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Frankfurt

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Insgesamt 722 Bewertungen
Bewertung vom 30.08.2024
Die geheimnisvolle Freundin
Baldelli, Simona

Die geheimnisvolle Freundin


sehr gut

Bei italienischen Freunschaftsgeschichten muss ich sofort an Elena Ferante denken. Auch das ging mir durch den Kopf als ich den Titel dieses Romans las: „Die geheimnisvolle Freundin“ von Simona Baldelli. Und dann bei der Lektüre war ich auch ab und an geneigt an die unterschiedlichen Freundinnen aus Ferantes Roman zu denken, aber hier sind zwar zwei Freundinnen auf dem Cover und der Titel lässt es zu, dass man meinen könnte das ist „nur“ ein Roman über Freundschaft und Geheimnisse. Und da muss ich (zum Glück!) sagen, dass da noch eine Menge mehr drin steckt. Es ist ein Roman über eine Frau und ihren steinigen Weg, der auch durch Freundschaften getragen wird, aber das ist bei weitem nicht alles. Im Original heißt das Buch: Il pozzo delle bambole und heißt so viel wie: „Der Puppe geht es gut“, wenn ich dem Übersetzungsprogramm trauen darf. Und das find ich ja schon mal treffender.
Denn es geht um Nina, ein Mädchen, dass in einem ländlichen Waisenhaus aufwächst in den 50er Jahren in den Abruzzen. Von Nonnen streng und sittlich geführt, wenig Bildung, viel Demut und wenig Zuwendung jeglicher Art. Seit ihrer Geburt in diesem System gefangen, kommt zwar in der Tat Lucia mit 7 Jahren dazu und es gibt auch noch andere wie Marcella, aber Nina kämpft sich durch die Tristesse ihres Daseins. Muss auch einige herbe Schläge verdauen, steht aber immer wieder mental auf. Nach dem Waisenhaus arbeitet sie in der örtlichen Tabakfabrik.
In Summe ein bescheidenes Frauenleben und hier stecken so viele tiefgreifende Themen drin, die Simona Baldelli äußerst treffend beschreibt. Wie dieses Kind eine Resilienz entwickelt trotz der Umstände, wie Klassenunterschiede zu Handlungen oder eben auch nicht führen, der emanzipatorisch steinige Weg dieser Zeit gefangen im Patriachat und den starren traditionellen Ansichten. Vor allem schafft die Autorin einen besonderen Blick auf den Habitus durch Zugehörigkeit und ermöglichenden Bedingungen. Das was Nina fehlt, immer klein gehalten, systematisch vieler Möglichkeiten beraubt.
Wie schon der Roman „Die Rebellion der Alfonsina Strada“ ist auch „Die geheimnisvolle Freundin“ ein sehr lesenswerter Roman von Simona Baldelli. Großartig übersetzt für uns aus dem italienischen von Elisa Harnischmacher. Nur der Titel, na ja, da hätte man sich noch mehr Mühe geben können.

Bewertung vom 29.08.2024
Gefährliches Komplott
Baldacci, David

Gefährliches Komplott


gut

Dies war mein erster David Baldacci und habe schon auf viel Blut und mehrere Tote gewartet, da auf dem Titel Thriller steht. Aber dann war es für diese Kategorisierung aus meiner Sicht moderat und daher: eher meins!
Der Titel verrät es: Gefährliches Komplott! Und das ist auch was passiert. Denn die Protagonistin, Mickey Gibson, eine Ex-Detective, alleinerziehend mit 2 Kindern und ist nun private Cyberermittlerin für ein Unternehmen, dass Steuer- und Kreditbetrug aufspürt. Es erreicht sie ein ungewöhnlicher Auftrag via Telefon einer vermeintlichen Kollegin. Ein zu verkaufendes Haus braucht eine Schätzung für das verbleibende Mobiliar. Nun gut, Mickey macht sich auf den Weg und schon liegt ihr eine Leiche vor den Füßen und sie sieht sich mit Anschuldigungen konfrontiert die Mörderin zu sein. Wer war also die Anruferin?
Genau um diese beiden geht es im Grunde im gesamten Buch und um die Aufklärung des Todes. Ein Fall der immer wieder wie ein Puzzle zu neunen Erkenntnissen und Informationen führt. Der Schluss war etwas übers Knie gebrochen, aber in Summe eine solide Unterhaltung.
Besonders hat mir gefallen, dass nicht wieder die harten Jungs hier den größten Teil der Geschichte gerockt haben, sondern dass hier zwei Frauen im Mittelpunkt stehen und sich nichts schenken!

Bewertung vom 28.08.2024
Luna
Giuliano, Serena

Luna


ausgezeichnet

Was eine herrlich gute Lektüre für den Urlaub! Ich hatte das Vergnügen, dass mich Luna in Italien im Urlaub begleitet hat und es war passend.Das liest sich sooo nett! Ein wirklich gut geschriebenes Buch. Einerseits leicht und andererseits mit vielen guten Ansätzen die eigene Vergangenheit und die Gegenwart zu vereinen.
Luna ist eine junge Frau und eigentlich Neapolitanerin, aber als junges Mädchen ad hoc mit ihrer Mutter nach Mailand gezogen. Gefühlt ist Norditalien ein anderes Land, aber sie hat ihre Wurzeln verdrängt und ihren Vater verteufelt. Nun ist ihr Vater im Krankenhaus, er hat niemanden und noch ist nicht klar wie es weitergeht. Also macht Luna sich doch auf nach Neapel mit Widerwillen.
„Jetzt ist mir klar geworden, dass man zwar versuchen kann, das, was man liebt, aufzugeben, dass es einen aber früher oder später wieder einholt.“ (S 160)
Die Geschichte ist wie der Untertitel verrät eine Rückkehr an den Ort ihrer Kindheit, ein Teil von ihr, der sich nicht verleugnen lässt. Charmant erzählt und voll mit hinreißenden Charakteren! Herrlich wie die Neapolitaner in Szene gesetzt werden.
Das Buch ist in sehr knappen Kapiteln gehalten und durchsetzt mit Rückblenden. Mich überzeugt diese Mischung aus Aufarbeitung der Vergangenheit und der Ereignisse in der Gegenwart. Macht das ganze kurzweilig und wir erkennen warum die Beziehung so ist, wie sie zwischen Luna und ihrem Vater ist.
Die französische Autorin Serena Giuliano baut unzählige tolle neapolitanische Sprichworte ein (die alle am Ende des Buches gelistet werden) und überzeugt mit spritzigen und warmherzigen Dialogen.
„Nicht der Ort ist das Problem, sondern die Leute. Arschlöcher sind international.“ (S 140)
Fazit: Wurzeln, Beziehungen und Lebensentwurf sind dynamisch und immer ein Grund sich bewusst für oder gegen etwas oder jemanden zu entscheiden.
Ach, und nach Beendigung habe ich natürlich gleich mal geschaut, ob es noch andere Romane gibt. Tut es, aber leider noch nicht ins Deutsche übersetzt. Daher hoffe ich auf einen Erfolg für Luna und die Übersetzung aus der Feder von Christiane Landgrebe, damit sie auch die anderen noch übersetzen wird!

Bewertung vom 25.08.2024
Juli, August, September
Grjasnowa, Olga

Juli, August, September


ausgezeichnet

Ich erinnere mich noch gut an das Debüt von Olga Grjasnowa. Der Russe ist einer, der Birken liebt. Was ein toller Roman! Und seit dem bin ich der in der UdSSR (Baku, Aserbaidschan) geborenen für ihre auf Deutsch verfassten Romane sehr dankbar. Die deutsche Schriftstellerin mit russischen Wurzeln schafft es großartig sich ihrem kulturellem Erbe zu widmen und deckt auf was mache lieber im Dunkeln lassen.
Auch hier wieder eine spannende Suche. Juli, August, September. Drei Monate, drei Orte, drei Phasen der Erkenntnisse.
Wir lernen Lou kennen, eine jüdische Frau in Berlin ohne großen Hang zur eigenen Religion. Ihre eigene Tochter Rosa ist praktisch atheistisch aufgewachsen und doch ist das jüdische Sein so ein zentraler Bestandteil des eigenen Ichs. Im August landet sie auf Gran Canaria für den 80 Geburtstag ihrer Tante Maya. Alle kommen sie eingeflogen aus Israel und anderen Ecken um die Vergangenheit heraufzubeschwören und zu leiden. Es kommen auch so manche Lügen ans Licht.
Ein russischstämmiger jüdischer Clan, der im eigenen Saft schmorrt, nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander kann. Lou mag sich nun ein eigenes Bild machen von dem eigenen Bezug zum Jüdisch sein, zur eigenen Familie, zu sich selbst und reist im September nach Tel Aviv und begibt sich auf Spuren und auf Zukunftssuche.
Bissig, auf den Punkt, gelungen ist diese Prosa. Gern hab ich diesen Roman gelesen. Auch wenn es ein wiederkehrendes Sujet ist, die Spurensuche außen wie innen, es loht sich! Ein toller Roman, ich kann ich sehr empfehlen.

Bewertung vom 25.08.2024
Als wir Schwäne waren
Karim Khani, Behzad

Als wir Schwäne waren


ausgezeichnet

Der letzte Khani war härter in mitten Berlins, der neue Lebensmittelpunkt des Autors. Nun also Bochum und ein wenig abgeschwächt im Ton, aber weiterhin treffsicher und gelungen. Mit „Als wir Schwäne waren“ taucht Khani in seine eigene Vergangenheit ab, ist der doch selbst dort groß geworden und kenn das beschriebene Milieu und wie es dort zuging sehr genau.
Er macht erneut und zurecht die Themen der Chancengleichheit auf, zeichnet Bilder des Abgehängt sein und wo das hinführen kann. Ein Buch das Wut in sich trägt und auch das Thema Heimat in sich trägt. Gut, dass hier jemand schreibt der sehr genau weiß wovon er schreibt. Keine Analyse und ein „Hineindenken“. Nein, er kennt das was er beschreibt. Fiktionl, aber sehr persönlich.
Der Roman wird aus der Ich-Perspektive von Reza erzählt, retroperspektiv will er dem eigenen Sohn mitgeben, dass es immer Wege gibt eine bessere Zukunft zu gestalten. Stakkato, slangmäßig wird hier in Erinnerungen gekramt und uns entgegengeschleudert. Ein eigener Tonfall, meist kurz, abgehakt. Passt.
Weil es so anders ist, macht dieser Roman besonders viel Freude zu lesen. Eine Bereicherung in der deutschen Literatur.

Bewertung vom 30.07.2024
Die sieben Leben des Stefan Heym (Graphic Novel)
Richter, Gerald;Kretschmer, Marian

Die sieben Leben des Stefan Heym (Graphic Novel)


ausgezeichnet

„Wir haben in diesen letzten Wochen unsere Sprachlosigkeit überwunden und sind jetzt dabei, den aufrechten Gang zu lernen“ (Stefan Heym;1989)
Ich muss gleich mit der Tür ins Haus fallen: Vor dieser grandiosen Graphic Novel konnte ich mit dem Namen Stefan Heym nichts anfangen. Ich kannte diesen Schriftsteller nicht. Asche auf mein Haupt. Liegt es daran, dass ich nicht in der DDR aufgewachsen bin? Warum ist dieser Mann in den alten Bundesländern so wenig bekannt? Umso besser, dass Gerald Richter und Marian Kretschmer das nun geändert haben mit ihrer sehr umfangreichen und tollen Graphic Novel!
Dieses Buch hat es in sich, auf 300 Seiten wird nicht nur das durch Brüche geprägte Leben des in Chemnitz geborenen Schriftstellers Stefan Heym illustriert. Auch die geschichtlichen Ereignisse, die zu diesen Umbrüchen führten, werden erklärt. Erster Weltkrieg, Hitlers Terrorregime, die McCarthy Ära, der Kalte Krieg und vieles mehr. Daher macht es das Buch umfangreich, aber eben auch für junge Leser spannend, denn alles wird historisch eingeordnet und erklärt. Daher ist diese Graphic Novel eine gute Sache für Jugendliche!
Stefan Heym war deutscher Jude und dadurch im 20. Jahrhundert stets getrieben sein Leben neu zu gestalten in absolut verzweifelten Momenten. Es gibt 9 Kapitel in denen sein Leben von der Geburt bis zum Tod erzählt wird. Wahnsinnig spannend wo es ihn überall hin verschlagen hat. Und er hat immer sein Demokratiebewusstsein gelebt und sich stark gemacht.
Bei all seiner Härte, die Stefan Heym erleben musste, gibt er uns allen Hoffnung. Wer sich einbringt, wer aufsteht und seine Werte und die Demokratie lebt und schätzt, ist Teil einer sinnstiftenden Gemeinschaft, die für alle lebenswert sein kann.
Eine wunderbarte Art einen Schriftsteller zu portraitieren, eine herausragende Persönlichkeit zu ehren und die Demokratie zu schätzen!

Bewertung vom 29.07.2024
Safari durch die wilde Stadt
Docherty, Thomas

Safari durch die wilde Stadt


ausgezeichnet

Wer kennt das nicht mit kleinen Kindern zu Hause. Es soll geschlafen werden, aber das Kind ist putzmunter! Vorlesen als Ritual ist da schon super hilfreich und wenn es dann noch ein Bilderbuch ist welches hilft die Adrenalinkurve herunterzuschrauben, hat schon mal die halbe Miete.
Hier in „Safari durch die wilde Stadt“ von Thomas Docherty ist das so. Ein kleiner Junge ist im Schlafanzug und schaut sich noch ein paar Bücher an. Er träumt sich davon mit den wilden Tieren, ist unterwegs in der Stadt und entdeckt immer mehr Tiere, bis immer weniger Stadt und immer mehr Wildnis die Überhand nimmt.

Bewertung vom 29.07.2024
Weitsprung mit Schwein
Wilson, Henrike

Weitsprung mit Schwein


ausgezeichnet

Ein Bilderbuch, woran schon die Kleinsten, ab ca 3 Jahren, ihre Freude haben. Denn die Bilder sind niedlich verspielt und die Tiere alle gut erkennbar. Außerdem ist es actionreich mit dem vielen Sport. Hier wird gerannt, gesprungen, geworfen, geklettert und vieles mehr. Alles was Kinder im Alltag auch liebend gerne machen. Hier in „Weitsprung mit Schwein“ hat das ganze zwar Wettkampfcharakter, aber eher im olympischen Sinne: Dabei sein, ist alles und vor allem Freunde haben gemeinsam. Denn jeder kann was anderes gut!
Und hat dieses positive Bilderbuch gut gefallen, kurze Texte erwarten nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit, regen aber zum nachmachen an sich zu bewegen. Wunderbar! Von uns gibt es für Henrike Wilson alle Daumen hoch!

Bewertung vom 29.07.2024
Kommst du mit?
Petit, Cristina

Kommst du mit?


ausgezeichnet

Wo ist der magischste Ort der Stadt?
Wir folgen hier einem Mädchen, dass einen magischen Ort kennt. Sie spricht auf dem Weg dorthin viele Kinder an. Ihre Begeisterung ist ansteckend und sie nimmt viele andere Kinder mit, die sie auf ihrem Weg trifft. Und wo glaubt ihr ist dieser tolle Ort? Genau, die lokale Bibliothek, denn hier kann man viele Welten entdecken.
Diese zarte und sehr ruhige Geschichte von Christina Petit & Chiara Ficarelli ist ein wunderbares Vorlesebilderbuch. Mit wenig Text schon für die Kleinsten ab 2/3 Jahren geeignet. Durch die Liebe zu den Details, kann auch immer wieder was neues entdeckt werden.
Ins Deutsche übertragen von Anne Brauner und wurde durch das europäische Project Creating Neighbourhood gefördert.

Bewertung vom 29.07.2024
Oma, wann stirbst du?
Hrovat, Nina Mav

Oma, wann stirbst du?


ausgezeichnet

Herzallerliebst

Dieses slowenische Bilderbuch von Nina Mav Hrovat & Marta Bartolj ist herzallerliebst, denn im Grunde hat der kleine Junge seine Oma so sehr lieb, dass er sie nicht verlieren will. Er ist in den Ferien bei ihr, genießt die Zeit, die die beiden miteinander verbringen und fragt fortwährend wann sie sterben wird. Und das aus puren Verlustängsten. Ein ruhiges, liebevolles Buch mit schönen Illustrationen.
Mit wenig Text schon für die Kleinsten ab 2/3 Jahren geeignet.
Für uns ins Deutsche übersetzt hat das ganze Alexandra Natalie Zaleznik und wurde durch das europäische Project Creating Neighbourhood gefördert.