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Anna625

Bewertungen

Insgesamt 89 Bewertungen
Bewertung vom 24.07.2021
Genug
Dalsgaard, Louise Juhl

Genug


ausgezeichnet

Nach ihrem Schulabschluss nimmt sich die junge Frau, aus deren Sicht der Roman geschrieben ist, ein Ziel vor: Sie will abnehmen. Zu Beginn wiegt sie ca. 72kg, doch in nicht einmal einem Jahr nimmt sie etwa 40kg ab und ist damit stark untergewichtig. Längst steht für sie nicht mehr wie anfangs noch die Gesundheit im Vordergrund, vielmehr ist ihr ständiger Wunsch, Gewicht zu verlieren, zu einer Krankheit geworden, die sie nicht mehr loslässt.

Selten habe ich ein Buch gelesen, das dieses Thema so eindrücklich dargestellt hat. Allein durch die Erzählweise, die sich vor allem von den kurzen Kapiteln in sehr ansprechender Sprache auszeichnet, fühlt man sich der Protagonistin bereits nahe und verfolgt mit Schrecken ihre Geschichte. Die vielen Rückblenden in ihre Kidheit und Jugend komplettieren das Bild einer jungen Frau, die sich innerlich leer fühlt, der irgendetwas fehlt, was sie einfach nicht finden kann und das sie letztendlich zu solcher Verzweiflung treibt, dass ihr Körper kurz vor dem Aufgeben ist. Immer wieder gibt es Einschübe in Form von Berichten, in denen sich die Sozialarbeiterin oder die Ärzte der namenlosen, jungen Frau zu Wort melden. Sie betonen die innere Zerissenheit der Protagonistin, die teils den starken Wunsch nach Veränderung zeigt und unbedingt am Leben bleiben will, dann jedoch wieder sämtliche Behandlungsmethoden vehement ablehnt.

Ein erschreckendes, jedoch sehr authentisches und eindringliches Buch, das mich sehr gepackt und von Anfang bis Ende überzeugt hat.

Bewertung vom 21.07.2021
Auszeit
Lühmann, Hannah

Auszeit


sehr gut

Schon seit einer ganzen Weile schreibt Henriette an ihrer Dissertation, oder besser: sie sollte daran schreiben. Denn sie komm nicht wirklich voran, ihre Arbeit scheint ihr abwechselnd faszinierend und völlig belanglos, es findet sich einfach kein roter Faden, dem sie folgen kann. Dann wird sie schwanger, und obwohl sie anfangs große Gefühle hegt für dieses Kind in ihr und sich sehnlich eine Tochter wünscht, treibt sie das Baby ab. Später reist sie mit einer Freundin in eine abgelegene kleine Hütte, um dort wieder zu Atem zu kommen.

Letzteres, der Aufenthalt in der Hütte, ist der Ausgangspunkt der Geschichte; von dort aus eröffnet der Roman dem Leser nach und nach Einblicke in die Vergangenheit, das Puzzle setzt sich langsam zusammen. Viel Handlung gibt es nicht, es ist mehr die Atmosphäre, welche die Autorin kreiert hat, die den Roman auszeichnet. Die Stagnation in Henriettes Leben, ihre Depression, all das spiegelt sich in der Sprache und der Erzählweise wider und wird auf diese Weise nachempfindbar gemacht. Ich konnte mich auch tatsächlich sehr gut hineinfühlen in die Geschichte, das Buch aufzuschlagen war jedes Mal, als senke sich eine dichte Wolke auf einen herab. Alles wirkt merkwürdig gedämpft, fast wie durch Watte hindurch und in Zeitlupe, oder so als sei man noch halb im Schlaf. So wurden die Gefühle und Gedanken der Protagonistin sehr gut transportiert.

Während Henriette in der sie plötzlich umgebenden Ruhe der Hütte versucht, ihrer Depression zu entkommen, sich endlich darüber klar zu werden, was sie möchte, welcher Weg der richtige für sie ist, liest man parallel dazu davon, wie es zu dieser Situation kam, zu ihrer Schwangerschaft, über die sie sich erst freute und die sie am Ende verzweifeln ließ.

Am Ende hat mir dann doch noch das entscheidende Fünkchen gefehlt, davon abgesehen habe ich die Stille des Romans aber sehr genossen.

Bewertung vom 22.06.2021
Happy Road
Kringe, Sarah

Happy Road


sehr gut

Sarah, Pressereferentin im Bundestag, und Mathias, österreichischer Skilehrer, kennen sich eigentlich erst seit kurzem - und doch wagen sie sich gemeinsam an ein großes Abenteuer, das sie weit öfter als einmal auf die Probe stellen und an ihre Grenze bringen wird. In einem ausgebauten Campervan wollen sie quer durch Europa reisen, monatelang, nur mit dem Nötigsten ausgestattet.

Dabei fahren sie durch die osteuropäischen Länder über den Balkan nach Skandinavien bis ganz hinauf zum Nordkap. Wechselnde klimatische Bedingungen, ein etwas knapp kalkulierter Wassertank und die alltägliche Stellplatzsuche sind dabei wohl mit die größten Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen haben. Doch neben skurrilen Begegnungen und den wunderschönen Aussichten, mit denen sie belohnt werden, bringt das Leben auf drei Quadratmetern vor allem auch eines mit sich: Man lernt den Reisepartner auf jeden Fall gut kennen, gibt es doch kaum eine Möglichkeit, sich an schwierigen Tagen mal aus dem Weg zu gehen.

Von der Aufmachung her hat mir das Buch sehr gut gefallen. Es enthält eine Karte mit der groben Reiseroute, die Kapitel haben mit etwa 10 Seiten Länge einen angenehmen Umfang und beginnen jeweils mit einem großen Foto und einem Zitat. Der Schreibstil ist unterhaltsam und oft humorvoll, gleichzeitig wird aber auch ein Einblick in Szenen gegeben, die in vergleichbaren Reiseberichten oft ausgelassen werden oder zumindest doch sehr kurz kommen: Was macht man, wenn weit und breit keine Toilette auffindbar ist? Wenn man seit Ewigkeiten durch die Pampa fährt und nirgendwo die dringend notwendige Gelegenheit zum Trinkwasserauffüllen findet? Wenn es mal dicke Luft gibt oder jemand krank wird, sodass die Weiterreise auf dem Spiel steht?

Auch die Reiseruote an sich hat mich sehr angesprochen, wenn sie auch, wie sich im Laufe des Buches herausstellt, einige Schwierigkeiten mit sich bringt. Einziger Kritikpunkt: Ein paar Bilder mehr hätten es für meinen Geschmack sein dürfen, denn die Gegend, durch die gereist wird, ist ja mit das Spannendste an solchen Berichten.

Ansonsten habe ich das Lesen aber sehr genossen!

Bewertung vom 24.05.2021
Eezbeez (eBook, ePUB)
Rauh, Katharina

Eezbeez (eBook, ePUB)


weniger gut

Lukas ist Mitglied der Schülerzeitung und gerade eigentlich damit beschäftigt, den Platz als stellvertretender Chefredakteur zu ergattern, als sein Mathelehrer sich plötzlich sehr merkwürdig verhält. Entweder er erscheint überhaupt nicht zum Unterricht oder er ist vollkommen durcheinander und gar nicht mehr er selbst. Auch sonst scheinen in der Schule mit einem Mal merkwürdige Dinge vor sich zu gehen, und so ist für Lukas klar, dass der Sache auf den Grund gegangen werden muss.
Was er entdeckt, hat nicht nur ihn, sondern vor allem auch mich sehr überrascht: plötzlich taucht Lukas ein in eine Welt, in der Haustiere nicht mehr nur normale Haustiere, sondern insgeheim auch sprechende, auf zwei Beinen laufende Mischwesen sind, die in ihrem zweiten Leben Vorlesungen an der Uni halten... und in der es sprechende, blaue Krokodile gibt. Was schräg klingt, wird bald noch viel schräger, denn die Krokodile, auch Homocrocs genannt, sind gar nicht so einverstanden damit, dass sie ein Leben im Verborgenen führen müssen, und vor allem der berühmt-berüchtigte "Straßenwalze" startet nun den Versuch, die Macht an sich zu reißen und dabei am liebsten gleich die ganze Menschheit zu unterjochen.

Leider war das Buch gar nicht mein Fall. Anfangs hatte ich noch ein recht gutes Gefühl und war neugierig auf die Geschichte, doch dann wurde es einfach nur immer seltsamer und seltsamer. Und, was mich noch mehr gestört hat: Mir haben die Details gefehlt. Details, in denen man mehr über die Figuren erfahren hätte, über ihre Umgebung und ihre Gedanken. Ein bisschen Ausschmückung eben, damit die Geschichte sich nicht liest wie eine Liste, die von Punkt zu Punkt abgearbeitet wird. Und auch Details, die der Verständlichkeit des Buches gedient hätten, wie etwa Informationen darüber, was die verwendeten Begriffe bedeuten und wofür die Abkürzungen stehen. In der Regel musste man sich all das alles selbst erschließen, was bei mir erst zu großer Verwirrung und dann leider auch bald zu noch größerem Verdruss geführt hat. Weil wichtige Informationen erst viel zu spät kommen oder völlig fehlen, war es nicht immer ganz einfach, der Handlung wiklich folgen zu können.
Dazu kommt, dass manchmal auf sehr verwirrende Weise urplötzlich die Szene gewechselt wird, ohne dass das irgendwie kenntlich gemacht worden wäre. So kommt es durchaus vor, dass man liest und liest und sich mitten im Gespräch plötzlich wundern muss, wo denn nun diese und jene Figur auf einmal herkommt, weil es zwar ein Figuren- und Ortswechsel, dafür aber keinen Absatz o.Ä. gab... Was man dann eben erst einige Zeilen später verwirrt feststellt.
Die Protagonisten selbst konnten mich leider auch kaum überzeugen. Sie schwanken zwischen unfassbar nervig (insbesondere Lukas kleine Schwester Linda ist damit gemeint, die ständig im Mittelpunkt stehen möchte und dabei wirklich keine Rücksicht auf Verluste nimmt) und vollkommen unsympathisch, wie es leider auch bei Lukas Katze, dem titelgebenden Eezbeez, der Fall ist. Weshalb er es in den Titel geschafft hat, ist mir übrigens nicht ganz klargeworden: über weite Teile des Buches spielt er überhaupt keine Rolle und wird nichteinmal mehr erwähnt, und wenn er doch mal da ist, ist er irgendwie auch nicht das, was ich mir von ihm erhofft hatte. Aber auch Lukas selbst hat nicht wirklich meine Sympathie erweckt, er war in meinen Augen zu blass und blieb mir seltsam fremd, für mich irgendwie völlig austauschbar.
Vom Schreibstil her war das Buch leider ebenfalls nicht ganz mein Fall...

Insgesamt wirkt das Buch auf mich sehr unausgereift. Die Grundidee ist, wenn auch wirklich schräg, durchaus gut; nur bei der Umsetzung wäre noch sehr viel Luft nach oben gewesen. So hätte ich mir etwa deutlich mehr Details, die die Handlung verständlicher und atmosphärischer machen, und besser ausgearbeitete Figuren, die den Leser abholen und in ihre Welt einführen, gewünscht. Weil das Lesen mitunter doch sehr anstrengend war und nur schleppend vorwärts ging, kann ich dem Buch leider n

Bewertung vom 24.04.2021
Laudatio auf eine kaukasische Kuh
Jodl, Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh


sehr gut

Olga ist angehende Ärztin. Ursprünglich stammen sie und ihre Familie aus Georgien, nun leben sie aber bereits seit einigen Jahren in Deutschland, und während Olga sich insgesamt gut eingelebt hat, halten ihre Eltern in vielen Dingen an den Regeln und Traditionen ihrer alten Heimat fest. So ist es kein Wunder, dass Olga ihnen die Beziehung zu Felix, der mir ihr gemeinsam studiert, verheimlicht. Für sie mag er noch so perfekt sein, ihre Mutter würde eine solche Beziehung niemals gutheißen. Eines Tages lernt Olga den etwas chaotischen Jack kennen, der das genaue Gegenteil von Felix zu sein scheint, und als sie wenig später kurzfristig mit ihrer Familie nach Tiflis reisen muss, folgen ihr beide Männer in die georgische Hauptstadt.

Während Olga mit widerstreitenden Gefühlen zu kämpfen hat und es langsam aber sicher chaotisch um sie wird, erfährt der Leser ganz nebenbei eine Menge über die Kultur und die Einwohner Georgiens. Von sprachlichen Besonderheiten über Weinbau bis zu Hochzeitssitten werden diese Informationen alle gut in die Geschichte miteingebaut und erlauben einen gelungenen und detaillierten Einblick in den kleinen kaukasischen Staat. Dabei kommt natürlich auch die Thematik "Heimat" nicht zu kurz und die Frage danach, wie sehr wir verwurzelt sind im Land unserer Vorfahren.

Der Schreibstil ist durchaus anspruchsvoll, dabei aber unterhaltsam und angenehm und gut zu lesen, sodass es mir nicht weiter schwerfiel, in die Geschichte hineinzufinden. Auch sind die Protagonisten schön ausgearbeitet und Olga war mir sympathisch. Der innere Konflikt, den sie mit sich selbst auszutragen hat, wird schön dargestellt und ihre Entwicklung im Laufe des Buches ist gut nachvollziehbar.

Insgesamt hat mir diese kleine Reise nach Georgien sehr gut gefallen!

Bewertung vom 04.03.2021
Die Sage der Wandler / Touch of Ink Bd.1
Lasthaus, Stefanie

Die Sage der Wandler / Touch of Ink Bd.1


gut

Quinn zieht für ihr Studium nach Nanaimoo, da sie immer öfter mit plötzlichen Aussetzern zu kämpfen hat. Dabei sieht sie Bilder von einem Wald, durch den sie sich sehr schnell zu bewegen scheint. Um die Häufigkeit dieser Attacken wieder zu verringern, ist also dringend ein Tapetenwechsel angesagt, und so zieht Quinn voller Hoffnung und Vorfreude auf das anstehende Studium zu ihrer Schwester. Sie findet eine Freundin an der Uni und dann ist da auch noch Nathan, für den sie Gefühle zu entwickeln beginnt. Doch bald schon muss Quinn erkennen, dass ihr die neue Umgebung keinerlei Besserung verschafft, im Gegenteil. Als dann plötzlich ihre Freundin Maya und einige weitere Personen verschwinden, wird Quinn immer tiefer in eine geheimnisvolle, verborgene Welt hineingezogen...

Ich stand dem Buch etwas skeptisch gegenüber und anfangs sah es auch lange sehr danach aus, als würde sich die Geschichte einfach bloß wie eines der üblichen New-Adult-Bücher entwickeln: Neuanfang in einer fremden Umgebung nach problematischer Vergangenheit, die große Liebe zu einem geheinisvollen Typen, ein paar Probleme und am Ende alles gut.

Das Buch nimmt dann auch nur recht lansam an Fahrt auf, wenn auch die Protagonisten gleich von Anfang an sympathisch sind. Es lässt sich dennoch flüssig lesen und so lässt man die anfänglichen Längen recht schnell hinter sich, bis es dann etwas interessanter wird, als Quinn langsam die Tragweite der Umstände bewusst werden und als man als Leser langsam in die Welt Nathans und der Wandler eingeführt wird.

Wirklich überzeugen konnte mich das Buch insgesamt dennoch nicht vollständig, weil ich erst auf den letzten hundert Seiten die ersehnte Spannung gefunden habe. Es war eine nette Lektüre, viel mehr aber eigentlich auch nicht. Vielleicht kommt die Geschichte in Band 2 schneller in Fahrt, jetzt, wo man als Leser alle Grundbegriffe und Umstände kennt.

Bewertung vom 28.02.2021
Der Zirkus von Girifalco
Dara, Domenico

Der Zirkus von Girifalco


gut

Es ist Sommer im italienischen Dorf Girifalco. Die Dorfbewohner erwarten bereits sehnsüchtig die anstehenden Feiertage zu Ehren des Heiligen San Rocco, als ein verirrter Zirkus auf dem Feld in der Nähe Halt macht und innerhalb weniger Tage das Leben zahlreicher Bewohner grundlegend verändert.

Der Roman ist nicht auf die herkömmliche Weise aus der Sicht eines oder weniger Protagonisten geshrieben, sondern lässt sich vielmehr als eine Art Mosaik aus den Leben vieler einzelner Menschen verstehen, in dessen Mittelpunkt derZirkus steht. Da wäre zum Beispiel Archidemu, dessen Bruder vor vielen Jahren verschwunden ist und der sich seitdem viele Gedanken zum Universum und zum Leben macht; Angeliaddu, der von allen ausgegrenzt wird, da er "gezeichnet" ist und somit ja nur eine Inkarnation des Bösen sein kann; oder Cuncettina, die einfach nicht schwanger werden kann und deren ganzes Leben von dieser Enttäuschung bestimmt wird. Wechselseitig wird die Geschichte nun aus Sicht all dieser Personen erzählt. Mit der Ankunft des Zirkus kommt auch die Hoffnung ins Dorf, und man hofft inständig auf die verschiedensten Wunder.

Ich habe den Roman gerne gelesen, phasenweise war er jedoch recht langatmig. Nicht alle Figuren waren mir sympathisch, die Geschichte mancher wurde mir auf Dauer zu anstrengend und andere habe ich dafür erst mit der Zeit zu schätzen gelernt. Gerade in der ersten Hälfte des Buches hat mir etwas der rote Faden gefehlt, dort waren die Schicksale ein wenig zu lose nebeneinandergestellt und es dauert eine Weile, bis man einen Überblick erhält und das Gefühl bekommt, dass die Geschichte sich entwickelt und in Schwung kommt.

Der Schreibstil hat mir gut gefallen und auch der Flair des kleinen italienischen Dörfchens mit seinen teils sehr skurrilen Einwohnern wurde gut eingefangen; man konnte sich - wie die Zirkusfamilie - als "Fremder" gut in diese Kulisse einfühlen, in dieses Puzzle aus Menschen, die einen Einblick sowohl in ihr ganz alltägliches Leben als auch in ihre tiefsten, intimsten Wünsche erlauben. Fast spürt man beim Lesen selbst die aufgeregte, erwartungsvolle Sehnsucht, die sich beim Anblick der Zirkuszelte unter den Dorfbewohnern ausbreitet, die Freude auf die abendlichen Vorstellungen, die längst vergessen Geglaubtes in Erinnerung rufen und schon lange Aufgegebenes plötzlich möglich zu machen scheinen.

Melancholisch und mit seiner poetischen Sprache entführt "Der Zirkus von Girifalco" den Leser nicht nur in ein kleines, kalabrisches Dörfchen, sondern auch in eine Welt voller Magie und Vertrauen ins Leben. Mir hat diese Reise gut gefallen, ich hätte aber einige Längen gerne gestrichen und mir weniger häufige Perspektivwechsel gewünscht.

Bewertung vom 17.02.2021
Die Mitternachtsbibliothek
Haig, Matt

Die Mitternachtsbibliothek


gut

In Noras Leben ist nichts mehr so, wie sie es mal wollte. Hinter ihr liegen zahlreiche Entscheidungen, die sie im Nachhinein bereut: etwa, dass sie das Schwimmen aufgegeben hat, obwohl sie großes Potenzial hatte. Oder, dass sie aus der Band ihres Bruders ausgetreten ist; dass sie doch nicht Gletscherforscherin geworden ist und dass sie eine Einladung zum Kaffeetrinken ausgeschlagen hat. Schon lange hat Nora mit Depressionen zu kämpfen. Als sie dann auch noch ihren Job verliert und ihr Kater stirbt, weiß Nora: Sie kann das nicht mehr. Sie beschließt, sich umzubringen, indem sie eine Überdosis Tabletten schluckt - und erwacht plötzlich in einer endlosen Bibliothek wieder. Dort trifft sie auf ihre ehemalige Schulbibliothekarin, die ihr eröffnet, jedes der Bücher berge ein alternatives Leben, ein Paralleluniversum, in dem Nora gelandet wäre, wenn sie einzelne Entscheidungen anders getroffen hätte. Nora hat nun die Möglichkeit, in diese Leben hineinzuschlüpfen, so lange, bis sie das Leben findet, das sie sich tief im Inneren wünscht.

Der Gedanke hinter dem Buch gefällt mir ausgesprochen gut - wer hat sich noch nie gefragt, was gewesen wäre, wenn man sich bei dieser einen Sache anders entschieden hätte? Ob man damit auf Dauer nicht glücklicher geworden wäre? Wie das das Leben beeinflusst hätte, wem man dann alles begegnet wäre und wem nicht, wo man dann wohl gerade wäre etc. Schon kleinste Entscheidungen können das Leben enorm beeinflussen. Wäre der Tag gleich verlaufen, wenn ich morgens 10 Minuten früher oder später aus dem Haus gegangen wäre? Wie spannend es wäre, all das herausfinden zu können!

Dennoch hat mich vor allem eines gestört: Nora bekommt zwar die Möglichkeit, einen Einblick in all diese Leben zu erhalten, aber oft sind es nur Kleinigkeiten, die am Ende dazu führen, dass sie sich gegen das jeweilige Leben entscheidet. Sobald sie auf etwas stößt, dass nicht perfekt ist, landet sie wieder in der Mitternachtsbibliothek. Muss denn wirklich alles perfekt sein, damit ein Leben "richtig" für uns ist? Kommt es wirklich darauf an, dass wir mit jedem noch so kleinen Aspekt vollkommen glücklich und zufrieden sind? Diese Botschaft hat mich dann doch ein wenig irritiert.

Gegen Ende des Buches geht dann auch plötzlich alles ganz schnell - die Ausführlichkeit, mit der Haig zuvor die verschiedenen Leben beschrieben hat, geht plötzlich verloren und es wirkt auf mich so, als habe er das Ganze nun möglichst schnell zu Ende bringen wollen. Es wird plötzlich hektisch und chaotisch und das Buch endet recht abrupt.

Aber ich will mich nicht nur beschweren, über weite Strecken hat mir das Buch trotz allem gut gefallen, es bietet auf jeden Fall viel Stoff zum Nachdenken. Da Nora in ihrem Ursprungsleben Philosophie studiert hat, finden auch einige Philosophen wie insbesondere Thoreau, aber auch Russell, Platon oder Aristoteles Eingang in die Geschichte. Das Buch lässt sich sehr angenehm und zügig lesen und ist trotz der zugrundeliegenden Thematik Depression und Selbstmord sehr humorvoll geschrieben.

Insgesamt ein schönes Buch, das mich aber nicht vollkommen überzeugen konnte.

Bewertung vom 13.02.2021
Big Sky Country
Wink, Callan

Big Sky Country


sehr gut

August verbringt seine Kindheit auf einer kleinen Farm in Michigan. Seit sein Vater ein Verhältnis zu einer Hilfsarbeiterin hat, wohnt seine Mutter in einem Häuschen auf dem selben Gelände. Irgendwann trennen sich die beiden und August zieht mit seiner Mutter nach Montana, wo er das College besucht, bevor er nach seinem Abschluss auf einer Ranch zu arbeiten beginnt.

Insgesamt mochte ich das Buch, wenn es mich auch nicht vollständig überzeugt hat. Gerade zu Anfang gibt es einige unschöne Szenen, in denen August sich sein Taschengeld mit dem Töten von Katzen verdient, später umgibt sich August vermehrt mit Menschen, die glauben, Probleme vor allem mit Alkohol und Schlägereien lösen zu können.

Davon abgesehen hat mich aber irgendetwas an dem Buch gepackt, vielleicht war es die unaufgeregte Erzählweise. Wirkliche Spannung in dem Sinne gibt es nicht, dennoch wurde es mir beim Lesen nie langweilig. Auch August selbst lässt sich so schnell durch nichts aus der Ruhe bringen, man erfährt tatsächlich erstaunlich wenig über ihn, da er weder seinen Mitmenschen gegenüber sehr gesprächig ist, noch eine lange Erörterung seiner Gedanken und Gefühle stattfindet. Ich habe seine entspannte Art aber durchaus sehr geschätzt, und trotz wie gesagt einiger weniger schönen Szenen mochte ich die Atmosphäre des Buches. Vielleicht waren es auch gerade diese Textstellen, die dazu beigetragen, dass Augusts Leben so glaubhaft und realistisch wirkt - alles ist ungeschönt und ehrlich, auch die unangenehmen, ungerechten und grausamen Seiten des Lebens werden nicht verschwiegen. Ich habe es gerne gelesen.

Bewertung vom 16.01.2021
Bildvagabunden
Keidner, S.C.

Bildvagabunden


ausgezeichnet

"Feuerpalast" ist der vierte und letzte Teil der Bildvagabunden-Reihe. Darin reisen Caro und Ryu mithilfe von Wandersteinen durch spezielle Bilder in die jeweils darauf abgebildete Welt. Nachdem ihnen im vorherigen Band nur knapp die Flucht aus dem Dämmerreich gelungen ist, befinden sie sich nun tatsächlich in Abkindha - der Welt, in der sie die Gilde der Bildvagabunden anzutreffen hoffen, um mit deren Unterstützung endlich einen Weg zurück auf die Erde und in den Mamorpalast zu finden. Tatsächlich werden die beiden in der neuen Welt überraschend freundlich in Empfang genommen, denn Bildvagabunden sind hier im Gegensatz zu allen bisherigen Welten ein akzeptierter Bestandteil der Gesellschaft. Sogar der Tanios, der Herrscher Abkindhas, möchte Caro und Ryu persönlich kennenlernen. Doch steckt dahinter wirklich bloß das Interesse an Geschichten aus fremden Welten, oder hat der Tanios es auf etwas anderes abgesehen?

Auch Banor, ein Mavrosryk, der Caro und Ryu eigentlich im Dämmerrreich gefangennehmen wollte, ist wohlbehalten in Abkindha angelangt - gegen seinen Willen allerdings, denn er wusste bisher nichts von den Bilderreisen. Kein Wunder also, dass er Caro und Ryu nicht auf ihrem Weg zur Gilde begleiten, sondern sich zunächst ins Hinterland begeben möchte. Dabei trifft er auf Rebellen, die gute Gründe haben, den aktuellen Tanios zu stürzen. Als Krieger und Feind der vom Tanios unterstützten Bildvagabunden schließt Banor sich ihnen kurzerhand an.

Die Handlung knüpft nahtlos an die von Band 3 an, während des Lesens kommen aber schnell nach und nach alle Erinnerungen zurück, sodass das kein Problem darstellt. Es gibt wieder zwei Handlungsstränge. Den von Caro & Ryu, der zunächst hauptächlich in der Stadt bzw. der Gilde spielt, wo die beiden in der Bibliothek das Wissen über die Welten aktualisieren, die sie bereist haben; und den um Banor, welcher sich den Rebellen angeschlossen hat. Beide Handlungsstränge sind spannend geschrieben, und gerade durch Banor als Protagonist kommt eine interessante zweite Perspektive mit in die Geschichte hinein.

Mag man zunächst noch denken, dass die Weiterreise hier kein großes Problem werden sollte - immerhin müssen sich die Bildvagabunden nicht versteckt halten und bekommen sogar offizielle Unterstützung - wird bald deutlich, dass es so einfach dann doch nicht werden soll. Denn schnell wird klar, dass der Tanios insbesondere Ryus Fähigkeiten für sich nutzen möchte, um das Aufbegehren der Rebellen im Keim zu ersticken, bevor es ihm gefährlich werden kann. Das bringt Caro und Ryu in eine Zwickmühle, wollen sie doch eigentlich nichts anderes, als einfach nur schnellstmöglich nach Hause zurückzukehren. Und erst recht wollen sie nicht in einen Krieg mit hineingezogen werden.

Die Spannung ist also von Anfang an da und wird auch bis ganz zum Schluss aufrechterhalten. Es gibt einige überraschende Wendungen und Entwicklungen, und auch Abkindha ist als Welt durch ihre individuelle Gestaltung wieder gut von den vorherigen unterscheidbar, sodass es auch in diesem Punkt nicht langweilig wird. Zusätzlich gibt es mehrere Nebenfiguren, von denen eine eine ganz besondere Rolle einnimmt und sehr interessant gestaltet ist.

Insgesamt hat mir hat auch dieser letzte Ausflug in die Bilderwelten wieder sehr gut gefallen! "Feuerpalast" ist ein schöner Abschluss dieser spannenden Reihe, die mir beim Lesen große Freude bereitet hat und mich am Ende zufrieden zurücklässt. Und ich werde ab jetzt definitiv ein Auge auf verdächtig wirkende Bilderrahmen haben, man weiß ja nie!