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Readaholic

Bewertungen

Insgesamt 357 Bewertungen
Bewertung vom 04.06.2023
Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen
Ironmonger, John

Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen


ausgezeichnet

Eine Wette und ihre Folgen
Der Student Tom Horsmith trifft im Pub seines Heimatortes St. Piran auf den Politiker Monty Causley, den er als Lügner bezeichnet, weil er keines seiner Wahlversprechen eingelöst hat. Sie diskutieren über den Klimawandel, den Causley leugnet, und schließen eine Wette ab, die weitreichende Auswirkungen auf ihrer beider Zukunft hat.
Im Laufe ihres Lebens treffen sie immer wieder aufeinander und bestimmen das Schicksal des jeweils anderen.
John Ironmonger ist es mit diesem Roman gelungen, dem Leser wichtige Fakten über den Klimawandel und die damit zusammenhängenden Probleme wie Artenschwund auf informative und gleichzeitig unterhaltende Weise nahezubringen. Wir begleiten die Hauptpersonen durch ihr Leben, von Cornwall nach Grönland. In welcher Zeit die Geschichte spielt, wird nicht explizit genannt, doch offenbar in der nicht allzu fernen Zukunft. Ich war mir nicht sicher, ob mir dieser Roman gefallen wird, denn ich habe befürchtet, mit erhobenem Zeigefinger belehrt zu werden, doch das war ganz und gar nicht der Fall.
Ironmonger schafft es immer wieder, den Leser durch unerwartete Ereignisse zu überraschen. Ein äußerst lesenswertes Buch, dessen ausschweifende Naturbeschreibungen manchen als Längen erscheinen mögen, mir haben sie gefallen.

Bewertung vom 23.05.2023
Komplizin
Li, Winnie M

Komplizin


sehr gut

Wie hungrig bist du?
Diese Frage bekommt Sarah Lai, Associate Producer einer kleinen Filmgesellschaft, eines Tages von Hugo North gestellt, dem Milliardär, der beschlossen hat, einen Teil seines immensen Vermögens in die Gesellschaft zu stecken. Mit „hungrig“ ist allerdings der Hunger nach Karriere, Ruhm und Geld gemeint.
Sarah Lai erzählt von ihren Anfängen in der Branche, wie sie sich als kleine unbezahlte Assistentin nach oben gearbeitet hat. Zuerst muss sie Drehbücher noch heimlich lesen, da sie lediglich für Telefonate und kleinere Verwaltungsaufgaben zuständig ist, später wird dank ihrer Verbesserungsvorschläge aus einem Allerweltsdrehbuch eines, dessen Verfilmung eine Auszeichnung bei den Golden Globes erhält. Den Ruhm dafür heimsen allerdings andere ein.
Als Leser bekommt man einen Eindruck davon, was sich in Hollywood hinter den Kulissen abspielt. Dass junge Frauen von älteren reichen und einflussreichen Männern angebaggert werden, ist nichts Neues. Manche lassen sich gerne abschleppen, da sie sich davon Vorteile versprechen, andere, wie die Ich-Erzählerin selbst, sind geschockt, was sich viele, die in der Filmindustrie das Sagen haben, herausnehmen und mit welcher Selbstverständlichkeit dies geschieht.
Ich habe „Komplizin“ mit Interesse gelesen, allerdings hätte es für meinen Geschmack durchaus gekürzt werden können, ohne an Dringlichkeit zu verlieren. Das Buch liest sich ein wenig wie ein Tagebuch, jedoch beleuchtet es nur Sarahs Berufsleben. In den Jahren, die sie für die Filmgesellschaft arbeitet, ist kein einziges Mal die Rede von irgendwelchen Beziehungen oder Freundschaften, wenn man von der Freundschaft zu einer Schauspielerin absieht, die allerdings nur für die Dauer der Dreharbeiten anhält. Dass dieser Roman „noch jahrelang nachhallen wird“, wie auf der Titelseite verkündet, wage ich zu bezweifeln.

Bewertung vom 15.05.2023
Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1
Bonetto, Andrea

Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1


sehr gut

Neuanfang mit Herausforderungen
Nach dem Tod seines Vaters erbt Commissario Vito Grassi dessen abgelegenes Haus in Cinque Terre und lässt sich kurzentschlossen von Rom nach Ligurien versetzen. Die Kinder sind erwachsen und Vito und seine Frau Chiara leben nur noch nebeneinanderher, es ist Zeit für einen Neuanfang.
Gleich am ersten Tag nach seiner Ankunft erfährt er von einem Todesfall in einem Tunnel. Was zunächst wie ein Unfall aussieht, entpuppt sich als Mord und Vito muss sein Können unter Beweis stellen. Wenig später wird eine zweite Leiche gefunden, ausgerechnet in der Nähe seines Grundstücks.
Wie bei Regionalkrimis so üblich, spielen Land und Leute eine große Rolle. Die Landschaftsbeschreibungen des Cinque Terre und die eingestreuten italienischen Sätze haben mir gut gefallen, weil ich gemerkt habe, dass ich doch noch nicht alles Italienisch vergessen habe. Vito Grassi wird als kauziger und eigenwilliger Einzelkämpfer dargestellt, der andere gern brüskiert, aber auch seine sympathischen Seiten hat. Seine jüngere Kollegin Marta Ricci und er haben einen eher holprigen Start miteinander, doch mit der Zeit kommen sie gut miteinander klar. Ähnlich verhält es sich mit Toni, einer Mitbewohnerin seines Vaters, die anscheinend schon seit Jahren im Haus wohnt und offensichtlich etwas zu verbergen hat.
Die Kriminalfälle fand ich nicht sonderlich spannend und die Auflösung etwas konstruiert, aber dieser erste Band einer neuen Reihe hat mich trotzdem gut unterhalten. Ich mag den Humor und die Sprache des Autors. Den Anfang des Buchs fand ich richtig gut, gegen Ende ist es für meinen Geschmack etwas zu sehr in die Länge gezogen. Wer italienisches Flair und entspannte Lektüre sucht, ist hier genau richtig.

Bewertung vom 11.05.2023
So weit der Fluss uns trägt
Read, Shelley

So weit der Fluss uns trägt


ausgezeichnet

Hat mich sehr berührt
Die 17-jährige Victoria lebt mit ihrem Vater, ihrem nichtsnutzigen jüngeren Bruder und dem kriegsversehrten Onkel auf einer kleinen Farm in Colorado. Seit sie ihre Mutter bei einem Unfall verloren hat, muss sie deren Haushaltspflichten übernehmen. Sie ist mit ihrem Leben zufrieden, denn sie kennt nichts anderes.
Als sie eines Tages im Dorf den charismatischen jungen Indianer Will Moon sieht, verlieben sich die beiden auf den ersten Blick und fangen an, sich heimlich zu treffen. Es ist das Jahr 1948 und eine Beziehung zwischen einem Indianer und einer Weißen wird im ländlichen Colorado nicht gern gesehen. Bald kursiert das Gerücht, Will sei ein Verbrecher, und es wird ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Die Liebe zwischen Will und Victoria ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Als Victoria feststellt, dass sie schwanger ist, verlässt sie die Farm, um in der Fremde ein neues Leben zu beginnen. Wir begleiten Victoria durch die Höhen und Tiefen ihres Lebens, von 1948 bis ins Jahr 1971. „So weit der Fluss uns trägt“ besticht durch dramatische Handlung, wunderschöne poetische Sprache und bildgewaltige Naturbeschreibungen. Ich habe mit Victoria Liebe und Hass, Angst und Glück und die ganze Palette an menschlichen Emotionen durchlebt. Es ist ein Buch, das mich zutiefst berührt hat. Normalerweise bin ich eher skeptisch, wenn ein Buch auf dem Cover überschwänglich gelobt wird, doch hier teile ich die Meinung, dass es ein großer Erfolg werden wird. Ein ganz und gar wundervoller Debütroman!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.05.2023
Nachts ist man am besten wach
Sanders, Kristina

Nachts ist man am besten wach


ausgezeichnet

Der Club der Schlaflosen
Seit dem Tod ihrer Mutter, die sie jahrelang gepflegt hat, liegt Sophia nachts wach. Ihr Mann hat sie vor einem Jahr für eine Jüngere verlassen, mit der er nun gern in die Villa einziehen würde, die Sophia bewohnt. Schließlich ist die Villa seiner Meinung nach für eine Person viel zu groß. Dass es sich dabei um Sophias Elternhaus handelt, tut nichts zur Sache. Sophia weiß nicht mehr ein noch aus, denn mit ihren Finanzen steht es auch nicht zum Besten.
Eines Nachts, als sie mal wieder schlaflos ist, fragt sie auf Twitter, ob es im Raum Hamburg noch mehr Schlaflose wie sie gibt. Die ersten, die sich melden, sind Margarete, Klara und Katharina, die alle ihre eigenen Probleme haben.
Zunächst treffen sich die Frauen jede Nacht auf Twitter, bald gehen sie zu Zoom-Meetings über. Obwohl alle vier grundverschieden sind und auch mit völlig unterschiedlichen Problemen zu kämpfen haben, verstehen sie sich hervorragend und unterstützen sich gegenseitig. Nach kurzer Zeit treffen sie sich auch persönlich und es entwickeln sich richtig schöne Freundschaften. Gemeinsam schaffen sie es, Lösungen für ihre Probleme zu finden.

Was mir an diesem Hörbuch ganz hervorragend gefallen hat, ist die Sprecherin Katja Danowski. Ihre ruhige, bedächtige Sprechweise passt ganz hervorragend zu der vorsichtigen Sophia, die sich viele Dinge nicht traut, weil sie verlernt hat, auf eigenen Beinen zu stehen. Nachdem ich das Hörbuch fertig gehört hatte und es mich wirklich sehr gut unterhalten hat, habe ich die Autorin gegoogelt und festgestellt, dass sie hier unter einem Pseudonym schreibt. Ihre früheren Romane hätten mich von der Aufmachung her – typische Wohlfühl-Frauenromane mit Blümchen und verschnörkelter Schrift – mit Sicherheit abgeschreckt, so dass ich mir dieses Hörbuch erst gar nicht angehört hätte, was wirklich schade gewesen wäre. Mir hat das Hörbuch sehr vergnügliche Stunden bereitet.

Bewertung vom 29.04.2023
Wenn Worte töten / Hawthorne ermittelt Bd.3
Horowitz, Anthony

Wenn Worte töten / Hawthorne ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Literaturfestival mit Überraschungen
Der Schriftsteller Anthony Horowitz wird von seinem Verlag gebeten, an einem Literaturfestival auf der Kanalinsel Alderney teilzunehmen. Dabei soll ihn der Ex-Polizist und Privatdetektiv Daniel Hawthorne begleiten, dessen Ermittlungserfolge Horowitz bereits in zwei Büchern beschrieben hat. Wie sich herausstellt, ist das Interesse der Leserschaft an Hawthorne weitaus größer als an Horowitz, was diesem natürlich missfällt, doch ein paar Tage Auszeit auf einer beschaulichen Insel können nicht schaden, also sagt Horowitz zu. Außerdem erhofft er sich, den sehr zurückhaltenden Detektiv etwas näher kennenzulernen.
Die anderen Teilnehmer des Festivals sind ein bunt gemischtes Grüppchen: ein lokaler Historiker, ein Fernsehkoch, eine französische Performancekünstlerin, die ihre Werke in einem Dialekt vorträgt, den keiner versteht, eine blinde Seherin und eine Kinderbuchautorin. Es verspricht, ein ziemlich ereignisloses Event zu werden, doch dann geschieht ein Mord. Der Mäzen des Festivals, ein schwerreicher Unternehmer, der auf der Insel ziemlich verhasst ist, weil er eine Stromtrasse quer durch Alderney führen will, wird tot aufgefunden. Kurz danach wird eine weitere Leiche gefunden. Die völlig überforderte örtliche Polizei, die noch niemals mit einer Mordermittlung zu tun hatte, bittet Hawthorne um Mithilfe. Natürlich ist auch Horowitz als Assistent bei den Ermittlungen dabei, schließlich besteht die Möglichkeit, einen Roman über die Morde zu schreiben, sofern es Hawthorne gelingt, sie zu lösen.
Ich habe mich sehr auf diesen dritten gemeinsamen Fall des Teams Hawthorne/Horowitz gefreut und wurde auch dieses Mal nicht enttäuscht. Es ist herrlich, mit welcher Selbstironie Horowitz über sich selbst schreibt. Ich liebe seinen Humor und Schreibstil sowie die Art seiner Krimis, typisch britischer whodunits im Stil von Agatha Christie. Natürlich werden etliche „red herrings“, falsche Fährten, präsentiert, schließlich gibt es eine Vielzahl von Menschen auf der Insel, denen das Mordopfer ein Dorn im Auge war. Hawthorne ist ein Ermittler mit einer einzigartigen Beobachtungsgabe, es macht Spaß zu lesen, welche Schlüsse er aus den alltäglichsten Situationen zieht.
Mir hat auch dieser dritte Roman der Reihe sehr gut gefallen und mich hervorragend unterhalten.

Bewertung vom 23.04.2023
Die Sekunde zwischen dir und mir
Steele, Emma

Die Sekunde zwischen dir und mir


gut

Rückblick auf ein Leben innerhalb einer Sekunde
Jenn und Robbie scheinen das perfekte Paar zu sein, doch dann passierte etwas, was Jenn dazu veranlasst, Schottland von heute auf morgen zu verlassen und auf Reisen zu gehen, was für die junge, pflichtbewusste Ärztin äußerst untypisch ist. Nach acht Monaten kehrt sie zurück. Eigentlich wollte sie nicht mehr mit Robbie zusammenkommen, doch die Anziehung ist immer noch da. Nach einer gemeinsamen Nacht sitzen sie zusammen im Auto. Plötzlich rast ein LKW auf sie zu, ein Entkommen scheint unmöglich. In diesem Moment hat Jenn eine Nahtoderfahrung: ihr Leben läuft wie ein Film vor ihrem inneren Auge ab. Dabei springen ihre Erinnerungen in der Zeit hin und her, was am Anfang sehr verwirrend ist.
So weit, so gut. Allerdings wird es jetzt wirklich seltsam, denn nicht nur Jenn sieht ihre Erinnerungen, sondern Robbie ist als stiller Gast in den Erinnerungen zugegen. Er spürt Jenns Gefühle: Freude, Kummer, Enttäuschung, die Liebe, die in den frühen Tagen ihrer Beziehung zwischen ihnen herrschte. Kurz vor der LKW auftauchte, wollte Jenn ihm etwas Wichtiges sagen, doch es kam nicht mehr dazu. Robbie ist sicher, wenn er herausfinden kann, um was es sich handelt, kann er den Unfall abwenden. Wie er auf diese Idee kommt und vor allem, wie er dadurch den Unfall verhindern will, war mir bis zum Schluss nicht klar. Sehr seltsam ist außerdem, dass Robbie sich sozusagen als Geist in Jenns Erinnerungen bewegt, er kann mit ihr sprechen, sie anfassen, er kann Dinge bewegen und eine Botschaft in den Sand schreiben, doch er ist unsichtbar.
Eigentlich ist die Geschichte gut erzählt und den Ansatz, eine Beziehung in Rückblicken zu erzählen, fand ich auch nicht schlecht. Allerdings ergibt es für mich absolut keinen Sinn, dass Jenn in der Sekunde zwischen dem Auftauchen des LKWs und dem Aufprall 400 Seiten an Erinnerungen sehen soll, darunter auch ziemlich unwichtige Situationen.
Alles in allem ist „Die Sekunde zwischen dir und mir“ kein schlechtes Buch, doch man darf nicht nach Logik fragen, und die vielen Wiederholungen und Beschreibungen von Alltagssituationen machen die Geschichte vor allem gegen Ende mühsam zu lesen. Es ist eines jener Bücher, die man zwischendurch mal lesen kann, die aber, zumindest bei mir, keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Bewertung vom 15.04.2023
Seemann vom Siebener
Frank, Arno

Seemann vom Siebener


ausgezeichnet

Tiefgründiger als zunächst angenommen
Ottersweiler ist ein kleines pfälzisches Dorf mit einem schönen Freibad. Dort treffen sich an diesem heißen Sommertag die unterschiedlichsten Leute. Dauerschwimmer, die jeden Tag dort anzutreffen sind wie die ehemalige Lehrerin Frau Trautmann, und andere, die schon jahrelang nicht mehr dort waren wie der bekannte Fotograf Lennart, den es in die USA verschlagen hat und der nur deshalb in den Ort seiner Kindheit zurückgekehrt ist, weil sein ehemals bester Freund Max am Abend beerdigt wird. Dann ist da noch das namenlose Mädchen, dem das Buch seinen Titel verdankt, denn sie will an diesem Tag ein Trauma überwinden und einen Seemann, eine Art Kopfsprung, vom Sieben-Meter-Brett hinlegen. An der Kasse des Schwimmbads sitzt Renate, die sich die Zeit mit Kreuzworträtseln vertreibt und nicht zu vergessen das Urgestein des Schwimmbads, der Bademeister Kiontke, der mir im Lauf des Buchs immer sympathischer wurde.
„Seemann vom Siebener“ ist in drei Teile unterteilt. Im ersten Teil werden die Personen vorgestellt, allerdings auf eine für mich sehr verwirrende Weise. Beispielsweise ist mal von Isobel die Rede, dann wieder von Frau Trautheimer. Zu Beginn weiß man nicht, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt. Es sind Puzzlestücke, die noch nicht zusammenpassen. Am Ende dieses Abschnitts war ich ziemlich enttäuscht und der Meinung, dass mir dieses Buch nicht gefallen wird. Doch schon im zweiten Abschnitt ändert sich das Bild. Man beginnt Zusammenhänge zu sehen oder zumindest zu erahnen. Im dritten Abschnitt steuern die Ereignisse auf einen dramatischen Höhepunkt zu, dessen Ausgang allerdings offenbleibt. Sicher ist jedoch, dass dieser Tag im Schwimmbad für jede der Hauptpersonen eine Veränderung herbeigeführt hat.
Sehr schön ist im Übrigen auch die Beschreibung der Atmosphäre des Schwimmbads: die Betonstufen, auf denen sich die Sonnenhungrigen tummeln, nach dem Motto „sehen und gesehen werden“, die jugendlichen Turmspringer, der Frittenduft, der vom Kiosk her über das Becken weht und natürlich die Trägheit eines heißen Sommertags.
Ein wirklich beeindruckendes Buch, in dem allerdings vieles nur angedeutet wird und somit Platz für Spekulation lässt. Wenn ich das Buch nicht im Rahmen einer Leserunde gelesen hätte, wäre mir mit Sicherheit manche Andeutung und Interpretation entgangen. Ein Buch, bei dem sich das Durchhalten lohnt, denn der erste Eindruck täuscht. Es ist weitaus tiefgründiger als der Beginn vermuten lässt.

Bewertung vom 13.04.2023
Und morgen ein neuer Tag
Alexander, Claire

Und morgen ein neuer Tag


weniger gut

Was für ein langweiliges Buch
Die Leseprobe klang ganz vielversprechend. Eine Frau, die seit drei Jahren ihre Wohnung nicht mehr verlassen hat, sich aber ihren Weg ins Leben zurückerkämpfen will. Leider ist der Weg dorthin unglaublich langatmig und langweilig. Wir erfahren, welche und wie viele Muffins Meredith bäckt, welche Puzzles mit wie vielen Teilen sie legt und der dramatische Höhepunkt besteht darin, dass ihr Kater für ein paar Tage verschwindet. Auf den Grund, weshalb sie sich in ihrer Wohnung verkriecht, muss man lange warten. Ihre Freundin Sadie scheint ganz nett zu sein und Tom, der sie einmal die Woche besucht, ebenfalls, aber warm wurde ich mit keiner der Personen, mit Meredith selbst am allerwenigsten. Die Mutter war Alkoholikerin, die ihre Töchter vernachlässigte. In Rückblicken erfährt man so manches unschöne Detail aus Merediths Kindheit. Trotzdem blieb mir Meredith fremd und ich konnte keinerlei Empathie zu ihr aufbauen.
Das erste Drittel des Buchs war noch ganz interessant, aber danach empfand ich die Lektüre als reine Zeitverschwendung. Den Schluss habe ich nur noch quergelesen. Leider für mich keineswegs der berührendste Roman des Jahres wie auf dem rückwärtigen Cover angekündigt, sondern der erste richtige Flop des Jahres.

Bewertung vom 08.04.2023
Institut für gute Mütter
Chan, Jessamine

Institut für gute Mütter


ausgezeichnet

Der Albtraum jeder Mutter
Die alleinerziehende Frida hat einen schlechten Tag. Ihre kleine Tochter schreit in einem fort, Frida leidet unter Schlafentzug und muss eine berufliche Deadline erfüllen. Sie trifft die schlechteste Entscheidung ihres Lebens: sie lässt ihre kleine Tochter allein, um ins Büro zu fahren und Unterlagen zu holen. Ein Nachbar alarmiert die Polizei und das Unheil nimmt seinen Lauf. Die kleine Harriet wird in die Obhut ihres Vaters und dessen neuer Lebensgefährtin gegeben, Frida wird das Sorgerecht entzogen und sie wird dazu verurteilt, ein Jahr lang ein Institut für gute Mütter zu besuchen. Dort soll sie anhand einer KI-Puppe, die ihrer Tochter Harriet nachempfunden ist, üben, die künstliche Tochter über alle anderen Bedürfnisse zu stellen.
Mit Eintritt in das Institut verlieren die Mütter sämtliche Rechte. Sie werden gedemütigt und müssen mantrahaft wiederholen, dass sie schlechte Mütter sind, aber lernen, bessere Mütter zu werden. Die Methoden, mit denen ihnen dies beigebracht werden soll, sind äußerst fragwürdig, ihre Persönlichkeitsrechte werden mit Füßen getreten. Manche Frauen zerbrechen daran, es kommt zu Selbstmorden und Fluchtversuchen. Die Chance, nach Ablauf des Jahres als gute Mutter angesehen zu werden und das eigene Kind zurückzubekommen, sind verschwindend gering. Entsprechend deprimierend und aufwühlend ist die Lektüre dieses dystopischen Romans. War mir Frida zu Beginn der Geschichte fremd und nicht gerade sympathisch – welche Rabenmutter lässt schon ihr eineinhalbjähriges Kind allein zuhause?! – so habe ich mich doch immer mehr mit ihr verbunden gefühlt und mit ihr gelitten und (wider besseres Wissen) gehofft.
Ich fand die Lektüre sehr bedrückend und doch konnte ich sie fast nicht aus der Hand legen. Von mir eine klare Leseempfehlung!