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Benedikt Bögle

Bewertungen

Insgesamt 406 Bewertungen
Bewertung vom 23.08.2021
Das gestohlene Kind
Bakiner, Tamer;Walzer, Matilda

Das gestohlene Kind


ausgezeichnet

Malik ist Privatermittler, vor allem für große Wirtschaftsunternehmen stellt er auf der ganzen Welt Ermittlungen an – ob es nun um Markenpiraterie in der Türkei oder illegale Müllentsorgung in Deutschland geht. Eigentlich möchte er eine private Auszeit von seinem nervenaufreibenden Job nehmen, muss dann aber doch einen unvorhergesehenen und spektakulären Fall übernehmen. Spontan begegnet er bei einer Psychologin einem Mann – Alexander. Er hatte eine thailändische Frau geheiratet; die Beziehung der beiden geht durch eine Krise. Das liegt einerseits daran, dass Alexanders Ehefrau Suna in der Escort-Branche arbeitet, andererseits aber auch daran, dass Alexander die thailändische Familie seiner Frau finanziell nicht unterstützen will.

Suna fasst einen folgenschweren Beschluss: Sie will mit der gemeinsamen Tochter Elara nach Thailand ziehen. Was zunächst Alexander gegenüber als Urlaub getarnt wird, soll eine dauerhafte Ausreise werden. Kurze Zeit später kehrt Suna nach Deutschland zurück – und begegnet dort Alexanders Exfrau, die Suna im Affekt erschlägt. Plötzlich merkt Alexander: Seine Tochter ist verschwunden – Hilfe in der ausweglosen Situation kommt vom Privatermittler Malik. Er erklärt sich bereit, nach Thailand zu reisen und Elara zurück zu ihrem Vater zu bringen.

„Das gestohlene Kind“ von Tamer Bakiner trägt autobiographische Züge: Der Autor arbeitet tatsächlich als Privatermittler, auch in der Realität beschäftigt er sich viel mit Kindesrückführungen. Mit seinem Thriller ist ihm eine packende Story gelungen, bei der sich Realität mit Fiktion vermischt. Er schafft es, den Spannungsbogen aufzubauen, ohne die menschlichen Seiten des Dramas unbeleuchtet zu lassen. „Das gestohlene Kind“ unterhält, stellt aber auch wesentliche Fragen, die der Leser letztlich für sich selbst beantworten muss.

Bewertung vom 23.08.2021
Klippentod / Simon Jenkins Bd.1
Bray, Ian

Klippentod / Simon Jenkins Bd.1


gut

In einem Fischerdorf an der Küste Cornwalls wird eine Frauenleiche gefunden; sie ist über die Klippen in den sicheren Tod gestürzt. Selbstmord – so erklären sich die Dorfbewohner den Tod der jungen Frau. Nur Mary, eine Freundin der Toten, zweifelt daran. Niemals, so glaubt sie, hätte ihre Freundin sich umgebracht, niemals hätte sie auch nur die gefährliche Stelle an den Klippen aufgesucht, vor der sie sich schon als Kind fürchtete. In ihrer Not wendet sich Mary an Simon Jenkins. Der ehemalige Londoner Polizist lebt nach einem Unfall an der Küste Cornwalls und widmet sich ganz der Malerei. Er zögert zunächst, hinter dem Rücken der Polizei zu ermitteln, gibt dem Druck von Mary dann aber schließlich nach.

Die Sache wird undurchsichtiger, als eine weitere junge Frau stirbt – an Selbstmord oder einen Unfall ist hier nicht zu denken, vielmehr sieht alles nach einem Ritualmord aus. Und schließlich verschwindet Mary selbst. Wer könnte dahinter stecken? Der skrupellose Investor, der ihr kleines Haus um jeden Preis kaufen möchte? Oder ihr aus Deutschland angereister Exfreund? In letzter Minute kann der ehemalige Ermittler Jenkins das Rätsel lösen.

„Klippentod“ von Ian Bray – das Pseudonym eines deutschen Journalisten – folgt klassischen Krimi-Topoi. Da ist der persönlich gescheiterte Ermittler, der ständig mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird, die Protagonistin, die in gewisser Weise ebenfalls vor ihrer Vergangenheit geflohen ist, der enttäuschte und übergriffige Exfreund. Da sind die zunächst Verdächtigen, die sich am Ende als Finte herausstellen ebenfalls wie der überraschend hinzukommende, neue Verdächtige. All das könnte überzeugen, ist am Ende aber doch ein wenig zu klischeehaft, beinahe lehrbuchartig. Dazu kommt die ebenfalls weitgehend beliebte Idee, das Geschehen an einen Sehnsuchtsort zu verfrachten und bei den Lesern so ein Gefühl von Urlaub zu wecken – in diesem Falle ist es die englische Küste. Im Gesamten kann dieser Krimi durchaus unterhalten, wenngleich er in weiten Teilen etwas zu langatmig und ausholend erscheint.

Bewertung vom 23.08.2021
Der Nachlass
Winner, Jonas

Der Nachlass


ausgezeichnet

Hedda Laurent ist tot – und hinterlässt ein gewaltiges Vermögen. Wer aber soll Erbe der zahlreichen Wohnblöcke in Berlin werden? Ihr Zwillingsbruder, ihr Ehemann oder eines der vier Kinder? Hedda hat einen ungewöhnlichen Weg gewählt: Die ganze Familie – einschließlich der Partner ihrer Kinder – soll in einem Wettstreit um das Erbe kämpfen. Wer in zahlreichen Kämpfen die meisten Punkte davonträgt, hat gewonnen und wird Heddas Alleinerbe. Von Anfang an kommt dieses Spiel der Familie seltsam vor – doch sie beugen sich dem letzten Willen der verstorbenen Mutter. Anfangs sind die Wettkämpfe auch recht harmlos, sie könnten der Phantasie von Kindern entspringen: Wettlaufen, Wettessen, Wetttauchen. Stück für Stück aber werden die Aufgaben ernster und gefährlicher – lebensgefährlich gar am Ende.

„Der Nachlass“ von Jonas Winner ist ein packender Roman. Von Anfang ab schwebt ein dunkles Geheimnis über der Familie – wie dunkel, wird sich erst am Ende des Thrillers lüften. Nicht nur die Aufgaben werden immer grusliger, plötzlich sterben Menschen auf dem Grundstück der Familie Laurent. Mitten in einem Berliner See schwimmt die Insel der Familie, auf ihr die riesige Villa. Durch einen plötzlichen Wintereinbruch werden die im Wettkampf vertieften Familienmitglieder auf der Insel eingeschlossen. Wer ist für die Tode verantwortlich? Ein Fremder, oder ist es einer von ihnen?

Dieser Plot erinnert stark an Agatha Christies „Mausefalle“: Auch dort sterben in einem durch Schnee eingeschlossenen Haus nach und nach die Gäste – und auch dort drängt sich die bittere Frage nach dem Täter auf. Ist es ein Fremder oder „einer von uns“? Dieses Motiv wird von Winner gekonnt aufgegriffen. Er versteht es, seine Leser bis zur letzten Seite zu fesseln und mit immer neuen Wendungen in seinen Bann zu ziehen. Ein guter Plot, eine gute Umsetzung. Kurzum: Ein gelungener Thriller, der nichts für schwache Nerven ist.

Bewertung vom 03.08.2021
Zwangsvollstreckungsrecht
Kornol, Malte; Wahlmann, Carsten

Zwangsvollstreckungsrecht


sehr gut

"Zwangsvollstreckungsrecht" von Malte Kornol und Carsten Wahlmann, erschienen bei Nomos, bietet einen gute Einführung und Vertiefung in die Thematik der Zwangsvollstreckung. Die Autoren haben einen fein untergliederten Band vorgelegt, dem man jederzeit folgen kann: Auf die Art und Wiese der Vollstreckung gehen die beiden Autoren ebenso ein wie auf die klausurträchtigen Rechtsbehelfe gegen die Zwangsvollstreckung. Sie schaffen es - auch mit vielen Beispielen und Skizzen - die doch eher trockene Materie ganz ansehnlich aufzubereiten. Besonders hervorzuheben ist die kurze Einführung am Beginn des Bandes; sie wirf einen ersten Schlagschatten auf den vollständigen Stoff, der dann Stück für Stück präsentiert wird. Sprachlich ist den Autoren jederzeit zu folgen, auch inhaltlich bemühen Sie sich, die schwierige Materie so gut es geht darzubieten. Schade einzig: Zwei Kapitel – das zum "Immobiliarzwangsvollstreckungsrecht" und die "Einführung in das Insolvenzrecht" – finden sich nicht im Buch, sondern auf der Verlagshomepage. Das irritiert. Wenn man ein Buch kauft, entscheidet man sich ja bewusst gegen ein ebook oder andere Formen technischer Darstellung. Man möchte das gedruckte Buch in Händen halten und nicht auf Downloads verwiesen werden. Das ist schade - ansonsten aber ist der Band nur zu empfehlen!

Bewertung vom 02.08.2021
Der unheimliche Weg
Christie, Agatha

Der unheimliche Weg


ausgezeichnet

Wissenschaftler verschwinden - auf der ganzen Welt. Bekannte Koryphäen ihres Faches sind von heute auf morgen spurlos verschwunden. Die Ermittler um den britischen Inspector Jessop vermuten weniger ein Verbrechen als die freiwillige Flucht: Befinden sich die Wissenschaftler in einem kommunistischen Staat, dem sie ihre Erkenntnisse und Fähigkeiten lieber zur Verfügung stellen als der freien westlichen Welt? Für Jessop bietet sich eine Chance, seinen Vermutungen nachzugehen: Die Frau eines der verschwundenen Männer stirbt bei einem Flugzeugabsturz. Der Ermittler vermutet, sie war auf dem Weg zu ihrem verschollenen Ehemann; durch Zufall entdeckt er mit Hilary Craven eine junge Frau, die der Verstorbenen nicht nur verblüffend ähnlich sieht, sondern auch den Wagemut aufbringt, sich für sie auszugeben. Und tatsächlich: Es dauert nicht lange, bis auch Hilary verschwindet. Mittelsmänner lotsen sie zu ihrem vermeintlichen Ehemann.

Der befindet sich indes in einem geheimen Forschungszentrum mitten im Atlasgebirge. Unklar ist, wem das Zentrum gehört, wer es leitet, welche Ziele die Einrichtung eigentlich verfolgt. Klar ist nur: Finanzielle Mittel sind beinahe unbeschränkt, die Wissenschaftler haben alles, was ihr Herz begehrt - außer Freiheit: Sie müssen im Geheimen agieren und forschen. Sie leben im goldenen Käfig. Agatha Christie hat mit "Der unheimliche Weg" ein für sie eher ungewöhnliches Buch geschaffen. Es geht weniger um die klassische Ermittlung in einem Mordfall, kaum um die intelligente Betrachtung einer Straftat. "Der unheimliche Weg" ist viel eher eine Gesellschaftskritik. Christie stellt tiefschürfende Fragen: Welchen Preis sind wir als Gesellschaft bereit zu zahlen, wenn es um wissenschaftlichen Fortschritt geht? Was ist Freiheit? Welche Rolle spielt die Würde jedes einzelnen Menschen?

Kaum muss man erwähnen, dass am Ende des Romans natürlich die Aufklärung des großen Geheimnisses steht. Aufgedeckt wird, wer hinter dem Projekt steht und welche Ziele er verfolgt. Und wie in jedem Christie-Roman stehen auch hier am Ende einige Drehungen und Wendungen, die den Leser doch noch überraschen können. Ein spannender Roman, der nachdenklich macht - und dabei alles andere als ein "klassischer" Christie.

Bewertung vom 25.07.2021
Vertragsgestaltung
Moes, Christoph

Vertragsgestaltung


sehr gut

Die Gestaltung von Verträgen hat im Jura-Studium kaum Raum. Das Studium, die Ausbildung und die Klausuren sind im Wesentlichen auf die Perspektive des Richters zugeschnitten, der einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt rechtlich würdigen muss. Doch in der Praxis erscheint auch die entgegengesetzte Perspektive relevant; die des beratenden Rechtsanwalts, der einen in der Zukunft liegenden Sachverhalt gestalten soll. Es geht um Kaufverträge, Schenkungen, Gründungen von Gesellschaften, Eheverträge und Testamente. Diese Fragen der Vertragsgestaltung können und sollen mittlerweile durchaus auch Thema juristischer Klausuren sein. Eine Einführung in die Thematik bietet das bei C.H. Beck erschienene Buch von Notar Dr. Christoph Moes: "Vertragsgestaltung". Der Autor bietet zunächst in dem Werk, das sich an Studierende bzw. Referendare wie auch an Berufsanfänger richtet, eine allgemeine Einführung. Was ist bei Verträgen zu berücksichtigen? Wie ist etwa mit Vorleistungen umzugehen? Wie erreicht man synallagmatische Verknüpfungen? Am Ende des Bandes stehen dann bestimmte Rechtsbereiche, die der Autor etwas genauer in den Blick nimmt - vor allem das Gesellschaftsrecht, das Erbrecht und das Familienrecht.

Zunächst: Dieser Band ist sehr gut zu lesen. Moes bietet eine gute Struktur, übersichtliche Ausführungen, verständliche Sprache. Der Autor könnte sicherlich ein wenig mehr Beispiele bringen, kann im Wesentlichen aber durchaus überzeugen. Aus der Perspektive eines Referendars hätte man sich aber deutlich ausführlichere Texte zu bestimmten Rechtsgebieten gewünscht. Im Immobilienrecht etwa stellen sich in Kautelarklausuren immer wieder Probleme rund um Nießbrauch, Dienstbarkeiten und Reallast. Das sind Themen, die ihm Studium im Rahmen des Sachenrechts eigentlich überhaupt keine Rolle gespielt haben - plötzlich aber soll man möglichst gut beraten können. Ähnlich liegt es auch im Gesellschafts-, Erb- und Familienrecht. Auch dort sollte der Blick auf bestimmte "Tricks" geschärft sein, mittels derer die Mandanten möglichst optimal beraten werden können. Gerade dazu aber wären breitere Ausführungen wünschenswert. Ansonsten aber bietet Moes eine sehr sinnvolle Einführung in die Vertragsgestaltung.

Bewertung vom 16.07.2021
Mit Brunetti durchs Leben
Leon, Donna;Gamberini Zimmermann, Gabriella

Mit Brunetti durchs Leben


ausgezeichnet

Der große Erfolg der Brunetti-Reihe von Donna Leon hängt mich Sicherheit am Charakter ihres Protagonisten. Commissario Brunetti ist ein nachdenklicher und besonnener Mensch, der sich immer wieder bewundernswert durch die Tücken italienischer Behördenvorschriften schlängelt: Locker, wo möglich, streng, wo nötig. Leon schafft es, ein Bild des treusorgenden, moralisch normierten Brunetti zu zeichnen, ohne es zu übertreiben; keinen Heiligen hat sie erschaffen, sondern einen Menschen aus Fleisch und Blut. Diesem Titelhelden der Krimi-Reihe kann man nun in einem bei Diogenes erschienenen Band begegnen: "Mit Brunetti durchs Lebens. Brevier für nachdenkliche Optimisten" versammelt lexikalisch angelegt Ausschnitte aus Leons Werken. Zu zahlreichen Stichpunkten bietet der von Gabriella Gamberini Zimmermann herausgegebene Band mal kurze, mal etwas längere Texte aus dem reichen Oeuvre Leons. Von "Absoluter Liebe" bis "Zukunftsglaube", von "Blutgeruch" bis "Tafelfreuden". Dieses Buch ist ein Muss für alle Fans von Donna Leon.

Bewertung vom 04.07.2021
Flüchtiges Begehren / Commissario Brunetti Bd.30
Leon, Donna

Flüchtiges Begehren / Commissario Brunetti Bd.30


ausgezeichnet

Brunetti muss einen folgenreichen Fall aufklären: Zwei junge, ausländische Frauen werden mitten in der Nacht mit einem Boot vor dem Krankenhaus ausgesetzt. Sie sind schwer verletzt. Zwei Männer haben sie hergebracht, niemanden alarmiert und sind sofort wieder verschwunden. Schnell sind die Täter ermittelt, schnell wird klar: In der Dunkelheit dachten die beiden jungen Männer, einen Notknopf betätigt zu haben - nur: Seit Monaten ist der schon deaktiviert. Eigentlich ist der Fall damit durch. Bald aber fällt Brunetti auf, dass einer der beiden Männer Angst vor seinem Onkel hat. Dieser ist Inhaber eines Frachtunternehmens. Irgendetwas stimmt mit ihm, seinem Unternehmen und seinen Umsätzen nicht. Wie immer beginnt Brunetti zu ermittelt, fragt sich herum - schließlich kennt in Venedig jeder jeden. Am Ende verhärtet sich der Verdacht: Der Transportunternehmer ist in Menschenhandel verwickelt. Aus dem beinahe routinemäßigen Fall entwickelt sich eine spektakulärere Ermittlung.

Donna Leon hat in "Flüchtiges Begehren" einmal mehr mit die drängenden Fragen der Zeit aufgegriffen. Auch hinter der romantischen Kulisse Venedigs findet das Verbrechen statt - nicht nur Diebstähle, sondern auch Tötungsdelikte und weitere unsagbare Verbrechen. Leon schafft es einmal mehr, einen nur scheinbar langsam dahinfließenden Roman vorzulegen, hinter dessen Oberfläche sich dann doch die entscheidenden Fragen der Menschheit verbergen. Einmal mehr: Sehr lesenswert.

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