wendungen, die einen dranbleiben lassen. Mit der abschließenden Enthüllung habe ich so auch nicht gerechnet, was für einen Krimi natürlich immer eine gute Sache ist.
Mit dem packenden Erzählstil, den interessanten Charakteren und einem soliden Plot war „Wenn Worte töten“ von Anthony Horowitz ein interessantes und unterhaltsames Lesevergnügen. Da es mein erstes Buch des Autors war, bin ich nun auch sehr neugierig auf seine anderen Bücher.

Bewertung vom 02.05.2023
One of the Girls
Clark, Lucy

One of the Girls


sehr gut

“One of the girls” begleitet eine Gruppe von sechs sehr unterschiedlichen Frauen während eines Jungesellinnen-Wochenendes auf der malerischen griechischen Insel Aegos. Doch was als entspannter Kurztrip mit bestem Wetter, leckeren Antipasti und Wein beginnt, soll zu einer traumatischen Erfahrung werden, die keine der Freundinnen je wieder vergessen wird.

Das Buch war nicht ganz das, was ich erwartet hatte, aber es hat mich auf so viele verschiedene Arten angesprochen, dass ich von Anfang bis Ende am Haken war. Die Geschichte kreiert einen tollen Kontrast zwischen sommerlicher Leichtigkeit und brodelnden Konflikten. Der Erzählstil ist leichtgängig und bildhaft, was besonders schön ist angesichts des Handlungsortes. Ich habe mich sofort in meinen eigenen Griechenlandurlaub zurückversetzt gefühlt und total genossen von der Autorin an dieses wunderschöne Setting entführt zu werden. Gleichzeitig ist es ihr gelungen den harmlosen Einstieg in Lexies „Hen-Wochenende“ mit Anspielungen auf die düsteren Geschehnisse der kommenden Tage zu durchbrechen. So hatte ich von Anfang an im Kopf: Aha, so schön sich das alles anhört, irgendwann passiert noch was ganz Schlimmes. Damit wurde schonmal eine solide Grundstimmung für die Geschichte festgesetzt und ich war direkt neugierig darauf, was noch passieren könnte.
Die meiste Zeit liest man im Wechsel aus den Perspektiven der Reiseteilnehmerinnen. Das sind Lexi, die Braut, Bella, die Trauzeugin und ihre Lebensgefährtin Fen, Robyn, die Kindheitsfreundin, Eleanor, die etwas sonderbare zukünftige Schwägerin und Anna, eine neue Freundin von Lexi.
Bei so vielen Figuren kommt man gerade am Anfang etwas durcheinander, aber die verschiedenen Persönlichkeiten der Frauen und ihre individuellen Probleme sind so gut herausgearbeitet worden, dass sie schon sehr bald zu leicht unterscheidbaren und authentischen Charakteren werden. Das nicht alle gleich sympathisch oder interessant rüberkommen finde ich irgendwie normal, deshalb hat es mich auch nicht gestört, dass nicht alle Kapitel gleich interessant zu lesen waren. Und ich kann nicht sagen, dass mir ein POV besonders negativ aufgefallen wäre. Im Gegenteil fand ich spannend, wie man nach und nach herausfindet, mit was für Problemen die Frauen in ihrem Alltag zu tun haben und welche sie sogar mit auf die Insel genommen haben. Auch dadurch baut sich stetig mehr Spannung auf, denn so viele Geheimnisse unter einem Dach haben eine Menge Konfliktpotential. Man konnte richtig spüren, wie es anfängt in der Gruppe stärker zu brodeln. Ich finde die Geschichte hat gerade deshalb so gut funktioniert, weil sie so charakterorientiert aufgebaut ist.

Was die Spannung bzw. Handlung angeht, so würde ich hier eher von der slow-burn Variante eines Thrillers reden. Die Spannung liegt darin nachzuvollziehen, wie die Figuren miteinander agieren, sich die Konflikte zuspitzen und es am Ende zu diesem (sehr unerwarteten) dramatischen Finale kommt. Ich kann mir gut vorstellen, dass manche Leser oder Leserinnen sich sicher mehr von einem Thriller erhoffen, aber ich fand die Umsetzung sehr gelungen.

Das Hörbuch wird gelesen von Julia von Tettenborn und Corinna Dorenkamp und beide haben hier einen tollen Job gemacht. Es ist ein lebendiges, dynamisches Hörerlebnis und den Protagonistinnen wurde so viel Leben eingehaucht, dass man sie auf Anhieb auseinanderhalten konnte.

„One of the girls“ war ein super packendes, wendungsreiches Hörerlebnis, das mich prima unterhalten konnte und das ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 26.04.2023
Going Zero
Mccarten, Anthony

Going Zero


sehr gut

10 Personen müssen für 30 Tage spurlos verschwinden. Am Ende lockt ein Gewinn von 3 Millionen Dollar. Dafür müssen sie sich nur dem hochkomplexen Spionageprogramm FUSION stellen, ein Projekt ins Leben gerufen durch die US-Geheimdienste und Social-Media Mogul Cy Baxter, welches dazu geeignet sein soll, jede beliebige Person auf amerikanischem Boden binnen kürzester Zeit aufspüren. Cy Baxter ist sicher, dass keiner der zehn ‚Zeros‘ dieser Herausforderung gewachsen ist. Bis er in der unscheinbaren Bibliothekarin Kaitlyn Day aus Boston aka Zero 10 eine Herausforderin findet, deren Vorgehen selbst seine brillanten Algorithmen nicht zu entschlüsseln vermögen. Für Kaitlyn indes hängt so viel mehr als nur das Preisgeld davon ab, dass sie FUSION lange genug davonlaufen kann.

Bei Cover und Titel hatte ich ehrlich gesagt ein Buch mit Umweltschutz Kontext oder etwas Ähnlichem erwartet, aber sobald ich den Klappentext gelesen habe, war ich ungemein gespannt auf dieses Gedankenspiel, das der Autor mit diesem Buch angestoßen hat.
Der Schreibstil ist für einen Thriller sehr passend, schnörkellose Sprache, flüssig zu lesen und mit kurzen Kapiteln, dass man zügig vorankommt. Ich bin also entsprechend schnell und gut in die Handlung gestartet. Die regelmäßigen Perspektivwechsel, hauptsächlich zwischen Kaitlyn und Cy, aber auch anderen ‚Zeros‘, haben mir wirklich gut gefallen, weil sich dadurch eine tolle Jagdatmosphäre aufgebaut hat. Es gibt einige gut platzierte Spannungsmomente, Enthüllungen und Einschnitte, die die Handlung immer wieder in neue Richtungen lenken und einen beim Lesen den Atem anhalten lassen.
Die Protagonisten werden relativ früh schon sehr gut ausgestaltet, was ihnen durch die Geschichte hindurch auch viel Raum für Entwicklung und Veränderung gegeben hat. So fand ich beispielweise enorm spannend mitzuverfolgen wie Cy, angestachelt durch sein Ego und den Wunsch zu gewinnen, immer mehr Grenzen überschreitet und sich in einem gefährlichen Strudel aus Selbstzerstörung und Größenwahn begibt.

Ein bisschen schade fand ich, dass die anderen Zeros nur eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben und sich die Geschichte ab der Hälfte von der ursprünglichen Handlungsprämisse entfernt und eine deutlich andere Richtung einschlägt. Alles in allem war „Going Zero“ aber sehr packend und enorm unterhaltsam. Kaum überraschend, wenn man bedenkt, dass Autor Anthony McCarten sein Geld u.a. mit dem Schreiben von Hollywood Drehbüchern verdient.
Unterm Strich ist das ein sehr gelungener Thriller, der auf erschreckende Weise darauf aufmerksam macht, wie angreifbar unsere Privatsphäre im digitalen Zeitalter doch ist. Sehr lesenswert!

Bewertung vom 25.04.2023
Mutterliebe
Selvig, Kim

Mutterliebe


gut

„Mutterliebe“ ist der erste Justiz-Krimi von Kim Selvig, dem gemeinsamen Pseudonym von Silke Porath und Sören Prescher und erscheint am 25.04.2023 bei Harper Collins.
Sylvia Bentz führt nach außen hin ein völlig normales Leben. Manche würden sogar sagen ein perfektes Leben, mit dem erfolgreichen Ehemann an ihrer Seite, den zwei bezaubernden Kindern und einer großen Villa in bester Lage. Was also veranlasste diese Frau eines Nachmittags mit ihren Kindern in ein Auto zu steigen, zu einem abgelegenen Waldsee zu fahren und zur Kindsmörderin zu werden?
Diese Frage lässt Gerichtsreporterin Kiki Holland keine Ruhe mehr. Nichts an der verhärmten, blassen Frauengestalt auf der Anklagebank liefert ihr eine plausible Erklärung. Zweifel machen sich in Kiki breit und sie beschließt eigene Ermittlungen anzustellen.
Die Grundidee für die Geschichte ist wirklich gut: eine Mutter, deren Schuld zu Anfang unzweifelhaft festzustehen scheint, beim genaueren Hinsehen eröffnen sich jedoch Unstimmigkeiten; die Journalistin, die scheinbar als Einzige jene Unstimmigkeiten erkennt - Das Potential ist da.
Die Umsetzung hat mich jedoch nicht allzu sehr überzeugen können, was meiner Meinung nach hauptsächlich den Schwächen in der Handlung geschuldet ist. Der Fall wirkt überkonstruiert und arbeitet mit vielen „glücklichen Fügungen“, die der Protagonistin auf die ein oder andere Weise in die Hände spielen, oder aber die Handlung in die gewollte Richtung lenken. So fühlte sich die Geschichte leider nur wenig authentisch an.
Auch der Spannungsaufbau hat für mich nicht so richtig funktioniert. Dafür, dass im Zentrum der Erzählung ursprünglich der Prozess steht, sind die Szenen, die tatsächlich im Gericht spielen, sehr dünn gesät. Gerade zu Anfang fand ich auch eher störend, dass die Handlung immer wieder durch Szenen aus Kikis Privatleben ausgebremst wurde. Die Intention dahinter war sicher Kiki als sympathische Protagonistin zu etablieren und ihr mit Auto, bestem Freund und neuem Love Interest ein paar mehr Schichten zu verpassen, doch für mich hat sich auch das recht oberflächlich und aufgesetzt angefühlt. Die ersten ca. 100 Seiten habe ich daher eher als langweilig empfunden und war nur aufgrund der wenigen Momente, in denen die Angeklagte Mutter tatsächlich auch mal vorkam, motiviert weiterzulesen.
Mit der Zeit wurde es etwas besser. Die Spannung kommt langsam, aber stetig und sieht man über das Überkonstruierte hinweg, kann man den Ermittlungen auch gut folgen. Das Ende ist okay, nur gibt es dort eine grobe Unstimmigkeit, die es so nicht in das finale Buch hätte schaffen dürfen.
Um mit einer positiven Sache zu Enden, der Schreibstil des Autorenduos ist wirklich sehr gelungen. Leicht und mitreißend, emotional aber nicht überladen hat er mich gut durch die Seiten getragen. Obwohl hauptsächlich aus Kikis Perspektive erzählt wird, haben mir die sinnvoll platzierten Perspektivwechsel gut gefallen und auch dass mit verschiedenen Schriften gearbeitet wurde, war meiner Meinung nach eine gelungene Ergänzung.
Insgesamt bringt „Mutterliebe“ viele gute Ansätze mit, konnte meine Erwartungen dann allerdings doch nicht ganz erfüllen. Trotzdem würde ich sagen, es ein solider Krimi, der vor allem durch seinen gelungenen Schreibstil überzeugt und einen guten Unterhaltungsfaktor mitbringt.

Bewertung vom 25.04.2023
Prost, auf die Feinschmecker
Kalpenstein, Friedrich

Prost, auf die Feinschmecker


ausgezeichnet

Hauptkommissar Tischler und sein Kollege Fink müssen wieder mal ans Werk, nachdem der pensionierte Lehrer Klaus Busch in Gesellschaft der Lokalprominenz tot in seinem Vorgarten zusammenbricht. Beim Dîne vergiftet.
Die sechs Mitglieder des ortseigenen „Gourmet Clubs“, zu dem neben dem Opfer unter anderem auch Brunngries‘ Bürgermeister Gmeinwieser und Polizeioberrat Schwenk gehören, sind in heller Aufregung. Hat es jemand auf ihren illustren Kreis von Feinschmeckern abgesehen, oder wurde Busch das Opfer eines gezielten Giftanschlags? Mit Hilfe der bewährten T-U-F Methode wollen die beiden Ermittler dem Mörder auf die Schliche kommen.
„Prost, auf die Feinschmecker“ ist der inzwischen siebte Fall in Autor Friedrich Kalpenstein’s Prost-Reihe und steht seinen Vorgängern in Punkto Unterhaltung in nichts nach. Ich bin einfach begeistert von den authentischen und liebenswerten Figuren, die einem in dieser Reihe immer wieder über den Weg laufen und den Aufenthalt in Brunngries stets zu einem unterhaltsamen Erlebnis machen. Allein schon dafür lohnt es sich auf jeden neuen Teil hinzufiebern.
Der Schreibstil ist wie immer leichtgängig und einnehmend und dank einer Menge Humor, charmantem Dialekt und frechen Dialogen gab es stets was zu Lachen. Insbesondere die Kapitelüberschriften sind mal wieder Gold wert.
Das Rätselraten auf der Suche nach dem Mörder hat in diesem Fall besonders Spaß gemacht. Der Autor versteht sich gut darauf seine Leser immer wieder auf eine falsche Fährte zu locken, Hinweise und Andeutungen zu platzieren und Motive zu verschleiern. Ich hatte beinahe nach jedem Kapitel einen neuen Hauptverdächtigen, hab Theorien aufgestellt und war dann ganz aus dem Häuschen, als ich zumindest ein paar Puzzleteile richtig zusammensetzten konnte. Es hat wirklich viel Spaß gemacht.
Alles in allem war „Prost, auf die Feinschmecker“ ein reines Vergnügen und hat mich hervorragend unterhalten können. Es ist ein absoluter Wohlfühlkrimi und natürlich unbedingt empfehlenswert.

Bewertung vom 18.04.2023
Strafsachen
Hoven, Elisa;Weigend, Thomas

Strafsachen


sehr gut

Ist unser Strafrecht wirklich gerecht? Es gibt eine Fülle von Beispielen, in denen die Öffentlichkeit mit großem Unmut auf die Anwendung des Strafrechts reagiert hat, insofern scheint diese Frage mehr als berechtigt. Wie kann es sein, dass ein 12-jähriger Vergewaltiger ohne nennenswerte Konsequenzen davonkommt, oder ein Rentner, der sein Leben und Eigentum vor Einbrechern schützen will, am Ende selbst verurteilt wird?
In „Strafsachen“ setzen sich Elisa Hoven und Thomas Weigend genau mit solchen schwierigen Sachverhalten auseinander und erklären anhand von prominenten Fallbeispielen nachvollziehbar und nuanciert das Konzept von Gerechtigkeit und die Herausforderung unserer Rechtsordnung ein hinreichendes Maß an Gerechtigkeit zu sichern.
Den Autoren ist es dabei gut gelungen besonders die schwierigen juristischen Zusammenhänge und Feinheiten – also genau die Aspekte, die von der Öffentlichkeit regelmäßig gar nicht ins Auge gefasst werden (können), wenn über die Gerechtigkeit eines Urteils kontrovers diskutiert wird – verständlich darzustellen, sodass sie insbesondere juristischen Laien einen neuen Blickwinkel auf solche Sachverhalte ermöglichen. Es ist ein spannendes Sachbuch, das zur kritischen Auseinandersetzung mit Recht und Gerechtigkeit anregt und insgesamt sehr lehrreich.

Bewertung vom 18.04.2023
Das Erwachen des letzten Menschen
Pale, Leveret;Skrobisz, Nikodem

Das Erwachen des letzten Menschen


sehr gut

Wir genießen die Bequemlichkeiten des technologischen Fortschritts, dass uns Google und Co in Sekundenbruchteilen Antworten liefern, unsere Autos von selbst die Spur halten und wir mit Virtual Reality von der Wohnung aus jeden noch so fantastischen Ort betreten können. Schon heute nehmen uns Roboter, Maschinen und Algorithmen eine Menge Arbeit ab. Doch wann ist der Punkt erreicht, an dem wir uns zu viel von Technologien abnehmen lassen? Was würde es mit uns anstellen, gäben wir unser ganzes Dasein in die Hand eines Algorithmus?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich Leveret Pales aka Nikodem Skrobisz dystopische Novelle „Das Erwachen des letzten Menschen“. Sie spielt im Jahr 2137, in einer Welt, die komplett digitalisiert ist und in der die Menschen nichts weiter zu tun haben, als sich von technologischen Gadgets bespaßen zu lassen. Nur einer will sich nicht länger von den virtuellen Realitäten, friedlich stimmenden Medikamenten und stets zugänglichen Sexrobotern betäuben lassen. Edgar will mehr. Was er sucht, ist ein Sinn in seinem Leben.
Aufgebaut in kurzen Tagebucheinträgen, lassen sich die rund 50 Seiten zügig lesen und auch wenn sich der Autor nicht mit ausschweifendem WorldBuilding aufhält, so erhält man doch ein guten Überblick über die Gesellschaft, in der Edgar lebt.
Der Prozess um Edgars „Erwachen“ war interessant beschrieben und ich finde es ist dem Autor gut gelungen, die Verzweiflung des Protagonisten einzufangen, ebenso wie seinen Kampf, um sich aus diesem Zustand zu befreien. Das Ende gibt indes keine klare Antwort. Ist es ein Happy End, der Silberstreif am Horizont oder doch die Resignation eines Menschen, der sich mit der Ausweglosigkeit seiner Lage abgefunden hat? Hoffnung oder Resignation? Mir gefällt, dass man als Leser dazu gezwungen ist, sich Gedanken darüber zu machen.
Alles in allem ist es eine kluge Geschichte, die zum Nachdenken inspiriert.

Bewertung vom 30.03.2023
Totmannalarm
Klemke, Karoline

Totmannalarm


sehr gut

Nicht alle Straftäter sind gleich. Nicht jede Straftat führt ins Gefängnis. Jene Täterinnen und Täter, die durch Sucht oder psychische Krankheit zu gefährlich sind, um wieder Teil der Öffentlichkeit zu werden, müssen in den Maßregelvollzug. Sie werden zu Patienten.
Karoline Klemkes Buch „Totmannalarm“ folgt der Psychotherapeutin und Diplompsychologin Christiane Richter, deren Aufgabe die Behandlung und Evaluation von Tätern ist, die aufgrund schwerer Straftaten im Maßregelvollzug gelandet sind und gewährt neue und spannende Einblicke in Themen wie Gewalt und Psyche. Aus Sicht der Protagonistin erfährt man, wie Täter ihre eigene Schuld wahrnehmen und erleben, wie die Therapie sich auf diese Wahrnehmung auswirken kann, sie ihren eigenen Geist kennenlernen und im besten Fall Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen.
Mir hat „Totmannalarm“ aufgrund vieler Aspekte sehr gut gefallen. Zunächst einmal ließ sich das Buch ungemein gut lesen, nach wenigen Seiten war ich ganz und gar in der Erzählung drin. Es ist eine spannende Mischung aus kapitelübergreifender Entwicklung und Einzelgeschichten. Dabei habe ich die persönliche Entwicklung der Protagonistin als roten Faden der Erzählung empfunden. Ist sie zu Anfang des Buches noch blutige Anfängerin im Maßregelvollzug, so kann man verfolgen, wie sie im Laufe der Zeit ihre Überforderung ablegt, dazulernt und ihre Intuition sich schärft. Auch ihr Privatleben und die Auswirkungen ihrer Arbeit darauf sind bisweilen Thema.
Die Kapitel an sich widmen sich jedoch stets einer ausgewählten Täter-Geschichte, das heißt man erhält Einblicke in die Tat, das Leben und die Psyche des Patienten. Dieser Aspekt des Buches ist ganz schön starker Tobak, auch für die Protagonistin. Die Straftaten, die hier zum Teil beschrieben werden, sind wirklich nichts für schwache Nerven. In diesem Kontext hat mir aber sehr gefallen, wie die Emotionen der Protagonistin dargestellt werden. Sie ist nicht etwa die eiskalte, abgeklärte Psychologin, die sich von sowas nicht aus der Ruhe bringen lässt und dem Täter oder der Täterin vollkommen professionell und unvoreingenommen begegnet, sondern man spürt ihre Wut, ihre Ablehnung, die Angst, all jene Gefühle, die in den Therapiegesprächen aufkommen. Umso beeindruckender ist es, wie sie sich jedes Mal aufs Neue zwingt über ihre eigenen Grenzen zu gehen und das Ziel der Therapie nicht aus den Augen verliert.
Die Fälle und Figuren in diesem Buch sind fiktionalisiert, basieren aber auf den sehr realen Erfahrungen der Autorin, die selbst viele Jahre im Maßregelvollzug gearbeitet hat. Und gerade weil die Erzählung so enorm authentisch rüberkommt, sind die Grenze zwischen Fiktion und Realität in diesem Buch fließend. Es ist ein fesselnde, facettenreiche Lektüre, die nicht nur zu unterhalten weiß, sondern auch zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 30.03.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


ausgezeichnet

Was als luxuriöser Familienurlaub geplant war, endet in einer schrecklichen Tragödie. Die Binders und die Strobl-Marineks wollten eigentlich nur die gemeinsame Zeit in der exklusiven toskanischen Villa verbringen und es sich bei Sonne, Prosecco und Antipasti gut gehen lassen. Die kleineren Kinder sind unter sich, die 14 jährige Tochter Sophie-Luise durfte ihre Schulfreundin Aayana, ein Flüchtlingskind aus Somalia, mitnehmen - alles scheint gut an diesem ersten Urlaubstag. Doch schon wenige Stunden nach der Ankunft der Urlaube kommt es zur Katastrophe.
„Die spürst du nicht“, der neue Roman von Daniel Glattauer hat mich ungemein begeistert. Das Hörbuch aus dem Schmiede von Hörbuch Hamburg hat mit knapp 9 Stunden eine gute Länge und sobald ich angefangen habe es zu hören, gab es für mich kein zurück mehr. Tessa Mittelstaedt und Steffen Groth haben hier einen herausragenden Job geleistet. Als hätten sie der Dringlichkeit und dem fesselnden Charakter der Geschichte mit ihren Stimmen nochmal Nachdruck verliehen.
Auch der Inhalt des Romans konnte mich restlos überzeugen. Das war mein erstes Buch des Autors und sehr früh habe ich gemerkt, wie außergewöhnlich seine Art des Erzählens ist. Ich hatte das Gefühl zeitweise einem Theaterstück oder Regieanweisungen zu folgen, so ungefiltert und scharfkantig werden einem die Figuren gleich zu Anfang vorgestellt. Eine wahrlich raffinierte Vorgehensweise, denn obwohl die Figuren bewusst überzeichnet rüberkommen, so hat der Autor damit nicht übertrieben. Stattdessen offenbart sich darin eine feine Ironie, die dem Roman trotz der tragischen Entwicklungen eine humorvolle Note verleiht. Die Charaktere können sich nicht hinter ihrer fadenscheinigen Großzügigkeit oder Menschenfreundlichkeit verstecken, denn als Leser weiß man sofort, wen man da vor sich hat. Ich fand das enorm faszinierend.
Durch die regelmäßigen Wechsel in der Erzählperspektive konnte man völlig ungefiltert in die Gefühls- und Gedankenwelten der Protagonisten abtauchen und erfahren, wie sie individuell durch die Tragödie betroffen sind und wie sie damit umgehen.
Die häufig eingeschobenen Auszüge von Pressemitteilungen und Social-Media Beiträgen sind ein interessanter Kniff des Autors, der über den Horizont der Figuren hinaus auf äußerst unbequeme Weise aufzeigt, wie in den Medien mit Geschichten wie Aamaya’s umgegangen wird.
Glattauer adressiert in diesem Roman die unbequemen Wahrheiten unserer Zeit und regt zum Nachdenken an. „Die Spürst du nicht“ hat definitiv einen Platz unter meinen Jahreshighlights.

Bewertung vom 29.03.2023
Südlich von Porto lauert der Tod
da Silva, Mariana

Südlich von Porto lauert der Tod


sehr gut

Torreira, eine kleine portugiesische Ortschaft direkt an der Atlantikküste, bietet das perfekte Postkarten Ambiente und dient als einmalige Kulisse für Mariana da Silvas neuen Kriminalroman „Südlich von Porto lauert der Tod“. Dorthin kehrt die Protagonistin Ria Almeida anlässlich der Beerdigung ihres geliebten Großvaters zurück. Erschüttert durch die Trauer und angespannt durch die Ereignisse bei ihrer Arbeit zu Hause bei der Stuttgarter Polizei sehnt sich Ria nach nichts weiter als Sommer, Sonne, Strand und gutem Essen. Doch die Leiche einer jungen Frau macht ihr einen Strich durch die Rechnung.
Joao, der Mann von Rias Cousine Mariposa, ist bei der örtlichen Polizei allenfalls mal unterwegs, um die „gestohlenen“ Gegenstände der äußert vergesslichen Senhora de Jesus aufzutreiben oder Falschparker im Ort aufzuschreiben; ein Tötungsdelikt jedoch, ist ein ganz anderes Kaliber. Um ihn vor dem sicheren Untergang zu bewahren, beschließt Ria, die selbst deutlich mehr Erfahrung mit solchen Verbrechen hat, ihrem Schwager bei den Ermittlungen unter die Arme zu greifen.
„Südlich von Porto lauert der Tod“ erfüllt wirklich alles was man sich von einem gemütlichen, aber spannenden Urlaubskrimi nur wünschen kann. Der Schreibstil ist angenehm flüssig zu lesen und man kommt einfach in die Geschichte hinein. Mir hat gefallen, wie gemächlich der Einstieg in die Handlung war, denn so konnte man sich super in der Atmosphäre einfinden und die Charaktere kennenlernen. Das Ambiente, das die Autorin schon so früh etabliert, hatte mich bis zum Schluss vollkommen gepackt. Auch die Figuren sind mir schon früh ans Herz gewachsen. Ria ist eine sympathische und facettenreiche Protagonistin und formt mit Joao ein wirklich liebenswertes Duo. Der familiäre Charakter, der sich durch die Geschichte zieht, hat bei mir irgendwie einen Nerv getroffen.
Zu dem Fall an sich möchte ich nicht viel verraten. Es ist ein gut konstruierter Mordfall mit glaubhaften und auch einigen überraschenden Elementen, der mich gut bei Laune halten konnte. Logischerweise darf man hier keine Thriller-Spannung erwarten, die einen konstant auf der Stuhlkante sitzen lässt, aber der Krimi hat einen sehr soliden Spannungsbogen. Irgendwie unaufgeregt, aber ohne langweilig zu sein.
Das Tüpfelchen auf dem i ist die schöne und liebevolle Gestaltung des Buches. Nicht nur das Cover besticht mit den landestypischen bemalten Fliesen, sondern auch das Innere hält ein paar schöne Überraschungen bereit. Das Design ist wirklich sehr durchdacht und gut gelungen.
Alles in allem ein wirklich gelungener Urlaubskrimi, den ich sehr gerne weiterempfehle. Und wenn ich den Andeutungen glauben darf, so kann ich mich hoffentlich auf eine Fortsetzung mit Ria & Co. freuen.