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Bücherstadt
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Insgesamt 126 Bewertungen
Bewertung vom 04.10.2014
Die Rückkehrer
Maël; Morel, Olivier

Die Rückkehrer


ausgezeichnet

Auf der Grundlage der Vorarbeiten zum Film und dem Film selbst beruht die Graphic Novel “Die Rückkehrer. Wenn der Krieg im Kopf nicht endet”, welche nur ein Jahr nach Erscheinen des französischen Originals im Carlsen Verlag erschienen ist. Gemeinsam mit dem französischen Comizeichner und -autor Maël hat Morel ein tolles Werk erschaffen, das den Film vielleicht sogar noch in den Schatten stellt.

Die Graphic Novel besteht aus drei Kapiteln, in denen die Entstehung des Films erzählt wird. Dabei geht es aber nicht um das eigentliche Handwerk, sondern um die Arbeit mit den sieben Veteranen und die Gedanken Morels. Man erhält sozusagen Hintergrundwissen über die Gesprächspartner. Ihre Gefühle und ihr Alltag werden mit Hilfe der Zeichnungen noch viel intensiver transportiert.

Dabei sind die Handlungen und Gespräche, die in der Gegenwart stattfinden, ausnahmslos schwarz-weiß gehalten. Sobald sich aber Gegenwart und Vergangenheit mischen oder sich die einzelnen Personen an bestimmte Ereignisse erinnern, sind die Bilder in einem rotbraunen Ton gehalten. Gerade diese Bilder geben einen Einblick in die Gedanken der Veteranen, die in dem Film nicht ausreichend visualisiert werden konnten oder sollten. Dass diese Bilder den Betrachter in besonderer Weise berühren, liegt auch an der wundervollen Arbeit des Zeichners. Meiner Meinung nach schafft es Maël sehr gut die Stimmung der Situationen und die Gefühle der Protagonisten in den Bildern wiederzugeben. Die variierende Anzahl und Größe der Bilder auf den einzelnen Seiten sorgt für eine große Abwechslung, hebt aber auch wichtige Punkte innerhalb der Erzählung besonders hervor.
Auch in den Anmerkungen, die von Morel zusammengestellt wurden, werden wichtige Begriffe oder Ereignisse noch einmal berücksichtigt.

Da in der Graphic Novel auch die Perspektive Morels deutlich wird, ist die Auseinandersetzung mit dem Thema noch eindringlicher und die Botschaft ist noch direkter. Nun könnte man als deutscher Leser eine gewisse Distanz entwickeln und ignorant das Thema als amerikanisches Problem abhandeln. Aber das ist es nicht. Wenn wir uns die Geschichte der amerikanischen Veteranen anschauen, haben sie sich auf der einen Seite eine enorme Öffentlichkeit erarbeitet. Auf der anderen Seite reichen die Versorgungseinrichtungen für Veteranen noch nicht aus beziehungsweise ist das System intransparent und der Zugang zu Hilfen steht anscheinend nicht allen offen. In Deutschland haben wir bisher nur eine geringe Öffentlichkeit für die Veteranen des Afghanistan-Krieges. Dies liegt auch daran, dass offiziell nicht von einem Krieg gesprochen wird. Zudem gibt es innerhalb der deutschen Bevölkerung nicht so eine große Wertschätzung für die Arbeit der Soldaten wie das in den USA der Fall ist. Das führt einerseits zu einer gewissen Scham innerhalb der Veteranen und ein Verdrängen der Probleme. Andererseits wird der Bedarf nicht richtig erkannt. Die Probleme, die in dem Buch und dem Film aufgezeigt werden, betreffen aber Soldaten und ihre Familien aller Länder. Und das unabhängig davon, ob sie im Kosovo, Irak oder Afghanistan eingesetzt waren.

Die Graphic Novel spricht daher ein wichtiges internationales Thema an, das in einer demokratischen und auf Solidarität aufgebauten Gesellschaft noch stärker berücksichtigt werden sollte. Die sehr gute zeichnerische Umsetzung kann einen Anstoß dazu liefern und vielleicht gerade “jüngere Menschen” zu einer Auseinandersetzung anregen.

Bewertung vom 04.10.2014
Die 5. Welle Bd.1
Yancey, Rick

Die 5. Welle Bd.1


weniger gut

Nachdem bereits vier Wellen über die Welt hereingebrochen sind, hat eine außerirdische Macht die gesamte Menschheit in ihren Händen. Nur noch wenige Personen sind am Leben und können noch als Menschen bezeichnet werden. Zu ihnen gehört auch die 17 Jahre alte Cassie, die die Protagonistin des Buches darstellt. Ihre Eltern sind verstorben und wo sich ihr kleiner Bruder aufhält kann sie nicht sagen, weil er entführt wurde. Ganz auf sich allein gestellt macht sie sich auf den Weg. Was sie genau erwartet ist nicht klar, aber sie hat einen eisernen Überlebenswillen. Natürlcih macht sie sich auch gleichzeitig Gedanken darüber, ob ihre Flucht überhaupt einen Sinn macht. Sie möchte aber alles, was ihr möglich ist einfach probieren und hofft zumindest auf ein kleines Happy End. Auf ihrer Flucht wird ihr sehr schnell klar, dass sie keiner Person vertrauen kann. Auch wenn diese auf den ersten Blick wie ein ganz normaler Mensch wirkt, kann er ein Handlanger der Außerirdischen sein. Bisher kam sie auch ganz gut alleine zurecht. Doch als sie schwer verletzt wird muss sie sich in die Hände eines Fremden begeben, wenn sie überhaupt weiterleben möchte.

Die Geschichte machte auf den ersten Blick einen guten Eindruck auf mich und ich hatte mich schon auf das Lesen gefreut. Doch nach den ersten Seiten hatte ich Probleme mit der Sprache, die etwas künstlich wirkt. Ich hatte immer wieder den Eindruck, dass sie bestimmten Vorgaben entsprechen sollte und daher nicht flüssig wirkt. Außerdem fehlte mir die Spannung in der Handlung. Die Geschichte wirkte auf mich serh langatmig. Natürlich bin ich es gewohnt, dass nicht sofort alle Zusammenhänge klar sind. Aber ich habe nur Lust weiter in die Beziehungsgeflechte inzudringen, wenn ich eine Spannung und einen Lesepaß ausmachen kann. Beides hat sich bei mir leider nicht eingestellt. Da ich aber zunächst vermutete, dass es auch an meiner Lesestimmung liegen kann, habe ich das Buch erst für ein paar Stunden, dann ein paar Tage und schließlich sogar für Wochen liegen gelassen. Trotzdem habe ich keinen Zugang zu der Geschichte gefunden. Ich hatte eher den Eindruck, dass es eine Mischung aus bekannten Filmen und Büchern ist und gerade in den Mainstream passen sollte.

Leider haben hier Buch und Leser nicht zueinander gefunden. Mir fehlte einfach "das Besondere" an dem Text und Sprache sowie Erzählfluss waren mir unangenehm. Schade.

Bewertung vom 12.04.2014
Gestalt des letzten Ufers
Houellebecq, Michel

Gestalt des letzten Ufers


ausgezeichnet

(...)
Da sich Houllebecq mit jedem Roman selbst übertraf, wurde gleichzeitig vor jeder Neuveröffentlichung der Abgesang des Autors prophezeit. Hatte er denn nicht schon alles seziert? War seine Wortwahl nicht schon drastisch genug? Und wird er nicht endlich einmal “erwachsen”? Diese Fragen stellten sich allerdings nur Menschen, die sich nicht mit dem litrarischen Anfang des Autors befasst hatten. Denn zum Romanschreiben kam er nur eher zufällig. Literarisch gesehen fühlt er sich in der lyrischen Welt sehr viel stärker verwurzelt. Und so verwundert es auch nicht, dass zwischen den Romanen immer wieder Gedichtbände veröffentlicht wurden.

Aus meiner Sicht dringt er in seinen Gedichten noch sehr viel tiefer in die menschliche Gefühlswelt vor, gibt aber auch augenscheinlich mehr von sich preis. Er vermischt häufig sehr analytische Texte mit simplen Beobachtungen, aus denen er Alltagsweisheiten ableitet. Diese führen dann wieder zu komplexen Überlegungen, die er mit wenigen Worten darstellt. Wenn man also wissen will, ob Houellebecq seine Ansichten mit dem Alter verändert hat, muss man sich seine Gedichte anschauen. Die Romane sollte man aber im Hinterkopf haben.

Dass der neue Gedichtband den Titel “Gestalt des letzten Ufers” trägt führt natürlich wieder zu den oben genannten Spekulationen und lässt vermuten, dass die Hochzeit des Autors dem Ende entgegen geht. Ich habe dies zunächst nicht stärker berücksichtigt. Schaut man sich jedoch neuere Filmaufnahmen an, die Michel Houellebecq zeigen und liest man die Gedichte sehr konzentriert, kann man leider den Eindruck gewinnen, dass es sich wirklich um eine Art Abschied handelt. Houellebecq hat immer über Krebs, den Freitod und das Alter geschrieben. Doch nie war der Eindruck von einem gewissen Verfall und einem Verabschieden so stark. Das bedeutet auf gar keinen Fall, dass die Gedichte keine literarische Kraft erzeugen! Nein, dies bezieht sich wirklich nur auf die Person und die dargestellten Gefühle. Die Kritik an der Liebe und an dem Umgang der Menschen miteinander ist noch immer da. Aber das Alter und die damit zusammenhängenden sexuellen Einschränkungen führen dazu, dass die literarischen Figuren noch stärker an den gesellschaftlichen Rand gedrängt werden. Der Wert einer Person wird tatsächlich noch stärker über die sexuelle Kraft bestimmt. Doch die biologischen Gegebenheiten sorgen für eine Reflexion des eigenen Handelns und ein Nachdenken über die Liebe. Man hat den Eindruck, dass man erst mit dem Alter und dem Ausschluss aus dem Kreis der sexuell aktiven Menschen überhaupt erkennt, was wahres Glück und wahre Liebe bedeuten. Gleichzeitig hat man aber generell einen gewissen Abstand zu der gerade aktivsten Generation und kann die Prioritäten noch einmal neu setzen. Man denkt ebenso über das eigene Ende nach und möchte nicht auch noch darüber die Macht verlieren.

Houellebecq fängt all diese Gedanken und Gefühle in wenigen Worten ein, die tief in das Bewusstsein des Lesers dringen. Teilweise hat man den Eindruck, dass hier jemand spricht, der schon am anderen Ufer steht und über eine Weisheit verfügt, die man nur erlangen kann, wenn man sein eigentliches Leben bereits hinter sich gelassen hat. Die Worte wirken noch viel länger nach als die Sätze der Romane. Schaut man sich zudem die französischen Originalzeilen an, die in dem Band von DuMont linksseitig abgedruckt sind, erfährt man nicht nur eine Berührung des Geistes, sondern auch eine Berüjhrung des Herzens. Derr Klang der Worte ist so wunderbar, dass man ihn ständig in den Ohren haben möchte. Französisch ist aus meiner Sicht schon eine Sprache, die eine wundervolle Melodie aufweist. Doch die Textstruktur verstärkt diese Wirkung noch. Sie entfaltets ich auch, wenn man die Worte nicht im Detail versteht.
Die Tiefe der Sprache wird durch einen gut gewählten Schriftsatz unterstützt. Seiten, die teilweise nur einen Satz aufweisen, verdeutlichen die Aussage der einzelnen Worte und sorgen für das konzentrierte Lesen.

Bewertung vom 07.04.2014
Die Illusion des Getrenntseins
Van Booy, Simon

Die Illusion des Getrenntseins


ausgezeichnet

Martin ist ein älterer Herr, der in Kalifornien lebt und dort als Hausmeister in einem Altenheim tätig ist. Er ist ein guter Zuhörer und hat zu den Menschen einen guten Draht. Teilweise wird er allerdings selbst für einen Heimbewohner gehalten. Wie alt er allerding genau ist, kann er gar nicht sagen, da die Umstände seiner Geburt nicht geklärt sind. Angeblich hat ihn ein Mann in Paris bei sich gehabt. Als Gefahr drohte, legte er den Jungen in die Arme einer Frau. Da dies noch während des Zweiten Weltkrieges geschah, stellte sie keine Fragen. Sie rannte mit dem Kind davon. Als dieses Kind jedoch Hunger bekam und anfing zu schreien, ging die junge Frau in eine Bäckerei, die in den nächsten Jahren ihr zuhause sein sollte. Sie verliebte sich in den Inhaber und gründete mit ihm eine Familie. Zu dieser Familie gehörte Martin wie selbstverständlich. Diese Geschichte hinterfragte er nicht. Erst als er eine Freundin hatte und sie ihn auf seine Beschneidung ansprach, fiel alles wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Martins Lebensgeschichte ist der Ausgangspunkt für eine Reihe von Erzählungen über die verschiedensten Menschen und ihre unterschiedlichen Erlebnisse. Und obwohl diese Menschen alle auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, sind sie doch miteinander verbunden. Diese Verbindungen werden aber erst sichtbar, wenn man alle Informationen kennt und von oben beziehungsweise im Rückblick auf das Leben aller Beteiligten schaut.

Simon van Booy gibt jeder Persönlichkeit und jeder Geschichte einen eigenen Raum, der nicht durch die Verbindung zu den anderen Abschnitten eingeengt wird. Die Zusammenhänge werden erst langsam und sehr einfühlsam angebracht. Sie legen sich wie eine leichte Sommerdecke über den Leser und umschmeicheln ihn. Sie greifen Gedanken, die jeder Leser unweigerlich haben wird, auf und gleichzeitig werden Aspekte eingebracht, die man bisher noch nicht kannte oder nicht berücksichtigt hat. Dass diese sehr einfühlsame Darstellung den Leser erreicht und nicht in kitschige Sphären hebt, liegt an der sehr klaren und eleganten Sprache, die den unterschiedlichen Persönlichkeiten und ihren Lebensumständen gerecht wird. Dabei sorgt eine in sich stimmige Satzstruktur, die sich auch in einer angenehmen Satzlänge äußert, für ein flüssiges Leseerlebnis, das nicht zur Überforderung führt. Spannung wird dadurch aufgebaut, dass man unbedingt herausfinden will, welche Beziehungen die Protagonisten zueinander haben. Zudem ist die Einbindung verschiedener Länder und Zeiten sehr ansprechend gelungen und macht den Leser neugierig.

Nach dem Lesen der knapp 200 Seiten hat man das Gefühl, dass die verschiedensten Schicksale auch auf 1000 Seiten nicht langweilig werden würden. Die Verbindungen, die zwischen den Menschen hergestellt werden, wirken in keiner Weise konstruiert und berühren den Leser. So ist man im Nachhinein sogar glücklich, dass alles so gekommen ist, wie es sich der Autor erdacht hat.

Bewertung vom 31.03.2014
Vasmers Bruder
Meter, Peer

Vasmers Bruder


gut

Martin Vasmer sitzt im polnischen Ziebice im Gefängnis. In den Befragungen, die regelmäßig durchgeführt werden, erzählt er seine Geschichte, die mit der Geschichte seines Bruders und dem Leben des Serienmörders Karl Denke eng verknüpft ist.

Karl Denke hat in den ersten 25 Jahren des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich über 40 Menschen getötet. Über 30 seiner Opfer führte er genau Buch. Er notierte zum Beispiel ihre Namen, ihr Geschlecht und ihr Gewicht bei der Ermordung. Dies geschah vornehmlich in seiner Wohnung in der Stadt Münsterberg (heute: Ziebice). Dabei kamen die Taten nur durch einen Zufall ans Licht.(...)

Hans-Georg Vasmer arbeitet für einen privaten Fernsehsender und möchte die Spuren Denkes nachzeichnen. Dafür begibt er sich nach Ziebice. Doch bald meldet er sich nicht mehr und sein Bruder begibt sich auf die Suche nach ihm. Dabei trifft Martin Vasmer auf Hanna Jablonska, die ein Treffen mit Adam Sadowski engagiert. Sadowski soll mit Hans-Georg Vasmer zusammengearbeitet haben. Doch anstatt Aufklärung in die verworrene Situation zu bringen, zieht Sadowski seinen Gesprächspartner immer stärker in die Geschichte von Karl Denke hinein. Martin Vasmer kann gar nicht anders. Er muss sich genauer mit dem Fall beschäftigen. Doch je tiefer er in die Welt des Serienmörders eindringt, desto stärker beeinflusst sie seine eigene Geschichte.

Peer Meter hat als Comicszenarist bereits zwei andere Graphic Novels über Serienmörder verfasst. Vasmers Bruder stellt nach “Gift” und “Haarmann” das Ende der Trilogie dar. Gemeinsam mit David von Bassewitz hat er eine düstere Geschichte erschaffen, die trotz weniger Worte sehr vielschichtig ist. In großformatigen Einzelbildern und Seiten mit bis zu fünf Panels wird die Handlung ausschließlich in Schwarzweißbildern erzählt. Die sehr düster gehaltenen Bilder sind für erfahrene Leser von Graphic Novels ein bekanntes Instrument für dir Erzeugung von einer Stimmung, die im Einklang mit eher gefährlichen Situationen und zwielichtigen Personen steht. Aber auch Kenner der Bassewitz-Werke haben mit dieser Stilform bereits Berührung gehabt. Von Bassewitz ist ja eigentlich ein sehr vielschichtiger Illustrator, der viele verschiedene Techniken anwendet. Dabei stellt er immer eine gute Beziehung zwischen Textinhalt und Illustrationstechnik her. Trotzdem gefallen mir seine Zeichnungen, die auf den ersten Blick sehr ungenau und dunkel wirken, aber auf den zweiten Blick eine unglaubliche Detailliertheit aufweisen, immer wieder am besten. Da ich mittlerweile einige Graphic Novels gelesen habe und wie gesagt auch von Bassewitz vorher kannte, hatte ich keine Probleme in die Geschichte einzusteigen. Unerfahrene Leser des Genres könnten zunächst ein wenig Probleme mit der Darstellungsform haben. Aber auch sie werden ziemlich schnell von der Geschichte gefangen sein. Und spätestens wenn man die ersten wunderbaren Detail sin den Bildern entdeckt hat, blättert man auch noch einmal zurück und sieht das Werk mit anderen Augen.

Peer Meter sind die Geschichte des Serienmörders und die Verknüpfung mit der heutigen Zeit gut gelungen. Er schafft es die wichtigsten Aspekte mit wenigen Worten klar und deutlich darzustellen. Gleichzeitig wird eine Spannung erzeugt, die sich bis zu den letzten Seiten steigert. Auch die Vermischung der polnischen und deutschen Sprache fand ich sinnvoll. An manchen Stellen mag man sich zunächst eine Übersetzung wünschen. Doch dann fällt einem wieder ein, dass der Protagonist auch kein Wort der polnischen Sprache versteht. Somit sorgen diese “unverständlichen” Abschnitte auch dafür, dass man sich in die Rolle von Martin Vasmer stärker hineinversetzen kann.

Zusammenfassend kann man sagen, dass von Bassewitz und Meter eine gute Arbeit abgeliefert haben, die spannend ist und sich nicht im Dschungel der Graphic Novels verstecken muss. Allerdings ist diese düstere Darstellungsart nicht für jeden Leser geeignet.

Bewertung vom 22.03.2014
Jetzt erst recht! / Das Kaff der guten Hoffnung Bd.1
Lüftner, Kai

Jetzt erst recht! / Das Kaff der guten Hoffnung Bd.1


ausgezeichnet

Kalle wäre ein ganz normaler frecher Junge, wenn er nicht DER Ausbrecherkönig wäre. 136 Kinderheime hat er jetzt schon kurzfristig bewohnen dürfen und in keinem hielt er es länger als ein paar Stunden oder Tage aus. Lange Zeit wusste er nicht, was ihn dazu antreibt und woher er den Mut zu seinen Taten nimmt. Sein Leben scheint ihm irgendwie selbstverständlich zu sein und die Sehnsucht nach einem richtigen Zuhause hält sich in Grenzen. Doch durch ein schicksalhaftes Ereignis wird ihm klar, dass seine Fluchten vielleicht viel mehr bedeuten und gleichzeitig auch einem guten Zweck dienen können. Seinen großen Bruder, der auch ein Heimkind wurde, vermisst er nämlich tief in sich drin sehr. Er hat aber keine Ahnung, wo er ihn finden könnte. Also nutzt er seine Kinderheimhoppingtouren für die Suche nach der Verwandtschaft. Erfährt er, dass sein Bruder nie in dem einen Heim weilte oder schon lange weg ist, zieht er weiter. Der Plan läuft bis zum Haus mit der Nummer 137, das den Name “Zur guten Hoffnung” trägt. Dort trifft Kalle auf eine Menge eigentümlicher Gestalten, die in ungewohnt berühren. Sie stoßen ihn ab, amüsieren ihn und zeigen ihm, dass man auch in einem Kinderheim Freundschaften schließen kann. Gemeinsam mit drei anderen Kindern, die zu den schwer oder gar nicht vermittelbaren Heimbewohnern gehören, rutscht Kalle recht schnell in ein mitreißendes Abenteuer, das voller Überraschungen steckt und ihn zum vorübergehenden Bleiben bewegt.

(...)Kai Lüftner schafft es für jede Geschichte die geeignete Sprache zu finden, die die Erwachsenen teilweise aus der erschaffenen Welt ausschließt und gleichzeitig großes Verständnis für die jungen Leser und Zuhörer zeigt. Aber auch für die großen Interessenten gibt es eine Chance in den Kosmos eintreten zu können. Man muss nur das Kind, welches in jedem von uns schlummert, aufwecken und in die Freiheit entlassen. Man muss mal den pädagogischen Zeigefinger in die Hosentasche stecken und daran denken, was man als Kind gerne für Geschichten gelesen und gehört hätte. Und erst dann wird man sich wirklich an den Arbeiten erfreuen können.

(...) Die verspielte Sprache, die sich besonders in den Namen und den Wortkreationen zeigt, kann von pfiffigen 8-jährigen Lesern genauso wie von durchschnittlichen 11-Jährigen verstanden werden. Und beide Altersgruppen werden sich auch von der Geschichte angesprochen fühlen, da die handelnden Personen in diese Altersspanne gehören. Wenn man die Geschichte vorliest, ist sie auch schon für 6-jährige Zuhörer geeignet, wenn man sich über einzelen Punkte auch mal austauscht. Verantwortlich hierfür ist auch die Vielschichtigkeit der Figuren. Jeder Lesertypus wird sich in irgendeiner Figur wiederfinden und kann ihre Handlungen nachvollziehen. Zudem haben die meisten Personen Charaktereigenschaften, denen wir gewollt oder ungewollt im Alltag gegenübertreten. Und gerade Kinder haben für Menschen und ihr Getue viel feinere Antennen als wir Erwachsenen. Daher werden sie keine Probleme mit den Handlungssträngen haben. Weiterhin flechtet der Autor fantastische Elemente in die Geschichte ein, die einen Hauch von Magie versprühen und so die eigentliche Geschichte noch ein wenig spannender machen.
(...)
Man kann abschließend sagen, dass Kai Lüftner hier mal wieder ein ganz neues Fass aufgemacht hat und man gespannt sein kann, was sich darin noch alles befindet. Wird der Bösewicht, der allergisch auf Lachen reagiert, wieder auftauchen? Wird Kalle jetzt seine Ausbrecherkarriere beenden? Und welche kuriosen Erfindungen hat der Professorprofessor noch gemacht?

Mein junger Zuhörer und ich sind auf jeden Fall gespannt und hoffen, dass wir ganz schnell Neuigkeiten aus dem Kaff lesen können.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.02.2014
Die besseren Wälder
Baltscheit, Martin

Die besseren Wälder


ausgezeichnet

Der kleine Ferdinand und seine Eltern sind Wölfe, denen es in ihrer Heimat nicht besonders gut geht. Die schlechte wirtschaftliche Lage führt zu einem Mangel in den verschiedenen Lebensbereichen. Schon lange reden die beiden Erwachsenen daher über eine eventuelle Flucht. Als es wieder nicht genug Nahrung gibt, macht sich die kleine Familie auf den Weg in die besseren Wälder, von denen sie schon so viel gehört haben. Zwischen dem alten Leben und dem hoffentlich besseren Leben liegen nicht nur einige Kilometer, sondern auch eine Grenze, die stark überwacht wird und teilweise aus einer Mauer besteht. Im Schutze des starken Schneefalls soll der Grenzübertritt gewagt werden. Doch Ferdinands Eltern erreichen das gelobte Land nie. Ferdinand schafft es in das andere Land, in dem er auf ein kinderloses und seltsam aussehendes Paar trifft, dessen Laute er nicht versteht. Es sind Schafe. In der ganzen Gegend leben nur Schafe. Das Paar diskutiert eine Weile, ob sie den kleinen Wolf nicht lieber töten sollten. Doch im Endeffekt siegen die Gefühle. Ferdinand wird durch die Erziehung der beiden und einige kosmetische Tricks zum Vorzeigeschaf, das über seine eigentliche Herkunft nichts mehr weiß. Als er fast erwachsen ist passiert jedoch ein schrecklicher Mord. Ferdinand wird direkt neben der Leiche gefunden und ist somit der Hauptverdächtige. Im Gefängnis erkennt er seine wahre Identität. Und somit beginnt eine Suche nach sich selbst und nach der Wahrheit.

Es gibt Bücher, bei denen man noch leichte Fragezeichen über dem Kopf hat, weil man sich nicht sicher ist, ob man die Intention des Autors richtig verstanden hat. Und ich muss zugeben, dass es Geschichten gibt, zu denen ich gar keinen Zugang finden kann.
Beim Lesen von "Die besseren Wälder" fühlte ich von beiden Gegensätze ein wenig. Zunächst hatte ich auch ein paar Fragezeichen über dem Kopf, habe dann aber einfach während des Lesens meine eigene Interpretation eingebunden. Und genau das wollen doch die meisten (guten) Autoren. Sie geben eine Rahmenhandlung vor, die den Kopf des Lesers aber noch dazu veranlasst eigene Gedanken und Gefühle einzubinden. Das gelingt aber leider nicht allen Autoren. Doch Baltscheit schafft es eine klar abgegrenzte und in sich geschlossene Geschichte zu erzählen, die den Leser nicht überfordert, aber auch nicht langweilt. Gleichzeitig gibt er genau den Raum, den man benötigt, um die eigenen Gefühle und Gedanken einbinden zu können. Dies erreicht er einerseits durch eine sehr gelungene Konstruktion der Handlung, die immer wieder interessante und nachvollziehbare Wendungen aufweist. Andererseits führt die direkte und jugendliche Sprache dazu, dass man sich rasch in die Geschichte eingebunden fühlt. Es gibt nur eine geringe Distanz zwischen dem Leser und der Erzählung. Man kann praktisch die Gefühle und die Nachdenklichkeit der Protagonisten spüren. Ergänzt wird der sprachliche Teil durch moderne und kantige Zeichnungen, in denen immer wieder mit den verschiedenen Mensch- und Tierattributen gespielt wird. Dies ist übrigens ein Aspekt, der immer wieder im Buch auftaucht. Man bewegt sich praktisch, genauso wie Ferdinand, in zwei Welten, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen.

Das ist auch eine Grundaussage des Buches, die den Leser dazu veranlasst eigene Gefühle und Gedanken noch einmal in einem neuen Kontext zu betrachten. Würde ich genauso handeln? Was würde solch ein Leben aus mir machen? Wer bin ich eigentlich wirklich? Bin ich nicht nur ein Produkt von Erziehung und Umwelt? Solche Fragen lässt der Text zu und mit solchen Fragen beschäftigt man sich auch nach dem Lesen. Ein bisschen hat mich die Lektüre daran erinnert, wie ich mich als Jugendliche nach dem Lesen diverser Bücher des Autors Hermann Hesse gefühlt habe. Obwohl die Geschichte auf den ersten Blick so simpel anmutet, spricht sie doch existenzielle Fragen und Ängste an, die jugendliche und erwachsene Leser beschäftigen.

Bewertung vom 11.02.2014
Wie im Drehbuch! (eBook, ePUB)
Cantu, Jérôme

Wie im Drehbuch! (eBook, ePUB)


gut

Marius ist ein Berliner Journalist, der gerade recht erfolgreich sein erstes eigenes Buch veröffentlicht hat, welches nun verfilmt werden soll. Da er hauptsächlich als Filmkritiker tätig ist, kennt er sich in dem Metier aus und hat etliche Kontakte geknüpft. Seit der Buchveröffentlichung wird er noch häufiger zu Filmvorführungen und den anschließenden Partys eingeladen. In diesem Zusammenhang trifft er auf einen alten Freund und dessen Bekannte. Gemeinsam bilden sie in der nächsten Zeit eine Art Partytrio, welches Drogen und Alkohol gegenüber nicht abgeneigt ist. Als eine beachtliche Menge Kokain verschwindet, beginnt die Suche danach und eine Geschichte, die ein gutes Drehbuch abgeben würde.

Das kleine Büchlein habe ich an zwei kurzen Abenden durchgelesen und hatte dabei eine Menge Spaß. Das lag unter anderem an der frischen und leicht verständlichen Sprache, die der Autor verwendet. Die Dialoge scheinen dem Alltag entsprungen zu sein und wirken somit sehr real. Obwohl die Geschichte sehr amüsant ist, mag es aber für einige drogenfreie Normalbürger ungewohnt sein, dass mit dem Thema Drogen so locker umgegangen wird. Man nimmt das aber hin, weil die Figuren so sympathisch wirken und der Text an ein Tagebuch erinnert, das Rückblenden enthält. Man fühlt sich wie ein kleine Voyeur, der mehr erfahren will.

Leider ist der Ausgang der Geschichte leicht absehbar und die Figuren wirken trotz Sympathien teilweise etwas eindimensional. Auf der anderen Seite merkt man aber, dass der Autor ein gewisses Potenzial hat. Er bringt gute Voraussetzungen mit, die in den Bereichen Spannung und Figurenkonstruktion nur noch ein bisschen reifen oder gefördert werden müssen.

Fazit: Ein lustiges und interessantes Buch, dem hoffentlich noch weitere Werke folgen werden.

Bewertung vom 31.12.2013
Der Ruf des Kuckucks / Cormoran Strike Bd.1
Galbraith, Robert

Der Ruf des Kuckucks / Cormoran Strike Bd.1


gut

Das bekannte Model Luna Landry wurde tot vor einem Wohnhaus in London aufgefunden. Laut einer Zeugenaussage habe sie sich kurz vorher in ihrer Wohnung mit einem Mann gestritten. Vermutungen aus dem Umfeld legen nahe, dass sie selbst in den Tod gesprungen ist. Auch die ausführlichen Ermittlungen der Polizei kommen zu dem Schluss, dass sich die wunderschöne Frau von ihrem eigenen Balkon gestürzt hat. Doch ihr Bruder, der genauso wie sie adoptiert wurde, glaubt nicht an einen Selbstmord. Er engagiert einen Privatdetektiv, den er noch aus Kindertagen flüchtig kennt. Und obwohl dieser keinen Anhaltspunkt für einen Mord sieht, nimmt er den Auftrag an, weil er in großer Not steckt. (...)

Unter dem Pseudonym Robert Galbraith wollte J. K. Rowling den Krimi veröffentlichen. Ein kleines Plappermaul hat aber schon lange vor dem Erscheinen den echten Namen der Autorin genannt. Und nun zerreißt man sich wiederum die Mäuler, ob die Qualität des Werkes nicht eher gegen das Können der Harry Potter-Erfinderin spricht. Ich muss zunächst gestehen, dass ich bisher kein einziges Buch aus ihrer Feder gelesen habe. Daher kann ich auch keinen Vergleich zu den älteren Werken anstellen. Ich habe mich aber trotzdem gefreut als ich das Buch in der Hand hielt, weil ich endlich mal wieder einen guten Krimi lesen wollte. Schon die ersten Seiten haben mich gepackt, weil die Autorin eine ganz kleine nette Welt erschafft, die nicht hundertprozentig unserer Realität entspricht aber nahe an sie herankommt. Sie versucht häufig über klare und angenehme Bilder eine Situation oder eine Umgebung zu beschreiben und so Assoziationen beim Leser zu wecken. Da ich für solche Vorgehensweisen sehr empfänglich bin und die Sprache sehr leicht verständlich ist, habe ich mich also gleich beim Lesen wohlgefühlt. Zudem mag ich die klassischen Detektivgeschichten und war neugierig, ob es Rowling schafft den Typ des Detektivs auf die heutige Zeit zu übertragen. Mit Cormoran Strike hat sie eine Figur erschaffen, die aus meiner Sicht nicht nur sympathisch ist, sondern gleichzeitig auch sehr überlegend handelt ohne dabei solch übertrieben geniale Züge wie Sherlock Holmes oder ähnliche Figuren an den Tag zu legen. Den anderen werden zwar sehr überspitze Charakterzüge zugeschrieben, die vielfach klischeebehaftet sind. Trotzdem wirken sie auf mich nicht unrealistisch oder zu überzogen. Die Biografien der Handelnden werden dem Leser recht langsam dargelegt und immer wieder hat man das Gefühl, dass noch nicht alles gesagt wurde. Genauso langsam entwickelt sich auch die Handlung. „Der Ruf des Kuckucks“ ist kein rasanter Krimi, dessen Spannung mit jedem Kapitel zunimmt. Es ist eher ein Buch, bei dem man mitdenken muss und gleichzeitig die Arbeit eines Detektivs begleiten kann. Dies erinnert wiederum an die klassischen Werke, lässt aber an manchen Stellen eine gewisse Raffinesse vermissen. Ein kleines weiteres Opfer hier oder eine völlig unerwartete Wendung da, würden bei manchen Lesern sicherlich für mehr Lesefreude und vor allen Dingen Leselust sorgen. Aber vielleicht gibt es ja eine Fortsetzung, in die solche Dinge eingearbeitet werden können.

Fazit: Da ich keine Erwartungen an das Buch hegte, wurde ich auch nicht enttäuscht. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt und wieder Lust auf andere Detektivgeschichten bekommen. Wer allerdings eine super spannende und rasante Geschichte erwartet, wird sicherlich enttäuscht sein.

21 von 31 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.