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LichtundSchatten

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Insgesamt 254 Bewertungen
Bewertung vom 18.04.2024
Erinnerungen an Czernowitz
Yavetz, Zvi

Erinnerungen an Czernowitz


ausgezeichnet

Selten bin ich tiefer in das Leben jüdischer Mitbürger eingestiegen als in diesem Buch. Zu Herzen gehend geschrieben und alle Facetten auffächernd, die jüdisches Leben so anders macht(e). Man versteht, warum hier die Familie, der Zusammenhalt, Traditionen, Bildung so wichtig und zentral sind, und, warum daraus folgernd, Menschen aus diesem Kulturkreis so erfolgreich sind.

Zvi Yavetz wächst ohne Vater auf und das traurige Gesicht seiner Mutter machte sein Herz schwer. Vor diesem Hintergrund ist seine Entwicklung hin zu einem Professor für Alte Geschichte an der Universität Tel Aviv mehr als bewundernswert. Es ist eine der selten glücklichen Biografien, die aus tiefer Menschlichkeit und Liebe geschrieben wurden, aus Dankbarkeit und Hinwendung zu Wissenschaft und Frieden.

Dieser Satz führte mich direkt ins heute: „Heute bin ich fest davon überzeugt, dass ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung von Czernowitz den mündlich weitergegebenen Nachrichten mehr Glauben schenkte als den offiziellen Berichten der Tageszeitungen.“

Czernowitz war damals eine multikulturelle Stadt mit unterschiedlichsten Religionen, Sprachen und Bevölkerungsanteilen. Ich konnte im Nachlesen wenig Frieden und Glück entdecken, die Kommunikation wurde im Untergrund geführt und wenige trauten den anderen über den Weg. Für ein Kind ist dies manchmal Abenteuer, meist aber ein tiefer Graben, der eher depressiv macht.

Was in solchen Situationen und besonders im jüdischen Leben immer lebensnotwendig scheint, ist der Humor. Das Kapitel Seite 193 bis 207 ist deshalb besonders spannend: Czernowitzer Humor.

Bewertung vom 18.04.2024
Endlich mit Aktien Geld verdienen
Otte, Max

Endlich mit Aktien Geld verdienen


ausgezeichnet

In wenig anderen Staaten ist Geld verdienen mit Aktien so unpopulär wie in Deutschland. Die Investition in erfolgreiche Unternehmen wurde hier nie wirklich gelernt und die positiven Ergebnisse in die unbändigen Kräfte der Marktwirtschaft ist nach wie vor unpopulär, obwohl wir Exportweltmeister, Erfinder und fleißige Mittelständler haben.

Max Otte gelingt mit diesem Buch ein echter Motivations-Schub für eine Umkehr. „Ich investiere am liebsten langfristig in Qualitätsaktien und verdiene mein Geld gerne möglichst stressfrei.“

Das Buch vermittelt die Grundlagen für ein solches Vorgehen, auf leicht verständliche und klare Weise. Im Grunde sollte dieses Buch schon in der Schule behandelt werden, als Geschenk für 18-Jährige eignet es sich bestens.

Im Vergleich zu Aktien sind Immobilien zunehmend problematisch, sie werden von der Regierung bekämpft. „Über Gebühren und Auflagen sowie das im April 2023 verkündete Verbot von Öl- und Gasheizungen werden die Immobilienbesitzer geschröpft.“ Grund genug über die (mobilen) Aktien nachzudenken und in das Können anderer zu vertrauen.

Max Otte beschreibt anschaulich, auch an konkreten Beispiel, wie sein Königsweg der Bewertung aussieht. Mir sind viele Lichter aufgegangen, die ruhige, kluge Art des Autors schwingt zum Leser herüber und macht Mut, sich auf die Bewertung von Unternehmen einzulassen und Anteile davon zu kaufen bzw. zu verfolgen. Jeder ist dazu in der Lage und kann davon profitieren.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.04.2024
75 Jahre Soziale Marktwirtschaft in 7,5 Kapiteln
Goldschmidt, Nils;Kolev, Stefan

75 Jahre Soziale Marktwirtschaft in 7,5 Kapiteln


sehr gut

Ich habe eine Schwäche für diese Art von Büchern, die Wissen auf übersichtlichen 80-100 Seiten präsentieren. So müssen sich Autoren auf das Wesentliche konzentrieren und aufgrund des handlichen Formates (11x19 cm) kann ich es in der Jackentasche mitnehmen und überall lesen.

Einer der Autoren hört auf einem Marktplatz in Deutschland ein Gespräch von einer jungen Studentin mit und hört: „Na ja, die soziale Marktwirtschaft ist doch nichts Halbes und nichts Ganzes.“ Ist sie tatsächlich nur noch ein Windbeutel, mit viel Platz für Schaumschlägerei? So startet dieses lesenswerte Buch und nimmt mich gleich gefangen.

Soziale Marktwirtschaft wurde nach dem 2. Weltkrieg bei uns eingeführt, sie stellt neben wirtschaftlicher Effizienz das Wohlergehen der Menschen ins Zentrum seiner Vorgehensweise. Sie ist eine regelgeleitete Wirtschaftsordnung mit einem sicheren, rechtlichen Rahmen, der den Wettbewerb zu gesellschaftlich wünschenswerten Ergebnissen führt. „Der Staat garantiert diese Rahmenordnung, um einen fairen und entmachtenden Wettbewerb hervorzubringen.“ Dabei darf es nicht Aufgabe des Staates sein, aktiv in den Markt einzugreifen. Das Wort „entmachtend“ war mir neu, ich werde es in anderen Zusammenhängen suchen und bewerten. Denke, es hat zwiespältige Dimensionen.

Die beiden Wirtschafts-Professoren Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard haben die Soziale Marktwirtschaft theoretisch und mit dem späteren Kanzler praktisch geprägt. Der Vergleich mit einem Fußballspiel gilt auch heute noch. So wie der Schiedsrichter im Fußball nicht mitspielen darf, darf das der Staat eben auch nicht. Er setzt die Regeln und Planken für gerechtes, menschliches Wirtschaften, für Innovation, Gewinn UND soziales Gewissen im gegenseitigen Respekt aller. Dabei spielte für alle, also auch Adenauer, die europäische (auch transatlantische) Aussöhnung und Zusammenarbeit eine zentrale Rolle.

Das Buch erläutert in 7,5 Kapiteln die Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft bis hin zum Beginn des Krieges in der Ukraine (das nur halbe, nicht abgeschlossene Kapitel). Alles verständlich und ohne zu viel Fremdworte. Das liest man selten und Karl Popper hätte seine Freude an den Autoren.

Irenik bedeutet das Bemühen um eine friedliche interkonfessionelle Auseinandersetzung mit dem Ziel der Aussöhnung. Dieses Wort fließt mehrfach ein (wird als bekannt vorausgesetzt) und wird auch im Kapitel „Wir schaffen das“ verwendet. Nun, es bleibt wohl ein Bemühen, denn ob es mit der 3. monotheistischen Religion Erfolg hat, möchte ich in Frage stellen. Genau hier weicht dieses Buch aus und wäre möglicherweise zu anderen Ergebnissen gekommen, wenn man den 7.10.24 mit in die Betrachtungen einbezieht. Wie Projekte in Afrika zu steuern wären, um dort Bildung zu schaffen, nun, unsere Entwicklungshilfe muss man zwiespältig bewerten, sie wird aktuell durch China und Russland konterkariert, durchaus mit großem Erfolg. Warum? Weil man weniger den Entscheiden gibt als vielmehr direkt vor Ort eingreift und Projekte voranbringt.

Trotzdem: sehr lesens- und nachdenkenswert. Eine Strecke deutsche Geschichte, die sich trotz aller Unkenrufe als Erfolg darstellen kann.

Bewertung vom 17.04.2024
Unbeweglich war gestern
Barkow, Dominik

Unbeweglich war gestern


ausgezeichnet

Ein ganz hervorragendes, gut lesbares, verständliches, bestens bebildertes Buch, um wieder, endlich wieder in Bewegung zu kommen, mobiler zu werden.

Dominik Barków beleuchtet im Buch alle zentralen Körperpartien, beschreibt diese und zeigt Übungen auf, um diese Stellen besser zu trainieren, ihnen mehr Stabilität zu verleihen.

Besonders gefallen hat mir die Checkliste, um das neue Normal zu schaffen auf den Seiten 56 und 57. Dort werden ganz simple, einfach Hilfsmittel aufgeführt, die helfen, ein gesundes, bewegtes Leben zu führen. Zum Beispiel: Hocken, wann immer es geht, barfuß gehen, einfach mal springen etc.

Wichtig für mich waren die Partien Knie und Unterkiefer, die Darstellungen und Beschreibungen sind klar und nachvollziehbar, alle anderen Punkte habe ich mir ebenso durchgelesen und möchte ihnen mehr Aufmerksamkeit widmen. Dabei spielt die tiefe Hocke eine wohl zentrale Rolle für mehr Balance und Beweglichkeit.

Schön ist, man kann sich Punkt für Punkt weiterarbeiten, um so ingesamt mehr Kraft und bewegliches Gleichgewicht zu gewinnen. Es macht Spaß in diesem Buch zu lesen, es ist nicht überfrachtet und auf das Wesentliche fokussiert. .

Bewertung vom 15.04.2024
Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?
Brodkorb, Mathias

Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?


ausgezeichnet

Ist der deutsche Verfassungsschutz noch zeitgemäß oder ein wenig hilfreiches, einseitiges Instrument der regierenden, deutschen Parteien? Kein anderer Staat hat ihn, aber Deutschland muss wohl die Gesinnungen deutscher Bürger stärker prüfen als andere - liegt doch die NS-Zeit nur kurz zurück.

Stimmt es, dass der VS mehr Probleme verursacht als löst und warum ist kein anderer Staat dem deutschen Vorbild gefolgt? Das Buch überzeugt durch eine klare, verständliche Sprache und erläutert zunächst die gesetzliche Kernaufgabe sowie die dafür benutzten Begriffe bzw. die Sprache.

„Es geht in diesem Buch allein darum, den Verfassungsschutz auch jenseits aller Skandale als eine für die Demokratie unwürdige Institution zu analysieren.“ Mehr als theoretisch etwas darüber zu lesen oder Interpretationen zu konsumieren, sprechen Fallstudien eine ganz eigene, unverfälschte Sprache.

Ramelow, Gössner, Schnellroda, Martin Wagener, AfD, Delegitimierung des Staates - das sind die konkreten Fälle, an denen das Vorgehen einer Institution gezeigt wird, die heute einen Herrn Haldenwang zum Vorsitzenden hat. Mathias Brotkorb ist davon überzeugt, dass eine Reform nicht mehr genügt, sondern ein Ende dieser Institution notwendig wäre. Nach diesen Fallstudien fällt es schwer, dem zu widersprechen.

Wenn Parteien eine Auseinandersetzung mit Konkurrenten dem Verfassungsschutz übertragen, scheint sein Ende nahe und unausweichlich. Wenn er noch dramatische Fehler macht und auch personell eher am unteren Ende der intellektuellen Fähigkeiten argumentiert, ist für mich eine Demokratie-Gefährdung vorhanden, die den offenen, demokratischen Diskurs untergräbt. Parteien wie die SPD oder die Grünen tun sich keinen Gefallen mit diesem Vorgehen, Wähler werden hier entsprechende Antworten geben.

Bewertung vom 14.04.2024
Der Judenhass
Voigt, Sebastian

Der Judenhass


gut

Ein gut lesbarer, verständlicher Überblick zum Antisemitismus über die letzten 2000 Jahre - primär aus westeuropäischer und christlicher Sicht formuliert!

Ein wesentlicher Bestandteil antijüdischer Einstellungen fehlt mir allerdings. Der islamische Antisemitismus kommt erst mit den Anschlägen am 11. 9. 2001 ins Spiel, eine Analyse der Grundlagenwerke des Islam (Koran, Hadith, Biografie Mohammeds) fehlt weitgehend. Stattdessen wird vom islamistischen Antisemitismus geredet, und der Autor wird durch die Anschläge vom 7.10.23 geradezu überrascht, er schreibt ganz am Ende (als Nachtrag): „Angesichts dessen bin ich geschockt und sprachlos, wenn auch nicht verwundert.“

Dass der Antisemitismus eine lange Tradition hat, macht heute vor allem auch eine Analyse im Hinblick auf die Differenzen der drei monotheistischen Religionen erforderlich. Herr Voigt vernachlässigt hier die islamische Komponente fast völlig, die Zusammenarbeit im Dritten Reich mit den Muslimbrüdern wird zudem nicht erwähnt.

Dass Israel heute einem massiven Angriffskrieg gegenüber steht und sich gegen Dronenarmeen aus der islamischen Republik Iran wehren muss: Wer die Grundlagenwerke des Islam studiert, die Hadith und das Leben Mohammeds, kann darüber wenig überrascht sein. Israel als einziges demokratisches Land in dieser Region darf auf die deutsche Staatsräson hoffen und muss von uns mit verteidigt werden. So jedenfalls offizielle Verlautbarungen.

Dass aber auf unseren Straßen wieder antisemitische Ausrufe zu hören sind, wirklich unerhörte!, die von Herrn Voigt erwähnt werden, steht im Raum, und viele sind sprachlos. Wer diese Komponente nicht tiefgreifend in seine Analysen einbezieht, muss notwendigerweise ein verkürztes, unvollständiges Lagebild abgeben. Israel ist auf diesem Gebiet leidvoll geprüft viel weiter und gibt Antworten, die bei mir bewundernswertes Staunen auslösen.

Bewertung vom 05.04.2024
Amerika hat die Wahl
Winkler, Peter

Amerika hat die Wahl


ausgezeichnet

Dieses Buch verschafft einen sehr guten Überblick zur anstehenden Wahl in Amerika bzw. den zugrunde liegenden Problemen. Oft habe ich den Eindruck, in Deutschland sei alles um Trump, Biden und Co. präsenter als deutsche Politiker. Keine Vorwahl, kein Gerichtsurteil, keine Anklage wird ausgelassen.
Dabei steht eher die Biden Sichtweise im Vordergrund, Trump wird eher kritisch gesehen.

Hier finde ich auch kritische Stimmen zu Biden und insbesondere dem Sohn Hunter Biden, dessen Verfehlungen in Deutschland eher ausgeblendet werden. „Trump gebührt der Verdienst, dass er die Europäer in seiner ersten und bisher einzigen Amtszeit an die alte Wahrheit erinnerte, dass nichts umsonst zu haben ist.“

„Grob gesagt konzentrieren sich Linksprogressive in den Ballungsräumen, während sich die ländlichen Räume tendenziell langsam entleeren und eindeutiger konservativ werden.“ Die Polarisierung in den USA wächst, auch mit einem problematischen Wahlsystem, das Menschen zunehmend wütender macht, eine Einstellung, die von den Medien intensiv bewirtschaftet wird. Rechte schieben alles auf den Woke-Wahnsinn und Migranten, Linke auf die Gier des Kapitalismus und den Rassismus.

Prognosen sind schwer, aber werden immer weiter probiert. Unglaubliche Analysen werden kolportiert, nur um schnell wieder kassiert zu werden. Ein wirkmächtige Annahme, Junge und Migranten wählten links, wird soeben in Deutschland konterkariert, auch in den USA leben die schon oft totgesagten Konservativen länger, es gibt keinen Automatismus zu den Demokraten hin.

Nach diesem Buch bleiben die Prognosen offen, alles scheint möglich, zwei alte Männer am Schalthebel der Macht, Amerika hat es nicht leicht. Zu hoffen bleibt, dass danach versöhnliche Hände einander weiter helfen, um die USA stabil zu lassen, einen verlässlichen Partner für Europa.

Bewertung vom 03.04.2024
Bücherliebe - Was Bücherregale über uns verraten (eBook, ePUB)
Austen, Annie

Bücherliebe - Was Bücherregale über uns verraten (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Alles rundum Bücher und Bibliotheken interessiert mich. So auch die Gedanken von Annie Austen.

„Die Idee, Bücher mit der offenen Seite nach vorn ins Regal zu stellen, scheint einem grausigen Albtraum entsprungen, einem von der Sorte, die jeden echten Bücherfan mitten in der Nacht laut schreien und völlig verstört aus dem Bett fahren lässt.“

Die Autorin beginnt mit einem Bericht von Ideal Home, einem britischen Lifestylemagazin. Das ideale Heim war dort mit einem bücherrückenfreien Blick illustriert! Nun, ich kenne Leute in Deutschland, die sich abwenden würden, wenn dort Bücher von Sarrazin oder Maaßen stehen. Grund genug wieder auf solche Maßnehmen zu setzen? Für einige bestimmt, andere würden darauf pochen, alle Meinungen lesen und studieren zu wollen, bevor man beginnt, Positionen auszugrenzen.

Dieses Buch nimmt uns auf die Reise zu Büchern und ihren Bibliotheken, gleich zu Beginn nach Lettland zur Lettischen Nationalbibliothek in Riga. Ich kannte das Gebäude noch nicht, es hat mich beeindruckt. Politiker auf Staatsbesuch bringen ihre Bücher als Gastgeschenke mit und werden dort ausgestellt, wie ich finde, ein wirklich guter Brauch.

„Um einen lästigen Gedanken loszuwerden, brauch ich bloß zu den Büchern zu greifen - sie befreien mich davon, indem sie nicht sogleich voll in Anspruch nehmen.“ (Montaigne)

Entdeckt habe ich den Song von Nick Cave: Red right Hand, wohl inspiriert von John Milton’s „Das verlorene Paradies.“ Darin der erste Kommentar bei YouTube: „I made my cat listen to this song and now it's smoking cigarettes and started calling family meetings…“ Sehr ungewöhnlich, in der Tat.

Was sich so alles in Büchern findet, Seite 103: gepresste Blumen, Quittungen, Fotos, Briefe, Anmerkungen, … Unglaubliches!

„Mich armen Mann - mein Büchersaal war Herzogtums genug.“ (Shakespeare, Der Sturm, 1. Aufzug, 2. Szene)

Bücher, die in Filmen gelesen werden? z.B. die hohlen Männer von T.S. Eliot in Apokalypse New. Oder: Jenseits von Gut und Böse, von Nietzsche, gelesen von Otto West in Ein Fisch namens Wanda.
„Ein Buch ist übrigens ein Garten, ein Obstgarten, ein Lagerhaus, eine Party, eine Gesellschaft, ein Ratgeber, eine Vielzahl von Ratgebern.“ (Baudelaire)

In der Bibliothek von Marylin Monroe, u.a.: The Portable Walt Whitman, Das Kapital von Marx, Die Brüder Karamazov von Dostojewski

„Ich finde ein großes Vergnügen darin, mehr Bücher zu kaufen, als ich lesen kann. Wie sagte doch neulich jemand so schön: Ich halte den Erwerb von mehr Büchern, als jemand womöglich lesen kann, für nichts Geringeres als den Griff einer Seele nach der Unendlichkeit; und dies ist nicht das Einzige, das uns über Tiere erhebt, die da zugrunde gehen. Wer auch immer das war, ich stimme ihm zu.“ (A. Edward Newton, A Magnificient Farce, And other diversions of a Book Collector, 1921)

Es stimmt: „Manche Bücher sind so vertraut, dass es wie eine Heimkehr ist, sie zu lesen.“ (Louisa May Alcott)

Bewertung vom 03.04.2024
Der Nahe Osten in einer globalisierten Welt
Scianna, Bastian Matteo; Lukas, Stefan

Der Nahe Osten in einer globalisierten Welt


ausgezeichnet

Diese Anthologie verschafft einen fundierten Überblick zum Nahen Osten, mit unterschiedlichen Autoren und Sichtweisen. Es ermöglicht Einblicke über tages-sensationelle Sichtweisen hinaus in tiefere Zusammenhänge.

Im Artikel von Andreas Jäger über Ägypten erfährt man z.B., dass die westlichen Informationen wonach die Jugend Ägyptens säkular eingestellt sei, nie den Tatsachen entsprachen. „Tatsächlich ist Säkularismus in Ägypten ein Schimpfwort. Zwar nimmt religiöses Desinteresse zu, aber kaum ein Ägypter würde sich als nicht gläubig bezeichnen…Wael Ghoneim etwa, der mit seiner Facebook Seite Wir sind alle Khaled Said die ägyptische Religion mit auslöste, begann seine Karriere als Begründer einer islamischen Webseite.“

Insgesamt gab es über emotionale Forderungen hinaus keine Konzepte, so dass irgendwann „Der Islam ist die Lösung“ vor allen stand. Die Straßenschlachten in Kairo wurden von den Fangruppen der großen Fußballvereine durchgeführt, im Westen wurde das lange übersehen. China hatte damals verstärkt Weizen importiert, in Ägypten kam dadurch auch der Ruf nach Brot auf, der Tourismus ging zurück, das Volk hungerte.

Festzuhalten bleibt, dass das neue Ägypten immer noch auf religiösen Vorstellungen basiert, die islamisch und frauenunterdrückend angelegt sind, es gibt hier wenig Freiräume für individuelle, gleichberechtigte Entwürfe. „Auch nach dem jüngste Mordfall meldete sich ein prominenter Scheich der islamischen Al-Azhar-Universität und macht das Opfer selbst für die Ermordung verantwortlich. Sie hätte sich islamischer kleiden sollen.“

Die neuen Machthaber in Ägypten fahren trotzdem einen harten Kurs, der auch Einengungen islamischer Forderungen beinhaltet - und insbesondere den christlichen Kopten neue Freiräume verschafft. Wie immer möchte man sagen, wenn eine solche Konstellation erfolgreich sein kann, ist diese nur mit harter Hand möglich. Ein fataler Irrtum des Westens bestand ingesamt darin, die religiöse Komponente des Islam entweder nicht zu kennen oder völlig zu unterschätzen.

China spielt eine verstärkte Rolle im Nahen Osten. Es konzentriert sich auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit, wobei sicherheitspolitische und überwachende Komponenten im Internet eine besondere Rolle spielen. Repressive Systeme wie in Saudi Arabien oder VAE haben an Sicherheits- und Überwachungstechnologie ein besonderes Interesse, ebenso an KI.

Deutsche Entwicklungspolitik spielt im Nahen Osten ein abnehmende, eher unwichtige Rolle. Andere Player und Interessen sind vorrangiger und dominanter, Israel ist im Zentrum einer fragilen, krisengeschüttelten Region, die neben religiösen Facetten wenig aufzubieten hat, um Menschen in Unabhängigkeit, Frieden und Toleranz zu bringen. Dabei denke ich immer an eine Aussage von Enzensberger: „Als schwere narzisstische Kränkung wird nicht nur die militärische Unterlegenheit gegenüber dem Westen empfunden. Viel schlimmer wirkt sich die intellektuelle und materielle Abhängigkeit aus. In den letzten vierhundert Jahren haben die Araber keine nennenswerte Erfindung hervorgebracht. Rudolph Chimelli zitiert einen irakischen Autor mit dem Satz: ,Hätte ein Araber im 18. Jahrhundert die Dampfmaschine erfunden, sie wäre nie gebaut worden.‘ Kein Historiker wird ihm widersprechen. Alles, worauf das tägliche Leben im Maghreb und im Nahen Osten angewiesen ist, jeder Kühlschrank, jedes Telefon, jede Steckdose, jeder Schraubenzieher, von Erzeugnissen der Hochtechnologie ganz zu schweigen, stellt daher für jeden Araber, der einen Gedanken fassen kann, eine stumme Demütigung dar. Selbst die parasitären Ölstaaten, die von ihrer Grundrente zehren, müssen ihre Technik aus dem Ausland beziehen; ohne westliche Geologen, Bohr- und Verfahrenstechniker, Tankerflotten und Raffinerien wären sie nicht einmal in der Lage, ihre eigenen Ressourcen auszubeuten. Insofern ist selbst ihr Reichtum ein Fluch, der sie ständig an ihre Abhängigkeit erinnert. Ohne die Einnahmen aus dem Rohöl fällt die ökonomische Leistung der gesamten arabischen Welt heute weniger ins Gewicht als die eines einzigen finnischen Telefonkonzerns.“ (Radikale Verlierer" v. Magnus Enzensberger, Spiegel 45/2005, S. 182 ff.)

Bewertung vom 03.04.2024
Deals mit Diktaturen
Bösch, Frank

Deals mit Diktaturen


ausgezeichnet

Wer glaubte nach dem Zusammenbruch des Kommunismus gäbe es einen internationalen Run auf Demokratien, sah sich rasch tief enttäuscht. Schon immer war es notwendig, mit Staatsformen Handel zu treiben, die der Demokratie wenig ähnelten. In diesem Buch erfahren wir, wie Deutschland in diesem Zusammenhang agierte und auch heute noch handelt.

„Bei seinen Auslandsaufenthalten traf der Altkanzler Gerhard Schröder Assad in Syrien, die Machthaber Irans, und bei seinem Chinabesucht kritisierte er Merkel, weil sie die Unterdrückung Tibets moniert hatte.“ Bei mir stellte sich schon immer die Frage, warum bei einer Beteiligung der Grünen an der Regierung Kriege geführt werden und weshalb SPD-Obere deutsche Wirtschaftsinteressen besonders männerbündisch vertreten, dabei aber Menschenrechte ignorieren.

Die Annäherung an Russland bzw. der Handel mit diesem riesigen, rohstoffreichen Land nahm schon unter Kohl Fahrt auf und sollte bis Merkel so weiter gehen. Die danach einsetzenden Sanktionen waren/sind stumpfe Waffen, die „….leicht in einer globalisierten Welt zu umgehen sind.“

Stattdessen musste Deutschland teurer in anderen Autokratien einkaufen (z.B. Aserbaidschan), um noch weniger auf Menschenrechte achten zu können (Bergkarabach/Arzach-Konflikt).

Frank Bösch beschreibt in diesem lesenswerten Buch die Geschichte der BRD von Adenauer bis heute und skizziert die unterschiedlichen Ausgangs- bzw. Weltlagen ganz hervorragend und verständlich.

„Autokratische Herrschaft und Menschenrechtsverletzungen in antikommunistischen Staaten wurden in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten selten thematisiert. Politiker, Diplomaten, Experten und Journalisten äußerten sogar oft Verständnis für das Regieren mit „starker Hand“, da die südlichen Staaten noch nicht reif für die Demokratie seien und dort andere kulturelle Grundlagen beständen.“ Hier ergab sich sogar eine Art selbst-entlastende Zusammenarbeit und oft waren dabei noch ehemalige Mitarbeiter der NS-Zeit beteiligt.

In den 60ern gab es zum ersten Mal migrantische Proteste in Deutschland, die vor allem aus dem Studentenbereich unterstützt wurden. „Die Migranten sprachen von KZs, Vernichtungslagern oder dem Faschismus in ihren Heimatstaaten. Dies verband den Folter in der Ferne mit der deutschen Geschichte.“

In den 70er Jahren intensivierte sich der Kontakt bzw. Austausch mit Diktaturen, trotz des Mehr Demokratie wagen von Brandt. Heute kommen jene Diktaturen zum Zug (für einen Handelsaustausch oder Gaslieferungen), die weniger im Rampenlicht stehen. „Die wirtschaftliche Stärke der Bundesrepublik ist weiterhin ein potentielles Faustpfand, um für Menschenrechte einzutreten.“ (S. 501)