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murphy12

Bewertungen

Insgesamt 112 Bewertungen
Bewertung vom 24.08.2022
Feuerwanzen lügen nicht
Höfler, Stefanie

Feuerwanzen lügen nicht


ausgezeichnet

Inderehrenwort

Nits und sein bester Freund Mischa sind Schüler und kennen sich seit einer Ewigkeit. Nits geht davon aus, dass er alles über seinen besten Freund weiß. Obwohl ihm plötzlich klar wird, dass er noch nie in der Wohnung von Mischa war und zudem auch seine Mutter nicht kennt. Den etwas chaotischen, aber sehr coolen Vater von Mischa und seiner kleinen Schwester Amy kennt er jedoch. Plötzlich wird dem hibbeligen und gerne und häufig reimenden Nits klar, dass sein korrekter, grundehrlicher und starker Freund lügt. Er deckt eine Lüge und ist dann jedoch sehr empört, als ihm klar wird, dass sein Freund auch ihn anlügt. Dadurch wird die Freundschaft der beiden sehr strapaziert.
Die Charaktere der beiden Jungen sind nachvollziehbar und realistisch aufgebaut. Gut gefallen hat mir auch die Entwicklung der Charaktere. Nits übernimmt hierdurch auch mal die Verantwortung und stützt seinen Freund so gut er kann. Dabei wird ihm klar, dass Hilfe nicht immer auf direktem Weg erfolgen kann. Sie muss so gewährt werden, dass sie der andere auch annehmen kann. Mischa, der zunächst versucht die Probleme seiner Familie allein zu vertuschen und zu beheben lernt, seinem Freund und dessen Familie zu vertrauen und gutgemeinte Hilfe anzunehmen. Er stellt fest, dass er sich auf Erwachsene auch stütze kann und nicht jedem Problem allein und schutzlos ausgeliefert zu sein. Die Freundschaft schwankt, hält aber stand.
Die Wortwahl ist authentisch, aber dennoch nicht mit Klischees und Kraftausdrücken überfrachtet. Die Geschichte wird langsam und kraftvoll aufgebaut. Die verschiedenen Probleme kommen erst nach und nach ans Licht. Die Herangehensweise der Jungen, um die Probleme zu lösten, ist realistisch und nachvollziehbar. Sie sind Auslöser der Problemlösung und arbeiten an ihr eigenverantwortlich und kraftvoll mit. Zum Erfolg kommen sie jedoch durch Zufall und Hilfe von ausgewählten Erwachsenen.
Besonders gut hat mir gefallen, dass hier tatsächlich die Realität abgebildet wurde und nicht heldenhafte Figuren aufgebaut wurden, die selbst Kriminelle überführen und im Alleingang Erwachsene ausschalten. Hier wurde kein fiktiver leichter Weg gewählt, sondern eine tatsächliche Möglichkeit der Problemlösung angeboten.
Es ist ein schönes Buch, das zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 20.08.2022
Dein Schweigen, Vater
Benda, Susanne

Dein Schweigen, Vater


gut

Schweres Erbe?

Dieses Buch lässt mich unentschlossen zurück. Schreibstil, Wortwahl und Sprache sind bildgewaltig und passend gewählt. Der Einstieg nach einem kurzen Prolog ist gut gewählt und führt uns in die Tschechoslowakei 1945 nach Brünn. Dort lebt Paul mit seiner Mutter und seinen Großeltern. Paul ist 12 Jahre alt. Sein Vater ist als Arzt in den Krieg gezogen, um dort zu helfen. Das ist nun Jahre her. Nach Kriegende spitzen sich die Zustände in Brünn für die Sudetendeutschen zu. Enteignungen werden ausgesprochen, die deutschstämmige Bevölkerung muss eine Armbinde tragen und ist vogelfrei. Dieses Vorgehen kommt dem Leser beunruhiget bekannt vor. Auge um Auge, Zahn um Zahn- egal wen man konkret dabei trifft. Der Bericht gipfelt in dem Brünner Todesmarsch. Mit dem die Sudentendeutschen „heim ins Reich“ gebracht werden sollten. Hierbei starben hunderte von Menschen- auch durch Mord. In diesem Teilabschnitt des Buches war ich richtig gehend eingesaugt. Durchlebte mit Paul und seiner Familie die schreckliche Zeit und konnte dabei kaum atmen. Wäre das ganze Buch so intensiv gewesen, hätte ich es abbrechen müssen.
Danach gibt es einen Zeitsprung und Paul ist nun erwachsen, verheiratet und bekommt gerade sein erstes Kind- Maria. Auch dieser Abschnitt ist gut geschrieben. Ich habe allerdings mehrere Seiten gebraucht, bevor ich mich beim Lesen entspannen konnte und tatsächlich nicht mit jedem neuen Satz Rückblenden befürchtet habe.
Mit den Erzählungen aus der Gegenwart von Maria und ihrem Bruder Uli bin ich dann nicht richtig warm geworden. Der Beginn der gemeinsamen Reise wirkt auf mich kopflos und irgendwie nicht stimmig. Der Umstand, dass das Schweigen des Vaters über seine Kriegserlebnisse tatsächlich Auswirkungen auf seine Kinder gebt habe, blieb für mich eher nebulös und erwuchsen eher aus Hinweise in Form von innerlichen Fragen der Protagonisten, die jedoch nicht oder kaum beantwortet wurden.
In der Summe hat das Buch somit für mich einen starken Beginn, der jedoch auch kaum zu ertragen ist und schwächelt dann im weiteren Verlauf.

Bewertung vom 16.08.2022
Elvis Gursinski und der Grabstein ohne Namen
Reinhardt, Kirsten

Elvis Gursinski und der Grabstein ohne Namen


ausgezeichnet

Nachts auf dem Friedhof

Zur besseren Einordnung meiner Rezi möchte ich darauf hinweisen, dass ich als Erwachsene dieses Buch allein gelesen habe- ohne Beteiligung eines Kindes oder Teenagers. Eine authentische Einschätzung eines Lesers aus der Zielgruppe dieses Buches kann ich somit leider nicht bieten.
Der Klappentext beschreibt den Einstieg in das Buch eigentlich schon sehr gut.
Hauptperson ist Elvis Gursinski, der mit seinen Eltern (in einer Art Wechselmodell) auf dem Friedhof lebt. Nach und nach erfährt der Leser, dass sich die Eltern von Elvis in letzter Zeit verändert haben. Das Ergebnis ist, dass sich Elvis nicht nur im Wesentlichen selbst versorgen, sondern dass er sich auch überwiegend allein um die Instandhaltung des Friedhofs kümmern muss. Seine Mutter ist Altenpflegerin und zudem Künstlerin. Diese Aufgaben vereinnahmen sich zeitweise so sehr, dass sie für Elvis nicht erreichbar ist. Sein Vater überfällt oft eine Müdigkeit oder ein Schwermut, der ihn nicht mehr funktionieren lässt. In diesem Spannungsfeld lebt Elvis und versucht alles selbst zu regeln. Spannend finde ich, dass Elvis zwar „komisch“ auf seine Mitmenschen wirkt und auch keine Freunde hat, sich dennoch aber nicht hängen lässt. Er beschimpft seine Eltern auch nicht- er setzt sich vielmehr ein. Der Umstand, dass er mit Geistern sprechen kann, wird ohne größere Aufregung wie nebenbei eingeführt. Es ist insoweit stimmig und wurde von mir auch nicht hinterfragt.
Die Stimmung in dem Buch empfand ich überwiegend düster und unheimlich. Heitere Episoden gab es zwar auch, aber der Humor spielte für mich eine eher untergeordnete Rolle. Die Spannungskurve umfasst fast das gesamte Buch. Ich konnte mich ihr nicht entziehen und habe ab der Hälfte das Buch es nur noch ungern aus der Hand gelegt. Es ist schön geschrieben. Außergewöhnlich und bemerkenswert fand ich auch, dass der Prolog in einem anderen Stil verfasst wurde, als das restliche Buch.
Elvis und auch Dalia sind als Hauptfiguren gut herausgearbeitet worden. Sie handeln nachvollziehbar und authentisch. Trotz der übernatürlichen Anteile des Buches haben die beiden keine Superkräfte im eigentlichen Sinne und tun sich auch nicht zusammen, um etwas Böses zu besiegen. Sie leben ihren Alltag; bewältigen ihre jeweiligen Aufgaben und stolpern eher zufällig in die eigentliche Problemstellung des Buches. Dadurch wirken sie nicht überheblich oder allwissend. Mir gefallen sie so hervorragend.
Für Kinder und Teenager, die sich auch etwas gruseln mögen, kann ich dieses Buch empfehlen. Ich wurde gut unterhalten.

Bewertung vom 06.08.2022
Die Ewigkeit ist ein guter Ort
Noort, Tamar

Die Ewigkeit ist ein guter Ort


sehr gut

Gott verloren und nicht nur das

Elke, genannt Ellie arbeitet nach Abschluss des Teleologie Studiums ehrenamtlich als Seelsorgerin in einem Seniorenheim. So fühlt sie sich eigentlich ganz wohl. Perspektivisch weiß sie beruflich nicht, was sie tun möchte. Sie könnte beispielsweise die Gemeinde ihres Vaters übernehmen; er wünscht sich dieses. Sie hat sich jedoch ein Jahr Bedenkzeit genommen, das jedoch eher dahinplätschert. Zu ihren Eltern und Schulfreunden bzw. Personen aus ihrer Kindheit hält sie kaum Kontakt. Auch ihre Beziehung erscheint nicht sonderlich stabil. Sie teilt ihre Sorgen nicht mit ihrem Freund, nimmt nicht an seinen Interessen teil und hat ihn noch nie mit in ihr Elternhaus genommen. Sie separiert sich eher von ihrem Umfeld und auch das Leben der Eltern verläuft von ihr unbemerkt. Nur an ihrem Glauben zu Gott hält sie –schon fast stoisch- fest. Verleugnet ihn und seine Bedeutung für sie aber trotzdem bei Bedarf auch z.B. gegenüber den Eltern ihres Freundes.
Direkt zu Beginn des Buches stellt Ellie bestürzt fest, dass sie das „Vater unser“ plötzlich nicht mehr aufsagen kann. Dieser partielle Gedächtnisschwund kommt natürlich zur Unzeit, denn sie möchte mit einer sterbenden Dame aus dem Seniorenstift beten, um ihr einen letzten Wunsch zu erfüllen. Aufgeschreckt durch dieses Ereignis spricht Ellie mit ihrem Arbeitgeber, ihrem Freund Jan und mit Ärzten- kann aber keine Hilfe bei ihrem Problem bekommen.
Der Leser begleitet Ellie durch ihre Welt und erfährt immer tiefergehende Sorgen von ihr, die erst nach und nach Scheibchenweise offengelegt werden und nicht nur die Religion betreffen. Dieser Aufbau ermöglicht eine umfassendere Darstellung von Ellie und ihren zwischenmenschlichen Beziehungen. Es ist ansprechend und flüssig geschrieben. Da nicht sonderlich viele Protagonisten in der Geschichte auftauchen, konnten sie je nach Gewichtung in der Erzählung nachvollziehbar herausgearbeitet werden. Das hat mir gut gefallen.
Es ist kein „Feel-good“ Roman und es ist auch nicht alles geklärt und eingerenkt am Ende der Geschichte, aber Ellie befindet sich auf einem Weg, der schlussendlich in die richtige Richtung führt und es hat mir sehr viel Spaß gemacht, sie dabei zu begleiten, auch wenn die Geschichte zeitweise traurig und belastend war.
Dieses Buch ist eine Bereicherung.

Bewertung vom 02.08.2022
Frühling, Sommer, Herbst und Zesel / Grimm und Möhrchen Bd.2
Schneider, Stephanie

Frühling, Sommer, Herbst und Zesel / Grimm und Möhrchen Bd.2


ausgezeichnet

Zusammen- Hand in Huf
Wir haben uns sehr auf ein Wiedersehen mit dem kleinen Zesel
Möhrchen und dem buchschreibenden Buchhändler Grimm gefreut. Auch das Wiedersehen mit der freiwilligen Feuerwehr Feline und dem benachbarten Tankwart Rudi wurde ersehnt.
In diesem Buch begleitet man die beiden Freunde Mörchen und Grimm durch ein Jahr voller Abenteuer. Es ist wieder liebevoll gestaltet. Auf jeder Seite finden sich mal große und mal kleine Bilder, das jeweilige Abenteuer schön illustrieren. Wir haben von einem kranken Zesel gelesen, Rudi baute den beiden einen blauen Wohnwagen, mit dem sie in den Urlaub fahren konnten, es wurden Kartoffeln geerntet und Schwimmen gelernt.
Das Buch wird durch den liebevollen Umgang der Personen miteinander getragen und erheitert mit einem wunderbaren Wortwitz. Ein kleiner Zesel kann natürlich kein Seepferdchen machen, das ist dann eher ein Seezeselchen. Zudem geht er z.B. davon aus, dass er schneller wachsen würde, wenn er mit Wachsmalstiften große Dinge malt. Bei der Kartoffelernte staunt er darüber, dass sich unter den vermeintlich kranken Pflanzen (die Blätter sind ganz gelb geworden) viel mehr Kartoffeln befinden, als im Frühling dort vergraben wurden. Es ist einfach herzerwärmend und mein Sohn war begeistert.
Die Kapitel sind in einer angenehmen Länge von 5 bis 13 Seiten in größerer Schrift verfasst. Das Inhaltsverzeichnis am Ende des Buchs hilft bei der Orientierung. Die Kapitel sind für sich verständlich und bauen nicht aufeinander auf. Auch kann dieses Buch ohne den ersten Band gut verstanden werden. Es ist in gut verständlicher Sprache verfasst, allerdings nicht in Babysprache.
Eine uneingeschränkte Lese- und Kaufempfehlung von uns.

Bewertung vom 20.07.2022
Im Feuer / Lilly Hed Bd.1
Ericson, Pernilla

Im Feuer / Lilly Hed Bd.1


sehr gut

Kleinstadt in Flammen

Bei diesem Buch handelt es sich um einen Auftakt einer neuen Krimireihe aus Schweden. Hauptperson ist die Polizistin Lilly Hed. Sie wechselt aus privaten Gründen von der Dienststelle in Stockholm nach Nyhäshamn. Der Krimi beginnt mit ihrem Eintreffen in dem kleinen Ort.
Die ersten Seiten werden jedoch dem ersten Opfer gewidmet, das in seinem Haus aufwacht und plötzlich einen massiven Brandgeruch feststellt. Es dauert etwas, bis er bemerkt, dass sein Haus in Flammen steht. Zu diesem Zeitpunkt kann er sich nicht mehr selbst retten. Dieser Einstieg ist sehr gut gewählt und hervorragend umgesetzt worden. Er scheint mir sehr realistisch geschrieben zu sein und hat mich direkt gepackt. Auch im weiteren Verlauf des Buches gelingt es der Autorin die Gefahren realistisch darzustellen und die Akteure nachvollziehbar handeln zu lassen. Das hat mir sehr imponiert!
Gut gefallen hat mir auch, dass dieses Buch nicht so grausam ist und auch nicht ausschließlich alles in deprimierender dunkler Stimmung gehalten wurde. Lilly untersucht mit ihren Kollegen nicht nur einen Mordfall, bei dem es zunächst unklar war, ob es nicht ein Unglücksfall gewesen ist, sondern sie schließt auch neue Bekanntschaften vor Ort und reflektiert ihr bisheriges Leben. Diese einzelnen Handlungsstränge werden stimmig und gekonnt miteinander verwoben. Hierbei wurde sowohl ein Charakter einer vollständigen Person beschrieben, als auch die Spannung erzeugt, um das Buch für den Leser interessant zu gestalten.
Für mich war es ein schönes Lesevergnügen. Es hat mich immer wieder gelockt, das Buch erneut in die Hand zu nehmen und weiterzulesen. Auch den 2. Band werde ich sicherlich anschaffen.

Bewertung vom 15.07.2022
Baumschläfer
Duda, Christian

Baumschläfer


sehr gut

Mutterseelenallein

Der Roman erzählt die letzten 3 Jahre des Teenagers Marius, ab seinem 14. Lebensjahr. Das Buch ist inspiriert von einer wahren Begebenheit- aber Fiktion.
Es beginnt dramatisch mit dem Tod der Mutter- ermordet durch den Vater, der in seiner Raserei auch den Sohn Marius schwer verletzt hat. Dieser hat seine Verletzung im Schock gar nicht bemerkt und rettet sich auf der Suche nach Hilfe für seine Mutter in ein Nachbarhaus. Für die Mutter kommt jede Hilfe zu spät. Der Vater kommt ins Gefängnis- dort verstirbt er. Marius kommt mit seiner jüngeren Schwester in ein Heim.
Die Vernachlässigung von Marius und seiner Schwester bestand vermutlich sein ganzes Leben lang. Der Vater ist Alkoholiker und gewalttätig. Die Mutter kann sich lange Zeit nicht gegen ihn erfolgreich zur Wehr setzen. Die Kinder reagieren auf diese ständige Ausnahmesituation unterschiedlich- jedes auf seine Weise ungesund. Marius zieht sich immer weiter in sich zurück. Er versucht seine Mutter zu schützen, hat mit ihr dann auch jeden Halt verloren. Die Geschwister sind sich fremd und suchen keine Nähe zueinander, geben sich keinen Halt. Marius spricht im Verlaufe des Buches immer weniger mit Menschen. Nur sein innerer Dialog mit sich selbst zeigt, was er eigentlich ausdrücken möchte. Er vertraut Erwachsenen nicht und wird in dieser Haltung immer wieder bestätigt. Niemand setzt sich nachhaltig und auch gegen seine abwehrende Haltung für ihn ein. Er läuft aus dem Heim weg und wird obdachlos. Er magert ab und friert. Schließlich stirbt er. Er wird nicht vermisst und erst spät gefunden.
Dieses Buch ist verwirrend, intensiv und tief traurig. Es ist eine Schussfahrt in den Tod, das genauso hart und in derber Sprache geschrieben ist, wie es für diese Thematik angemessen erscheint. Marius kann sich nicht selbst helfen- sieht auch oft die Gefahr nicht. Dritte versuchen ihm teilweise zu helfen. Dabei stellen sie sich aber auch nicht besonders geschickt an und geben bald auf. Es lässt sich kein Lichtstreif am Horizont erkennen.
Der Leser möchte sich von den Erwachsenen distanzieren und ich habe mich dabei erwischt, dass ich dachte: Da hätte ich mehr getan, tatsächlich geholfen. Aber ob es wirklich so gewesen wäre- wer kann das sagen?
Dieses Buch lässt mich desillusioniert, geschockt und in den Grundfesten erschüttert zurück.

Bewertung vom 08.07.2022
Die Familie
Krupitsky, Naomi

Die Familie


sehr gut

Gewalt, Vertrauen und Ehre

Der Schreibstil dieses Buches ist außergewöhnlich.
Das Buch ist in 5 Abschnitte aufgeteilt und behandelt die Jahre 1928 bis 1948. Hauptfiguren sind Sofia Colicchio und Antonia Russo. Das Leben dieser Beiden wird von Kindesbeinen an beschrieben. Ihre Väter sind Freunde und Kleinganoven. Sie gehören zur italienischen Maffia von Tommy Fianzo. Fianzo sieht sich, seine Männer und deren Familie als eine große Familie. Ein Ausstieg ist nicht möglich und der Versuch wird hart bestraft. In dieser Welt wachsen die Mädchen zusammen auf und entwickeln ein schwesterliches Band. Zwischenzeitlich verlieren sie sich aus den Augen, finden jedoch im Laufe der Erzählung wieder zueinander und sind sich in der Not über alle Maßen treu- obwohl ihr Wesen sich stark unterscheidet.
Diese Geschichte wird mittels eines Erzählers dargeboten, der allwissend ist und nicht nur das Leben der Mädchen und späteren jungend Frauen beleuchtet, sondern auch deren Eltern und Großeltern, ihren Ehemännern und Kindern. Durch diese Methode erfährt der Leser viel auch über die Innenleben der anderen wichtigen Protagonisten des Buches, jedoch sind auch mehrere Gespräche nicht wirklich in wörtlicher Rede wiedergegeben, sondern teilweise im inneren Monolog der Person erzählt. So hat mir mehrfach die direkte Verbindung zu den Personen gefehlt. Ich habe nicht so mitgelitten, sondern eher aus der Entfernung beobachtet. Ein Spannungsaufbau lag dennoch vor und ich habe das Buch gerne und schnell gelesen, allerdings war ich nicht wirklich beteiligt. Diese Nähe, die ich sonst oft zu einzelnen Romanfiguren habe, fehlte mir teilweise.
Wortwahl, Ausdrucksweise und Satzbau haben mir jedoch gut gefallen. Das Buch ließ sich angenehm lesen und erklärte seinen eigenen Kosmos stringent und logisch. Mir hat es gut gefallen, auch wenn die Charaktere nicht lange in mir nachhallen.

Bewertung vom 08.07.2022
Alles über den Straßenverkehr / Wieso? Weshalb? Warum? Bd.50
Erne, Andrea

Alles über den Straßenverkehr / Wieso? Weshalb? Warum? Bd.50


ausgezeichnet

Sicherheit im Straßenverkehr

Diese Bücherreihe für 4 bis 7 jährige Kinder vermittelt Wissen und Verständnis in so klaren Worten und mit so viel Freude und Spaß, dass dadurch bei Kindern und Eltern eine Sucht ausgelöst werden kann. Sollte man vielleicht bedenken, bevor man sich das erste Buch anschaut. 
Wir sind bekennende Fans dieser Buchreihe und kennen bereits eine Vielzahl der Bücher.
Mit Band 50 begibt man sich nun in den Straßenverkehr. Begleitet wird der Leser dabei von 2 kleinen Ampelmännchen. Diese finde ich persönlich nicht so niedlich, wie sie hätten sein können, aber sie führen das Kind sicher durch das Buch. Mein Sohn ist immer ganz wild auf die Klappen und blättert zunächst systematisch durch ein neues Buch, um jede Klappe zu finden und zu öffnen. Die Klappen sind unterschiedlich groß und stabil. Auch ein mehrfaches Knicken macht ihnen nichts aus. Besonders die großen Klappen, die das ganze Bild verändern, bieten viel zu Entdecken und zu Besprechen. Besonders auffällig finde ich, dass hier auf sehr vielen Bildern geradezu als ein Wimmelbild dargestellt wird und auch eine Erwachsene einen Augenblick die Szene auf sich einwirken lassen muss, um sie in Gänze erfassen zu können. Das ist besonders realistisch, denn genau so ist es ja auch im Straßenverkehr. Bereits durch diese Darstellung beginnt das Kind zu begreifen, dass sehr vielen Menschen am Straßenverkehr teilnehmen und man aufpassen muss (auf sich, aber auch auf andere) und auch selbst Pflichten hat. Unter dem Oberbegriff: Worauf passen Fußgänger auf, beispielsweise werden mittels der Klappen einige Szenen dargestellt, in denen es für Fußgänger gefährlich werden kann. Hier bietet es sich an, immer wieder mit dem Kind diese Szenen zu besprechen, damit es nicht nur die Gefahr erkennt, sondern auch verinnerlicht, was dann zu tun ist. Insgesamt haben wir dieses Buch nicht als reines Vorlesebuch genutzt, sondern tatsächlich als Aufhänger für Gespräche zu einzelnen Fragestellungen.
Es ist ein gelungenes Werk, um das Kind flankierend darauf vorzubereiten, sich alleine und möglichst sicher im Straßenverkehr zu bewegen. Sehr schön gemacht.

Bewertung vom 30.06.2022
Die Hennakünstlerin / Jaipur Bd.1
Joshi, Alka

Die Hennakünstlerin / Jaipur Bd.1


ausgezeichnet

Eintauchen in Jaipur, Indien 1955

Diese Geschichte hat mich nach jeder Leseunterbrechung mit wenigen Worten wieder in die Situation gezogen. Ich konnte völlig abtauchen in das Setting und folgte Lakshmi durch ihr Leben. Es war eine sehr schöne Lektüre, auch wenn Lakshmi über große Teile des Romans sehr zu kämpfen hatte. Ein weiteres Buch dieser Autorin- auch gerne mit den gleichen Protagonisten- würde ich gerne lesen.
Lakshmi ist inzwischen 30 Jahre alt und lebt in der Großstadt Jaipur. Nach der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann hat sie sich dort ein Geschäft aufgebaut. Dazu nutzt sie ihr Talent als Hennakünstlerin und ihr Kräuterwissen, dass ihre Schwiegermutter ihr beigebracht hat. Durch die Flucht aus der Ehe hat sie große Schande über die ganze Familie gebracht. Ihre Eltern haben deshalb zu ihr keinen Kontakt mehr. Deshalb weiß sie auch nicht, dass sie eine Schwester hat, die 13 Jahre alt ist. Sie träumt davon, ihre Eltern nach Jaipur zu holen und zu versorgen. Deshalb versucht sie ein Haus zu bauen. Währenddessen versterben allerdings beide Elternteile und ihre Schwester Radha kommt unterstützt von ihrem Ehemann nach Jaipur zu Lakshmi. Dadurch kommt sie in finanzielle Bedrängnis, jedoch nimmt sie ohne zu zögern ihre Schwester auf, sorgt für sie und versucht ihre eine möglichst hochwertige Ausbildung zu ermöglichen. Hierbei kommt es auch zu erheblichen Spannungen zwischen den Schwestern, die sich kaum kennen. Das Geschäft von Lakshmi gerät ebenfalls in Gefahr.
Der Roman ist sehr ansprechend geschrieben. Er ist durchsetzt mit indischen Begrifflichkeiten, die jedoch am Ende des Romans erläutert werden, so dass die Erzählung gut verständlich ist. Diesen Aufbau habe ich sehr genossen, da dadurch der Lesefluss nicht per se durch Erklärungen unterbrochen wurde und ich selbst entscheiden konnte, ob ich hier eine genauere Übersetzung benötige, oder auch nicht. Durch die typisch indischen Begrifflichkeiten, fühlte ich mich stärker nach Indien versetzt. Dieser Aufbau ist somit für mich perfekt.
Ich habe mit den Hauptpersonen mitgelitten und mich mitgefreut. Es war eine gute Mischung aus Glück, Unglück, eigener Leistung, fremder Hilfe, Verrat und Versöhnung. Insgesamt erschienen mir insbesondere die Hauptpersonen als glaubwürdig und reale Personen, die eine dunkle und auch eine helle Seite haben.
Ich habe das Buch sehr genossen.