Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Webervogel

Bewertungen

Insgesamt 64 Bewertungen
Bewertung vom 18.07.2019
Something in the Water - Im Sog des Verbrechens
Steadman , Catherine

Something in the Water - Im Sog des Verbrechens


sehr gut

Fesselnder Einstieg und starke Hauptfigur, aber die Auflösung schwächelt

Spannung ab der ersten Seite zu erzeugen, ist eine hohe Kunst, die die Autorin dieses Buches ganz offensichtlich beherrscht. Zumindest ich fand den ersten Satz „Haben Sie sich jemals gefragt, wie lange es dauert, ein Grab auszuheben?“ ziemlich innovativ. Dass Hauptfigur Erin Roberts dann auch noch ihren Mann vergräbt, obwohl sie seinen Tod durchaus zu bedauern scheint, macht ebenfalls neugierig. Der Einstieg in diesen Thriller ist also schon einmal geglückt.

Catherine Steadman hat sich in „Something in the water“ eines Kunstgriffs bedient und eines der letzten Kapitel vorne angestellt. Danach beginnt die Geschichte drei Monate zuvor mit einem Wochenendausflug der Protagonisten Erin und Mark. Die beiden feiern ihren Jahrestag und planen ihre Flitterwochen, die nach Bora-Bora gehen sollen. Er ist Banker, sie Dokumentarfilmerin, beide in den Dreißigern – ein glückliches Londoner Pärchen, dem die Welt offensteht. Doch schon während dieses Wochenendausflugs werden Entscheidungen getroffen, die dem dramatischen Ende den Weg ebnen: „Und dann sage ich etwas, was ich mein Leben lang bereuen werde. Ich will mit Dir Gerätetauchen machen.“ Tja. Ich verrate noch nicht zu viel, wenn ich erzähle, dass Erin und Mark beim Gerätetauchen auf „Something in the water“ stoßen …

Sehr gut gefallen hat mir der Erzählton dieses Thrillers. Er ist ganz und gar aus Sicht von Hauptfigur Erin geschrieben, die den Leser auch gerne mal direkt anspricht. Ab und an benimmt sie sich sehr unbedarft, aber man ist stets so dicht an ihr dran, dass auch ihr teilweise kopfloses Verhalten, ihr Gedankenkarussell und vereinzelte wahnwitzige Ideen immer halbwegs nachvollziehbar bleiben. Und je mehr ich Erin und ihr Leben kennenlernte, desto weniger konnte ich mir einen Reim auf die Geschehnisse am Buchanfang machen. Vermutlich deswegen nahm die Sogwirkung der Geschichte zu, je weiter ich gelesen habe.

Aber jeder Thriller kommt irgendwann zu seiner Auflösung und die fand ich hier dann leider doch nicht hundertprozentig gelungen. Autorin Steadman hat der Ausgestaltung von Erins Charakter viel Raum gegeben, die Hundertachtzig-Grad-Wendungen von anderen Figuren passieren jedoch ohne jede Erklärung, was ich dann doch etwas schade fand. Dennoch ist „Something in the water“ eine spannende Urlaubslektüre – nicht nur auf Bora-Bora, nicht nur für Gerätetaucher, sondern für alle, die sich gerne mal der Frage „was wäre, wenn …“ hingeben.

Bewertung vom 02.08.2018
Vier.Zwei.Eins. (eBook, ePUB)
Kelly, Erin

Vier.Zwei.Eins. (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Schein und Sein, Lügen und Schuld – Spannung garantiert!

Der auf den ersten Blick seltsame Zahlentitel dieses Romans wird im Untertitel erklärt: „Vier Menschen. Zwei Wahrheiten. Eine Lüge.“ Und tatsächlich fängt mit der schicksalhaften Begegnung von vier jungen Menschen Anfang 20 alles an: Das Pärchen Laura und Kit ist zu einem Festival nach Cornwall gereist, um dort die totale Sonnenfinsternis am 11. August 1999 zu erleben. Sonnenfinsternisse zu jagen ist Kits Hobby, er und sein Zwillingsbruder sind bereits als Kinder mit ihrem Vater quer um den Globus gereist um die spektakulären Phänomene mitzuerleben. Laura hingegen erlebt ihre erste Sonnenfinsternis und fühlt sich in ihren Grundfesten berührt. Trotz widriger Wetterbedingungen hätte es also ein wunderschöner Tag sein sollen – doch auf dem Rückweg von ihrem Aussichtspunkt wird Laura Zeugin einer Vergewaltigung. Zumindest wirkt es wie eine Vergewaltigung, obwohl der mutmaßliche Täter sofort behauptet, dass alles einvernehmlich sei. Da die Frau, Beth, das jedoch nicht bestätigt und auch sonst wie erstarrt wirkt, rufen Laura und Kit die Polizei. Die vier sehen sich im Mai 2000 vor Gericht wieder, als Zeugen, Angeklagter und Klägerin. Und das hätte eigentlich ihr letztes Aufeinandertreffen sein können, doch so ist es nicht …

Im März 2015 ist Laura schon lange mit Kit verheiratet und außerdem hochschwanger mit Zwillingen. Die beiden leben so anonym wie nur möglich in London, haben sogar ihren Nachnamen geändert. Der Grund: Die panische Angst vor Beth, die 15 Jahre zuvor als Opfer vor Gericht stand. Was ist nur passiert?

Genau diese Frage wird nach und nach geklärt. Dabei wechselt Autorin Erin Kelly zwischen zwei Zeitebenen. Kapitel, die die Geschehnisse rund um die Sonnenfinsternis 1999 und die Gerichtsverhandlung im darauffolgenden Jahr schildern, wechseln sich ab mit solchen, die erzählen, wie Kit 2015 einer weiteren Sonnenfinsternis hinterherjagt, während Laura in Sorge um ihn in London sitzt. Außerdem wechseln auch immer wieder die Perspektiven: Mal schildert Laura die Erlebnisse, mal Kit. Manchmal sind kombinierte Zeit- und Erzählerwechsel ja verwirrend, aber Autorin Kelly verwebt alles so geschickt, dass die ständigen Brüche fast unmerklich geschehen und den Lesefluss überhaupt nicht stören, sondern bereichern: Es baut sich immer größere Spannung auf. „Vier.Zwei.Eins.“ wird nicht als Thriller, sondern als Roman bezeichnet, doch Nervenkitzel ist durch die erstaunliche Vielzahl von unvorhersehbaren und dennoch glaubhaften Wendungen garantiert. Meisterhaft beschreibt Kelly, wie eine Lüge in eine Abwärtsspirale voller weiterer Unwahrheiten führen kann und es letztlich keinen Ausweg aus der eigenen Schuld mehr gibt. Immer wieder wurden Situationen geschildert, bei denen ich mich unwillkürlich fragte, wie ich an Stelle der Figuren gehandelt hätte. „Vier.Zwei.Eins.“ handelt von Licht und Schatten, doch schwarzweiß ist die Geschichte bei Weitem nicht.

Gegliedert ist dieses feine Erzählkonstrukt wie die fünf Phasen einer totalen Sonnenfinsternis: Erster Kontakt, Zweiter Kontakt, Totalität, Dritter Kontakt und Vierter Kontakt. Das ist nicht nur wegen Sonnenfinsternisjäger Kit wunderbar passend, sondern auch, weil es ebenfalls um Kontakte zwischen Menschen geht bzw. die Angst davor. Nicht nur die Sonne, sondern auch die Gemüter einiger Protagonisten scheinen sich im Laufe des Romans zu verdunkeln. Doch werden sie sich im Zuge des vierten Kontakts – der Mond verdeckt die Sonne nicht mehr – auch wieder lichten? Ich kann nur empfehlen, das selbst herauszufinden.

Bewertung vom 20.04.2018
DUMPLIN'
Murphy, Julie

DUMPLIN'


sehr gut

Coming of Age mal anders

Schon das Cover hat mich davon überzeugt, dass ich dieses Buch lesen muss: Eine kräftigere Frau im roten Abendkleid hat vor schwarzem Hintergrund ihren großen Auftritt. Sie hebt Hände und Kopf nach oben, genießt offensichtlich ihren Applaus. Über ihr steht der Untertitel des Buches: „Go big or go home“. Was für ein Auftritt!
Die auf dem Cover illustrierte Haltung erwartete ich dann von der Hauptfigur, der 16-jährigen Willowdean Dickson. Sie ist die titelgebende „Dumplin‘“, ihre Mutter hat ihr den Spitznamen „Knödel“ in frühester Jugend verpasst. Als eine frühere Schönheitskönigin, die sich damit rühmt, immer noch in ihr Wettbewerbskostüm von vor fast 20 Jahren zu passen, steht Rosie Dickson dem Übergewicht ihrer Tochter äußerst kritisch gegenüber. Verschärft wird der Konflikt dadurch, dass Rosies Schwester Lucy, mit der Mutter und Tochter zusammenwohnten, vor Kurzem mit 36 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben ist, der auf ihre Gewichtsprobleme zurückzuführen war.
Doch Will lässt sich von ihrer Mutter keine Komplexe einreden und ist mit sich im Reinen - eigentlich. Ihre beste Freundin El sieht zwar aus wie ein Model und hat schon ewig einen festen Freund, während Will ihren Fast Food Imbiss-Kollegen Bo nur in Gedanken anschwärmt, aber sie ist durchaus selbstbewusst und zufrieden, wenn man davon absieht, dass sie ihre verstorbene Tante sehr vermisst. Dann aber überstürzen sich die Ereignisse …

„Dumplin‘“ ist eine Coming of Age-Geschichte der anderen Art. Will fragt sich, wer sie ist, wie sie gesehen wird und was sie vom Leben will, zusätzlich ist aber ein großes Thema, ob und wie sehr sie sich von anderen über ihr Gewicht definieren lässt – und wie sehr sie sich selbst darüber definiert. Die Botschaft des Buches ist ganz klar: „Du bist gut so, wie Du bist!“ Anfangs macht es den Eindruck, als wäre sich die Protagonistin dessen vollkommen bewusst, doch dann scheint ihr Leben in seinen Grundfesten erschüttert und sie muss zu einem neuen Selbstverständnis finden. Ihre Probleme waren für mich nicht immer nachvollziehbar und zum Teil auch ziemlich hausgemacht, aber das waren meine Probleme mit 16 vermutlich auch ... Zum Teil macht es den Charme des Buches aus, dass Will nicht immer die strahlende Heldin ist, die man auf dem Cover sieht. Sie hat durchaus Kanten, Charakterschwächen und Tiefs. Letztere bewirken, dass der Roman längst nicht immer so unterhaltsam ist, wie ich es aufgrund des Covers und der ersten Kapitel erwartet hatte. Einige andere Figuren kamen mir etwas zu kurz, Julie Murphy hatte sie zwar komplex angelegt, aber dann in meinen Augen nicht ganz ausgestaltet – zum Teil hätte ich gerne noch mehr über Wills Umfeld erfahren. Etwas ratlos lässt mich auch das Übergewicht der Hauptfigur zurück: Murphy beschreibt es nicht näher, was ich gut finde, so kann sich jeder sein eigenes Bild von Will machen. Dass sie liebenswert ist, egal wie viel sie wiegt – gar keine Frage. Ihre verstorbene Tante wog allerdings 225 kg und hat das Haus kaum mehr verlassen, was im Buch irgendwie als unumstößliche Tatsache akzeptiert wird. Auf der einen Seite ist das verständlich: Die Tante ist gestorben, es lässt sich eh nichts mehr ändern … auf der anderen Seite hat es mich jedoch gestört, dass ihr Gewicht so schicksalsergeben akzeptiert wurde. Dass Will ein glückliches Leben ohne Idealmaße führt – wunderbar. Aber dass es wichtig ist, darauf zu achten, dass man einigermaßen gesund bleibt – an irgendeiner Stelle hätte das ruhig mal Erwähnung finden können.
Amüsiert hat mich dagegen die starke amerikanische Färbung – „Dumplin‘“ spielt in Texas! Von Dating-Kultur über Kirchenbesuch bis hin zum Schönheitswettbewerb war das immer wieder spürbar.
Insgesamt ist „Dumplin‘“ gute, aber auch nachdenklich machende Unterhaltung, insbesondere zu den Themen Selbstbewusstsein, Freundschaft und generell zwischenmenschliche Beziehungen. Ein lesenswertes Jugendbuch mit kleinen Schwächen.

Bewertung vom 11.03.2018
Für immer ist die längste Zeit
Fabiaschi, Abby

Für immer ist die längste Zeit


ausgezeichnet

Absolut empfehlenswerte Gefühlsachterbahn

Maddy ist tot und lässt ihren Mann Brady und ihre 16-jährige Tochter Eve in größter Verzweiflung zurück. Sie scheint aus heiterem Himmel Selbstmord begangen zu haben. Der Ehemann ein Workaholic, die Tochter gerne mal ein pubertäres Ekel – Maddys Leben war nicht ganz so glücklich, wie es angesichts der heilen Kleinfamilie nach außen schien. Aber war das für sie wirklich Grund genug, um sich das Leben zu nehmen?

Der Roman setzt wenige Wochen nach Maddys Ableben ein und zeigt ein zerrissenes Vater-Tochter-Gespann, das nicht weiß, wie es ohne die patent-resolute Ehefrau und Mutter miteinander umgehen soll – geschweige denn, wie ein Weiterleben ohne sie überhaupt funktionieren kann. Doch noch davor – Überraschung – lernt der Leser Maddy kennen. Die ist zwar tot, bislang aber trotzdem nicht komplett im Jenseits angekommen. Stattdessen schwebt sie über den Dingen – im wahrsten Sinne des Wortes. Bekümmert schaut sie auf ihre Hinterbliebenen hinab und hat bereits beschlossen, einen Ersatz für sich zu suchen – in Form der so freundlichen wie toughen Grundschullehrerin Rory. Außerdem hat Maddy herausgefunden, dass sie ihren Lieben Impulse senden kann. Doch wird es ihr dadurch gelingen, das Leben von Brady und Eve positiv zu beeinflussen? Der Leser erfährt es nach und nach.
Autorin Abby Fabiaschi hat jedes Kapitel ihres Buches klar gegliedert: Zuerst kommt Maddy zu Wort, dann Tochter Eve und schließlich Ehemann Brady. Wenn Maddy gerade nicht versucht, ihren Lieben Trost und gute Ideen zu übermitteln, lässt sie verschiedene Phasen ihres Lebens durchaus kritisch Revue passieren. Eve und Brady dagegen kämpfen mit unterschiedlichen Schuldgefühlen und sind ansonsten erst einmal damit beschäftigt, zu funktionieren. Während ihr Vater sich in die Arbeit flüchtet, merkt Eve, dass sie nicht nur ihre Mutter verloren hat; auch ihr Freundeskreis erscheint ihr auf einmal unreif und oberflächlich. Brady dagegen kommt sich vor wie in einem schlechten Film, als ihm nun vor allem alleinstehende Nachbarinnen mit tief ausgeschnittenen Dekolletés ihre Hilfe anbieten. Letztere Szenen zeigen eine unerwartete Facette des Buches: Trotz der tragischen Ausgangssituation ist es tatsächlich immer wieder komisch. Alle drei Familienmitglieder legen mindestens gedanklich gerne mal eine gehörige Portion Sarkasmus an den Tag, und so gibt es tatsächlich öfters einen Comic relief. Aber natürlich wird auch getrauert. Aufgearbeitet. So gut es geht nach vorne geschaut. Eve und Brady kriegen das nicht unbedingt immer zeitgleich hin. Es wird deutlich: Jeder geht mit seiner Trauer anders um. Nebenbei noch die Energie aufzubringen, auf jemand anderen zuzugehen, scheint unmöglich. Was aber, wenn man nur noch einander hat?

Abby Fabiaschi schildert die Situation ihrer Hauptfiguren in ihrer ganzen emotionalen Komplexität. Es wird geweint, getobt, getrauert, gehadert, geätzt, aber auch gelacht. Der Leser taucht komplett in das Gefühlschaos der Protagonisten ein – mir sind dabei alle gleichermaßen ans Herz gewachsen. Herausgekommen ist ein bewegendes und so tiefgründiges wie erfrischendes Buch über die Liebe, das Leben und den Umgang mit Verlusten. Ich habe gelacht, hin und wieder ein Tränchen vergossen und öfters kleine Lesepausen eingelegt, weil mich „Für immer ist die längste Zeit“ emotional gefordert hat. Das jedoch stets auf eine gute Art und Weise. Der Roman kann einen gar nicht kalt lassen und regt an, sich mit verschiedensten Themen auseinanderzusetzen. Ich habe selten ein Buch gelesen, das so viele verschiedene Emotionen bei mir hervorrief und trotz seiner Unterhaltsamkeit so weise auf mich wirkte.