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Juma

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Insgesamt 96 Bewertungen
Bewertung vom 11.06.2023
Kriegspropaganda und Medienmanipulation
Hardinghaus, Christian

Kriegspropaganda und Medienmanipulation


ausgezeichnet

Propaganda und Manipulation erkennen, verstehen und widerstehen
Bisher habe ich mich mehr mit den Büchern von Christian Hardinghaus beschäftigt, die Themen zum Zweiten Weltkrieg behandelten, nun ist ein Sachbuch erschienen, dass ich fast schon als Lehrbuch bezeichnen würde. Hardinghaus nimmt sich der tagtäglichen Propaganda und der Medienmanipulation an, die jeden (be-)trifft, der Nachrichten hört oder sieht, die Zeitung liest, Internetnews konsumiert usw. Hat man dieses Buch gründlich bis zu Ende gelesen, wird man wahrscheinlich noch öfter über die vielen, unterschwelligen oder laut tönenden Indoktrinationsversuche stolpern als bisher.
Nachdem die Ursprünge und die historische Entwicklung der heutigen Propaganda erklärt wurden, zeigt der Autor auf, dass die Propaganda, die uns heute begegnet, allumfassend und sehr subtil bis sehr aggressiv auf uns wirkt. Die ersten beiden Kapitel heißen „Propaganda erkennen“ und „Propaganda verstehen“, die das perfekt beleuchten.
Das dritte Kapitel ist mit „Propaganda entlarven“ wie ein Lehrbuch aufgebaut und erklärt die Begriffe und Methoden, („Über 75 Formen und Techniken in praktischer Anwendung“). Hier sollte man sich vielleicht auch im Buch Notizen machen, wenn einem die eine oder andere Propagandamethode live begegnet. Die Propagandamethoden, die angesprochen werden, kannte ich mit ihrem wissenschaftlichen Namen nicht alle, aber Propaganda zu erkennen, ist für aufmerksame Leser und Hörer nicht ganz so schwer, wie gedacht. Die Einteilung in die sieben Grundformen der Propaganda fand ich sehr hilfreich, zum Glück reicht mein Englisch für die einführenden Originalworte aus. Aber es wird natürlich danach ausführlich erklärt. Für mich eine wahre Fundgrube waren die „Appelle“ und etwas Latein (hatte ich in der Schule nicht) lernte ich gleich noch mit. Oftmals beim Lesen der einzelnen Begriffserklärungen und Methoden hatte ich das Gefühl, ich lese hier über den Umgang der Medien mit der Corona-Pandemie, der „Klimakrise“, dem maroden Gesundheitswesen, den grünen Allmachts- und Heizphantasien. Propaganda kommt in vielen Verkleidungen daher! Medienmanipulation geht mit ihr Hand in Hand. Corona war ein Höhepunkt, der dann durch den Ukrainekrieg abgelöst wurde, aber die obrigkeitsergebene Masse wurde sofort in einem Atemzug auf den „richtigen Weg“ bei Strom, Gas, Heizen, AKW-Abschaltung, Waffenliefern etc. gebracht.
Kapitel vier befasst sich mit der Kriegspropaganda und erklärt sie anhand von Beispielen aus den Weltkriegen wie auch aus aktuellen Kriegen der letzten 70 Jahre, alles mit Details untermauert, die immer wieder erstaunen. Sehr interessant fand ich im Kapitel die "Erfindung" der professionellen Propaganda in Amerika und Großbritannien, damit habe ich mich bisher wenig beschäftigt und eine Menge Interessantes auf kurzem Wege gelernt. Der Kosovo-Krieg wiederum erinnert mich in vielem an die heutige Lage in der Ukraine und an die Propaganda rundherum. Die Kosovaren sind die „Guten“ gewesen, die Serben die „Bösen“ – die Propagandatrommel wurde auch in Deutschland kräftig geschlagen.
Im Kapitel fünf wird die Propaganda um den Ukrainekrieg beschrieben, die wir ja seit fast eineinhalb Jahren hautnah zu spüren bekommen.
Dem schließt sich das an, was ich als Medienkritik bezeichnen würde und von der ich hoffe, dass Journalisten, Zeitungsmacher, TV-Redakteure usw. sich so manchen Satz zu Herzen nehmen würden. Gerade die russische Kriegspropaganda, die um den ganzen Globus geht und sehr differenziert ihre Ziele sucht, wird sehr anschaulich beschrieben. Mein Problem ist aber, man wird zwar in den Medien und im ÖRR vollgetextet, aber die russische Seite wird mehr oder weniger ignoriert. Was man nicht veröffentlicht, braucht man ja auch nicht zu kommentieren oder zu analysieren. Das wäre aber für die Bevölkerung nicht schlecht. Dazu passt dieses Zitat von Seite 211: „Wenn aber weiter die Devise vorherrscht, dass das Verdrängen unangenehmer Inhalte sicherer wäre, als sich diesen zu stellen, geschieht gar nichts.“
Der Abschnitt zur ukrainischen Kriegspropaganda hat mir nicht ganz so gut gefallen, vielleicht hätten ein oder zwei Zwischenüberschriften das noch ein wenig strukturieren können. Und: Die Ukraine verspielt aus meiner Sicht viele Sympathien durch ihr aggressives, forderndes, beschuldigendes Propagandaverhalten gegenüber der westlichen Welt, aber insbesondere auch hier in Deutschland.
„Propaganda als Methode ausschließlich politischer Manipulation“ zu bezeichnen, das trifft aus meiner Sicht zu 100 Prozent zu. Sich davor zu schützen, das obliegt dem Menschen selbst. Dafür muss er sie erkennen, ich denke, dass dieses Ziel mit Hilfe von Christian Hardinghaus erreicht wird. Ich fühle mich sensibilisiert und werde auch in Zukunft das Buch als ein Nachschlagewerk für den „Propagandaalltag“ verwenden.
Das Buch ist gut lesbar, ja sogar unterhaltsam geschrieben, die Lehrbuchatmosphäre wird in den Hintergrund rückt. Ich freue mich immer wieder an Hardinghaus‘ Schreibstil, modern und unprätentiös.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.06.2023
Mann vom Meer
Weidermann, Volker

Mann vom Meer


gut

Mehr Meer war selten um Thomas Mann

Volker Weidermann ist ein Autorenname, der mich seit Jahren magisch anzieht. Zuletzt das wunderbare Buch über Anna Seghers in Mexico, unvergessen die Gespräche der Literaten 1936 in Ostende. Nun also der Titan Thomas Mann, der ganz sicher, und immer wieder Beachtung verdient. Was Weidermann in diesem Buch vereint, sind Familien-, Lebens-, Literatur- und Liebesgeschichte(n). Ein weit ausholender biographischer, philosophischer und tiefenpsychologischer Blick auf T. M. Ein Zitat: „Die Seeluft solle ihn stärken und erfrischen, einen Mann vom Meer aus ihm machen.“
Weidermann schmückt diesen Blick mit diversen Zitaten und mit dem Meer. Wobei das Meer in seiner Endlosigkeit bei mir zu einer gewissen Langeweile beitrug. Sind die Erzählungen über Großeltern, Eltern, Verwandte und Angehimmelte im ersten Teil des Buches noch unterhaltsam zu lesen, empfand ich Späteres als zäh und langatmig.
Wer bereits verschiedene Bücher über T. M. und die Seinen, auch über Heinrich Mann gelesen hat, wird biographische Details sicher kennen. Das Literaturverzeichnis ist übrigens umfang- und hilfreich.
Was die lange Zeit der Emigration in den USA betrifft, war mir das Kapitel etwas knapp gehalten. Meer gab es dort ja auch jede Menge und kluge Gedanken und tiefe Gefühle auch.
Die Lieblingstochter hat sich „ernst wie ein Junge“ als pragmatische Utopistin ihr ganzes Leben mit Meeresbiologie beschäftigt. Ob das nach des Vaters Sinn war, da bin ich mir nicht sicher. Ihr und ihren Gedanken gibt Weidermann im Nachwort viel Raum. Elisabeth Mann Borgese ist eine bemerkenswerte Frau gewesen, eine Frau vom Meer eben, aber mein Geschmack ist ihr Utopismus nicht.
Und so schließt sich der Kreis. Weidermann jedenfalls verbindet alles zu einer gewaltigen Welle, der Leser kann sich mitreißen lassen oder darin ertrinken.
Dass der Autor mir am Ende noch einen gehörigen Stich versetzt, muss ich leider erwähnen. Der studierte Germanist wendet sich in seinem Dank an die “Kommentator*innen der Frankfurter Thomas-Mann-Ausgabe“ ebenso wie an die „Wissenschaftler*innen auf der »Elisabeth-Mann-Borgese«“. Ein ganzes Buch voller wunderbarer Formulierungen, Zitate von Mann und Gedichte, die einem das Herz weich machen, und dann Gendersternchen. Schade. Auch für den Verlag. (Hinweis: wer No-Gender in Chrome o. ä. eingeschaltet hat, sieht die * natürlich nicht.)

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2023
Ein Garten voller Bücher
Donati, Alba

Ein Garten voller Bücher


gut

Verliebt in Bücher und verzettelt

Buchhandlungen und Buchläden aller Art, an den bekanntesten oder absolut versteckten Orten sind seit Jahren beliebtes Thema verschiedener Literaten und Literaturliebhaber. Alba Donati reiht sich ein in eine Autorenliste, auf der u. a. Penelope Fitzgerald, Liv O'Malley, Satoshi Yagisawa, nicht zu vergessen Shaun Bythell ihren Platz haben. Die Liste wäre beliebig fortzusetzen, die Namen tauchen natürlich als Ideengeber auch in Alba Donatis Buch auf.
Alba Donati ist Jahrgang 1961, ist wahnsinnig belesen und beim Aufbau der Buchhandlung im Hinterland der Toskana, im kleinen Ort Lucignana, macht sie ihren Lebenstraum wahr: ein Leben im himmlischsten Büchergarten der Welt. Der Starttermin ist fast gleichzeitig der Beginn der Covid-Pandemie, dass dann auch noch ein Brand der gerade eröffneten Dorfbuchhandlung, die hier und da auch Gegenstimmen auf den Plan rief, beinahe zum vorzeitigen Ende der Idee führte, ist Schicksal. Sie trotzt dem Schicksal mit Hilfe von Dorfbewohnern, Crowd Funding, Freunden und plötzlich auftauchenden Sponsoren. Die Neueröffnung gelingt mit viel Glück und Gottvertrauen.
Die Autorin erzählt all das und noch viel mehr rückblickend in einem Tagebuch, das sie im Januar 2021 beginnt und das sechs Monate später endet. Den Leser erwartet ein wahres Feuerwerk aus Buchempfehlungen, Lebens- und Dorfgeschichten, Familienverwicklungen, glücklichen Momenten und traurigen Ereignissen. Was mich im Januar und Februar noch fesselte, wurde mir mit jedem folgenden Monat doch zu viel des Guten. Lichtblicke waren die täglichen und überschaubaren Buchbestellungen, die abgearbeitet worden waren. Zu meinem Glück waren unter den erwähnten Autoren dann tatsächlich auch einige, die ich kenne und sogar gelesen habe. Aber das waren wenige. So kam es des Öfteren vor, dass ich das Handy zur Hand nahm und mir Unbekanntes googelte. Je mehr Namen auftauchten, um so seltener googelte ich. Unterdessen hatte ich aber Emily Dickinson kennengelernt und Penelope Fitzgerald auch, ich weiß nun, was ein Adirondack-Gartenstuhl ist, wo sich das Dorf befindet und wie es in der Buchhandlung aussieht.
Einzelne Sätze und Episoden sind erfrischend und ironisch, wunderbar der 8. März mit dem Auftritt der Dorfschönheiten im Netz. Albas Mutter versehen mit dem Beruf Hundertjährige. Und dann bezeichnet sie sich selbst ein paar Tage später als lebende Tote. So kann es gehen mit Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung. Dass es für die Mutter immer schwieriger wird, den Alltag, die Stufen und Wege zu meistern, ist traurig und es wird auch für Alba und ihren Bruder nach einem Unfall sehr schwer, die Mutter in ständige Pflege zu geben. Ich kenne diese Probleme aus eigener Erfahrung und kann mich gut hineinversetzten in diese seelischen Qualen.
Bei der Bearbeitung der Buch- und Autorenauswahl durch das Lektorat im Berlin-Verlag wurde sicher viel Mühe aufgebracht, an welcher Stelle und wie etwas verändert wurde, konnte ich nicht herausfinden. Insgesamt finde ich die Idee, das Buch ins Deutsche zu übertragen, sehr lobenswert, ich bin aber etwas traurig, dass ich nicht ein E-Book gewonnen habe. Auf dem iPad zu lesen, wäre für mich viel besser gewesen. Einerseits liest sich die Bodoni für mich als Brillenträger nicht so besonders gut, die feinen Serifen werden vom Papier teilweise verschluckt, es ist kein kontrastreiches Schriftbild, es wirkt beinahe dunkelgrau auf dem gelblichen Papier. Außerdem wäre das direkte Nachschlagen von italienischen Buchtiteln, unbekannten Autoren etc. praktischer.
Die Gestaltung des Buches gefällt mir aber insgesamt sehr gut, das Hardcover macht einen wertigen Eindruck, es passt zum teilweise sehr romantischen Beschreiben der Landschaft und der vielen Bücher. Dass sich die negative, orange Schrift auf der Rückseite fast gar nicht vom Fond abhebt, ist etwas störend. Der Titel vorn in Versalien ist natürlich in dieser Farbe gut lesbar, weil die Schrift viel größer ist. Der graue Rücken sieht schick aus, aber nachdem ich nun das Buch ganz intensiv gelesen habe, sind die Kanten leider schon abgestoßen und leuchten weiß.
Warum die Tagebucheintragungen keine Jahresangabe haben, ist mir eigentlich unverständlich. Das ist eher für Tagebuch-Romane üblich, die ohne Jahresangaben im Raum schweben, weil das Jahr nicht wichtig ist oder nie genannt wird.

Fazit: Alba Donatis Tagebuchgeschichte ihres Gartens der Bücher hat mir sehr viele Ideen beschert, mich in das toskanische Dorfleben eingeführt und einiges über die romantischen, aber auch bodenständigen Beziehungen zu Menschen, Autoren und Bücher und Pflanzen gelehrt. Die schiere Fülle aber und die oft hin- und herspringenden Gedanken und Ereignisse haben mich bisweilen irritiert. Schwer nachvollziehen kann ich, dass Bücher weiblicher Autoren von Alba Donati oftmals als Nonplusultra und die "wertvollere" Literatur eingestuft werden. Für mich sind in erster Linie die Bücher wichtig, nicht die Geschlechtszugehörigkeit der Autoren.

Bewertung vom 10.05.2023
Deitschland (eBook, ePUB)
Blum, Emma

Deitschland (eBook, ePUB)


sehr gut

Fremdes Deitschland im fernen Brasilien

Emma Blum legt ihren Debütroman vor, ein Erstling von gewichtigem Ausmaß, 564 gedruckte Seiten, die dem Leser die Lebensgeschichte von Paul Rosenbaum erzählen. Und die ist ganz und gar nicht alltäglich, denn sie führt in das Innere Brasiliens, wo sich seit dem 19. Jahrhundert deutsche Auswanderer niederließen und ihr kleines „Deitschland“ aufbauten. (Ähnliche deutsche Ansiedlungen gibt es z. B. auch in Argentinien, Verwandte von mir sind dort 1938 als Flüchtlinge angekommen, einige sprachen auch 50 Jahre später noch kein Wort Spanisch, aber die Kindeskinder können nun kein Deutsch mehr.)
Der Roman beginnt mit der Ankunft von Paul in Deutschland, er hat sich um eine Au-Pair-Stelle beworben und wird für ein Jahr in Dortmund, der Geburtsstadt seines Großvaters, auch ein Paul Rosenbaum, den kleinen, verwöhnten und etwas vollgefressenen Felix betreuen. Dass er mit der Ortswahl auch den Zweck der Erforschung der Familiengeheimnisse verbindet, liegt auf der Hand. Mitgenommen nach Deutschland hat er eine alte Keksdose mit Erinnerungsstücken, die ihn auf seiner Suche leiten und begleiten.
Die Menschen in Pauls Heimat sprechen ihr eigenes „Deitsch“, das mit dem Hochdeutschen nur noch entfernt verwandt ist, aber viele von ihnen lernten weder lesen noch schreiben, ganz zu schweigen von Portugiesisch, das zwar Amtssprache ist, aber in den deitschen Dörfern erst benutzt wird, als die Kinder und Kindeskinder in die brasilianischen Schulen gehen. Paul wird erst später bei den Priestern ein richtiges Portugiesisch lernen.
Paul wächst in ärmsten Verhältnissen mit zehn Geschwistern auf, aber er ist von Anfang an ein kleiner Außenseiter, er liebt Bücher, er liest alles, was er bekommen kann. Als sich ihm die Möglichkeit bietet, auf ein Priesterseminar fernab seines Dorfes zu wechseln, wenn er die Schule gut abschließt, lernt er wie der Teufel. Und er erreicht sein erträumtes Ziel. Dass es im katholischen Internat nicht so traumhaft ist wie gedacht, das lernt er schnell. Und ihm fehlt seine unerfüllte Jugendliebe Marlene sehr.
Die Geschichte wechselt in einem stetigen Rhythmus von Rückblicken auf Kindheit und Jugend von Paul zu den Erlebnissen und Erfahrungen, die Paul in Deutschland macht. Verwoben in diese Geschichten ist auch die Historie der deutschen Einwanderer, des Großvaters Paul, der anderen Großeltern, Tanten und Verwandten und der indigenen Ureinwohner, der Guaraní. Dann gibt es da zum Beispiel den 50 Jahre lang verschollenen Großonkel Archibaldo, der plötzlich wieder auftaucht und beeindruckende Sachen über Deutschland und die Welt berichtet. Der junge Paul saugt alles auf, sein Bild von Deutschland ist blühend und schön, dort will er unbedingt hin, er will unbedingt ein richtiger Deutscher werden. Ob ihm das gelingt, das muss jeder Leser selbst herausfinden, ich möchte hier nicht allzu viele Spoiler hinterlassen, das Buch liest sich spannend und muss es bleiben für jeden, der es beginnt.
Paul wird in Dortmund so einige Überraschungen erleben, er wird erfahren, wer sein Großvater wirklich war und warum er 1935 fluchtartig das Land verließ.
Das Ende des Buches mit seinem „Epiprolog“ hat mich etwas ratlos zurückgelassen. Emma Blum wollte damit wahrscheinlich den Kreis schließen. Ich aber hätte mir eher einen Epilog gewünscht, in dem Paul vielleicht zehn Jahre später zu seinen Eltern nach Brasilien geflogen wäre oder ihnen einen Brief geschrieben hätte oder, oder, oder. Der wunderbare Erzählrhythmus ist mir in diesem letzten Teil verloren gegangen.
Da es sich um viele Einzelpersonen (insbesondere in Brasilien) handelt in diesem Roman, wäre ich über eine Namensliste/eine Familienaufstellung/ein Personenregister oder auch über einen kleinen Stammbaum von Pauls Familie nicht böse gewesen.
Fazit: Wow, was für ein Debüt! Spannend, komisch, traurig, informativ und unterhaltsam, das findet man nicht oft alles in einem einzigen Buch. Ein moderner, gut lesbarer Schreibstil, wunderbar eingearbeitet das „Deitsche“, eine Lebens- und Familiengeschichte, die den Leser in eine ungewohnte Richtung weit über den eigenen Tellerrand blicken lässt. Emma Blum schreibt teilweise lange Sätze, das passt gut hinein in die Gedankenwelt von Paul, der so viel denkt, immer hintereinanderweg. Bei vielen der Protagonisten, die ganz wunderbar charakterisiert sind, man hat das Gefühl, man könnte sie alle sehen oder hören, Emma Blum bringt sie einem wirklich nahe. Sei es der wilde Giovani oder die geheimnisvolle Großmutter, die verrückte Cíntia oder der Bruder Bruno, Felix‘ Mutter genauso wie Frieda Gruber, sie alle wachsen dem Leser einfach ans Herz.
Danke, Emma Blum, für dieses bereichernde und herzerwärmende Debüt.

Bewertung vom 04.05.2023
Traubentod / Elwenfels Bd.5
Habekost, Britta;Habekost, Christian

Traubentod / Elwenfels Bd.5


sehr gut

Die Magie von Elwenfels kriegt auch Mörder klein

Zuerst fiel es mir erstaunlich leicht, in die Geschichte einzutauchen, obwohl das Pfälzische mir als gebürtiger Berlinerin total fremd ist. Es ließ sich alles gut an, begann, wie es sich für einen Krimi gehört, mit einem Mord, einem untergetauchten Ex-Polizisten, ein paar bitterbösen Kriminellen und ein bisschen Liebe, Wein und Tratsch im Dorf.
Dann taucht im abgeschiedenen Elwenfels eine Filmcrew auf, es beginnt ein regelrechter Wettbewerb der Elwenfelser Ureinwohner um die besten Rollen. Das ganz große Kino wird aufgerollt, Freilichtatmosphäre auf dem Marktplatz, „Der Pate“ wird mit Speis‘ und Trank und jeder Menge Sprüche in Mundart garniert.
Aber der Name des Dorfes ließ es mich schon richtig vermuten, hier sind nicht nur pure Krimischreiber und Pfälzer „Dialektiker“ am Werk, nein, hier wird auch die Fantasygemeinde herzlich angesprochen. Der Fantasykrimi nimmt seinen Lauf, mal gemächlich, mal mit Tempo, es fließt jede Menge Zauberwein und man wundert sich, was die Pfalz so alles zu bieten hat.
Es gibt auf jeden Fall eine Menge Charakterstärken im Dorf, ob es nun Willi und Otto sind, die beiden wohlgenährten Beinahehelden, oder der wunderhübsch errötende Dorfpfarrer Karl, seine heimliche Liebste oder das Kuschelduo Carlos und seine Charlotte, jeder hat seine herrlichen Attitüden und Allüren. Vom Filmteam ganz zu schweigen, ein Regisseur, der ständig Contenance bewahren will, ein abgehobener Hauptdarsteller, der kaum klein beigibt, nachdem er sich eine Schelle gefangen hat, und den der Zauberwein dann endlich etwas willenlos macht. Ein Dutzend Ungenannte verzeihen mir!
Die vielen Anspielungen auf Filmepisoden sind amüsant zu lesen, waren mir schließlich dann doch etwas viel. Aber zusätzlich zur Cineastik lernt man auch noch ein bisschen etwas dazu aus der Pfälzer Geschichte, das war ein gutes Pendant zu den Filmzitaten.
Über den kriminellen Verlauf spoilere ich hier nicht, jeder Leser soll seinen Spaß und seine Spannung behalten.
Fazit: Wer es gern satirisch, ironisch, deftig und lustig hat, das Pfälzische gut versteht, ein Prise Fantasy nicht verachtet und auch den Schreibstil mag, der ist in Elwenfels genau richtig.
Gerne vier Sterne. Reimt sich!

Bewertung vom 29.04.2023
Nachts ist man am besten wach
Sanders, Kristina

Nachts ist man am besten wach


sehr gut

Die abwechslungsreiche Geschichte über die Emanzipation von vier Frauen, die auf die eine oder andere Weise in ihrer Gegenwart gefangen sind, hat mir gut gefallen. Vier Frauen treffen sich beim "Club der Schlaflosen", den Hauptperson Sophia initiiert hat, auf Twitter, bald schon auf Zoom und dann im richtigen Leben. Wie es der Zufall will, sind die vier Hamburgerinnen und mehr oder weniger in der Sackgasse ihrer Noch-Beziehungen. Sophia ist zwar mit einem großen Haus gesegnet, aber der Mann ist auf und davon, hat eine 20 Jahre Jüngere und wird gerade Vater. Der Streit um Scheidung, Haus und so weiter ist heftig. Sophia nimmt kurzentschlossen die sich gerade trennende Katharina plus Baby bei sich auf, hinzu kommen im großen Haus dann auch noch Neffe Kilian (gerade frisch geoutet) mit schüchternem Freund. Die anderen beiden Schlaflosen sind Margarete, ewige Mutter erwachsener Söhne und Ehemann, der ein bisschen Eigenleben und Freiraum fehlt, sowie die Kunstgaleristin Klara, der die letzte Beziehung und Trennung immer noch in den Knochen steckt.

Was die vier Frauen erleben, ist abwechslungsreich und teilweise amüsant, macht aber auch nachdenklich. Die Charaktere - auch der weiteren Protagonisten - werden klar gezeichnet, ein jeder lässt sich gut einordnen. Und man muss ja nicht jeden mögen. An Ereignissen aller Art mangelt es im Buch wirklich nicht, es geht immer flott weiter.

Was mich etwas störte, ist der Hang zur grünen Belehrung, das brauche ich nicht in einem Unterhaltungsroman, da berieselt mich schon der ÖRR ausreichend. Umwelt, Klima, Veganismus, LTGB etc., alles musste mit rein ins Buch. Beruhigend fand ich dann doch, dass auch die größten Klimaverteidiger doch noch mit dem Auto fahren.

Fazit: gute Unterhaltung mit kleinen Abstrichen.

Bewertung vom 19.04.2023
Polnischer Abgang
Hoffmann, Mariusz

Polnischer Abgang


ausgezeichnet

Neuanfang im Gelobten Land Deutschland

Den Einstieg ins Buch habe ich mit Leichtigkeit genommen, eine Schreib- und Gedankenwelt, wie man sie von einem 14jährigen aber nicht immer vermutet. Jarek lernte ich schnell kennen, die polnische Familie aus Salesche in Oberschlesien einschließlich der Oma Agnieszka und ein paar Randfiguren inklusive.

Der Ort Salesche (polnisch Zalesie Śląskie) ist ein zweisprachiger Ort, südlich der Autobahn von Breslau nach Kattowitz, rund 40 Kilometer vor Gleiwitz gelegen. Jarek wächst dort in einer für Polen sehr unruhigen Zeit heran, aber in einer sehr ruhigen, abgeschiedenen Gegend. Der Rückblick auf die Erlebnisse des Vaters mit der ZOMO (das war eine kasernierte militärische Sondereinheit, die 1989 aufgelöst wurde) ist drastisch, sie sind ganz offensichtlich ein Grund für den Auswanderungswunsch der Familie. Vielleicht hatte auch Oma Agnieszka einen Anteil an der „Sonderbehandlung“ ihres Sohnes, ein Geheimnis bis fast zum Ende des Buches. Das Verschwinden von Oma Agnieszka löste jedenfalls 1982 einige Verwirrung aus, die Vermutungen gingen von Mord bis Entführung, es stellte sich aber heraus, dass sie still und heimlich ihre Ausreise betrieben hatte. Offenbar war der Opa nicht der liebevollste aller Ehemänner.

Getarnt mit Touristenvisa machen sich Vater, Mutter und Jarek im Sommer 1990 im Auto des Schleppers Hübner jedenfalls auf den Weg ins „Gelobte Land“. Alles ist verschenkt und verkauft, sie haben nur noch das, was in das Auto passt.

Später an der Grenze: das volle Programm, endloser Stau. Dann: alles auspacken! Wie im richtigen Leben, würde ich sagen, wenn ich an die DDR-Grenzer denke.

Von der ersten, sehr ernüchternden Station im Auffanglager Hamm kommt Familie Sobota in die "Zwischenwelt" von Unna-Massen. Ein Aussiedlerlager mit all den Erbärmlichkeiten, die das Zusammenleben auf engstem Raum, mit wildfremden Menschen und jeder Menge Alkohol- und Zigarettendunst so mit sich bringt. Nicht gerade Jareks Traum vom gelobten Land.

Mitbewohnerin Elwira hat es Jarek angetan, es beobachtet ihr Tun und Lassen und ihr Liebesleben mit wachsendem Interesse. Die Eltern hingegen sind ausgiebig mit der deutschen Bürokratie beschäftigt. Und dann lernt Jarek die flotte Biene Monika kennen, aus einer der „besseren“ Aussiedlerfamilien, wie es scheint. Jarek und Monika freunden sich an und haben auf einem Ausflug zum See mit ihrem angelfreudigen Bruder Gregor eine unmenschliche Begegnung der dritten Art, der See ist danach tabu.

Jarek lernt recht schnell auch die Ablehnung der Bürger (jung wie alt) gegenüber den Aussiedlern kennen, kein angenehmes Gefühl, aber er wird sich durchbeißen, Deutsch lernen und sich später aus der Ärmlichkeit befreien. Denn auch nachdem die ersehnten Papiere mit allen Stempeln und Genehmigungen fürs Bleiben da sind, reißen die Probleme nicht ab.

Auch dass Jareks Vater um sein verlorenes „z“ trauert, er heißt nun nur noch Ambrosius, mag einem Polen verständlich sein, für Deutsche sind das „böhmische Dörfer“.

Von Unna-Massen geht es nach Werne, aber noch längst nicht in eine richtige eigene Wohnung, sondern in ein Notquartier, das notdürftig ausgestattet wird mit Sperrmüllmöbeln und ersten selbst gekauften Einrichtungsgegenständen. Gemeinschaftsküche, Gemeinschaftstoiletten, ein Quartier, das Jarek nur ungern preisgibt oder seinen Freunden zeigen würde. Dort erlebt die Familie ihr erstes Weihnachtsfest. Und wieder ist es das Thema „Oma Agnieszka“, das beinahe die kleine Feier sprengt.

Ich will auf keinen Fall die Pointe der Geschichte verraten, nur eines: Mariusz Hoffmann hat einen bewegenden Roman geschrieben, - sagt man Jugendroman oder Coming-Of-Age-Geschichte? – egal, er hat mir gut gefallen. Eine frische, sehr glaubhafte Sprache, und die Gedanken von Jarek sind jederzeit nachvollziehbar. Er muss sich durchbeißen, es wird ihm nichts geschenkt in diesem Roman, außer Lebenserfahrung und eine wertvolle Freundschaft! Sein Verhältnis zu den Eltern ist glaubhaft, trotz der Unstimmigkeiten um Oma Agnieszka bleiben Liebe und Fürsorge zwischen Eltern und Sohn bestimmend.

Das Buch in der Hand: Besonders gut gefällt mir der Umschlag, wer schon einmal über Polen geflogen ist, kennt den „gestreiften“ Anblick der Felder. Sonnengelb das Hardcover, es hat nicht ganz die Farbe der Titelzeile, aber fast. Innen ist das Buch sehr großzügig, schönes Papier (angenehmes Cremeweiß), eine Schrift, die sich sehr gut lesen lässt. Ich betone das, weil leider nicht alle Bücher so wunderbar gestaltet sind.

Für mich eine sehr bereichernde Lektüre, die ich gern weiterempfehle.

Bewertung vom 09.04.2023
Brüderchen (eBook, ePUB)
Dupont-Monod, Clara

Brüderchen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Steine erweichen das Herz
Ein langer Auszug dieses Buches erschien am 5. April in der WELT online, ich begann zu lesen und konnte bis zur letzten Zeile nicht mehr loslassen. Die Worte zogen mich magisch an. Ich bestellte das Buch und las alles noch einmal von vorn. Eine solche Poesie und Melancholie, wie in diesem Buch der französischen Autorin Clara Dupont-Monod, die habe ich selten erlebt. Leider kann ich mit meinem Schulfranzösisch nicht beurteilen, wie die Übersetzerin Sonja Finck das Original ins Deutsche brachte, aber auf jeden Fall ist sie als Schriftstellerin nicht minder begabt. Mir hat sich eine ganze Welt eröffnet. Bereits die Idee, die Steine eines cevennischen Bauernhofes die Familiengeschichte der Bewohner schildern zu lassen, ist außergewöhnlich.
Diese Geschichte beginnt, als Familiennachwuchs aus Vater, Mutter, Bruder und Schwester eine fünfköpfige Familie macht. Es wird ein Junge geboren, der Bruder ist zehn Jahre, die Schwester wohl acht. Das Brüderchen aber ist nicht wie die Geschwister, es beginnt nicht, die Dinge mit den Augen zu verfolgen, es hebt das Köpfchen nicht, es bleibt teilnahmslos an der Umwelt. Es ist blind, es ist eigentlich kaum lebensfähig, die Ärzte lassen keine Hoffnung aufkommen. Trotzdem entwickelt sich eine liebevolle Zuneigung zu diesem lebensunfähigen Brüderchen, der große Bruder wird sein Beschützer, sein Pfleger, sein Gefährte. Mit ihm und dem Brüderchen lernt der Leser den Hof, den Garten, die Umgebung, die Berge und den Bach kennen, der Leser hört das Rauschen der Bäume, die Flügelschläge der Libellen, das Knistern vertrockneter Disteln, der Leser riecht die Erde, die Blumen, das Essen, das Kind. Die Erzählung saugt den Leser an, hält ihn fest, lässt ihn jeden Schritt und jeden Gedanken des Bruders miterleben. Aber er sieht auch die Schwester, die ihren großen Bruder verloren glaubt, die sich vergessen und zurückgesetzt fühlt. In ihr sammeln sich Wut und Traurigkeit, die sie über Jahre begleiten werden.
Als das Brüderchen in der Krippe im Ort tagsüber nicht mehr betreut werden kann, suchen die Eltern verzweifelt nach einem Heim, aber nirgends wird das Kind aufgenommen. Erst Hunderte Kilometer entfernt findet sich ein christliches Heim für Schwerstbehinderte, von Nonnen werden die Kinder dort betreut. Als das Brüderchen dorthin gebracht wird, zerbricht für den großen Bruder die Welt, die Schwester aber fühlt sich erstmals befreit vom Unglück. Es wird Jahre dauern, bis der große Bruder das Brüderchen in den Ferien wieder anschaut, mit ihm spricht und mit ihm in den Wald wandert. Die Schwester wendet sich derweil immer mehr der Großmutter zu, findet dort eine Freundin und Vertraute, wie sie sonst keine hat.
Dann sterben das Brüderchen und die Großmutter, die Familie ist wieder zu viert. Ist eine Last genommen? Nein, die Last der Erinnerung bleibt, verstärkt die Charaktere von Bruder und Schwester noch mehr. Der Bruder ein Einzelgänger, der versucht, mit Mathematik und Anpassungskunst das Leben zu meistern, die Schwester immer noch wütend und auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Am Ende wird sie ihn finden, aber es dauert eine Ewigkeit.
Die Eltern jedoch beginnen ihr Leben noch einmal neu, ohne das tote Kind zu vergessen, aber ohne Zorn und ohne Wut. Es kommt ein weiterer Bruder zur Welt, da sind die großen Geschwister längst erwachsen geworden. Der Nachgeborene wird im letzten Teil des Buches zur Inkarnation des verstorbenen Brüderchens, er fühlt sich manchmal als Ersatz, manchmal aber, als hätte er ihn in sich. Der Nachgeborene ist das sensible Abbild des großen Bruders wie auch des toten Kindes. „Wie ist es möglich, dass man einen Menschen, der vor der eigenen Geburt gestorben ist, vermisst, fragt er sich, …“
Endlich findet auch die Schwester, die zum Nachgeborenen eine zärtliche und liebevolle Beziehung hat, ihren Ruhepol, sie lebt in Portugal und verliebt sich in den Schallplattenhändler ein paar Häuser weiter. Als sie das erste Mal schwanger ist, sind alle besorgt, aber sie beantwortet später die entscheidende Frage ihres kleinen Bruders, was sie gemacht hätte, wenn das Baby behindert zur Welt gekommen wäre, mit der lakonischen Antwort, sie hätten es nicht behalten. Das versetzte mir einen Stich und doch konnte ich es verstehen. Am Ende wird sie drei kleine Mädchen habe, der kleine Bruder wird sie lieben und mit ihnen spielen und sich um sie sorgen, so wie sich der große Bruder auch immer um die Schwächeren gesorgt hat. Der Kreis schließt sich.
Am Ende steht denn auch die Frage an mich selbst, wie hätte ich mich verhalten, wie hätte ich entschieden in einer so fatalen Lage? Auch nach „Brüderchen“ kann ich das nicht beantworten.
Ich empfehle dieses Buch von ganzem Herzen, es überwindet die Hemmschwelle zwischen Hirn und Herz mit einer Leichtigkeit und Poesie, die das Tragische wieder ertragbar macht.

Bewertung vom 02.04.2023
Warum uns Israel fasziniert
Lina Strohmeyer, Anna Müller

Warum uns Israel fasziniert


sehr gut

Israel fasziniert mit voller Kraft

Für mich eine ungewohnte Sichtweise auf Israel: die von 15 religiösen deutschen Christen. Ich habe diese Geschichten mit Interesse und manchmal auch mit Kopfschütteln gelesen, nicht jeder Aussage könnte ich zustimmen, aber eines ist mir klargeworden: mein bisheriger Blick auf Israel war bei Weitem nicht so weit wie die Erkenntnisse, die ich aus diesem Buch erlangt habe.

Wer mit dem Erbe der Holocaustopfer in der eigenen Familie großgeworden ist und den Fokus bei Israel eher auf Yad Vashem legte als auf das Leben und Denken der Menschen dort, wird erstaunt sein über die vielfältigen Fragen und Probleme, mit denen man in Israel konfrontiert wird. Mir war es bisher noch nicht möglich, Israel zu besuchen, aber dieses Buch machte mir tatsächlich klar, es wird Zeit! Ich gehe auf die 70 zu und will es nun doch endlich schaffen.

Einen Beitrag, der mir sehr gefallen hat, nehme ich hier als Beispiel: Doron Schneider schreibt "über ein Volk, das eigentlich nicht existieren sollte". Zitat: "Der moderne Israeli schaut nicht gerne nach hinten auf die tragische Vergangenheit, denn dafür haben wir Gedenktage..." Trotzdem findet man in jedem der 15 Beiträge immer wieder Anknüpfungspunkte an diese Vergangenheit mit dem Namen Holocaust. Ich denke, Israel hat ein gutes Gleichgewicht gefunden zwischen dem Gestern und dem Heute. Meine Hoffnung ist, dass ich ein Quentchen der Chuzpe ererbt habe, von der Doron Schneider berichtet.