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R. S.

Bewertungen

Insgesamt 168 Bewertungen
Bewertung vom 20.03.2023
Dead Romantics
Poston, Ashley

Dead Romantics


gut

Von Geistern und der Liebe - Kurzweilig, aber ohne Tiefe

Florence Day, Ghostwriterin für einen erfolgreichen Liebesromanautor, ist mit einer Deadline für ihr neuesten Roman als Ghostwriterin konfrontiert. Das Problem ist nur Florence glaubt nicht mehr an die Liebe. Als ihr neuer Lektor, der gut aussehende Benji "Ben" Andor, sich weigert, ihr einen Aufschub für die Fertigstellung ihres neuesten Romans zu gewähren, steht Florence mit dem Rücken zur Wand. Sie muss dieses Buch zu Ende schreiben.
Dann stirbt auch noch ihr geliebter Vater und ihre ganze Welt steht Kopf. Ihr Vater besaß ein Beerdigungsinstitut und teilte mit Florence die besondere Gabe Geister sehen und mit ihnen sprechen zu können.
Nach über 10 Jahren kehrt sie in ihre Heimatstadt Mairmont, in South Carolina zurück um ihre Mutter, ihren Bruder und ihre Schwester bei der Beerdigung ihres Vaters zu helfen.
Doch dann trifft sie dort auf einen Geist und es ist niemand anderes als Benji Andor. Es muss eine unerledigte Angelegenheit zwischen ihnen geben, etwas, bei dem sie ihm helfen kann. Je mehr sie sich kennen lernen, desto mehr ändern sich Florence' Gefühle gegenüber der Liebe.

Was nach einer emotionalen und unterhaltsamen Liebesgeschichte klingt mit einer Prise Übernatürlichen klingt, konnte mich leider nicht komplett begeistern.
"Dead Romantics" versuchte zu viel auf einmal zu sein, ohne dabei ein was so richtig zu sein. Es ist ein bisschen Familien-, Geister- und Liebesgeschichte, kratzt dabei jedesmal jedoch nur an der Oberfläche, sodass der jeweilige Part allein mich nicht überzeugen kann. So werden zwar vielversprechende Handlungsstränge und Konflikte eingeführt, vor denen Florence erst mal wegrennt und die sich dann später in Nullkommanichts aufzulösen scheinen. Besonders abträglich ist dies in Bezug auf die Entwicklung der romantischen Gefühle zwischen Florence und Ben. Über mehr als die Hälfte des Buches wird nicht so richtig deutlich was Florence an ihn findet außer dass er gut aussieht.
Hinzu kommt, dass bedingt durch die Ich-Perspektive die anderen Charaktere etwas blass und stereotyp bleiben. Auch die Eigenschaft von Florence ungeliebten Dingen aus dem Weg zu gehen anstatt darüber zu sprechen, nervt auf Dauer, da so manches Problem bzw. so mancher Konflikt so keines bzw. keiner geworden wäre.

Die Idee hinter der Geschichte ist gut und kurze Kapitel und ein lockerer humorvoller Schreibstil, auch wenn manchmal zu gezwungen lustig, sorgen für eine kurzweilige und leichte Lektüre. Nett für Zwischendurch, aber leider auch keine die einen wirklich berührt und im Gedächtnis bleibt.

Bewertung vom 20.03.2023
Fünf Winter
Kestrel, James

Fünf Winter


sehr gut

Fesselnder Thriller zur Zeit des 2. Weltkrieges auf Hawaii und in Japan

Bei "Fünf Winter" handelt es sich um einen harten Thriller, der eine spannende Detektivgeschichte mit einer bewegenden Liebesgeschichte zur Zeit des 2. Weltkrieges und danach verbindet.

Dezember 1941, kurz vor dem Angriff auf Pearl Harbor, wird der Protagonist Joe McGrady, Detective beim Honolulu Police Department, mit einem grausamen Doppelmord konfrontiert. Der Neffe des Oberbefehlshabers der Pazifikflotte und eine junge Japanerin werden auf brutale Art und Weise ermordet aufgefunden. Angesichts der angespannten Kriegslage will Joes Vorgesetzter den Fall so schnell und unauffällig wie möglich lösen, und McGrady folgt die Spur des Verdächtigen bis nach Hongkong. Dort fällt er jedoch einer Intrige zum Opfer und wird nach Japan verschleppt. Nicht ohne Eigennutz rettet der Diplomat Takahashi Kansei McGrady vor dem Gefangenlager und versteckt ihn bis zur Kapitulation Japans. Als nach Kriegsende McGrady wieder nach Hawaii zurückkehrt, wird er mit privaten und beruflichen Veränderungen konfrontiert und nimmt den alten Fall wieder auf.

Gleich von Beginn an schafft der Autor es, die Leser und Leserinnen in das Jahr 1941 zu versetzen. Dies liegt zum einen an der stimmungsvollen und überzeugenden Beschreibung der Handlungsorte auf Hawaii und in Japan sowie in der unheilvollen und beklemmenden Beschreibung der vorherrschenden Kriegsstimmung und -atmosphäre. Zum anderen an der realistischen Darstellung der Arbeit eines Detektives in der Zeit vor Computerdatenbanken, moderner Forensik und Kommunikationsmitteln.

Neben der authentischen Beschreibung der Handlung kann auch die komplexe Charakterzeichnung von Joe McGrady überzeugen. Als ehemaliger Soldat ohne nennenswerte Familie ist Joe ein Einzelgänger, der nicht auf Hawaii aufgewachsen ist, sodass er selbst von seinen Polizeikollegen als Außenseiter angesehen wird, und es ist von Anfang an klar, dass sie ihm nicht ganz trauen. Dieses Gefühl geht in beide Richtungen, denn Joe muss sich mit den Plänen seines Vorgesetzten und anderer auseinandersetzen. Nach außen scheint er ein abgebrühter und wenig emotionaler Mensch zu sein, aber mit der Zeit merkt man, dass unter der harten Schale ein weicher Kern liegt mit einem ausgeprägten Sinn nach Gerechtigkeit. Man folgt gerne McGrady bei seiner Suche nach dem Mörder und fiebert mit ihm, wenn es um sein Liebesleben und dem Erwerb seiner Freiheit geht.

Kurze Kapitel mit spannenden Wendungen und ein knapper, emotionsarmer und schnörkelloser Schreibstil sorgen für einen konstant hohen Spannungsbogen. Passend zum Genre und der Zeit wird es zudem zeitweise auch ziemlich brutal.

Einzig die Handlung könnte manchmal etwas dichter und der Schreibstil weniger distanziert in seiner Beschreibung sein.

Ansonsten ist "Fünf Winter" von James Kestrel ein gelungener und fesselnder Thriller, der gekonnt Noir-Krimi-Elemente mit historischen Ereignissen und einer emotionalen Liebesgeschichte verknüpft und sich wie ein epischer historischer Kinofilm mit Krimi-,/Thriller- und Actionelementen liest.

Bewertung vom 05.03.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


sehr gut

Präziser Blick hinter die Fassaden der privilegierten Gesellschaft

"Die spürst du nicht" von Daniel Glattauer ist ein dicht komponierter und fesselnd geschriebener Roman, der einen präzisen und humorvollen Blick hinter die Fassade der privilegierten Gesellschaft wirft, vor allem in Bezug auf aktuelle Themen wie Flüchtlingspolitik, Rassismus sowie Medien- und (Online-)Debattenkultur.

Zwei privilegierte Familien verbringen gemeinsam ihren Urlaub in der Toskana. Dabei ist Ayana, Flüchtlingskind aus Somalia und Schulfreundin der 14-jährigen Tochter Sophie-Luise. Was ein paar entspannende und sonnige Tage in Italien werden sollten, endet jedoch abrupt in einer Katastrophe, als Ayana plötzlich verschwunden ist.

Anfangs noch etwas gemächlich und distanziert, beginnt die Handlung sich nach und nach vor den Augen der Leser und Leserinnen in all seiner Sprengkraft zu entfalten und zieht einen besonders nach dem Verschwinden von Ayana und den Folgen dieser tödlichen Katastrophe in ihren Bann.
Über weite Strecken liest sich der Roman wie ein dichtes und teils beklemmendes Kammerspiel, das aber auch vor allem in den Beschreibungen der Treffen mit dem Anwalt und in den Szenen vor Gericht einen absurden Charakter bekommt, ohne dabei ins Lächerliche abzudriften.
Der Autor schafft es hierbei geschickt hinter die Masken sowohl der einzelnen Personen als Mensch als auch als Vertreter bestimmter Gesellschafts- oder Berufsgruppen zu blicken und so der Gesellschaft als Ganzes schonungslos den Spiegel vorzuhalten besonders in Bezug auf deren gelebte Doppelmoral. Glattauer nimmt dabei die Position eines teilnehmenden Beobachters ein, der klug und präzise das Geschehene schildert und analysiert, kommt dabei jedoch ohne Anklagen und ohne einen oberlehrerhaften Ton anzuschlagen aus.
Trotz der Schwere des Themas wirkt der Roman zudem zu keinem Zeitpunkt überladen, was auch an den starken Dialogen mit Wortwitz liegt.
Pressemitteilungen, die mit Kommentaren von Online-Usern versehen sind, geben der Handlung darüber hinaus noch einen authentischen Charakter.

Umfassend, glaubwürdig und vielschichtig gezeichnete Charaktere zusammen mit einer fesselnd erzählten und aktuellen tragisch Handlung machen "Die spürst du nicht" von Daniel Glattauer zu einem lesenswerten Roman, der einen noch nach Beenden der letzten Seite nicht so schnell loslässt.

Bewertung vom 05.03.2023
Morgen, morgen und wieder morgen
Zevin, Gabrielle

Morgen, morgen und wieder morgen


gut

Stark beginnender Roman, der an seinen eigenen Ambitionen scheitert

"Morgen, morgen und wieder morgen" fängt vielversprechend an, lässt dann aber im weiteren Verlauf stark nach. Besonders die Zunahme von Klischees, Oberflächlichkeiten und überflüssigen Passagen in der zweiten Hälfte trübten den ersten positiven Eindruck für mich.

Nach einem Unfall, bei dem sich Sam als Jugendlicher schwer verletzt, muss er längere Zeit im Krankenhaus verbringen. Dort freunden er und Sadie sich, indem sie gemeinsam Videospiele spielen. Später treffen sie sich zufällig als Juniors in Harvard (Sam) und am MIT (Sadie) wieder. Sie verbringen den Sommer damit, gemeinsam das Videospiel "Ichigo" zu entwickeln, das ihnen einen großen Erfolg in der Gaming-Branche beschert, während sie sich eine Wohnung mit dem wohlhabenden Schauspielstudenten Marx teilen.
Über die Jahre hinweg haben Sam und Sadie eine dauerhafte freundschsatliche Verbindung.

Keine Frage, der Roman ist unterhaltsam und gut geschrieben. Der lockere und leichte Schreibstil sorgt dafür, dass man nur so durch die Seiten fliegt und leicht in die Geschichte eintaucht. Auch muss man kein Gaming-Fan sein und vom Spieldesign und -produktion Ahnung haben um der durchaus interessanten Handlung folgen zu können.

Doch leider hat "Tomorrow, Tomorrow, Tomorrow" nicht so einen bleibenden Eindruck hinterlassen, wie ich es mir nach all den Lobeshymnen erhofft habe.
Zum einen mangelt es der Geschichte mit zunehmender Seitenanzahl an Fokussierung, sodass sich dich Handlung sich vermehrt in Nebensächlichkeiten verliert, wodurch die Tiefe in der Charakterzeichnung und der Handlung verloren geht. Verstärkt wird dies dadurch, dass häufig vom Handlungsstrang in der Gegenwart zu verschiedenen Punkten in der Vergangenheit gesprungen wird.
Zum anderen fängt der Drang der Autorin "woke" zu sein und soziale bzw. gesellschaftliche Kommentare einzufügen mit zunehmenden Romanverlauf an leicht zu nerven (z.B. das Thema Rassismus und kulturelle Aneignung). Ich respektiere und verstehe ihre Absicht, das Bewusstsein für dringende soziale Probleme zu schärfen und für Diversität zu sorgen, aber teils wirkte es arg konstruiert und aufgesetzt sowie teils belehrend, wodurch ihre Botschaft an Glaubwürdigkeit bzw. Authentizität verlor. Ich finde es faszinierend, wenn Autoren und Autorinnen es schaffen, die Erkundung gesellschaftlicher Belange geschickt in ihre Erzählungen einweben. Leider gelang dies Zenin nur bedingt.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Freundschaft von Sam und Sadie. Ich fand die Freundschaft zwischen den beiden nicht ausreichend entwickelt, um all die Konflikte und Turbulenzen zu rechtfertigen, die sie durchleben. So konnte ich Sams Idealisierung von Sadie nicht wirklich nachvollziehen, da Sadie und Sam im Laufe des Buches sich häufig gegenseitig schlecht behandeln und sich streiten und diese Streitigkeiten dann durch Vergessen und Verzeihen lösen, anstatt über den Konflikt zu kommunizieren und zu verarbeiten, was eigentlich passiert ist.

Insgesamt ist "Morgen, morgen und wieder morgen" ein interessanter Roman über Freundschaft sowie Videospiele und die Gaming-Branche mit einem einnehmenden Schreibstil, aber ab der zweiten Hälfte bricht der Roman unter dem Gewicht seiner eigenen Ambitionen zusammen.

Bewertung vom 05.03.2023
Mit den Augen des Opfers / Max Bischoff - Mörderfinder Bd.3
Strobel, Arno

Mit den Augen des Opfers / Max Bischoff - Mörderfinder Bd.3


sehr gut

Spannende Vermissten- und Mördersuche im Weinort

Arno Strobel weiß einfach, wie man spannende und wendungsreiche Krimis bzw. Thrillers schreibt, die von der ersten Seite an einen in ihren Bann ziehen.
Der 3. Fall für den Fallanalytiker Max Bischoff stellt da keine Ausnahme dar.

Max Bischoff erhält von unerwarteter Seite die Bitte in einem ungeklärten 20 Jahre alten Vermisstenfall zu ermitteln. Niemand anderes als Polizeirätin Eslem Keskin bittet ihn im Weinörtchen Klotten an der Mosel zu reisen um dort inoffiziell nach Auftauchen neuer Hinweise in Form eines privaten Tagebuchs nachzugehen. Schnell wird jedoch klar, dass nicht alle Dorfbewohner von der Anwesenheit des Fallanalytikers erfreut sind. Zudem wird Max das Gefühl nicht los, dass ihm die Clique des Verschwundenen einige Geheimnisse zu haben scheinen und ihm nicht die ganze Wahrheit erzählen. Unterstützung erhält er von einem Psychologen und seinen Freund Böhmer. Als eine Frauenleiche auftaucht, versucht der für den Fall zuständige Kriminalkommissar ihm das ermitteln so schwer wie möglich zu machen bzw. es Max komplett zu verbieten. Doch Max lässt sich davon nicht einschüchtern, doch seine Nachforschungen bringen ihn schon bald in Lebensgefahr.

Dank des klaren und schnörkellosen Schreibstils Strobels taucht man schnell in das Handlungsgeschehen ein und wird Teil der Ermittlungen. Geschickt platziert Strobel mögliche Hinweise, was hinter dem Vermisstenfall stecken und was die Tote damit zu tun haben könnte, die zum Schluss alle zusammengefügt werden.
Kurze Kapitel, mysteriöse und teils verschreckende Kapitel aus Sicht einer zunächst unbekannten Person sowie ein geheimnisvoller und gut konstruierter Fall sorgen dafür, dass man den Krimi/Thriller kaum aus der Hand legen kann.
Das spannungsgeladene Ende weiß zu überraschen, auch wenn mir die Auflösung etwas zu schnell ging und ich mir mehr Tiefe diesbezüglich gewünscht hätte. Ebenso kam mir der ermittlungstechnische Aspekt etwas zu kurz, ich habe mir mehr Einblick in die Arbeit und Vorgehensweise eines Fallanalytikers erhofft.

Insgesamt ist der 3. Band der "Mörderfinder"-Reihe von Arno Strobel ein solider, kurzweiliger und fesselnder Krimi/Thriller, dem zwar etwas die Tiefe fehlt, aber dem Lesegenuss keinen Abbruch tut.
Nicht nur für Strobel-Fans lesenswert.

Bewertung vom 05.03.2023
Young Mungo
Stuart, Douglas

Young Mungo


ausgezeichnet

Mungos Leben im Glasgow der 1980er-Jahre - schmerzhaft und berührend erzählt

"Young Mungo" ist ein herzzerreißender Roman über das Erwachsenwerden in Glasgow der 1980er-Jahre in einer machohaften und homophoben Umgebung, die von Gewalt und Schmerz geprägt ist.

Die Hauptfigur des Romans ist der 15-jährige Mungo Hamilton, der im Gegensatz zu seinem zwei Jahre älteren Bruder Hamish, der ein gefürchteter Bandenführer ist, ein eher sensibler, ängstlicher und künstlerisch veranlagter Junge. Großgezogen wird Mungo von seiner älteren Schwester Jodie, da seine alleinerziehende Mutter weitgehend abwesend und alkoholabhängig ist. Er ist anders als die anderen Jungs in der Glasgower Wohnsiedlung, in der er wohnt und fühlt sich fremd, bis er James kennenlernt, ein etwas ältere katholischer Junge. James lebt die meiste Zeit allein, da sein Vater auf einer Bohrinsel arbeitet und seine Mutter schon verstorben ist. James besitzt einen Taubenschlag, wo beide sich kennenlernen und sich ineinander verlieben, obwohl sie beide wissen, dass ihr Umfeld von Homophobie geprägt ist und dass insbesondere Mungos Bruder und Jamies Vater mit Ablehnung und Unverständnis reagieren werden.
Die fesselnde Handlung ist in zwei Teile gegliedert. Der eine Teil erstreckt sich über mehrere Monate und zeigt Mungos Leben in der Zeit vor, während und nach seiner Beziehung mit James und der andere Teil, mit dem auch der Roman beginnt, handelt von einem Angel- und Campingausflug zu einem abgelegen schottischen See, auf dem Mungo mit zwei anderen Männern von seiner Mutter geschickt wird, um aus Mungo einen "echten" Mann zu machen.

Stuart wechselt zwischen beiden Handlungssträngen gekonnt hin und her und führt beide in einem tollen Ende zusammen, das einerseits schmerzhaft, aber auch hoffnungsvoll ist.
Von Beginn an schafft es der Autor mit seinem klaren, lebendigen und stimmungsvollen Schreibstil einen in seinen Bann zu ziehen. Man fühlt und leidet mit Mungo und hofft das Beste für ihn und sein Leben in dem von Gewalt und Tristesse geprägten Umfeld, in dem er aufwächst. Die Gewalt und Brutalität, denen Mungo ausgesetzt ist stellenweise nur schwer zu ertragen und am liebsten möchte man Mungo in die Arme nehmen und ganz fest umarmen. Die wenig liebevollen und glücklichen Momente wirken dadurch umso stärker auf einen, sind sie doch seltene Lichtblicke in einer sonst traurigen und düsteren Geschichte.
Die realistische Zeichnung der Charaktere und der poetischen Beschreibung der Umgebung sowie die Dialoge sprühen außerdem von Authentizität, und man fühlt sich regelrecht in das Glasgow der 1980er-Jahre versetzt.

"Young Mungo" von Douglas Stewart ist ein Roman, der zutiefst bewegt und einem beim Lesen das Herz mehr als einmal bricht. Authentisch und realistisch beschreibt der Autor, was es heißt, in einem von Gewalt, Homophobie und Hoffnungslosigkeit geprägten Umfeld aufzuwachsen. Mit Mungo hat Stuart einen interessanten und vielschichtigen Charakter geschaffen, den man rasch in sein Herz schließt. Auch wenn in dem Roman eine berührende Liebesgeschichte vorkommt, ist "Young Mungo" vor allem ein schmerzhafter und niederschmetternder Roman, der teilweise nur schwer zu ertragen ist.
Wem die ganze Gewalt und das erlebte Leid nicht abschreckt, kommt in dem Genuss einer toll erzählten Geschichte voller Schönheit und Hässlichkeit zugleich.

Bewertung vom 19.02.2023
Der Paria / Der stählerne Bund Bd.1
Ryan, Anthony

Der Paria / Der stählerne Bund Bd.1


sehr gut

Spannender Auftakt einer neuen Fantasyreihe um den schlagfertigen Alwyn

"Der Paria" von Anthony Ryan ist der erste Band in einer Trilogie und spielt in einer mittelalterlichen fiktiven Welt, die sich wie historische Fiktion liest und ist ein spannender, gut erzählter und bildlich lebhaft beschriebener Mix aus Politik, Religion, Kampfszenen, Weltuntergangsstimmung, Gesetzlose sowie einer interessanten Hauptfigur.

Die Geschichte in "Der Paria" wird ausschließlich aus der Perspektive von Alwyn Scribe erzählt. Alwyn, ein junger Geächteter, der zu einer Bande von Geächteten und Gesetzlosen gehört. Er und seine Gefährten ziehen plündernd und mordend durch die Lande, bis ein Verrat schließlich zu ihrer Auslöschung führt. Mit viel Glück kämpft Alwyn ums Überleben, er landet als in einem unentrinnbaren Gefangenenlager und lernt dort das Lesen und Schreiben, er macht eine religiöse Konversion durch und schließt sich später einem religiösen, militarisierten Orden an und wird so in einen Krieg gezogen. Während der ganzen Zeit sinnt er nach Rache für diejenigen, die den Menschen, die ihm am nächsten stehen, geschadet haben.

Anfangs habe ich zwar ein paar Seiten gebraucht, bis ich voll und ganz in die Handlung hineingefunden habe, da der Anfang ziemlich dicht mit einer ganzen Reihe von Charakteren, die eingeführt werden, sowie einer Menge an politischer Intrigen, die ich anfangs etwas verwirrend sein können, ist. Von Seite zu Seite zieht jedoch das fesselnde Geschehen rund um Alwyn einen in seinem Bann.

Ob man "Der Paria" mag oder nicht, hängt meiner Meinung nach stark davon ab, ob man sich mit Alwyns Erzählweise (der Roman wird in Form eines von ihm geschriebenen Tagebuchs erzählt) anfreunden kann oder nicht.
Alwyn Scribe ist eine interessante Persönlichkeit. Zu Beginn eher ein Feigling, verändert er sich im Laufe des Buches. Er ist schlagfertig und kann mit einer Waffe umgehen, aber nicht unfehlbar. Seine Erfahrung als Geächteter kommt ihm in vielen anderen Situationen zugute.

Aber auch die weiteren Charaktere können durch eine vielschichtige Charakterisierung überzeugen.

Alles in allem ist "Der Paria" eine fesselnd dicht erzählte und gut konstruierte Fantasygeschichte, die durch ihren Protagonisten Alwyn besticht und neugierig macht auf die beiden weiteren Bände.

Bewertung vom 19.02.2023
Lichte Tage
Winman, Sarah

Lichte Tage


ausgezeichnet

Traurig und wunderschön zugleich

"Lichte Tage" von Sarah Winman ist ein Roman, dessen Schönheit und Kraft sich beim Lesen nach und nach entfaltet und einen bis zum Ende und darüber hinaus auch nicht mehr so schnell loslässt. Es ist eine wunderschön poetisch geschriebene Geschichte über Liebe, Verlust, Freundschaft, Verzweiflung, Herzschmerz, Sehnsucht und Glück.

Der Roman beginnt 1950 noch vor Ellis' Geburt, als seine Mutter Dora in einer Bar einen Preis gewinnt und eine Kopie von Van Goghs Bild mit Sonnenblumen in der französischen Landschaft auswählt. Dann springt die Handlung vor in die 60er-Jahre, als Doras Sohn 12-jährige Sohn Ellis Michael zum ersten Mal trifft und werden sehr enge Freunde. Sie gehen gemeinsam schwimmen, unternehmen Ausflüge in die Natur, reden viel miteinander und kommen sich so ziemlich nah. Auch zu Dora hat Michael, mit der er über das Van Gogh Gemälde spricht, ein gutes Verhältnis. Michael und Ellis lernen Annie kennen und sind von nun an zu dritt unterwegs. Doch mit der Zeit verändert sich das Verhältnis zwischen ihnen, Ellis heiratet Annie und Michael flieht aus der Stadt und taucht fünf Jahre lang nicht auf. Ellis liebt Annie, aber anstatt seinen Lebensunterhalt mit Kunst zu verdienen, wie er es sich erträumt hatte, ist er gezwungen, in einer Autofabrik zu arbeiten, und sie beginnen, ein gewöhnliches Paar zu werden, was nicht das ist, was sie wollten. Währenddessen hat Michael mehrere Beziehungen, darunter eine ziemlich enge. Seinen Partner erkrankte jedoch an AIDS und Michael kümmert sich um ihn bis zu dessen Tod. Dann kehrt Michael zurück und er ist sich nicht sicher, wie Ellis darüber denken wird, wie er gegangen ist, aber Annie versichert ihm, dass Ellis ihn immer noch liebt.

Die Handlung springt in der Zeit von den 1960er bis zu den 1990er-Jahren und wechselt in der Erzählung zwischen Ellis und Michael und lebt von den starken Beziehungen der Figuren Ellis, Dora, Michael und Annie und der wunderbaren Sprache, die in ihrer ruhigen, beschreibenden und emotionalen Art perfekt die Tragik und Schönheit des Romans einfangen kann. Von der ersten Zeile an zieht der zugleich kunstvolle, klare und einfache Schreibstil einen in seinen Bann wie das Van Gogh Bild der Sonnenblumen Dora. Ein Buch, das man auf sich wirken lassen muss und dann einen mit seiner Geschichte über Liebe, Verlust, Einsamkeit, Trauer, Bedauern und einer besonderen Freundschaft voll ins Herz trifft.

Lesenswert.

Bewertung vom 19.02.2023
Die marmornen Träume
Grangé, Jean-Christophe

Die marmornen Träume


ausgezeichnet

Hochspannendes Grauen in Berlin zur Zeit des Nationalsozialismus

Der hochspannende Thriller "Die marmornen Träume" von Jean-Christophe Grangé spielt im Berlin kurz vor dem Zweiten Weltkrieg 1939, wo die schönen und sorgenfreien Damen der Nazielite, die sich jeden Nachmittag im Hotel Adlon in Berlin treffen, um zu plaudern und Champagner zu trinken, Opfer eines mysteriösen maskierten Mörders werden. Der Serienmörder geht dabei äußerst brutal vor und verstümmelt seine Opfer. Die Morde scheinen ritualisiert zu sein. An die Ermittlungen macht sich ein auf dem ersten Blick sehr unwahrscheinlich erscheinendes Trio: Simon Kraus, ein amoralischer Psychoanalytiker und Gigolo, der seine Patientinnen erpressen will. Franz Beewen, ein brutaler und gnadenloser Gestapo- und SS-Offizier. Mina von Hassel, eine reiche Erbin und Psychiaterin, die ihre Unfähigkeit, ihre Patienten zu heilen, in der von ihr geleiteten Anstalt im Alkohol ertränkt. Diese gegensätzlichen Ermittler begeben sich auf die Spur des Serienmörders und entdecken eine schreckliche Wahrheit.

Aufgeteilt in drei Akten fliegt man gebannt durch das mit leichenübersäte Berlin von 1939 und folgt dem Trio auf Mörderjagd. Von Anfang an herrscht eine düstere und beklemmende Atmosphäre, die der Thriller nie los wird und für zusätzliche Nervenkitzel sorgt. Auf fast 700 Seiten kommt es zu keinem Zeitpunkt zu einem nennenswerten Spannungsabfall.
Aber auch die Handlung kann überzeugen. Auch wenn nicht alles historisch genau ist, ist die komplexe, wendungsreiche und verschreckende Handlung gut konstruiert und durchdacht und endet auf eine Art ubd Weise, die absolut Sinn macht und alles auf wunderbare Weise abschließt.
Ebenfalls überzeugen kann der Schreibstil, der scharf, atmosphärisch düdter sowie bildreich und minimalistisch ist und so zusätzlich zu fesseln weiß.
Eine weitere Stärke des Thrillers liegt in der guten und vielschichtigen Charakterzeichnung und -entwicklung. Obwohl die drei Ermittler keine Sympathieträger sind, folgt man ihnen doch gebannt, bei ihrer Mördersuche und fiebert mit ihnen.

So ist das Buch "Die marmornen Träume" von Anfang bis Ende ein lesenswerter und hochspannender Thriller nicht nur für Grangé-Fans und definitiv nichts für schwache Nerven.

Bewertung vom 11.02.2023
Das Sanatorium / Ein Fall für Elin Warner Bd.1 (eBook, ePUB)
Pearse, Sarah

Das Sanatorium / Ein Fall für Elin Warner Bd.1 (eBook, ePUB)


weniger gut

Spannungsarmes Sanatorium

Elin Warner nimmt eine Auszeit von ihrem Job als Detektivin als ihr entfremdeter Bruder Isaac sie und ihren Freund zu seiner Verlobungsfeier mit Laure in das Hotel Le Sommet, das ehemals ein Sanatorium für Tuberkolospatienten wahr, einlädt. Von Beginn an fühlt Elin ein leichtes Unbehagen wenn sie an den Aufenthalt im Hotel denkt. Zum einen ist da ihr angespanntes Verhältnis zu ihren Bruder Isaac und zum anderen lassen die äußeren Umstände zu wünschen übrig. Draußen tobt ein Schneesturm, der immer schlimmer wird und sie von der Zivilisation abzuschneiden droht und das Hotel mit seiner grausamen Vergangenheit verströmt eine düstere ATmosphäre. Als Laure schon bald spurlos verschwindet und später eine Leiche auftaut, wird Elin klar, dass sich im Hotel ein Mörder verbirgt und dass sie und die anderen Gäste allein auf sich gestellt sind. Als Laure schon bald spurlos verschwindet und später eine Leiche auftaut, wird Elin klar, dass sich im Hotel ein Mörder verbirgt und dass sie und die anderen Gäste allein auf sich gestellt sind.


Der Schauplatz allein hat mein Interesse an "Das Sanatorium" geweckt: Ein altes Sanatorium, hoch in den Schweizer Alpen gelegen, wurde in ein schickes Luxushotel umgewandelt, doch die unheimliche und düstere Präsenz der Vorgeschichte des Hotels als Sanatorium für Tuberkulosepatienten ist immer noch in den Gemäuern spürbar. Als dann noch ein gewaltiger Schneesturm das Hotel von der Zivilisation abschneidet und erst jemand verschwindet und dann eine Leiche auftaucht, sind eigentlich alle Voraussetzungen für einen spannenden und schaurigen Thriller gegeben. Doch was so vielversprechend beginnt, entpuppt sich schon bald als nicht mehr als ein schwaches Schneegestöber, das nicht wirklich in Erinnerung bleibt.

Erzählt aus hauptsächlich aus der Perspektive von Elin beginnt der Thriller noch atmosphärisch und fesselnd, doch schon bald verliert er an Spannung und gewinnt diese zum Ende hin auch nicht wieder zurück. Gründe hierfür waren für mich zum einen die Protagonistin Elin und die Handlung bzw. deren Verlauf.
Elin wirkte als Detektivin für mich nicht authentisch und auch nicht kompetent genug. Sie macht sich ständig sehr viele Gedanken, zweifelt stark an sich und geht bei der Ermittlung nicht sehr methodisch und klug vor. Auch die anderen Charaktere konnten mich nicht wirklich überzeugen. Sie blieben entweder in ihrer Darstellung ziemlich blass oder stereotyphaft.
Als Elin mit ihrer Suche nach Laure und ihren Ermittlungen beginnt, verliert dann auch die Handlung an Reiz. Elin beginnt, ihre Entdeckungen zu hinterfragen, schlechte Entscheidungen zu treffen und verrückte Annahmen zu treffen, die alle keinen Sinn ergeben, wodurch der Thriller an Glaubwürdigkeit verliert. Auch konnten mich die verschiedenen Handlungsstränge nicht wirklich überzeugen, da sie teils sehr oberflächlich blieben. Ebenso konnte mich das Finale nicht überzeugen. Aufgrund der Art und Anzahl der Morde habe ich ein eher stärkeres und glaubwürdigeres Motiv des Täters erwartet.

Alles in allem ist "Das Sanatorium" mal wieder ein Beispiel für einen Thriller, der großes Potenzial in Bezug auf Atmosphäre und Handlung hatte, aber nicht das halten kann, was er verspricht. Anstatt Spannung und Gänsehautfeeling liefert der Spannungsroman eine lahme Handlung mit wenig überzeugend gezeichneten Charakteren und einem Hotel, das einst ein Sanatorium war, einen Handlungsort, dessen Potenzial bei Weitem nicht genutzt wurde.
Zum Einschlafen gut geeignet.

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