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FrauSchafski

Bewertungen

Insgesamt 131 Bewertungen
Bewertung vom 27.04.2019
Die Letzte Melderin
Spitzer, Michael G.

Die Letzte Melderin


gut

Quo vadis?

Begleitend zu dieser Dystopie nahm ich an einer Leserunde teil, die vom Autor selbst veranstaltet wurde. Das war gut, denn ohne seine Erläuterungen hätte ich insgesamt einen schlechteren Eindruck von diesem Buch. Gezeigt hat es mir vor allem eines: Das, was ich lese, muss nicht unbedingt das sein, was der Autor beabsichtigt. Gleichzeitig würde ich behaupten wollen, dass es doch eben darum gehen sollte, die Leser da hinzubekommen, wo man sie haben möchte.

Woran liegt es, dass das bei diesem Buch für mich nicht so richtig funktioniert, das habe ich mich lange gefragt. Irgendwann kam ich der Antwort dann etwas näher: Mir fehlte der Zugang zur Hauptfigur Dan, die emotional sehr verschlossen wirkt, sodass ich ihre Handlungen und Entscheidungen oft nicht nachvollziehen konnte. Häufig kam sie mir wie ein Roboter vor, die die ihr auferlegte Aufgabe in dieser dystopischen Welt immer weiterverfolgt, egal, ob sie gerade einen wichtigen Menschen verloren hat oder nicht.

Was auch sehr schwierig war: Wie ich vom Autor erfahren habe, ist dieser Mehrteiler eigentlich ein einziges, mehr als 1000 Seiten starker Wälzer, der aufgeteilt wurde. Und das merkt man leider sehr deutlich. Dieser Teil endet abrupt, quasi mittendrin und lässt dadurch nahezu jede Frage offen, die ein Leser sich bei dieser doch sehr komplex konstruierten Dystopie stellen kann. Hinzu kommt: Der zweite Teil ist noch nicht erschienen, sodass es eines guten Gedächtnisses erfordert, den ersten Band zu erinnern. Daraus habe ich jedoch eines gelernt: Nicht jede*r Autor*in kann publizieren, wie sie*er will, vermutlich ist es schon schwer genug, überhaupt von einem Verlag angenommen zu werden. Und als relativ Unbekannte*r gleich einen 1000-Seiter auf den Markt zu bringen ... seien wir ehrlich, da traut sich doch keiner ran.

Fazit: Letztlich lande ich bei drei Sternen. Ich denke, Michael G. Spitzer kann durchaus noch an seinem Stil feilen, um alles etwas „runder“ zu machen. Insgesamt ist es ein interessantes Szenario, was er hier spinnt, jedoch hängt es ohne die Beantwortung wenigstens ein paar der relevanten Fragen irgendwie im luftleeren Raum.

Bewertung vom 14.04.2019
Vater unser
Lehner, Angela

Vater unser


sehr gut

Der Leser als Psychiater

Mit großer Bestürzung habe ich diesen Roman zur Seite gelegt und musste mich erst einmal sammeln, zu sehr hat mich der Strudel tief hinein in Eva Grubers Kopf mitgenommen. Eine Figur, die mir so noch nicht begegnet ist. Von ihr und ihrer subjektiven Weltsicht lebt dieser ganze Roman.

Wir befinden uns in einer Psychiatrie, das wird schnell klar, und Eva wird gerade eingewiesen. Warum, bleibt Spekulation. Der erste Eindruck von unserer Protagonistin lässt vermuten, dass es gar nicht so schlimm sein kann, denn sie sammelt Sympathiepunkte durch ihren schnoddrig, derben Humor, der zum Zynismus tendiert. Doch je weiter wir in der Geschichte voranschreiten, je mehr wir von Eva erfahren, umso düsterer und erschreckender wird dieses Bild. Und dabei können wir uns nie sicher sein, dass das, was die Ich-Erzählerin da so von sich gibt, auch der Wahrheit entspricht. Selten habe ich eine so unzuverlässige Erzählerin erlebt, die den Leser dazu zwingt, ständig zwischen den Zeilen zu lesen und nach Erklärungen für ihr Verhalten zu suchen. Im Prinzip wird jeder Einzelne zum Psychiater. Diese Protagonistin polarisiert und genau das will sie auch. Es ist ein Schutzpanzer, den sie um ihr traumatisiertes Inneres gebaut hat, in Form von entwaffnendem Humor, schonungsloser Ehrlichkeit, aber auch gewalttätigen Ausbrüchen. All das ist sprachlich von der Autorin so treffend umgesetzt, dass man vor ihrem Debütroman nur den Hut ziehen kann. Ich schätze, von Angela Lehner werden wir noch einiges hören.

Fazit: So wie Eva im Roman immer wieder ihren Bruder durchschütteln möchte, tut sie es mit dem Leser. Eine verstörende Protagonistin, die noch lange in meinem Kopf herumspuken wird. Sprachlich ist das ganz großes Kino. Vier Sterne mit deutlicher Tendenz nach oben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.04.2019
Totenweg / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.1
Fölck, Romy

Totenweg / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.1


gut

Ein Pferd, namens Hetfield

Was hat ein Pferd namens Hetfield mit der Story zu tun? Eigentlich nichts, aber Hetfield ist mein heimlicher Held dieses Thrillers. Nicht, weil er besonders wichtig wäre, sondern weil die Protagonistin Frida ihn nach James Hetfield, dem Sänger von Metallica, benennt und das fand ich einfach mal erfrischend anders.

Der Rest der Handlung ist dagegen nicht unbedingt „erfrischend anders“, gewinnt aber ungemein an der Tatsache, dass Romy Flöck den Lokalkolorit des ländlichen Nordens hervorragen einfängt. Als Leser begleitet man die Figuren durch die gespenstigen Marschen, riecht förmlich die andere, frische Luft. Auch die Werte und Gepflogenheiten der Menschen, die seit Jahrzehnten in dieser Region leben, sind gut nachvollziehbar: Familie ist hier das oberste Gut, Zusammenhalt und Gemeinschaft werden auch in Notsituationen großgeschrieben, egal, welche Streitigkeiten vorher geherrscht haben. Das ist in meinen Augen die große Stärke dieses Thrillers. Dem gegenüber steht der Fall, den ich als eher langatmig empfunden habe. Hier wird sich bewährter Mittel bedient, um die Spannung aufrecht zu erhalten, ein Mysterium führt zum nächsten und ich fühlte mich irgendwann eher hingehalten als unterhalten. Leider war die Auflösung dann wie erwartet etwas zu aufgeblasen. Klar, wenn man lange Zeit einen Luftballon aufbläst, muss er auch zum Ende so richtig schön platzen. Mit hätte es jedoch gereicht, wenn die Luft einfach nach und nach entwichen wäre.

Fazit: Bei aller Kritik: Es ist ein Debüt und ein sehr ordentliches dazu. Atmosphäre und Lokalkolorit stimmen hier, davon möchte ich in den nächsten Bänden gerne mehr lesen. Und in Aufbau und Auflösung eines Kriminalfalls bekommt man als Autorin bestimmt Übung. Unterm Strich 3 Sterne, die aber deutlich nach oben tendieren.

Bewertung vom 12.04.2019
Kaschmirgefühl
Aichner, Bernhard

Kaschmirgefühl


gut

Dialog des Verliebens

Viele werden Bernhard Aichner vor allem mit seinen Thrillern in Verbindung bringen und überrascht sein, dass er auch Liebesromane kann. Für mich war das tatsächlich das erste Buch des Autors, sodass ich nun vielmehr neugierig auf seine „andere Seite“ bin.

„Kaschmirgefühl“ ist für mich eher eine Kurzgeschichte - kein seitenfüllender oder eindrücklicher Roman. Darüber lässt sich sicher streiten, jedoch ist das Buch einfach unglaublich schnell weggelesen - es besteht nämlich nur aus dem Telefondialog der beiden Protagonisten. Dennoch: Der hat es in sich. Was wie ein herkömmlicher Anruf bei einer Sexhotline beginnt, wird schnell zu einer Nachtfüllenden Veranstaltung. Denn eines ist schnell klar, zwischen Gottlieb und Marie knistert es. Und so wohnen wir dem Flirt der beiden bei, beobachten, wie sie sich gegenseitig auf den Prüfstand stellen, sich gegenseitig Dinge auftischen, bei denen man sich nie sicher sein kann, ob sie wahr oder übertriebene Auswüchse der Selbstdarstellung sind. Das ist nicht jedermanns Sache, flirtet jede Person doch auf ihre eigene Art und Weise. Und so steuern die beiden auf ein überraschendes, aber gut durchdachtes Ende zu, das den Leser mit einem wohligen „Kaschmirgefühl“ zurück lässt.

Fazit: Das Verlieben geschieht leider nur zwischen den Zeilen und war für mich kaum nachvollziehbar. Das ist schade, denn die Grundidee ist schön und insgesamt ergibt sich dennoch eine wärmende Geschichte für zwischendurch, deren Lektüre nicht wehtut. Für mich reicht es jedoch nicht für mehr als 3,5 Sterne.

Bewertung vom 31.03.2019
Goldschatz
Noll, Ingrid

Goldschatz


gut

Die Alternative, die keine ist

Es ist ein Lehrstück, was die mittlerweile betagte Ingrid Noll hier präsentiert. Aber mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung weiß die Autorin natürlich, was sie hier tut. Sie würfelt einfach eine Gruppe junge Leute zusammen, die sich Weltverbesserung und Konsumverzicht auf die Fahne geschrieben haben. Wie praktisch, dass eine von ihnen gerade ein altes, baufälliges Gehöft von der Großtante geerbt hat, denn hier soll nun eine Anti-Konsum-Komune entstehen. Doch dann taucht ein beträchtlicher Goldfund auf, der die hehren Ziele schnell auf die Probe stellt.

Dieser Roman bietet mannigfaltige Ansätze zur Analyse und Interpretation. Angefangen bei der Sprache, die von antiquierten Ausdrücken und alten Sprichwörtern durchsetzt ist. So spricht wahrlich keine Gruppe junger Studenten, die Sprache unterstützt jedoch den elitären Eindruck, den die Gruppe von sich selbst hat, aber auch den Wunsch, zu alten Werten zurückzukehren. Auch jeder einzelne Charakter bietet ausreichend Boden für Diskussionen. Nach außen sind sie alle Weltverbesserer und „alternativ“, in ihnen allen schlummern dennoch die uralten Bedürfnisse der Menschheit nach Liebe, Zugehörigkeit, Besitz. Für deren Erfüllung ist jede Figur auf ihre Art bereit, bis ans äußerste zu gehen und so wird die Freundschaft schnell auf eine harte Probe gestellt. Insgesamt ist das recht schnell gelesen. Trotz der hervorragenden Umsetzung konnte mich der Roman nicht ganz überzeugen. Das mag an den sperrigen Charakteren liegen, von denen ich mich meilenweit entfernt gefühlt habe. Aber auch an der doch etwas einfachen Auflösung, die dann, um den Roman abschließend als Lehrstück darzustellen, noch einmal Goethes Faust zitiert.

Fazit: Ingrid Noll geht immer, denn die Autorin schreibt auf hohem Niveau. Doch „Goldschatz“ konnte mich insgesamt dann nicht so richtig überzeugen, zu sehr werden hier Figuren und Handlung zum Zwecke des Lehrstücks verbogen. Daher möchte ich „nur“ drei Sterne vergeben, alle Fans der Autorin sollten sich den Roman dennoch nicht entgehen lassen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.03.2019
Krokodilwächter / Kørner & Werner Bd.1
Engberg, Katrine

Krokodilwächter / Kørner & Werner Bd.1


gut

Wenn eine Geschichte Wirklichkeit wird

Vor Kurzem ist ja nun der zweite Teil des Kopenhagener Ermittlerteams erschienen, da dachte ich mir, bevor ich mir den gleich zulege, lese ich vielleicht erst mal „Krokodilwächter“ von dem so viele schwärmen. Zustimmen kann ich dem zwar nicht uneingeschränkt, aber lesenswert ist der Krimi allemal.

Was mir wirklich gefallen hat, ist die Idee, die der Handlung ihre Grundlage gibt: Ein Manuskript beschreibt den verübten Mord bereits vor der Tat. Das verrät bereits der Klappentext. Diese Verschränkung von Realität und Fiktion innerhalb der Fiktion ist ein spannendes Konstrukt und trägtin meinen Augen den Großteil der Handlung. In dem Einheitsbrei von Action und Effekthascherei, die das Genre in großen Teilen begleitt, sind solche Ideen eine willkommene Abwechslung. Außderdem geht es recht unblutig zu, ohne dass die Spannung darunter leiden würde. Diese lebt vor allem durch die vielen am Fall beteiligten Figuren, die alle ein Geheimnis mit sich heraumtragen. Das würde ich jetzt mal als eher klassisches Vorgehen bezeichen: Viele undurchsichtige Verdächtige, viele potenzielle Täter, nicht alle sind Sympathieträger. Soweit, so gut. Doch jetzt kommt mein Aber: Leider fand ich die Ermittlerfiguren sehr farblos. Ich habe bereits jetzt Probleme, mir sie in Erinnerung zu rufen. Da fehlen Charisma, Ecken und Kanten, irgendwas, das im Gedächtnis bliebt. Auch das Zusammenspiel zwischen Jeppe und Anette wirkt nicht so richtig echt. Für den Auftakt einer Krimireihe ist das natürlich problematisch, hier muss die Autorin in den Folgebänden noch nachlegen. Ach ja, und das Ende ... das war mir dann nach den komplizierten Verstickungen der Handlung zu platt und einseitig.

Fazit: Für ein Debüt ist das eine ordentliche Leistung, die ich gerne mit drei Sternen bedenke. Und somit werde ich mir den zweite Teil „Blutmond“ ganz sicher irgendwann schnappen, um zu sehen, ob die Ermittlerfiguren etwas mehr Profil entwickeln.

Bewertung vom 23.03.2019
Der Abgrund in dir
Lehane, Dennis

Der Abgrund in dir


sehr gut

Überraschung vorprogrammiert

Hätte ich früher gerafft, dass Dennis Lehane der Autor der Buchvorlage von einem meiner Lieblingsfilme „Mystic River“ ist, hätte ich ganz sicher schon früher etwas von ihm gelesen. Nun sage ich mir „Besser spät als nie“ und freue mich darüber, dass mir die weiteren Bücher dieses Autors noch bevorstehen. Denn, das sei vorweggenommen, dieses Buch hat mir außerordentlich gut gefallen.

Allerdings muss man sich erst einmal durchbeißen ... Der erste Satz verspricht zwar gleich große Ereignisse, jedoch lassen diese Hunderte Seiten auf sich warten. Stattdessen wird zunächst einmal die Protagonistin Rachel seziert, ihr schwieriges Verhältnis zur Mutter und der unbekannte Vater in den Mittelpunkt gerückt. Ihre daraus resultierende schwierige Persönlichkeit lässt sich aus ihrer Vergangenheit gut begründen, aber dafür muss man sich eben auch mit dieser eher zähen Phase ihres Lebens auseinandersetzen. Das wird den ein oder anderen Leser abschrecken und vielleicht auch zum Aufgeben bringen, aber durchhalten lohnt sich. Denn hat man erst einmal einen bestimmten Punkt erreicht, beginnt sich alles zu fügen und die langwierige Einführung des psychischen und charakterlichen Hintergrunds von Hauptfigur Rachel begründet ihr späteres Verhalten. Darüber hinaus geht es nun Schlag auf Schlag. Lehane ist wirklich gut darin, sich unvorhergesehene Wendungen jenseits bekannter Muster auszudenken. Die Entwicklung der Handlung hätte ich so niemals erwartet, geschweige denn vorausahnen können und das macht richtig Spaß. Letztlich war ich so gepackt, dass ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen konnte und die letzten 300 Seiten bis tief in die Nacht (es war zum Glück ein Samstag) verschlungen habe.

Fazit: Für mich bisher die Überraschung des Jahres. Zwar keine ganzen fünf Sterne wert, da der Einstieg schon eine echte Hürde darstellt, aber der Einfallsreichtum des Autors und die Konsequenz, wie er seine Figur aufgebaut hat, finde ich absolut bewundernswert.

Bewertung vom 10.03.2019
Auf dem Wasser treiben
Prammer, Theresa

Auf dem Wasser treiben


sehr gut

Und was geschieht, wenn Liebe dazu kommt?

Die Grundlage für diesen Roman ist so faszinierend wie real. Die sogenannte „Wasserbrücke“, die zwischen zwei Wasserbehältern entsteht, wenn man sie unter Spannung setzt. Ein dünner Wasserfaden verbindet dann beide Behälter, die bis zu 7 cm auseinander stehen können. Und wie überträgt man das nun auf einen Roman?

Ganz einfach, einer von Theresa Prammers Protagonisten, Stefan, ist Wissenschaftler und erforscht unter anderem eben jenes Phänomen. Seine Theorie: Da Wasser Hauptbestandteil des menschlichen Körpers ist, strebt dieser automatisch nach Verbindung, menschliche Anziehung beruht also auf Wasser und ist nicht unbedingt steuerbar. Und auch, wenn diese Erkenntnis nicht über Gebühr hinaus in den Mittelpunkt gestellt wird, so schwingt sie immer mit. Mannigfaltige Wasser-Methaphern begleiten die Geschichte der Familie Schneider. Die drei Kinder Stefan, Emma und Fred sowie ihre Mutter Hannah wurden vor Jahren von ihrem Vater und Ehemann verlassen. Warum, das wissen sie nicht. Aber dieses Ereignis hat ihr Leben für immer verändert, sie alle kämpfen mit den Auswirkungen des Verlustes. Im Laufe des Romans werden wir ebenso wie die Figuren erfahren, was damals geschehen ist, was mit John, ihrem Vater, passiert ist. Und das ist so feinfühlig und emotional nachvollziehbar dargestellt, dass die Geschichte dieser Familie tief berührt.

Fazit: Prammers Buch ist absolut lesenswert und lässt ganz viel Raum, für Interpretationen und eigene Gedanken. Sie erzählt mit großer Leichtigkeit, die die Schwere der Handlung gekonnt auffängt. Das hat mir sehr gefallen und ich möchte hierfür 4,5 Sterne vergeben.

Bewertung vom 04.03.2019
Auf zerbrochenem Glas / Nik Pohl Bd.1
Hartung, Alexander

Auf zerbrochenem Glas / Nik Pohl Bd.1


schlecht

Selbstjustiz rules

Normalerweise predige ich ja immer, dass ich einen Protagonisten nicht mögen muss, damit mir ein Buch gefällt. Und bei dieser Ansicht möchte ich auch grundsätzlich bleiben, sie jedoch um folgenden Faktor erweitern: Verletzt dieser Protagonist meine ethischen Werte ohne mit der Wimper zu zucken, hat das Einfluss auf die Qualität des Buchs.

Kommen wir zum Kern des Problems: Nick Pohl ist ein A****loch oberster Güte. Ich weiß nicht, warum der Autor solch eine Figur zum Mittelpunkt seiner Handlung auserkoren hat. Er mag unerschrocken und nicht auf den Kopf gefallen sein, aber er ist ebenso skrupellos und hält sich an keinerlei Regeln. Sollte es in der Realität einen solchen Polizisten geben, so bete ich, ihm nie zu begegnen, denn so jemand hat nichts dort zu suchen. Scheinbar hat Nick Pohl nichts mehr zu verlieren. Andeutungen in dieser Hinsicht gibt es mehrfach, aber Andeutungen allein reichen nicht aus, um eventuell etwas Verständnis für sein Handeln aufzubringen. Denn Nick Pohl ist ein Schläger, gewalttätig, zornig, unkontrolliert. Nicht nur die wirklich bösen Jungs bekommen ihre Abreibung, auch jeder Kleinkriminelle oder gar Unschuldige, die ihm so über den Weg laufen. Passt ihm nicht, was du sagst, zack, bekommst du eins aufs Maul, du gibst ihm nicht die gewünschten Infos, zack, wird dir der Arm gebrochen. Das Hauptproblem dabei: Es wird hier so getan, als wäre es das Natürlichste von der Welt, Gewalt ist zur Erreichung von Gerechtigkeit oder auch der eigenen Ziele völlig legitim, das wird an keiner einzigen Stelle infrage gestellt. Denn selbst wenn die Handlung an sich ordentlich aufgebaut ist, bleibt sie gewaltverherrlichend und das geht in meinen Augen gar nicht.

Fazit: Ich kann dem Krimi nicht mehr als einen Stern geben, zu sehr habe ich mich über diesen Protagonisten aufgeregt. Hier geht es nicht um ein zart besaitet sein, sondern darum, dass ein Autor nicht Selbstjustiz propagieren kann, ohne dies infrage zu stellen.

Bewertung vom 03.03.2019
Marthas Widerstand
Drewery, Kerry

Marthas Widerstand


ausgezeichnet

Das Recht dem Volke

In diese Genre-Ecke verirre ich mich ja eher selten, obwohl ich nicht so ganz weiß, wie man sie überhaupt bezeichnen würde, Young-Adult-Dystopie-Irgendwas halt. Doch ab und an greife ich dann doch zu einem dieser Bücher, mal habe ich Glück mal nicht. Mit Martha hoffte ich Glück zu haben ... hat leider nicht geklappt.

Das lag nicht daran, dass das Buch schlecht geschrieben ist oder langweilig war. Ich wurde recht gut unterhalten und flog nur so durch die Seiten - wobei letzteres für mich ja ein Zeichen von Oberflächlichkeit ist. Das Hauptproblem war: Ich fand es von der ersten Seite an super vorhersehbar. Vielleicht habe ich schon zu viel Vergleichbares gelesen, wodurch die Handlung hunderten anderen Handlungen glich und einem altbekannten Muster folgte. Die Grundidee ist sicher neu gewesen, der Handlungsverlauf war es jedenfalls nicht. Auch das ach so dramatische Ende und die Auflösung - von manchen als schlimmster Cliffhanger überhaupt bezeichnet - war mir von vorn herein klar und, das muss ich der Autorin zugestehen, anhand der „Regeln“ dieser Welt konsequent umgesetzt. Dennoch frage ich mich, warum die Lösung, die im ersten Band gefunden wurde, nicht einfach auch im zweiten Band angewendet werden kann und dieser somit hinfällig wäre?

Fazit: Gute Grundidee, die aber durch einen 0/8/15-Handlungsverlauf umgesetzt wird und daher für mich vorhersehbar war. Da möchte ich nicht mehr als zwei Sterne vergeben.