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Benutzername: 
Glüxklaus
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Franken

Bewertungen

Insgesamt 576 Bewertungen
Bewertung vom 08.11.2023
Glutspur / Liv Jensen Bd.1
Engberg, Katrine

Glutspur / Liv Jensen Bd.1


sehr gut

Wie hängen drei Todesfälle zusammen? Gelungener Reihenauftakt mit interessanten Figuren

Liv sieht sich gezwungen die Polizei in Aarlborg zu verlassen. Ihren Wunsch, bei der Mordkommission zu arbeiten, gibt sie aber nicht auf. Sie zieht nach Kopenhagen, mietet eine Wohnung und ermittelt im Auftrag von ihrem Freund Kommissar Petter Bohm in einem Cold Case. Sie soll herausfinden, wer Journalist Gert Linde ermordete. Liv stürzt sich mit großem Eifer in die Ermittlungen, hofft sie doch bei Erfolg, eine Stelle bei der Polizei in Kopenhagen zu erhalten. Livs Vermieterin Hanna Leon plagen derweil andere Probleme. Sie kann nicht verstehen, warum sich ihr Bruder Daniel, der wegen Mordes im Gefängnis saß, umgebracht hat. Auch wenn er psychisch krank war, passt das für Hanna nicht ins Bild, zumal Daniel kurz vor seinem Tod noch eine mysteriöse Botschaft hinterlassen hat. Hanna versucht herauszufinden, was ihren Bruder umtrieb. Währenddessen steckt Automechaniker Nima Ansari, auf den sowohl Hanna als auch Liz kurz treffen, in der Klemme. Er wird verdächtigt, seine ehemalige Affäre Marianne ermordet zu haben. Noch ahnt niemand, dass die drei Todesfälle miteinander zusammenhängen.

Die Geschichte besteht aus vier Erzählsträngen: Livs Ermittlungen, Hannas Nachforschungen, Nimas aktuelle Situation und Rückblenden ins Jahr 1943, als Ebba Leon erfährt, dass sie ein Kind erwartet. Die einzelnen Handlungen sind lange Zeit unabhängig voneinander, erst zum Schluss werden sie zusammengeführt. Der Sprachstil liest sich leicht und flüssig. Immer wieder finden sich schöne, bildhaft formulierte Sätze wie: „Die Nacht ist ein unbarmherziger Feind, aber ein gnädiger Freund.“

Was Liv genau in Aarlborg widerfahren ist und weswegen sie die Polizei dort verlassen muss, bleibt ein Geheimnis. Doch sie gibt nicht auf, riskiert viel, setzt frech und forsch ihre Interessen durch, um wieder bei der Polizei arbeiten zu können.
Hanna, die eigentlich als Krisenpsychologin arbeitet, befindet sich durch den Tod ihres Bruders nun selbst in der Krise. Durch ihre Recherchen versucht sie Klarheit zu erlangen, doch das scheint nicht allen zu gefallen…
Nima Ansari hat in der Vergangenheit Schlimmes erlebt, musste er doch als Kind aus dem Iran fliehen. Dass er nun Verdächtiger in einem Mordfall ist, wühlt ihn verständlicherweise sehr auf. Alle drei Figuren werden interessant dargestellt, ich habe ihre Geschichten gerne verfolgt. Die Charaktere haben für mich großes Potential.

Katrine Engberg erzählt eine packende Geschichten von Geheimnissen, Schuld, Lügen und Flucht. Dass die einzelnen Teile der Handlung sich erst sehr spät zusammenfügen, hat mich teilweise verunsichert. Die Auflösung kommt dementsprechend recht abrupt, ist nicht sehr naheliegend, aber überraschend stimmig. Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass die Entwicklungen und die Verknüpfung der einzelnen Aspekte miteinander etwas kontinuierlicher erfolgen, ist „Glutspur“ ein durchaus gelungener Reihenauftakt. Die Hauptfiguren haben viel zu erzählen und definitiv das Zeug für weitere spannende Fälle. Vielleicht agieren sie dann auch mehr miteinander und werden gar ein Team. Ich bin jedenfalls neugierig.

Bewertung vom 25.10.2023
Irgendwo wartet das Leben
Kelly, Erin Entrada

Irgendwo wartet das Leben


ausgezeichnet

Vom Erwachsenwerden und der Suche nach dem Ich

„Als Orchid Mason die Klasse betrat, dachte Dorothy: Sie ist das Mädchen aus dem Märchen, das über eine Wiese schwebt und am Ende einen Prinzen findet. Oder eine Spindel.“

In der Middle School des Städtchens Fawn Creek passiert normalerweise nie etwas Unvorhergesehenes. Doch dann betritt eines Tages überraschend eine neue Mitschülerin, Orchid Mason, die Schule. Orchid ist nett und anders. Sie bringt frischen Wind in die Klasse und freundet sich mit den Außenseitern Dorothy und Greyson an. Das wird nicht von allen gern gesehen und so ist Orchid, die so unbeschwert wirkt, manchen Bewohnern der Stadt ein echter Dorn im Auge….

Erin Entrada Kelly erzählt klar, flüssig und gut verständlich aus verschiedenen Perspektiven. Sie nimmt z.B. Greysons oder Dorothys Sichtweise ein. Dank des unkomplizierten, persönlichen Schreibstils fiel es mir leicht, mich in die Geschichte und einige Figuren hineinzuversetzen. Das Buch richtet sich an Kinder ab elf, zwölf Jahren.

Greyson ist kreativ, es macht ihm Spaß, Outfits zu entwerfen. Doch nicht nur sein älterer Bruder macht sich über ihn lustig. So traut Greyson sich nicht, das zu tun, was ihm Freude bereitet. Seine beste Freundin Dorothy hält sich ebenso im Hintergrund, versteckt sich hinter ihren Haaren und möchte bloß nicht auffallen. Orchid, die eine Blume im Haar trägt und schon in Paris gewohnt hat, fasziniert Dorothy und Greyson auf Anhieb. Sie regt die beiden sachte an, zu zeigen, was noch in ihnen steckt. Doch ist bei Orchid selbst wirklich alles so leicht, wie es scheint?

„Irgendwo wartet das Leben“ erzählt von einer typischen Klasse in einer typischen Kleinstadt. Hier herrschen zunächst feste Strukturen, doch mit Orchids Auftauchen beginnen diese zu bröckeln. Erin Entrada Kelly befasst sich in ihrem Roman mit Tonangebern, Außenseitern, Mobbing, der Suche nach Identität und dem Mut, auszubrechen und sich und etwas zu verändern. Aktuelle Probleme von Heranwachsenden werden dabei einfühlsam, authentisch und gut nachvollziehbar geschildert. Es ist nämlich alles andere als leicht, in der heutigen Zeit erwachsen zu werden und sich in der Vielfältigkeit selbst zu finden und zu mögen. Das stellt der Roman auf leise, emphatische und angenehm unaufdringliche Weise dar. Orchid bringt Hoffnung, bewegt etwas in den Menschen des Orts. Am Ende stehen einige Fragezeichen und viele Möglichkeiten offen, aber vor allem ist da auch die Zuversicht, dass es den Kinder gelingen wird, ihrem Ich und ihrem persönlichen Glück ein Stückchen näher zu kommen. Der Anstoß ist jedenfalls gegeben. Insgesamt eine wirklich lesenswerte, tiefgründige, leise und berührende Geschichte zum Nachdenken für alle, die manchmal jemand anderer sein möchten.

Bewertung vom 16.10.2023
Die letzte Nacht / Georgia Bd.11
Slaughter, Karin

Die letzte Nacht / Georgia Bd.11


gut

Schleppender Beginn, temporeiches Finale

Ärztin Sara Linton kümmert sich in der Notaufnahme um die schwerverletzte Patientin Dani Cooper. Leider überlebt Dani, die überfallen und vergewaltigt wurde, nicht. Will Trent und seine Kollegen von der Polizei versuchen aufzuklären, wer Dani misshandelt hat und für ihren Tod verantwortlich ist. Bald wird klar, dass Danis Fall eng mit den traumatischen Erfahrungen zusammenhängt, die Sara selbst erleben musste. Auch sie wurde vor längerer Zeit vergewaltigt. Welche Verbindung besteht zwischen beiden Fällen?

Karin Slaughter schreibt flüssig und gut verständlich in der dritten Person Vergangenheit. Ihre Figuren lässt die Autorin häufig zu Wort kommen, daher verwendet sie viel wörtliche Rede. Die Handlung entwickelt sich dann häufig über Gespräche weiter.

Sara Linton ist erfolgreiche Ärztin und engagiert sich sehr für ihre Patienten. Dass sie vor langer Zeit vergewaltigt wurde, prägt sie natürlich immer noch, obwohl sie tapfer versucht, sich nicht unterkriegen zu lassen. Da zwischen dem Überfall auf ihre Patientin und ihrer eigenen Vergangenheit ein Zusammenhang besteht, möchte Sara unbedingt herausfinden, was genau passiert ist. Sie „beißt“ sich an dem Fall fest, zumal sie von Dani gebeten wurde, den Täter aufzuhalten. Auch Saras Verlobter Will Trent lässt nicht locker, riskiert viel für die Wahrheit und beweist sich sogar als Schauspieler. Will wuchs als Pflegekind auf, was sein Verhalten beeinflusst. Der persönliche Bezug der Hauptfiguren zu dem Verbrechen gestaltet den Fall besonders emotional und interessant. Sara und Will müssen sich mit schrecklichen menschlichen Grausamkeiten auseinandersetzen, treffen auf zahlreiche Personen aus Saras Vergangenheit. Zum Glück werden sie von Menschen wie Wills Kollegin Faith unterstützt, die Will sehr gut kennt und mit ihm ein gutes Team bildet.

Obwohl ich die Protagonisten kenne und schätze und ich die Reihe früher gerne gelesen habe, habe ich diesmal lange gebraucht, um in das Buch zu finden. Über weite Strecken konnte mich die Handlung trotz des rätselhaften, eigentlich spannenden Falls und der Einbeziehung aktueller Themen und Probleme einfach nicht fesseln. Es werden recht viele Figuren- hauptsächlich aus Saras Vergangenheit - gleichzeitig eingeführt, teilweise fiel es mir da schwer, den Überblick zu behalten. Vor allem am Anfang passiert recht wenig. Es wird mehr geredet, als dass sich die Handlung wirklich weiterentwickelt. Gegen Ende zieht das Tempo an und die Geschichte konnte mich dann mehr fesseln. Insgesamt hat mich „Die letzte Nacht“ leider nicht so überzeugt wie die früheren Romane der Serie. Für mich solide Unterhaltung, aber kein Mustread.

Bewertung vom 11.10.2023
Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2
Sten, Viveca

Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2


ausgezeichnet

Eine Leiche im Schnee und eine verschwundene Frau - mitreißende Fortsetzung mit reizvollen Charakteren

„Ihr Leben lang hat sie zu hören bekommen, dass sie und die Gemeinde im Tal des Herrn wandern. Dem Platz für die Auserwählten, an dem Gott ihnen das Licht des Lebens gab, das hinausgetragen werden soll zu den Menschen in der Welt. Aber alles, was ihr begegnet ist, ist Dunkelheit.“

Während im beliebten Skiort Åre Hochbetrieb herrscht, wird in der Umgebung des Orts eine Leiche geborgen. Das brutal misshandelte Opfer ist der ehemalige Weltklasse-Skifahrer Johan Andersson. Gemeinsam mit einem Partner betrieb er zuletzt eine Firma für Sanitärinstallationen und wurde von seinen Mitmenschen stets als freundlicher, liebenswerter Mensch geschätzt. Wer ist für den Tod des Mannes, der angeblich keine Feinde hatte, verantwortlich? Hanna Ahlander und ihr Partner Daniel Lindskog von der Polizei in Åre ermitteln. Auch privat hat Daniel mit Herausforderungen zu kämpfen. Gleichzeitig verschwindet die junge Rebecka, Ehefrau von Ole Nordhammar, einem Pastoren der Freikirchengemeinde „Kirche des Lichts“. Offenbar kannten Johan und Rebecka sich und die Fälle scheinen irgendwie zusammenzuhängen. Die Zeit drängt, Rebecka muss unbedingt rasch gefunden werden, denn sie benötigt dringend medizinische Versorgung.

Viveca Sten erzählt auf zwei Ebenen. Sie begleitet die Ermittler Hanna, Daniel und ihr Team bei der Aufklärung des Mordes, schildert aber auch chronologisch Rebeckas Geschichte. Im Verlauf wird nach und nach klar, was Rebeckas Verschwinden und Johans Tod verbindet und die beiden Handlungsstränge werden zusammengeführt. Der Roman ist klar, lebendig und ungezwungen formuliert, lässt sich daher flüssig und ohne Anstrengung lesen. Dank der kurzen Kapitel mit den vielen „Minicliffhangern“ am Ende bleibt die Lesemotivation dabei stets hoch.

Viveca Stens Stärke sind ihre authentischen, menschlichen Figuren, die sehr nachvollziehbar und realistisch gezeichnet sind und zu denen ich sofort einen Bezug fand. Die Charaktere weckten aber nicht nur meine Interesse, meine Sympathie und meine Neugier. Es ging sogar noch weiter, ich litt mit einigen der Hauptfiguren emotional besonders mit.
Zum Beispiel mit Hanna, die sich nach einer gescheiterten Beziehung ins Ferienhaus ihrer Schwester zurückzieht, um dort neu anzufangen. Sie gesteht sich ein: „Ihre Mutter liebt Lydia mehr. Das ist eine Wunde, die nie heilen wird.“ Diese traurige Erkenntnis ist vermutlich auch der Grund, warum Hanna sich so gegen Ungerechtigkeiten auflehnt und sich engagiert für unterdrückte Frauen einsetzt.
Auch Daniel, der sich aufgrund seiner unaufschiebbaren beruflichen Verpflichtungen nicht so um seine Familie kümmern kann, wie er möchte und es auch von seiner Partnerin erwartet wird, tat mir sehr leid. Er hat oft Probleme, seine Wut zu kontrollieren, die immer dann auftaucht, wenn er sich hilflos fühlt. Rebeckas Schicksal, die gegen die Übermacht ihres Ehemanns und ihres Umfelds keine Chance hat, berührte mich ebenso wie die Geschichten anderer Nebenfiguren.
Viveca Stens Charaktere, die einen mitfühlen und mitleiden lassen, machen den Roman für mich besonders lebendig und lesenswert.


Ob Hanna und Daniel Johans Mörder und Rebecka finden können? Der Mordfall bildet den Rahmen für die Handlung. Hauptsächlich erzählt aber Viveca Sten davon, was ihre Figuren bewegt und ausmacht. Von der Herausforderung, sich manchmal zwischen Beruf und Familie entscheiden zu müssen und der damit verbundenen Zerrissenheit. Von der Erkenntnis, dass man die Liebe der Mutter nicht erzwingen kann. Von unerwünschten Gefühlen, die zu den ungelegensten Zeiten kommen können. Von Ungerechtigkeiten. Oder von der Machtlosigkeit, wenn die Welt leider nicht so ist, wie sie sein sollte.
Auch wenn sich der Kriminalfall zwar nachvollziehbar und stimmig, aber wenig spektakulär entwickelt und das Buch eigentlich mehr Familiendrama als Krimi ist, hat mich Viveca Sten mit „Tief im Schatten“ erneut restlos überzeugt. Der Roman hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Besonders die letzten Seiten habe ich regelrecht verschlungen und konnte nicht aufhören zu lesen, weil ich unbedingt erfahren wollte, wie es mit all den liebgewonnenen, interessanten Figuren weitergeht. Die Reihe um Hanna Ahlander kann ich allen, die skandinavische Krimis und Ermittler mit eigenen, persönlichen Geschichten mögen, absolut empfehlen.

Bewertung vom 09.10.2023
Annis wilde Tierabenteuer - Auf in den Dschungel!
Preil, Annika

Annis wilde Tierabenteuer - Auf in den Dschungel!


sehr gut

Tierisch buntes, magisches Dschungelabenteuer

Obwohl die großen Sommerferien anstehen, ist Anni mies gelaunt. Die Ferien soll sie nämlich mit ihren Eltern, die als Tierfilmer arbeiten, im brasilianischen Dschungel verbringen. Anni ist allerdings überhaupt nicht der Typ für aufregende Abenteuer. Die erlebt sie lieber in Büchern als in echt. Doch der Urlaub gestaltet sich für das Mädchen dann doch ganz anders als erwartet. Auf einmal versteht Anni die Sprache der Tiere und kann sich mit allen Tieren im Dschungel unterhalten. Was für eine Überraschung!

Annika Preil - bekannt als Anna aus den verschiedenen TV-Serien „Anna und die Tiere“- hat mit „Annis wilde Tierabenteuer- Auf in den Dschungel“ ihr erstes Kinderbuch geschrieben. Sie erzählt lebendig und abwechslungsreich mit viel wörtlicher Rede von Annis Erlebnissen in der dritten Person Gegenwart. Die Geschichte lässt sich dank des unkomplizierten, meist kindgemäßen Schreibstils flüssig lesen und vorlesen. Phine Wolffs kunterbunte, ansprechende und ausdrucksstarke Bilder passen ganz prima zur Handlung. Die Tiere sehen drollig und individuell, die Menschen meistens sympathisch aus. An den Gesichtern der Figuren lassen sich ihre Gefühle klar ablesen. Im Anhang finden sich ergänzend zur Geschichte Steckbriefe einiger Hauptfiguren, ein motivierendes Kreuzworträtsel mit Rätselfragen zum Inhalt der Geschichte und ein passendes Rezept.
Das Buch richtet sich an Kinder ab acht Jahren.

Anni, eigentlich Animalia, hat mit ihren tierverrückten, umtriebigen, sehr unternehmungslustigen Eltern allerhand zu tun. Sie ist wissbegierig und interessiert sich durchaus für Tiere, hat aber vor der direkten Begegnung mit Lebewesen in der freien Wildbahn Respekt und mag es lieber bequem und sicher als aufregend und gefährlich. Dass sie so anders ist als ihre Eltern, nicht so gesellig und weniger enthusiastisch, dafür eher zurückhaltend und nachdenklich, verursacht gelegentlich Konflikte. Doch als Anni plötzlich die Sprache der Tiere beherrscht, traut sie sich langsam aus ihrem Schneckenhaus, geht auf andere zu und fasst den Mut, eigene Abenteuer zu erleben. Ihr Bücherwissen ist ihr dabei oft nützlich.
Annis neue Freunde sind tierischer Art: eine singende Kakerlake, ein aufgeweckter Hund und ein verspieltes Leopardenjunges. Diese unterschiedlichen Charakteren gestalten die Figurentruppe natürlich besonders vielfältig und bunt.

Anni verbringt im Dschungel einen unvergesslichen Urlaub. Sie selbst hätte damit wohl am allerwenigsten gerechnet. Dass Anni sich weiterentwickelt und nach außen hin nun das zeigt, was eigentlich schon immer in ihr war, sie sich aber dabei trotzdem treu bleibt, hat uns gefallen. Und natürlich geht es im exotischen Dschungel sehr spannend und aufregend zu. Trotz aller modernen Technik ist es aber unmöglich, alles über die Natur zu wissen, manche Dinge bleiben unberechenbar, manche magisch, unerklärlich und ein Rätsel.
Annis erstes wildes Tierabenteuer ist wirklich lesenswert, steckt voller Farben, Überraschungen, Phantasie, Magie und Humor und macht Lust auf mehr Geschichten mit Anni und ihren tierischen Freunden. Ein Buch für alle Abenteurer, Tierfreunde und Leseratten.

Bewertung vom 04.10.2023
Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1
Skybäck, Frida

Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1


sehr gut

Eine Tote, zwei Vermisste und viele Geheimnisse - atmosphärischer, vielschichtiger Schwedenkrimi

„Sie, die immer eine intuitive Polizistin gewesen war, die ihren Instinkten folgte, fühlte sich jetzt verloren. Es war, als wäre ihr innerster Kern aus der Bahn geraten.“

Nach einem traumatischem Erlebnis bei einem Einsatz kehrt Polizistin Fredrika Storm Stockholm den Rücken und tritt ihren Dienst bei der Mordkommission Lund an. Ihr neues Wirkungsgebiet ist ihr sehr vertraut, wuchs sie doch dort auf und ihre Familie lebt noch immer hier, auf einem Bauernhof im kleinen Ort Harlösa. Gemeinsam mit ihrem neuen Kollegen Henry Calment arbeitet Fredrika an dem Fall einer toten jungen Frau, die auf einem zugefrorenen See schwer verletzt im Eis einbrach und ertrank. Die Sache scheint eine Verbindung zu Fredrikas Familie zu haben. Und in Fredrikas Familie gibt es offenbar noch mehr Geheimnisse. Fredrika gerät in die Zwickmühle: Was, wenn sie den Täter viel besser kennt, als ihr lieb ist?

Autorin Frida Skybäck erzählt chronologisch in der dritten Person Vergangenheit. Die Geschichte ist flüssig und gut verständlich formuliert. Das Titelbild zeigt ein kleines schwedenrotes Haus vor einem Wald am See. In den dunklen Wolken darüber fliegt ein schwarzer Vogel. Das Foto sieht einerseits idyllisch aus, andererseits durch den dunklen Himmel auch bedrohlich. Die Stimmung des Covers passt zur ambivalenten Atmosphäre des Romans.

Fredrika hat an einigen Ereignissen aus ihrer Vergangenheit noch schwer zu knabbern. Dass ihre Mutter spurlos verschwand, hat sie beispielsweise nicht verwunden, zumal sie immer noch nicht weiß, was mit ihr wirklich geschah. Fredrika hat einen Hang zu riskanten Alleingängen. Ihrer Familie stellt sie viele Fragen, die unangenehme Erinnerungen aufkommen lassen. Fredrika wuchs in einfachen Verhältnissen auf einem Bauernhof auf, ihr neuer Kollege Henry hingegen hat einen ganz anderen Hintergrund. Für seine wohlhabende, etwas versnobte Mutter hat Henry, der verschiedene Fächer wie Soziologie und Rechtswissenschaft studiert hat, als einfacher Polizist zu wenig aus seinem Leben gemacht. Die beiden doch sehr unterschiedlichen Ermittler Fredrika und Henry, die sich dennoch erfolgreich ergänzen, gestalten die Figurenkonstellation ziemlich interessant. Dieses besondere Duo hat Potential. Aber auch andere Charaktere haben Abgründe, sind für Überraschungen gut.

In Fredrikas Heimatdorf Harlösa herrscht nicht gerade eitel Sonnenschein. Der Mord erschüttert Fredrikas Familie, die ohnehin nicht unbedingt vom Glück begünstigt ist und mit verschiedenen Schicksalsschlägen zu kämpfen hat. Mittendrin Fredrika, die zwar die Wahrheit sucht, aber auch gleichzeitig ihre Familie schützen möchte. Eine durchaus schwierige Situation für sie. Die düstere Stimmungslage in der Familie einerseits und Fredrikas Zwiespalt andererseits werden im Roman authentisch eingefangen. Anfangs hatte ich allerdings Probleme, die einzelnen Figuren zu unterscheiden und ihnen Verwandtschaftsverhältnisse zuzuordnen, werden doch recht viele Charaktere auf einmal vorgestellt. Hier hätte mir ein Personenverzeichnis sicher geholfen. Das Erzähltempo ist zu Beginn noch recht gemächlich, die Spannung steigert sich aber zum Ende hin enorm. Nicht nur der eigentliche Fall, auch andere Handlungsstränge und Entwicklungen nehmen Fahrt auf. Im Finale wird nicht nur der Tathergang enthüllt, auch weitere Geheimnisse werden gelüftet. Auch wenn ich etwas Eingewöhnungszeit brauchte, bis ich im Buch „angekommen“ war, kann ich diesen atmosphärischen, stimmig konstruierten Schwedenkrimi mit den vielschichtigen, reizvollen Figuren allen Fans des Genres empfehlen. Ich werde den zweiten Fall der beiden Ermittler jedenfalls ganz bestimmt lesen.

Bewertung vom 30.09.2023
Der Trip – Du hast dich frei gefühlt. Bis er dich fand. (eBook, ePUB)
Strobel, Arno

Der Trip – Du hast dich frei gefühlt. Bis er dich fand. (eBook, ePUB)


sehr gut

Tod auf dem Campingplatz - stimmig konstruierter, packender Psychothriller

Psychologin Evelyn Jancke hat immer noch nicht verwunden, dass ihr Bruder mit seiner Frau vor zwei Jahren auf dem Weg in den Campingurlaub spurlos verschwand. Nun soll sie an einem besonderen Fall der Polizei mitarbeiten: Auf norddeutschen Campingplätzen geht ein Mörder um, der nachts scheinbar zufällig Menschen umbringt. Das Phantombild des Täters kommt Evelyn nur zu bekannt vor. Dann erhält sie plötzlich auch noch mysteriöse Nachrichten, die von ihrem verschollenen Bruder zu stammen scheinen...

Arno Strobel schreibt gewohnt unkompliziert, verständlich und flüssig und meist in der dritten Person Vergangenheit. Am Anfang bestimmter Kapitel nimmt er die Sicht des Mörders ein und schildert in der Ich-Form, was diesen bewegt, ohne dass dabei klar wird, um wen es sich genau handelt.

Mit dem Verlust ihres Bruders hat Protagonistin Evelyn schwer zu kämpfen. Die aktuelle Mordserie auf Campingplätzen hat mit ihren Bruder zu tun, davon ist Evelyn überzeugt. Wie besessen versucht sie die Wahrheit herauszufinden. Ihr Exfreund, der Polizist Gerhard Tillmann, ist dabei immer für sie da. Doch je tiefer Evelyn sich in den Fall hineinarbeitet und festbeißt, desto weniger weiß sie, ob sie sich, ihren Erinnerungen, ihren Wahrnehmungen und ihren Mitmenschen trauen kann.

Wird Evelyn ihren Bruder finden? Und wer steckt hinter den grausamen Morden? Sehr packend beschreibt Arno Strobel, wie Evelyn der Lösung des Falls immer näher kommt und dabei die Kontrolle zu verlieren droht. Der Spannungsbogen steigt durchgehend bis zum Finale. Am Ende konnte ich den Showdown kaum erwarten. Die Auflösung war für mich zwar insgesamt stimmig, allerdings nicht besonders komplex oder raffiniert. Zudem empfand ich die Handlung nach der Aufklärung des Verbrechens dann als ein wenig flach, die letzten Seiten wirkten wie lieblos dahingeschrieben. Dennoch hat mich der kurzweilige Thriller gut unterhalten. Wer gerne spannende, solide konstruierte Thriller mit Nervenkitzel für die schnelle, leichte Unterhaltung mag, liegt mit Arno Strobel und „Der Trip“ auf jeden Fall richtig.

Bewertung vom 30.09.2023
Der Sternenmond / Keeper of the Lost Cities Bd.9
Messenger, Shannon

Der Sternenmond / Keeper of the Lost Cities Bd.9


sehr gut

Auf der Suche nach „Sternenmond“ - packende Fortsetzung mit viel Gefühlswirrwarr

Sophie möchte unbedingt erfahren, was es mit dem geheimnisvollen „Sternenmond“ auf sich hat. Schließlich scheint „Sternenmond“ für Lady Giselas perfiden, zerstörerischen Plan sehr wichtig zu sein. Währenddessen machen die Neverseen Sophie ein unerwartetes Angebot. Doch kann man ihnen trauen? Außerdem sucht Sophie nach Keefe, der sich, nachdem seine Mutter ein folgenschweres Experiment an ihm durchgeführt hat, versteckt hält, um sich an seine neuen Fähigkeiten zu gewöhnen. Keefes Verschwinden lässt Sophie über ihre Gefühle nachdenken. Doch die Zeit drängt, Lady Gisela und die Neverseen holen sicher bald zum nächsten und womöglich letzten Schlag aus…

Die Geschichte liest sich flüssig und ist altersgemäß und gut verständlich geschrieben. Immer wieder blitzt der spezielle Humor der Autorin auf, der oft zum Schmunzeln bringt. Wer alle Bücher der Serie kennt, wird sicher nicht mehr über spezielle elfentypische Begriffe wie „Verwahrer“ oder „Psiniopathie“ stolpern. Diese werden im Laufe der Handlung erklärt. Das bunte Cover ist denen der Vorgänger nachempfunden und lässt das Buch sofort als Teil der Reihe erkennen.
Das Buch richtet sich an Leserinnen und Leser ab elf, zwölf Jahren.

Auch diesmal erfährt man wieder viel Neues über die einzelnen Figuren. Sophie gewinnt immer mehr an Selbstbewusstsein und Entschlusskraft, ist sie sich doch mittlerweile bewusst über die wichtige Rolle, die sie in der Elfenwelt spielt. Beherzt nimmt sie ihre Herausforderungen an, doch hat sie dabei mit ihren Gefühlen zu kämpfen. Auch Keefe ist mit vielfältigen Gefühlen konfrontiert. Er ist ein sehr interessanter Charakter, der mit seinen neuen Talenten, seinem neuen Ich, erst noch klar kommen muss. Dass seine Mutter Gisela die Welt der Elfen, wie sie bisher war, zerstören will, hat Keefe immer noch nicht richtig verwunden. Gisela ist mit allen Wassern gewaschen und verbirgt viele Geheimnisse, von denen das ein oder andere nun gelüftet wird. Neben Sophies ganz unterschiedlichen Freunden steht ihr diesmal anfangs auch Keefes Leibwächterin, die Ogerprinzessin Ro, zur Seite. Sie hat eine unvergleichlich unterhaltsame, direkte Art, die immer wieder für witzige Szenen sorgt. Einige Figuren wie der immer verlässliche Dex wachsen einem immer mehr ans Herz. Fast kommt es einem dabei vor, als treffe man in den Büchern seine eigenen Freunde, so gut kennt man sie mittlerweile schon.
Die Figurenkonstellation wird definitiv mit jedem Band, in dem sich die Charaktere noch deutlicher entfalten, faszinierender und vielfältiger.

Ob Sophie herausfindet, worum es sich bei „Sternenmond“ handelt? Insgesamt geht es im neuesten Band der Serie etwas ruhiger zu. Bewusst lässt die Autorin mehr Raum für eine tiefere Entwicklung der Figuren und ihre Beziehungen untereinander. Die Handlung ist diesmal etwas klarer und weniger kompliziert. Dafür nehmen die Gefühle der Figuren eine wichtige Rolle ein, was definitiv auch spannend ist. Natürlich endet das Buch wieder mit einem fulminanten, unerwarteten Cliffhanger, der die Fortsetzung kaum erwarten lässt. „Sternenmond“ ist ein Mustread für alle Fans. Eine gelungene, diesmal nicht ganz so actionreiche, aber dafür emotionsgeladene Fortsetzung mit vielen faszinierenden Figuren und einem interessanten Setting.

Bewertung vom 30.09.2023
Mein schrecklich schönes Leben
Smale, Holly

Mein schrecklich schönes Leben


sehr gut

Mittels Zeitreisen zum perfekten Leben? Origineller Roman mit sperriger Hauptfigur

Cassandra erlebt einen absoluten Albtraumtag. Sie wird von ihrem Freund Will abserviert, von ihrem Chef in der PR-Agentur gefeuert und außerdem von ihren Mitbewohnern eindringlich gebeten, aus ihrer WG auszuziehen. Doch plötzlich findet sie sich im Gestern wieder und erlebt den vergangenen Vorabend, bevor Will die Beziehung zu ihr beendet, noch einmal, nur um am nächsten Morgen wieder verlassen zu werden. Cassandra stellt überraschend fest, dass sie in die Vergangenheit reisen kann und entdeckt dadurch völlig neue Möglichkeiten. Sie kann das Geschehene ändern, Entscheidungen anders treffen und nun alles besser machen. Ob sie es schafft, ihr Wunschleben zu leben und Will zu halten?

Die Geschichte wird aus Cassandras Sicht in der ersten Person Gegenwart erzählt. Der Schreibstil ist recht flüssig, direkt und sehr humorvoll. Über ihre amüsante Art, Dinge auf den Punkt zu bringen, lernen die Leser die doch recht eigenwillige Hauptfigur Cassandra näher kennen. Wiederholt schiebt Cassandra auch Urteile anderer über sich selbst in den Text ein, die sich auf das aktuelle Geschehen beziehen und es kommentieren wie „Cassandra kann ganz schön neurotisch und obsessiv sein.“
Außerdem wird im Roman die Genderschreibweise mit Sternchen verwendet, was ich vorher in einem Roman so noch nicht gelesen habe, was aber zu Kassandras spezieller Persönlichkeit und ihrem Hang, alles zu ordnen und kategorisieren, durchaus passt. Dass die Handlung zwar eigentlich chronologisch verläuft, dann aber durch Cassandras Zeitreisen wieder in die Vergangenheit zurückkehrt, ist manchmal etwas verwirrend.

Cassandra ist nicht wie andere. Sie hat stark autistische Züge, nimmt ihre Mitmenschen anders wahr, hat Schwierigkeiten, Emotionen zu erkennen, weiß oft nicht, welches Verhalten angebracht ist, lehnt manche Dinge vehement ab und reagiert dann oft extrem, z.B. wenn Bananenmuffins, die sie so liebt und jeden Tag isst, ausverkauft sind. Cassandra ist die „Königin des Aufgliederns“, kategorisiert die Welt, braucht feste Strukturen und ihre eigene Ordnung, die teilweise in Zwänge ausarten. So trägt sie an den jeweiligen Wochentagen immer die gleiche Kleidung. Cassandra hat aufgrund ihrer Eigenarten Schwierigkeiten, mit ihren Mitmenschen auszukommen. Ihre Beziehungen dauern daher nie länger als vier Monate, echte Freunde hat sie keine. Cassandras Persönlichkeit ist sehr interessant und bietet viel Potential, schließlich gerät sie immer wieder in ungewöhnliche, herausfordernde Situationen. Aber ihre extremen Verhaltensweisen sind mitunter auch schwer nachzuvollziehen und gingen mir beim Lesen teilweise ziemlich auf die Nerven.

Die Idee, immer wieder in die Vergangenheit zu reisen, um alles perfekt zu gestalten, ist ziemlich reizvoll. Sehr witzig zum Beispiel, dass Cassandra den ersten Sex mit Will in Dauerschlaufe erlebt, weil immer irgendein Detail verbesserungswürdig ist. Klar, dass sie dabei selbst auch mal den Überblick über wirklich Erlebtes und von ihr „gelöschte“ Situationen verliert und vergisst, was wirklich war. Dadurch kommt es zu vielen komischen Szenen. Cassandra erkennt: „Ich reise nicht durch die Zeit, um meine getroffenen Entscheidungen oder Fehler rückgängig zu machen. Ich versuche, mich selbst rückgängig zu machen.“ Doch ganz behutsam findet sie durch die Zeitreisen auch zu sich selbst, beginnt sich selbst mit all ihren Stärken und Schwächen zu akzeptieren. Diese Entwicklung gefiel mir.
Cassandra hegt eine besondere Leidenschaft für die griechischen Mythologie, erklärt auch für die Leser die Bezüge aus der antiken Welt zur ihrer Realität. So fühlt sie sich häufig als Seherin, die nicht akzeptiert wird, bis klar wird: „Mein Schicksal wird nicht von der Zeit bestimmt oder von Sand oder Sternen oder Wandteppichen oder Spinnennetzen, und das wurde es auch nie. „Ich bin Cassandra: Die Zukunft lag schon immer in mir selbst.“
Das Buch hat mich durchgehend gut unterhalten. Dass aber eine entscheidende Figur und ein recht zentrales Problem erst gegen Ende auftauchen, finde ich nicht ganz stimmig. Auch wird nicht erklärt, wie genau Cassandra ihre Zeitreisen möglich macht. Dennoch hat mich das überraschende Ende, das für Cassandras Entwicklung spricht, überzeugt. Insgesamt ein kurzweiliger Roman mit tiefergehender, positiver Botschaft und unbequemer, herausfordernder Hauptfigur, die aber dennoch genauso sein muss, wie sie ist.

Bewertung vom 30.09.2023
Das Glück der Geschichtensammlerin (eBook, ePUB)
Page, Sally

Das Glück der Geschichtensammlerin (eBook, ePUB)


gut

Von erzählten und unerzählten Geschichten

„Ich glaube, in ihren Geschichten findet man das Beste, was Menschen sein können“

Janice arbeitet als Putzfrau und dringt als solche tief in die Leben ihrer Kunden ein. Da ihre Mitmenschen schnell Vertrauen zu Janice fassen und sich gerne mit ihr unterhalten, sammelt Janice Geschichten wie andere Leute Briefmarken und bezeichnet sich selbst auch als „Geschichtensammlerin“. Eine eigene Geschichte hat Janice nicht, behauptet sie. Doch als sie an eine neue, etwas schwierige Kundin gerät, die eine ganz besondere Geschichte auf Lager hat, wird offensichtlich, dass auch in Janice eine Geschichte steckt….

Die Handlung wird von einem allwissenden Erzähler in der dritten Person Gegenwart geschildert. Nach kurzer Zeit hatte ich mich an den besonderen, einerseits direkten und klaren, aber dennoch auch etwas distanzierten Schreibstil gewöhnt.

Janice hat ein festes Bild von sich, dem allerdings nicht alle Bekannten gleichermaßen zustimmen würden: „Sie hätte gerne unmissverständlich klargestellt, dass sie hier die Geschichtensammlerin ist. Dass sie fremde Geschichten zusammenträgt, weil sie selbst keine hat. Das möchte sie laut herausschreien, um die leise Stimme in ihr drin zu übertönen, die hinzufügen möchte: „Zumindest keine, die ich ihnen jemals erzählen würde.“
Janice ist besonders aufmerksam allen anderen gegenüber, vernachlässigt aber oft sich selbst. Ihre neue Kundin Mrs. B., die sich alles andere als sanftmütig und sympathisch gibt, sich vielmehr eher widerborstig und willensstark zeigt, weckt in Janice allerdings etwas, das lange verborgen war, den Blick auf das eigene Leben. Und dann treten noch ein Hund und ein Busfahrer auf den Plan…

Wirklich jeder Mensch hat eine Geschichte zu erzählen. Und alle Geschichten verdienen es auch, erzählt und gehört zu werden. Das ist die so einfache wie wichtige Botschaft des Romans „Das Glück der Geschichtensammlerin“.
Janice, die sich für die, die ihr wichtig sind, engagiert einsetzt und immer da ist, wenn sie gebraucht wird, ist eine bemerkenswerte Protagonistin. Sie hat Angst vor ihrer eigenen Geschichte, gleichzeitig ist sie aber wie jeder zwangsläufig Teil einer Geschichte. Eine schöne Vorstellung, dass Janice als Geschichtensammlerin ihren Mitmenschen so viel Wertschätzung entgegenbringt.
Manche Figuren wurden mir allerdings zu einseitig, klischeehaft, ja fast lieblos dargestellt. Hätten diese nicht vielleicht auch eine etwas komplexere, weniger platte Geschichte zu erzählen? Sicher gibt es Gründe, warum sie sich verhalten, wie sie sich verhalten…
Manche Aspekte der Handlung kamen mir zudem etwas „aufgeblasen“ und pathetisch vor. Das Wort „Geschichte“ wird im Roman so inflationär gebraucht, dass es auf mich schon etwas penetrant wirkt. Letztendlich sind Geschichten, wie sie Janice sieht, schließlich auch Schicksale, Erlebnisse und Erinnerungen, die uns prägen.
Trotz dieser Kritikpunkte habe ich den Roman über weite Strecken gerne gelesen. Das Buch stimmt zuversichtlich und sorgt garantiert für gute Laune. Vielleicht müssten wir alle, wie Janice einfach ein bisschen intensiver zuhören und uns mehr für andere interessieren, denn Beziehungen mit anderen bereichern das Leben sicher um einige schöne Geschichten. Wer Romane wie „Der Buchspazierer“ mochte, wird auch Freude an diesem Buch haben.