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Benutzername: 
Gurke
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 156 Bewertungen
Bewertung vom 02.01.2014
Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte
Joyce, Rachel

Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte


ausgezeichnet

„Glück spielt sich in Sekunden ab.“ (Bernd Eichinger)

..in Byron Hemmings Fall leider auch das Unglück.

Es sollte ein ganz besonderer Sommer für die Freunde James und Byron werden - mit einem kleinen Ereignis, das es so vorher noch nicht gab und alles unwiderruflich verändert.
Im Jahre 1972 wurde beschlossen, dass zum Ausgleich des Schaltjahres zwei Sekunden in der Zeit hinzugefügt werden müssen. Der genaue Zeitpunkt war allerdings noch ungewiss und so warteten die beiden Jungs ein wenig ängstlich, aber auch neugierig auf den Zeiteinschub. Byron war sich vollkommen sicher, dass in zwei Sekunden eine Menge passieren kann, doch seine Mutter beruhigte ihn, denn das sei doch fast gar nichts.. Als die Hemmings in eben jener Spanne allerdings einen Unfall mit einem kleinen Mädchen verursachen, kann niemand den Wirkungsradius erahnen, der sich aus zwei kleinen Sekunden ergibt.

Schließlich kann die Zeit nicht aufgehalten und manche Entscheidungen nur schwer rückgängig gemacht werden und so wird aus einem kleinen unbedachten Funken ein wütendes Lauffeuer mit ungeahnter Verwüstungskraft.

Rachel Joyce hat in ihrem zweiten Roman sehr eindrucksvoll beschrieben, wie die frühkindlichen Erfahrungen gepaart mit fehlender Fürsorge ein Kind in Psychosen und Zwangsneurosen werfen können, die es selbst mit professioneller Hilfe im Erwachsenenalter nicht in den Griff bekommt. Aus den anfänglichen Ritualen, welche die Erkrankten selbst entwickelt haben, um sich eine Art Sicherheit zu erbauen, wird schnell eine Schutzmauer, die kaum noch zu überwinden ist und die Betroffenen in die Einsamkeit verdammen – wie es bei Jim, dem Mann aus den Kapiteln der Gegenwart der Fall ist.

Die Kapitel aus der Vergangenheit der 70er Jahre haben mir zu Beginn mehr gefallen, weil ich sie schon aus der Hörprobe kannte und es mir leichter fiel mit dem sensiblen Byron Mitleid zu haben, der sich einerseits wie ein sinkender Anker an seiner Mutter und dem klugen James festklammert und andererseits schon die Verantwortung für eben jene übernimmt, als er ihren schlechter werdenden Gemütszustand erkennt. Im Laufe der Handlung hat sich auch der stotternde Jim mehr geöffnet und den Zuhörern in langsamen Schritten seine Verbindung zu Byron offenbart.

Das Hörbuch habe ich sehr genossen, wobei der Sprecher Wanja Mues einen großen Anteil daran hatte, indem er die Tiefgründigkeit des Gesagten mit seiner ruhigen Art unterstrich und die Poetik der Autorin hervorhob. Der Wahl-Berliner konnte die Emotionen des Protagonisten wunderbar einfangen und Trauer, Schmerz und Lichtmomente von Anfang bis Ende an die Zuhörer weitergeben.

Rachel Joyces Erfolg kann man nicht aufhalten und die Entscheidung für das Buch oder Hörbuch wird vermutlich niemand der an guter Literatur Freude hat, bereuen.

10 von 12 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.12.2013
Blutiger Engel / Alice Quentin Bd.2
Rhodes, Kate

Blutiger Engel / Alice Quentin Bd.2


ausgezeichnet

„Ehrlich, diese Leute haben Taschenrechner dort, wo bei anderen die Seele sitzt.“ (S.124)

Diese Charaktereigenschaft von Bankern ist wohl zu Zeiten der Krisen und Turbulenzen allerorts mit Geldgeschäften eindeutig negativ konnotiert, da sie nur ihre eigenen Boni aus Aktienverkäufen vor Augen und jegliche Menschlichkeit auf dem großen Börsenparkett abgelegt haben. Die Banken sind ein Sündenpfuhl für Gier, Hass und Neid und wer verliert, der fliegt. Da ist es eigentlich nicht verwunderlich, als in der brütenden Hitze von London ein erfolgreicher Angestellter der „Angel Group“ in die Gleise der einfahrenden U-Bahn gestoßen wird. Auf dem Revier wird das Verbrechen als Einzeltat von einem wütenden Anleger abgetan, doch DCI Burns und Alice Quentin, Psychologin im Dienste der Polizei, sehen in der Tat den Auftakt eines Serienmörders, denn schließlich sind die Zeichen die der Mörder hinterlässt von verheißungsvoller Natur: ein Engelsportrait und weiße Federn. Als kurz darauf der nächste Banker brutal stirbt und ein Patient von Alice zum Stalker mutiert, vergisst sie beinahe ihr Privatleben und die frische Liebelei mit dem charmanten Andrew Piernan – ein Ex-Angestellter bei der „Angel Group“.

„Blutiger Engel“ ist bereits der zweite Fall um die Londoner Psychologin mit einem ausgeprägten Drang zur Bewegung als Hilfe zum Stressabbau. Obwohl ich den Vorgänger nicht kannte, habe ich mich sofort wohl in der Szenerie und im Kreise Protagonisten gefühlt, was daran liegt, dass die Hauptstadt von England einen ganz eigenen Charme und perfekte Voraussetzungen für einen Serienmörder hat, sowie interessante Menschen den Weg pflastern. Entgegen den Vorurteilen ist das Wetter auf der Insel zudem herrlich sommerlich und der Schreibstil der Autorin ebenso frisch und unbeschwert, dass die Schwüle fast greifbar wird.

Ich habe mich noch nie für Börsengeschäfte interessiert und dennoch war ich vollkommen fasziniert von den schillernden Gebäuden, die nach außen hin ihre Macht präsentieren und im Inneren eine eigene korrupte Welt erschaffen. Auf Grund der herrschenden Devise, dass nur die Stärksten die Spitze erreichen, ist die Täterfrage lange unklar und damit auch Alice durch allerlei privater Probleme in großer Gefahr, weil sie sich ausgelaugt und permanent verschwitzt nicht vollständig auf ihre Fähigkeiten verlassen kann und zu einem großartigen Showdown führt.

Beim Lesen hatte ich durchweg das Gefühl, dass das Unheil in der stickigen Luft schwebt und man die ganze Zeit mit einem weiteren Angriff aus der Dunkelheit rechnen muss, was mir bei einem Thriller schon länger gefehlt hat und bei Kate Rhodes endlich mal wieder volles Programm war – dafür gibt es natürlich die volle Punktzahl!

Bewertung vom 23.12.2013
Die Liebe der Baumeisterin
Rehn, Heidi

Die Liebe der Baumeisterin


ausgezeichnet

Die Eintracht baut das Haus, die Zwietracht reißt es nieder.

Kein anderes Sprichwort beschreibt das Schicksal der jungen Dora aus Preußen besser. Ihr Vorfahr Laurenz Selege hat gemeinsam mit seiner Gemahlin Agnes sowohl in der Bau- als auch in der Braukunst erste Maßstäbe gesetzt, sodass diese Traditionen auch in den folgenden Generationen streng nach geltender Geschlechterordnung fortgeführt werden. Für die Protagonistin mit den verschiedenfarbigen Augen bedeutet dies, dass sie ihre Leidenschaft für die prächtigen Bauwerke nicht ausüben darf, weil ihr als Frau der Platz an den Gärbottichen zugeteilt wurde, obwohl sie viel geschickter mit den schwierigen Zeichnung zurechtkommt als ihr Bruder Jörg.
Die Heirat mit dem 50-Jährigen Kammerrat Urban Stöckel öffnet ihr aber ungeahnte Türen, weil der gutmütiger Ehemann ihr Talent bei dem eigenen Hausbau fördern möchte, doch tragischerweise bei einer Besichtigung des Grundsteins erschlagen wird. Der Verdacht des Mordes fällt auf den stellvertretenden Bauherren Veit Singeknecht, der schon vorher die Nähe zu Dora suchte und daraufhin eilig geflohen ist. Im Angesicht der Witwentrauer werden Doras Gefühle für Veit immer deutlicher und so reist sie ihm nach Krakau nach und gerät dabei in den Verruf der Hexerei.

Dieser historische Roman aus der Feder von Heidi Rehn ist vollgepackt mit der Atmosphäre des 16.Jahrhunderts und vielschichtigen Charakteren, die das ohnehin schon fesselnde Mittelalter mit ihrer persönlichen Geschichte gelungen abrunden und greifbarer machen. Besonders positiv finde ich dabei, dass die arrangierte Hochzeit hier einmal glücklich geschildert wird und es nicht nur jähzornige Ehemänner in der Vergangenheit gab.
Mit Worten, die wie frisch aus der guten Stube der Seleges eingefangen sind, wird der Schreibstil an keiner Stelle langweilig. Hin und wieder gibt es detaillierte Ausführungen zu den Giebeln und Erkern der geplanten Objekte, die man bei dem Titel auch erwarten muss/darf und zwar sehr plastisch erklärt wurden, aber trotzdem bei mir nicht Doras Eifer auslösen konnten. Dem geschickten Bierbrauen von ihrer Schwägerin war ich beim Lesen näher, obwohl mich dann bei den herrschaftlichen Burgen und Schlössern auf Doras Reise doch noch das Baufieber packte und ich nachdem ich mich von den Seiten widerwillig gelöst habe das gelesene im Internet noch einmal leibhaftig anschauen wollte und von der Pracht z.B. der Marienburg ebenso überwältigt wurde.

Zudem gibt das Buch einerseits ein sehr anschauliches Bild über die Schaffenszeit von Herzog Albrecht in Preußen, der als gutgläubige Marionette seines Hausvogts Egbert Göllner ein verhängnisvolles Urteil über Dora fällt, und andererseits eine authentisches Darstellung der polnischen Königin Bona Sforza, wobei mir letztere noch stärker durch ihre feministischen Gedanken im Gedächtnis geblieben ist und die eingestaubten Ansichten mit ihrer italienischen Lebensfreude neu anordnet.

Dieser über 700 Seiten starke Ausflug in die Geschichte ist der Autorin auch ohne brutale Folterszenen sehr eindringlich gelungen und mit einer Mischung von Fakten, tiefen Gefühlen und Dramatik (wie das durch die Chronik belegte verheerende Feuer im Kneiphof) reich an Überraschungen. Vielleicht werden es einige LeserInnen der Protagonistin sogar gleichtun, indem sie demnächst eine Bündel Schafgarbe unter ihr Kopfkissen legen oder in das Buch pressen, denn ihre magische Gabe ist Fluch und Segen zugleich, aber immer wahrhaftig.

Bewertung vom 20.12.2013
Radieschen von unten / Elfie Ruhland Bd.2
Mey, Frida

Radieschen von unten / Elfie Ruhland Bd.2


sehr gut

Mord ist ihr Hobby

Undurchdringbares Chaos gibt es für Elfie Ruhland nicht, sondern nur Unordnung, die es schnellstmöglich aufzuräumen gilt. Während die Protagonistin bei ihrem neuen Job die Steuerunterlagen für das Bestattungsunternehmen „Pietas“ sortieren will, traut sie ihren Augen über so viel Schludrigkeit nicht. Juliane Knörringer, Chefin und Hausdrachen, die sonst die perfekte Vorzeigedame gibt, hat die Papiere und Scheine über die letzten Monate hinweg wie ein Messie in allen möglichen Kartons im Keller gesammelt und keinerlei Überblick darüber. Elfies Arbeitsplatz, ein Gartentisch in einem winzigen Büro, passt zudem überhaupt nicht zu dem luxuriösen Foyer mit edlen Särgen aus aller Welt. Als die Protagonistin an ihrem ersten Tag Zeuge eines lautstarken Disputs wird, beschließt sie, den schimpfenden Rentner mit der ungehörigen Beschuldigung, dass die Rechnung für die Beerdigung seiner Frau getürkt sei, zu beobachten und zur Not auch einen Schritt weiterzugehen – einige Stunden später ist Jo Wilfert mausetot.

Es ist immer schwierig bei einer Reihe nicht mit dem ersten Teil zu beginnen und so gingen einige Insider-Witze, ohne das Vorwissen von „Manchmal muss es eben Mord sein“, leider an mir vorüber. Deshalb wusste ich beispielsweise lange nicht, dass Ludwig, Elfies Verlobter, schon seit 30 Jahren tot und begraben ist und sie mit ihm per Grablicht kommuniziert. Das oft erwähnte rote Notizbuch erschließt sich mir auch erst kurz vor dem Ende komplett, was aber nicht daran rütteln konnte, dass ich Elfie trotzdem als eine imposante Erscheinung mit einer gesunden Prise Gerechtigkeitssinn wahrgenommen habe. Ihre ungewöhnliche Freizeitbeschäftigung, welche gewisse unliebsame Menschen, die in der Nähe von Elfie sind, wie durch einen Unfall aus dem Leben reißt, gibt dem Titel der 80er Jahre Serie „Mord ist ihr Hobby“ eine ganz neue Bedeutung. Für mich hatte das Buch aus diesem Grund einen hohen Unterhaltungswert, auch weil wir (und zu ihrem Glück auch die Polizei) einer netten älteren Dame diese kriminelle Energie normalerweise nicht zutrauen würden.

Dieser Bestatter-Krimi ist durch viele ulkige Charaktere im Zusammenspiel mit Elfies forscher und ergebnisorientierter Art sehr kurzweilig, obwohl sie gerne noch häufiger die Initiative ergreifen sollte – wie in der letzten Balkon-Szene. Dem aufmerksamen Leser wird zwar ziemlich früh klar, dass die Täterfrage nicht schwierig zu beantworten ist, wenn man den Anspruch an eine spannende Ermittlungsarbeit aber abschaltet, wird man kaum enttäuscht werden und sich selbst plötzlich über Radieschen schmunzeln sehen. Allen anderen, die trotzdem meckern, streckt Mops Amadeus einfach weiterhin vom Cover die Zunge heraus.

Mein Fazit: Leg dich niemals mit einem Senioren an, denn gemordet wird immer und in allen Generation.

Bewertung vom 18.12.2013
Willst du mein Single sein
Godazgar, Peter

Willst du mein Single sein


ausgezeichnet

„Bist du eigentlich ein Junge oder ein Mädchen?“ (S.176)

Das ist eine Frage, die wohl niemand im Grundschulalter während des Schwimmunterrichts gerne hören würde, aber Tino Liebes Lebensweg schon sehr gut vorzeichnet.
Mit 34 Lenzen arbeitet er nun als Buchhändler und kann auf eine beachtliche Single-Zeit von sieben Jahren blicken, für die auch kein Ende in Sicht ist. Die Einsamkeit hat ihn etwas verschroben werden lassen und sein Kontakt zu der weiten Welt dort draußen beschränkt sich auf seine Kumpel Markus und Thorsten, sowie die zwei törichten Kolleginnen, die in ihm allerdings einen schwulen Hochstapler sehen – zumindest teilweise. Als er eines Abends den neuen Frauenroman der Autorin Romelia Rauchhaupt, die Tino durch mehrere Lesungen persönlich kennt, liest und dort über einen leidenschaftlichen Quickie auf dem Info-Tresen einer – besser seiner – Buchhandlung stolpert, vermutet er dahinter eine versteckte Anspielung auf ein erotisches Knistern und beschließt bei der bald stattfindenden Lesung ganz galant diese Szene zu hinterfragen und hoffentlich aus dem Club der frustrierten Singles auszubrechen.

Ich habe dieses Buch an einem Tag verschlungen und saß dabei unter anderem in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Genau dann, wenn Tino über Sex und Selbstbefriedigung philosophiert hat, was nicht zu knapp war, haben für mein Gefühl immer die älteren Damen in mein Buch geschmult – was mir schon ein bisschen unangenehm war. :-D

Ansonsten finde ich den Humor von Peter Godazgar toll, weil er direkt und nicht so künstlich verspielt ist. Mich nervt es ungemein, wenn ein Autor auf eine unterschwellige Art lustig sein will, aber der Gag dann wie ein Hammerschlag auf die Leser einschlägt und jeglicher Spontanität entbehrt. Dadurch wirkt selbst der beste Wortwitz platt, hier gelingt es Tino aber wenigstens für uns Außenstehende Stimmung in sein triste Single-Dasein zu bringen. Wie Tinos Kalender mit Flirt-Tipps entblättert der Protagonist seine Schwächen mit schonungsloser Ehrlichkeit und wandelt diese damit in liebenswerte Stärken um, was die unglücklichen Männer in der realen Welt vielleicht zum Vorbild nehmen sollten.

Am Ende gibt es für den letzten Tinosaurier nur ein halbes Happy End, aber eine perfekte Beziehung zu seiner Traumfrau als Schlusswort hätte mir auch nicht gefallen, zumal ich beispielsweise Kat(h)rin nicht an seiner Seite sehe! „Willst du mein Single sein?“ war wie eine kleine Etappe aus dem Leben dutzender einsamer Herzen (nur viel lustiger) und dank Romelias Hilfe kann Tino etwas unverkrampfter auf das weibliche Geschlecht zu gehen und macht damit dem starken Geschlecht Mut, dass niemals Hopfen und Malz verloren sind, man muss nur mal über den Bierkrug schauen. ;-)

Bewertung vom 18.12.2013
Zwischen uns die Zeit
Stone, Tamara Ireland

Zwischen uns die Zeit


gut

Anna ist Crossläuferin und ein wahrer Musikjunkie. Täglich absolviert sie laut singend ihre Runden über den Sportplatz der Universität, bis sie eines Morgens auf den Rängen einen Jungen mit strubbeligen Haaren entdeckt, der mit seinem Lächeln ihr Herz völlig aus dem Takt bringt. Als sie beschließt ihn anzusprechen, verschwindet er plötzlich ohne Fußspuren im Schnee zu hinterlassen, sodass Anna schon an eine Halluzination glaubt. Im Schulflur trifft sie den Unbekannten aber wieder – Bennett ist ein neuer Mitschüler und dann auch noch in Annas Spanischunterricht, doch von einer Begegnung in der Frühe will er nichts wissen und tut ahnungslos. Vorsichtig kommen sich die beiden näher und mit dem wachsenden Vertrauen weiht Bennett die Protagonistin in seine Fähigkeiten ein, von denen die Menschen seit jeher träumen: er kann durch die Zeit reisen.

Die Hauptcharaktere sind erfrischend normal gezeichnet und es fällt dem Leser leicht mit ihnen Sympathie aufzubauen. Bennett wirkt durch seinen Erfahrungsschatz mit seiner Gabe jedoch reifer, was auch in mehreren Szenen deutlich wird, als Anna etwas übertrieben in den beliebten pubertären „Zick-Modus“ wechselt und ihren Freund mit Vorwürfen überhäuft – zum Ende wird sie dann aber wieder ausgeglichener.

Als größtes Manko empfinde ich den drastischen Eingriff in die Zeit, weil das Schicksal der Charaktere weitestgehend ohne Folgen bleibt und damit suggeriert wird, dass Unachtsamkeit leicht wieder ausgebügelt werden kann, was für 12-Jährige mit allerlei Blödsinn im Kopf nicht gerade ein Vorbild sein sollte. Zumal die Lage nicht völlig aussichtslos und durchaus ein guter Ausgang möglich war. Die Autorin verfolgt an diesem Punkt eine sehr sanfte Denkweise, die mich leider vergeblich auf eine Reactio des Universums warten ließ, wo doch jede Veränderung in der Vergangenheit zu einer Kettenreaktion ähnlich eines Butterfly-Effects führt.

Auch im Verlauf der eigentlichen Reisen durch Raum und Zeit büßt Tamara Ireland Stone ihre Ausdrucksstärke ein. Der erste Trip des Pärchens nach Thailand war wunderbar romantisch beschrieben, bei dem ich beinahe selbst den Sand unter den Füßen spüren konnte, wohingegen der zweite Ausflug nach Italien nur einem Abstecher zum Kaffee gleichkam und mir im Zeittunnel die Schmetterlinge verloren gingen.

Leider habe ich erst während der Lektüre erfahren, dass die Amerikanerin aus der Thematik einen Mehrteiler machen möchte, obwohl das Ende dafür erstaunlich abgeschlossen ist und gut als Einzelband stehen könnte. Die letzte Szene bedient sich dann auch mühelos den Regeln eines rührseligen Liebesromans und lässt mich noch wanken, ob ich „Time after time“ (ET in Englisch Okt. 2013) unbedingt auf meinen Wunschzettel schreiben muss oder ob ich nicht doch zu gestanden für solche Liebesbeweise bin. :-D

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.12.2013
Von Samtpfoten und Kratzbürsten - Meine Fälle aus der Katzenpraxis
Dexel, Birga

Von Samtpfoten und Kratzbürsten - Meine Fälle aus der Katzenpraxis


sehr gut

„Erst schmeicheln, dann kratzen, das schickt sich nur für Katzen.“

Warum aus lieben Samtpfoten nun gemeine Kratzbürsten werden, erfahren wir von der Katzentherapeutin Birga Dexel, die vielen aus den VOX-Sendung „Katzenjammer“ bekannt sein wird und auffällige Verhaltensmuster wieder in geregelte Bahnen gedrechselt hat.

Interessant war für mich besonders, dass die Berlinerin wirklich qualifiziert in ihrem Beruf und kein Quereinsteiger, der vorher in einem ganz anderen Bereich tätig war und nun auf den gewinnbringenden Zug aufgesprungen ist, immerhin gibt es für das gleiche Probleme diverse unterschiedliche Lösungswege, deren Chancen abgewogen werden müssen.

Das Sachbuch bietet gutes Basiswissen, was für erfahrene „Futtergeber“ vielleicht keine neuen Erkenntnisse sind, aber Unentschlossene vielleicht noch mal in sich gehen lässt, bevor die „Katze in den Brunnen gefallen ist“, schließlich sind die Mäusefänger kein Teilzeithobby, sondern Lebewesen mit Bedürfnissen und Erwartungen.
Obwohl unser Haushalt keine Probleme mit Unsauberkeit durch Harn oder autoaggressives Verhalten hat, waren diese Kapitel interessant und helfen auch die subtilen Vorboten mit wachsamen Augen zu verfolgen oder im Freundeskreis einen Tipp zu geben, der im Zweifel das Zusammenleben der Mix-WG wieder lebenswerter und schöner macht, ohne das ein Tier abgeschoben oder gar eingeschläfert wird. Wobei ich mir noch Information zu einem Hund-Katze-Mensch-Haushalt gewünscht hätte, was gar nicht angesprochen wurde, aber dem ewigen Kampf von David gegen Goliath gleichkommt.

Die Bilder im Mittelteil zeigen auch eine persönliche Seite der Autorin, wenngleich Birga Dexel mir während der Lektüre zu verschlossen war und immer darauf bedacht war, alles korrekt zu beschreiben, sodass die persönliche Ader fehlte und in diesem Kontext einer verschüchterten Katze ähnelte – im Vergleich zu einem männlichen Hundetrainer, der viel lacht und Wärme verbreitet. Für die Arbeit mit den Katzen, wofür sie sich mit speziellen Yoga-Übungen vorbereitet, ist diese eher introvertierte Art aber der Schlüssel zum Erfolg, um das Vertrauen der verschreckten Miezen zu gewinnen.

Viele Erfahrungsberichte und der Erfolg ihrer Praxis geben den sanften Methoden mit Spiel, Konzentration und Belohnung recht; was aber den Einsatz von Bachblüten angeht, bin und bleibe ich skeptisch, weil es meiner Meinung nach auch dem guten Willen der Besitzer bedarf, um daran zu glauben – unser Haustier hat darauf leider in keiner Weise reagiert, und deshalb würde ich nicht noch einmal Geld dafür ver(sch)wenden.

Unsere Stubentiger sind wunderbare Wesen und gar nicht so ungezähmt wie ihre Vorfahren die erhabenen Löwen, denn die Felidae sind sehr aufmerksam und durchaus bereit Tricks per Klick zu erlernen, sofern es dafür ein schmackhaftes Leckerli gibt. Im April erscheint übrigens ein weiteres Sachbuch mit dem Fokus auf eben jenes Training. Also ran an die Clicker und danach ganz viel schmusen.

Bewertung vom 08.12.2013
Bauernopfer - Lichthaus' zweiter Fall
Walz, Paul

Bauernopfer - Lichthaus' zweiter Fall


sehr gut

Pflanzt der Bauer Öko-Beete, denkt er kichernd an die Knete!

Horst Görgen war einer der ersten in Trier, die ihren konventionellen Landwirtschaftsbetrieb auf die Ökoschiene umgestellt und seine eigene, kontrollierte Ware im Hofladen verkauft hat. Diese Nische hat ihm viel Umsatz eingebracht und natürlich zusätzlich Subventionen von der EU auf das Konto gespült. Nun hängt er tot in seinem Stall – ausgeblutet wie sonst nur seine Rinder, mit einem Rache-Psalm auf dem Klebeband über den ausgestochenen Augen, durch den der Täter Gerechtigkeit einfordert. Kommissar Lichthaus und sein Team vermuten den Schlächter im engeren Familienkreis und stellen schnell fest, dass hinter der heilen Landidylle höchstens die Kühe auf der Weide noch etwas zu lachen haben. Wären Görgens Söhne zu so einem Massaker fähig? Der ausschweifende Lebensstil des einen, der sich endlich aus den strengen demeter-Richtlinien freistrampeln wollte und die psychische Erkrankung des anderen sind zumindest starke Indizien.

Durch mein Studium habe ich schon mehrere sogenannte Bio-Bauernhöfe im Umkreis besucht und interessiere mich auch privat sehr für das Thema artgerechte Tierhaltung, sodass der Schwerpunkt von „Bauernopfer“ mit der Vertuschung innerhalb der Ministerien, wenn es um erhöhte Schadstoffwerte und „unangekündigte“ Kontrolle zum Schutz der Verbraucher geht, meine Neugierde geweckt hat.

Der Protagonist Johannes Lichthaus wirkt allerdings leider wie die Unschuld vom Lande mit einer Vorzeige-Ehe, die selbst für ein Märchen zu schön um wahr zu sein ist und einem perfekten Familienleben, bei denen er sogar Hausmann-Fähigkeiten aufblitzen lässt. Nur in seltenen Momenten im Disput mit seinem Chef oder während nächtlicher Albträume zeigen sich kleine Flecken auf seiner weißen Weste, die aber relativ flott wieder verblassen. Der Autor wollte mit ihm vielleicht eine Lichtgestalt an Tugendhaftigkeit der Brutalität gegenüberstellen und ich brauche auch keinen Kommissar, der durch diverse Ecken und Kanten nicht mehr rund läuft, aber wenigstens männlicher Biss sollte für einen Hüter des Gesetzes deutlicher werden – zumal ich ihn während des Lesens nicht als jungen Vater, sondern eher als mittelalten Großvater empfunden habe, was aber vielleicht daran liegt, dass wenig gerannt wird.

Dass Paul Walz dann aber daraus so ein Öko-Spektakel gezaubert hat, war die Überraschung des Monats für mich, weil ich eher mit einem soliden Krimi inklusive einiger Spannungsmomente, aber nicht mit diesen erstklassigen Verstrickungen und dazu noch Morden, die einem Thriller würdig sind gerechnet hätte.
Dazu verschlägt es die Leser noch in einer dramatischen Szene in das Trierer Amphitheater, was mich als ortsfremden ziemlich fasziniert hat, obwohl ich noch viel lieber die „Porta Nigra“ (wie auf dem Cover zu sehen) erkundet hätte, aber es warten bestimmt noch mehr Fälle auf den Pfälzer und somit noch einige römische Denkmäler.
Der Skandal wird jedenfalls hochexplosiv beschrieben und lässt uns an der Echtheit der Bio-Produkte nachdrücklich zweifeln, somit ist dieser intelligente Krimi eine Bereicherung für jedes Krimi-Bücherregal und mit ein wenig mehr Schrulligkeit seitens der Charaktere auch etwas tollkühner.

Bewertung vom 04.12.2013
Frostblüte
Marriott, Zoë

Frostblüte


gut

Auf Saram mit den eisgrauen Augen liegt ein Fluch, der sie bei Gefahr in eine schnaubende Bestie verwandelt und mit der Axt ihres toten Vaters eine Schneise der Verwüstung als gefährlicher Wolf hinterlässt. Die Dorfbewohner fürchten ihre unkontrollierbaren Attacken und wollen sie dem Feuer überlassen, doch im letzten Augenblick kann sie entkommen und muss seitdem mit ihrer Mutter auf der Flucht sein. „Saram“ bedeutet Kummer und diesen trägt die verfluchte Frau in jeder Pore ihres Körpers, der die Kälte in ihrem Innern nur schwer überdeckt, sodass sie den Namen „Frost“ bevorzugt. Nach dem Tod ihrer Mutter schlägt sich das Mädchen alleine durch die Wälder auf der Suche nach der Feuergöttin, die sie erlösen kann, doch auf einer Lichtung wird sie Zeuge eines Hinterhalts und nach dem barschen Kampf mit den falschen Hirten Arian und Luca in deren Lager der Berggarde gebracht, um die Chance ihres Lebens zu bekommen und endlich verstanden und geliebt zu werden.

„Du warst für mich das tapferste Mädchen, das ich je kennengelernt habe, und seitdem ist nichts passiert, was meine Meinung geändert hätte. Ich liebe dich.“ (S. 245)

„Du bist ein guter Mensch. Und ich liebe dich.“ (S.257)

Die offensichtliche Dreiecksbeziehung hat für mein Empfinden in der Berggarde nicht gut funktioniert. Schon die erste, obige Liebesbekundung von Luca war holprig und keineswegs von der Leidenschaft einer jungen Liebe erfüllt, sodass es wie das Aufmuntern von Bruder und Schwester klang. Bis zum Schluss wurden daraus für mich keine glaubhaften romantischen Gefühle, da es von Frosts Seite mehr Dankbarkeit ähnelte und von Lucas Part mehr Faszination und Mitleid gleichkam. Arian war da eindeutig forscher und auch passender in seiner Rolle als liebestoller und gekränkter Freund, zumal ihre kleinen und großen Dispute doch viel eher zu einem neckenden Pärchen passten.

Auch Frosts Dämon hat sich anders entwickelt, als ich es nach der Leseprobe vermutet hätte. Ihre wölfische Gabe vollzieht sich nämlich nur innerlich, indem sie als Raserei und unbändige Wut hervortritt, ohne aber die Verwandlung zu einem „Werwolf“ abschließt. Dieses Element habe ich zwar nicht vermisst, weil das Berserkern ohne Rücksicht auf Verluste im Mädchenkörper mal eine gelungene Abwechslung war, allerdings verläuft mir die Ablösung vom tobenden Geschöpf mit spitzen Fangzähnen zu glatt und problemlos. Die dazugehörigen Träume, in denen Frost von dem Wolf gejagt wird und um ihre Seele bangt nehmen viel mehr Platz ein, als die doch eigentlich schwierig Trennung von der Last des Fluchs.

Zoe Marriott hat eine gute Geschichte mit teils poetischen Worten in einer Welt geschaffen, die mich in ihrer Wildheit an die Anfänge der Eisen- und Steinzeit erinnert und durch diverse aufgewirbelte Schneeflocken perfekt in diese Jahreszeit passt. Dagegen setzt die Autorin mit einer sehr tapferen und starken Protagonistin einen gelungenen Kontrast. Viele unsichere Momente von der Frostblüte waren nachzuvollziehen, aber in der Menge auch etwas erdrückend, sodass ich mit Livia, der mütterlichen Heilerin, mehr Sympathie aufbauen konnte und aufgrund genannter Schwächen nicht durchweg zufrieden bin.