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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
luisa_loves_literature
Wohnort: 
NRW

Bewertungen

Insgesamt 116 Bewertungen
Bewertung vom 04.10.2021
Mädchengrab
White, Loreth A.

Mädchengrab


sehr gut

"Mädchengrab" ist ein außerordentlich atmosphärischer Krimi, dessen Titel eventuell nicht ganz passend ist - denn das Opfer, das vor mehr als zwanzig Jahren verschwand, ist doch mehr Frau als Mädchen.

Das ist aber schon fast der einzige Kritikpunkt, denn den Leser erwartet bei Angie Pallorinos Spurensuche ein überaus dichter, komplexer, spannungs- und wendungsreicher Kriminalroman, der sich zwischen weiblichem Neid, weiblicher Eifersucht und einer eingeschworenen, dörflichen Männergemeinschaft entspinnt. Dabei sind nicht nur die Figuren zahlreich, es gibt ebenso viele mögliche Motive wie die potentielle Täter. Die Krimihandlung selbst ist sehr verstrickt und überraschend und wartet immer wieder mit neuen Details und Informationen auf bis sich langsam aber sicher schließlich ein Puzzle zusammensetzt, das seine Auflösung aber doch erst fast am Schluß erfährt.

Angie ist ganz genretypisch eine schwierige Ermittlerin. Ihre Probleme wurzeln nicht zuletzt in ihrer traumatischen Vergangenheit, die sich auch für Leser, die zum ersten Mal mit einem Pallorino-Band zu tun haben, zumindest in groben Zügen erschließt.

Der Star des Romans sind für mich aber die westkanadischen Wälder, das nasse, regnerische Wetter, die wortkargen Menschen. Der Roman weist soviel Lokalkolorit auf, dass Kanada greifbar wird. Der Text holt tatsächlich alles aus seinem Setting heraus.

Für Fans von stimmungsvollen, komplexen Kriminalfällen, die nicht allzu actiongeladen sind, ist "Mädchengrab" ein absoluter Lesetipp.

Bewertung vom 09.09.2021
Der silberne Elefant
Wayne, Jemma

Der silberne Elefant


sehr gut

Eigentlich wollte ich den Roman gar nicht mehr lesen, nachdem ich schon viel an negative und durchwachsene Kritik gelesen hatte, aber zum Glück mache ich mir doch immer ganz gern ein eigenes Bild und das hat "Der silberne Elefant" auch unbedingt verdient, denn Jemma Wayne ist eine gute Geschichtenerzählerin und ihr Buch hat mir gefallen.

Der Roman befasst sich mit drei sehr unterschiedlichen Frauenleben, die alle auf ihre Art zu überleben versuchen, wobei die Herausforderung für die ruandische Tutsi Emily unvergleichlich groß ist. Ihre Erfahrungen während des Völkermords, die auch im Text sehr plastisch herausgearbeitet werden, sind von unfassbarer Grausamkeit und unvorstellbaren Erlebnissen geprägt. Aber auch die anderen beiden Frauen reiben sich auf ihre Weise an ihrem Leben und ihrer Vergangenheit auf und kämpfen mit ihren persönlichen Dämonen, Schuldgefühlen und Ängsten. Auf sehr packende Weise schildert der Roman den Umgang der Frauen miteinander, mit sich selbst und zeigt die unterschiedlichen Wege einer Vergangenheitsbewältigung auf. Die Lektüre ist so mitreißend und interessant, dass ich mich manches Mal fragte, ob es angebracht ist, solch schwere Themen (denn auch die Probleme von Vera und Lynn sind alles andere als oberflächlich) in Unterhaltungsliteratur zu verpacken.

Die Frauenfiguren sind gut ausformuliert, bei den Männern in diesem Roman hakt die Figurenzeichnung jedoch. Die Männer sind einfach nicht spannend genug, nicht durchdacht und erfüllen eher stereotype Anforderungen: der Heilige, der Sünder etc...Schwierig fassbar war für mich auch die religiöse Note des Textes, der durch den Kontext einiger Figuren notwendig wurde, und auch Sinn machte, die stark kirchliche Ausrichtung war für mich aber nicht überzeugend und auch nicht wirklich nachvollziehbar.

Dennoch würde ich "Der silberne Elefant" empfehlen, denn mich hat dieser Blick auf unterschiedliche Frauenleben sehr beschäftigt.

Bewertung vom 15.08.2021
Im Reich der Schuhe
Wise, Spencer

Im Reich der Schuhe


schlecht

Ich muss zugeben, dass mich "Im Reich der Schuhe" leider gar nicht überzeugen konnte. Die interessante Prämisse des culture clash der Anfangsseiten konnte in keiner Weise aufrecht erhalten werden. Stattdessen taumelte der Protagonist Alex recht unbedarft, dauerüberfordert und wenig eigenständig am Rockzipfel der Chinesin Ivy durch die chinesische Provinz, in dem Versuch, sich einen Reim auf das Reich der Mitte zu machen.

Alle Figuren waren eher überzogene Stereotypen als glaubhaft konzipierte Figuren, am stärksten und furchtbarsten trifft das wohl auf den Unternehmer-Vater, aber auch die chinesischen Funktionäre, zu, die schon fast parodistisch wirken, allerdings ohne das auch nur ein Hauch von Humor und Witz ausgestrahlt wird.

Die Handlung kommt so gar nicht vom Fleck. Nach 140 Seiten ist eigentlich noch nichts passiert, was den Text voranbringt - es ist eher unaufgeregt und langweilig, da hilft auch die Tragödie nicht, die eine chinesische Arbeiterin trifft. Die sich anschließende, politische Erweckung und Entlassung von Alex in die Unabhängigkeit von seinem Vater ist an Naivität und Simplizität fast nicht zu überbieten. Hinzu kommt, dass die Darstellung der politischen Verhältnisse und Agitationen so oberflächlich und vereinfacht ist, dass man wirklich gar keine Freude daran haben kann. Mehr und mehr wird deutlich, dass hier eine politische Message rübergebracht werden soll - allerdings fehlt es leider an jeglicher Raffinesse.

Insgesamt leider überhaupt nicht mein Text - langweilig, uninspiriert und öde.

Bewertung vom 06.07.2021
Tage mit Gatsby
Nicolas, Joséphine

Tage mit Gatsby


sehr gut

Die Tage mit Gatsby sind berauschend, heiß, lang, schwül und auch lethargisch. Die Nächte werden von Parties bestimmt.

Joséphine Nicolas ist es gelungen, den Geist der Zwanziger, den "Tanz auf dem Vulkan" und die Zügellosigkeit in einem nicht enden wollenden Sommer an der französischen Riviera auf Papier zu bannen und zu feiern. Dazu erschafft sie eine greifbare und lebhafte Charakterisierung der Frau an der Seite des großen F. Scott Fitzgerald, deren emotionale Untiefen sie absolut authentisch und nachvollziehbar ausleuchtet, ohne sich in zu großer Empathie oder Nähe für Zelda zu ergehen. So erfährt man Zelda als sehr lebensechte Figur, die man zwar nicht unbedingt mag, aber ihrer Schattenposition wegen zeitweise bedauert. Durch die gewählte Ich-Perspektive bleibt natürlich stets fraglich, wieviel von Zeldas Wahrnehmung objektiv der Wahrheit entspricht und wieviel nur dem eigenen Geltungsdrang, der eigenen Unzufriedenheit in der Ehe und mangelnder Aufmerksamkeit durch den Gatten geschuldet ist. Ebenso führt die Perspektive dazu, dass Fitzgerald selbst zu einer marginalen Randfigur wird, die in Zeldas Lebenswelt auch eine immer kleinere und auch etwas eindimensionale Rolle einnimmt, denn in Zeldas Leben ist Zelda der Star und der Hedonismus das vorrangige Lebensprinzip.

Sprachlich würde ich den Roman schon fast als "gewaltig" bezeichnen. Er strotzt vor Metaphern, Vergleichen und ungewöhnlichen Wortkombinationen, um Atmosphäre zu schaffen. Auf den ersten Seiten ist das allerdings schon zu viel des Guten, etwas dosierter eingesetzt, würde jedes einzelne Element viel mehr strahlen, so wird es einfach zu üppig und prächtig und vor allem leider auch manchmal gekünstelt. Zum Glück reduziert sich dieser Stil im Verlauf des Romans und pendelt sich auf das genau rechte Maß ein.

Ein Manko ist für mich jedoch die relative Handlungsarmut, denn eigentlich passiert in diesem langen Sommer nichts, was eine Geschichte so richtig vorantreibt. Viele Kapitel beschreiben ein Ereignis, das dann abbricht und im Folgekapitel - wenn überhaupt - nur noch eine nachgeordnete Rolle spielt. Hier fehlte mir sowohl die verbindende Linie als auch einfach eine gewisse Handlungsrelevanz.

Nichtsdestotrotz ein schöner und auch lesenswerter Roman - vor allem für einen langen, heißen Sommer, in dem man in eine Welt des süßen Nichtstuns eintauchen mag.

Bewertung vom 04.07.2021
Viktor
Fanto, Judith

Viktor


ausgezeichnet

Der Roman "Viktor" überstrahlt für mich in diesem Jahr (fast) alle anderen Bücher, die ich gelesen habe, und unter meinen Highlights nimmt er einen absoluten Spitzenplatz ein. Dieses Buch schafft es, der düsteren Geschichte einer jüdischen Familie durch das 20. Jahrhundert mit leichter Hand und feinsinnigem, eleganten Humor zu folgen und dennoch die dunkel Seite der Tragik nicht auszusparen.

Durch die persönlich stark involvierte Perspektive der Ich-Erzählerin Geertje, die sich in den 1990er Jahren auf die Suche nach ihrem jüdischen Familienerbe macht, wird dem Roman eine authentische, unverbrauchte Stimme verliehen. Geertjes, später Judiths, völlig unbedarftes Erleben der Regeln des Judentum, die sie trotz ihrer jüdischen Familie zeitweise überfordern, sind komisch, unterhaltsam und fremd, aber auch sehr faszinierend. Geertje/Judiths Geschichte wechselt mit der Erzählebene, in der das Leben Viktors im Wien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschrieben wird, ab. In den Viktor-Teilen gelingt es der Autorin auch düstersten Erlebnissen mit bedachter Komik zu begegnen. Viktor als Figur ist ausgesprochen apart, unerschrocken, interessant und liebenswert (obwohl er selbst eine solche Kategorisierung zurückweisen würde). Überhaupt ist jede Figur bis ins Detail speziell und besonders, aber nicht verschroben, sondern eben einfach erzählenswert.

Sprachlich und stilistisch ist das Buch einfach unglaublich gelungen. Es strahlt einfach, ist sehr besonders und irgendwie drängt sich mir immer wieder das Wort "vornehm" auf. Vor der Autorin kann man auf jeder Ebene nur den Hut ziehen, denn dem finstersten und meisterzähsten Kapitel der Geschichte des 20. Jahrhunderts mit soviel Leichtigkeit, Unverbrauchtheit und Stil zu begegnen und dabei noch einen Roman zu erschaffen, der diesen Glanz hat - das ist kein leichtes Unterfangen.

Dies ist ein sensationell guter Roman, der für jeden geeignet ist, der ausgezeichnete Literatur mag, sich über neue Wege freut und ungewöhnliche Familiengeschichten mag.

Bewertung vom 03.07.2021
Wo der Himmel die Prärie berührt (eBook, ePUB)
Maly, Rebecca

Wo der Himmel die Prärie berührt (eBook, ePUB)


gut

"Wo der Himmel die Prärie berührt" liest sich flüssig und bietet gerade in der ersten Hälfte einiges an Spannung und historischem Kontext. Der Liebesroman im Western-Gewand bietet nicht nur viel Information zum Walfang und macht die weite Prärie erlebbar, er bietet auch aufregende Handlungselemente, detailreiche Schilderungen und lässt sich beim Erzählen in der stärkeren ersten Hälfte das richtige Maß an Zeit.

Von der zweiten Hälfte bin ich leider weniger begeistert. Alles, was mich am ersten Teil fasziniert hat, versandet zunehmend, die Liebesgeschichte wird weitestgehend rasch, oberflächlich und nicht völlig überzeugend abgehandelt. Auch stimmt für mich in der Rückschau die Gewichtung der Handlungsteile (Einzelschicksale vs. gemeinsames Schicksal) nicht immer. Darüberhinaus versandet der gute Start stark im Konventionellen und es fehlt der Geschichte irgendwie an Personal, das die Handlung bereichert und über die Hauptfiguren hinaus bevölkert hätte.

Insgesamt hat mir der Roman durchaus gefallen, aber wirklich mitreißen konnte er mich leider nicht.

Bewertung vom 21.06.2021
Das Leben ist ein Fest
Berest, Claire

Das Leben ist ein Fest


gut

Eigentlich passt Claire Berests Roman perfekt zum Leben und Temperament der Frida Kahlo, denn in diesem Roman ist es gefühlt immer laut, immer wild, ständig bunt und leidenschaftlich. Die Handlung rast schlaglichtartig durch das Leben der berühmtesten Malerin Mexikos, stets auf der Suche nach dem nächsten erzählenswerten Kick, der nächsten Episode, die nach lauten Gefühlen, tiefster Betrübung oder höchster Ekstase verlangt. Das erscheint abwechslungsreich, ist aber auf die Dauer auch etwas atemlos und vor allem - sehr gefährlich - oberflächlich. So fehlen dem Roman meines Erachtens nach sehr häufig die verbindenden Glieder, die leisen Zwischentöne, die Introspektion. Stattdessen wird die Relevanz der fiktionalen Auseinandersetzung mit der Künstlerin durch deskriptive Passagen herzustellen versucht, in denen die Kunstwerke in den Mittelpunkt gerückt werden. Meist erfolgt eine knappe Verknüpfung zur jeweiligen Lebenssituation mit angedeuteter Analyse, aber gerade in diesen Absätzen ist die Erzählinstanz zu zahm und zu brav, wo sie doch an vielen anderen Stellen mit viel Kraft aufs Ganze geht.

Zugegebenermaßen ist es immer schwer, sich einer realen historischen Persönlichkeit fiktional anzunähern, aber dieser Roman, der seine Sache sprachlich und auch von der Grundkonzeption her überzeugend macht, verliert zeitweise den Mut, auch einmal andere Facetten der Frida Kahlo sichtbar zu machen, die nicht schon Teil der Popkultur und des Allgemeinguts sind.

So bleibt "Das Leben ist ein Fest" für mich ein Roman, der mir gefallen und mich interessiert hat, mich aber nicht berauscht oder begeistert hat. Er ist am ehesten mit einem Amuse-Bouche zu vergleichen: er macht durchaus Lust auf mehr, aber satt und zufrieden macht er nicht.

Bewertung vom 18.06.2021
Nachrichten von Männern
Decker, Anika;Berlin, Katja

Nachrichten von Männern


gut

"Nachrichten von Männern" fällt für mich in die Kategorie "Geschenkbüchlein für Frauen, die ein Männerproblem haben", denn irgendwie werden hier alle negativen Vorurteile Männern gegenüber bedient. Das ist sehr unterhaltsam, unglaublich stereotyp und klischeehaft und entbehrt jedweder wissenschaftlichen Grundlage, trägt aber trotz allem stets ein Fünkchen Wahrheit in sich und ist daher zumindest zeitweise recht amüsant.

Dabei bleibt es aber auch, denn eins sollte man auf keinen Fall tun: dieses Büchlein in irgendeiner Form ernst nehmen. Zum einen pauschalisiert es auf jeder Seite, zum anderen sind mir zahlreiche Kommunikationsverläufe, die hier als Exklusivdomäne von Männern betrachtet werden, genau so auch von Frauen bekannt. Dazu ist die vorgenommene Kategorisierung äußerst kleinteilig und macht eher deutlich, dass es DIE "Nachrichten von Männern" eher nicht gibt, sondern dass es sich um eine äußerst heterogene Kommunikationsmasse handelt. Die den Nachrichten-Beispielen folgenden Analysen sind locker-witzig geschrieben, aber wiederholen sich in ihrem Anliegen stark und dienen letztlich doch immer wieder dazu, die Überlegenheit der Weiblichkeit gegenüber "dumpfer" Männlichkeit ironisch hervorzuheben. Das nutzt sich ziemlich schnell ab und daher ist das Buch auch sicher keines, dass man in einem Rutsch durchliest, sonder eher eines zum gelegentlichen, amüsierten Durchblättern.

Insgesamt sind die "Nachrichten von Männern" ein oberflächlicher, klischeebehafteter Band mit ein paar wahren Einsichten zum vergnüglichen Zwischendurchlesen. Den Muckefuck unter den Männern wird man aufgrund der Lektüre auch nicht vom Blue Mountain-Kaffee unterscheiden können, aber zumindest wird die geneigte Leserin all ihre Vorurteile bestätigt finden.

Bewertung vom 11.06.2021
Dein ist das Reich
Döbler, Katharina

Dein ist das Reich


weniger gut

Mich hat dieser Roman aufgrund seiner Thematik und seiner wunderbaren und auch schönen Erzählweise auf den ersten Seiten magisch angezogen. Das schwarze Cover mit den farbig-glänzenden Palmwedeln hat mich ebenso fasziniert.

Allerdings musste ich sehr schnell leider feststellen, dass es dann doch so gar nicht mein Roman war und völlig ungewöhnlich für mich (ich kämpfe mich durch jedes Buch) habe ich nach 180 Seiten aufgegeben. Es gibt keine interessanten Figuren (von sympathisch oder aufregend mal ganz zu schweigen) und die Geschichte kommt überhaupt nicht vom Fleck. Alles ist mäßig informativ und interessant, aber man muss sich permanent mühsam wieder in der Familienhistorie orientieren und die religiöse Ausrichtung ist wie das Deutschtum (auch wenn das natürlich dem damaligen nationalistisch gefärbten Zeitgeist entspricht) nur schwer auszuhalten. Es mag sein, dass ich dem Roman noch einmal eine Chance geben werde, aber leider konnte ich die spannungsarme und sich so wenig bewegende Story zu diesem Zeitpunkt nicht länger tolerieren.

Zwei Sterne werden es, weil mir trotz allem die Sprache gefallen hat und das Cover einfach hypnotisch schön ist.

Bewertung vom 25.05.2021
Die Beichte einer Nacht
Philips, Marianne

Die Beichte einer Nacht


sehr gut

Marianne Philips Roman ist durch seinen monologischen Stil sehr besonders. Über die gesamte Strecke des Textes kommt nur Heleen zu Wort, die einer Nachtschwester gegenüber ihre Lebensbeichte ablegt, und dabei völlig unbewusst der eigenen psychischen Störung und der eigenen Schuld auf die Spur kommt.

Die Ausgangssituation ist denkbar einfach, denn es gibt eigentlich nur zwei Personen in diesem Kammerspiel der Rahmenhandlung: Heleen und die Nachtschwester. Letztere besitzt jedoch keinen Redeanteil und ihre Reaktion ist ausschließlich aus den spärlichen Kommentaren seitens Heleens ablesbar, wenn diese z.B. versucht, ihr Gegenüber zum weiteren Zuhören zu animieren. Diese kurzen Momente der Gegenwart unterbrechen wohltuend und ordnend immer wieder Heleens Reminiszenzen, sind für meinen Geschmack jedoch etwas zu selten, da gerade diese Passagen den besonderen monologischen Charakter des Textes unterstreichen.

Die Lebensbeichte selbst befasst sich neben der ärmlichen Kindheit Heleens und ihrem sozialen Aufstieg durch eine vorteilhafte Heirat mit ihrer obsessiven Liebe zu Hannes, die Dreh- und Angelpunkt ihres Handelns, ihrer Schuld und ihrer psychischen Erkrankung ist. Dem Roman gelingt es dabei vorzüglich darzustellen, wie ein Lebensweg mit späterem Handeln verknüpft wird und welche Auswirkungen frühere Lebensentscheidungen auf späteres Sein haben können. Der besondere Reiz des Textes liegt allerdings im Ausloten des einsetzenden Wahnsinns, ein Prozess der von der Protagonistin höchst selbstreflektierend im Rahmen ihres Geständnisses analysiert wird. Parallel gelingt aber auch die Sympahtielenkung des Romans einwandfrei, sodass man als Leser Heleen trotz ihrer Schuld, ihres Verhaltens und all ihrer Verfehlungen empathisch gegenübersteht. Dies ist sowohl das Verdienst der schonungslosen Offenheit des Monologs als auch der anscheinenden Unmittelbarkeit der erzählerischen Vermittlung, die wesentlich dazu beiträgt, dass Heleen als Figur vollkommen überzeugen kann.

Insgesamt handelt es sich bei diesem Roman um einen sehr lesenswerten, ungewöhnlichen Text, der durch sein intimes, direktes und schonungsloses Psychogramm eines gestörten Geistes überzeugt. Sein herausragendes Merkmal ist dabei sicherlich, dass es ihm gelingt, die psychische Störung glaubhaft zu vermitteln und nachvollziehbar zu machen.