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Herbstrose

Bewertungen

Insgesamt 208 Bewertungen
Bewertung vom 15.04.2023
Going Zero (eBook, ePUB)
McCarten, Anthony

Going Zero (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Somebody is watching you
Um die CIA von der Wirksamkeit ihres neu entwickelten Überwachungsprogrammes zu überzeugen, veranstaltet die FUSION-Initiative unter Leitung des Milliardärs Cy Baxter einen Betatest. Zehn Personen wurden ausgewählt, um 30 Tage lang abzutauchen, spurlos zu verschwinden. Wem dies für die Dauer des Testlaufs gelingt, den erwarten 3 Millionen Dollar als Prämie. Eine dieser Personen ist Kaitlyn Day, eine Bibliothekarin Mitte 30 aus Boston, von der die Verantwortlichen glauben, sie als erste zu erwischen. Doch Kaitlyn ist schlauer als erwartet, sie schafft es immer wieder ihren Häschern zu entkommen. Für sie geht es nicht um das Preisgeld, sie hat andere Gründe hier mitzumachen …
Anthony McCarten wurde 1961 in New Plymouth/NZL geboren und ist ein neuseeländischer Schriftsteller, Dramatiker, Drehbuchautor und Filmproduzent. Er schrieb zahlreiche Romane, Theaterstücke, Drehbücher und Kurzgeschichten für die er mehrfach Auszeichnungen erhielt. Der Autor hat drei Kinder und pendelt abwechselnd zwischen Los Angeles, London und München.
Wie in all seinen bisherigen Romanen gelingt es McCarten, dem Leser auch in „Going Zero“ ein ernsthaftes, brisantes Thema mit viel Witz und Humor zu vermitteln. Ist es überhaupt noch möglich, in unserer heutigen digital vernetzten Welt zu verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen? Gibt es weiterhin eine Privatsphäre, oder werden wir schon alle überwacht ohne es zu merken? Unser leichtsinniger Umgang mit sensiblen Daten, sei es mittels Mobiltelefon, Laptop oder PC, wird aufgezeigt, dem ungeahnte neue raffinierte technische Möglichkeiten gegenüber stehen. Wir erfahren, wie gut vernetzte Organisationen auch psychologische Mittel anwenden, um unsere Spuren zu verfolgen – das alles unter dem Vorwand, das Volk vor Gefahren zu bewahren.
Ein ungewöhnlich spannender Psycho-Thriller, ein gedankliches Experiment, dessen Handlung durchaus real und glaubwürdig rüber kommt. Man fiebert mit der Protagonistin mit, hofft und erwartet einen guten Ausgang für sie. Die Spannung ist durchweg hoch gehalten, so dass man das Buch vor dem Ende nicht mehr aus der Hand legen kann. Ich kann es nur jedem empfehlen, der mit Handy, Laptop oder PC im Internet zugange ist.
Wie der Diogenes-Verlag anmerkt, ist das Buch bereits in 23 Sprachen verkauft und eine Verfilmung ist in Planung.

Bewertung vom 13.04.2023
Institut für gute Mütter
Chan, Jessamine

Institut für gute Mütter


ausgezeichnet

Gute Mütter, schlechte Mütter
Zweieinhalb Stunden waren für Frida entscheidend für ihr weiteres Leben. Das war genau die Zeit, in der sie ihr 20 Monate altes Mädchen alleine in der Wohnung zurück lies. Völlig überfordert und vom Schreien der Kleinen mit den Nerven am Ende wollte sie sich nur einen Kaffee holen, stieg aber dann in ihr Auto, fuhr davon und genoss die Stille. Als sie zurück kam, hatte ein Nachbar bereits die Polizei gerufen. Was dann folgte war ein Albtraum. Frida verlor das Sorgerecht für ihre Kleine und kam in ein Umerziehungs-Institut, um dort ein Jahr lang zu lernen und zu beweisen dass sie fähig ist, ihr Kind zu lieben und liebevoll zu erziehen …
Jessamine Chan ist eine US-amerikanische Schriftstellerin und Autorin chinesischer Abstammung. Sie wuchs in einem Vorort von Chicago auf, machte ihren Bachelor-Abschloss an der Brown University und ihren Master of Fine Arts an der Columbia University. Bereits 2014 begann sie mit dem Schreiben ihres Debütromans „The School for Good Mothers“, für dessen Fertigstellung sie 2017 das Literaturstipendium der Elizabeth George Foundation erhielt. 2022 erschien er in den USA und im März 2023 in Deutschland unter dem Titel „Institut für gute Mütter“. Zu dem Roman wurde die Autorin nach eigenen Aussagen dadurch inspiriert, dass sie selbst im Zweifel war, ob sie ein Kind haben sollte oder nicht. Teile des Romans spielen in Philadelphia wo sie wohnte, bevor sie nach Chicago zog, wo sie heute mit ihrem Mann und ihrer Tochter lebt.
Natürlich ist dieser Roman eine Dystopie, doch vieles ist von der Realität nicht weit entfernt. Dass in manchen Ländern Kinder den Eltern weggenommen werden und bei Adoptiveltern oder in Heimen aufwachsen, kann man ab und an in der Tageszeitung lesen, Besserungs- oder Erziehungsanstalten gab es früher auch bei uns und sind auch heute noch in einigen Staaten zu finden, Rassendiskriminierung ist leider immer noch weit verbreitet und das Thema KI (künstliche Intelligenz) ist ohnehin gerade aktuell. Dass das männliche Geschlecht auch heute noch gegenüber dem weiblichen bevorzugt behandelt wird zeigt sich darin, dass die Bestrafung für schlechte Väter (ja, auch die gibt es in der Geschichte) viel lockerer gehandhabt wird.
Obwohl die Fülle an Problemen durchaus zum Nachdenken anregt, konnte mich das Buch nicht wirklich packen. Leider konnte ich mich in Fridas Empfindungen nur bedingt einfühlen, zu seltsam fand ich ihr Benehmen. Für mich zeigt sie nicht wirklich Einsicht in ihr Fehlverhalten, sondern tut es ständig als „schlechten Tag“ ab. Ihre Versuche, ihre Liebe zu ihrem Kind zu beweisen, fühlen sich falsch an und anstatt Dankbarkeit für Susanna, der neuen Frau ihres Exmannes, die sich rührend und liebevoll um die kleine Harriet kümmert, zu zeigen, überschüttet sie diese gedanklich mit Hass- und Neidgefühlen. Eine Änderung ihres egoistischen Verhaltens ist bis zum Schluss, der mich übrigens ziemlich ratlos zurückgelassen hat, nicht zu spüren.
Fazit: Eine interessante Leseerfahrung, die starke Nerven und einiges an Fantasie erfordert.

Bewertung vom 05.04.2023
22 Bahnen (eBook, ePUB)
Wahl, Caroline

22 Bahnen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Überforderung
Um den ganzen Stress abzuschütteln ist es Tilda zur täglichen Gewohnheit geworden, im Schwimmbad exakt 22 Bahnen zu schwimmen. Sie ist Studentin der Mathematik, arbeitet nebenbei an der Kasse im Supermarkt, kümmert sich um den Haushalt und ist Ersatzmutter für ihre kleine Schwester Ida. Mit Mutters Hilfe ist nicht zu rechnen, die liegt meist betrunken auf dem Sofa im Wohnzimmer oder richtet in wachen Momenten ein heilloses Durcheinander in der Wohnung an. Im Grunde hasst Tilda dieses einengende Leben, doch die Verantwortung und Liebe zu Ida überwiegt alles. Nun aber soll sich bald einiges ändern, denn Tilda bekommt eine Promotion in Berlin angeboten. Kann sie das Angebot annehmen und ihre kleine Schwester mit der alkoholkranken Mutter alleine lassen? Und außerdem ist da auch noch Viktor, ein Freund aus Teenagertagen, der nach fünf Jahren wieder zurück in die Stadt gekommen ist …
„22 Bahnen“ ist der Debütroman der jungen, 1995 in Mainz geborenen, Autorin Caroline Wahl. Sie wuchs in der Nähe von Heidelberg auf, studierte Germanistik in Tübingen sowie Deutsche Literatur in Berlin und arbeitete danach in mehreren Verlagen. Heute lebt sie in Rostock.
Der Schreibstil war für mich anfangs sehr gewöhnungsbedürftig, da er sehr an der Jugendsprache orientiert ist – doch bald wurde ich von der Geschichte regelrecht mitgerissen. Zwei Schwestern, denen das Leben übel mitspielt, die sich lieben und zusammenhalten und versuchen, aus der bedrückenden häuslichen Situation das Beste zu machen - und eine Mutter, die man aufrütteln und schütteln möchte, die aber in ihrer Krankheit gefangen ist. Immer wieder keimt zwischendurch eine trügerische Hoffnung auf, die zum Ende zu stabil zu werden scheint. Es bleiben jedoch am Schluss sehr viele Fragen über die Zukunft aller Beteiligten offen. Ob hier eine Fortsetzung geplant ist?
Fazit: Eine Geschichte die unter die Haut geht, die mitreißt, aufrüttelt und nachdenklich stimmt.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.03.2023
In blaukalter Tiefe (eBook, ePUB)
Hauff, Kristina

In blaukalter Tiefe (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein Segeltörn auf Leben und Tod
Caroline irrt durch Conquet-sur-Mer, sie ist verwirrt und weiß nichts mit sich anzufangen. Immer wieder schweift ihr Blick ungewollt ab zum Hafen, zu den dort liegenden Segelyachten, während ihre Gedanken sechs Wochen zurück wandern und sie an das schreckliche Geschehen erinnern: Sie waren zu fünft an Bord der „Querelle“ auf einem Segeltörn in den schwedischen Schären, Caroline und ihr Mann Andreas, sein Arbeitskollege Daniel mit Freundin Tanja und Skipper Eric. Fünf Egozentriker gemeinsam auf engstem Raum, kann das gut gehen? Anfangs waren zwar alle um gute Laune bemüht, doch mit zunehmend schlechtem Wetter und rauer See änderte sich die Stimmung an Bord. Als dann ein gefährlicher Sturm aufkommt, eskalieren die bisher unterdrückten Konflikte …
Kristina Hauff ist das Pseudonym der erfolgreichen Kriminalschriftstellerin Susanne Kliem. Sie wurde am Niederrhein geboren und liebt besonders das Segeln auf der Ostsee. Dass sie ihren Ursprung am Theater hat und für Fernsehserien von ARD und ZDF arbeitete ist ihrem neuesten Roman „In blaukalter Tiefe“ (2023) anzumerken, da er wie ein raffiniertes Kammerspiel gestaltet ist. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Berlin.
Zunächst überrascht das Buch mit einem lebendigen flüssigen Schreibstil, der den Einstieg in das Geschehen leicht macht. Die Handlung spielt überwiegend, bis auf einige Ausnahmen, an Bord der Segelyacht. Fünf von der Autorin sehr gut ausgearbeitete gegensätzliche Charaktere beherrschen die Geschichte: Das sind der erfolgreiche Anwalt Andreas der sich weltgewandt und unnahbar gibt, seine Frau Caroline die ihre Probleme selbstsicher zu überdecken vermag, Andreas‘ junger Kollege Daniel der alles versucht ihm zu gefallen, Daniels Freundin Tanja mit ihrer anfänglichen Unsicherheit und natürlich der Eigner des Bootes, der schweigsame Skipper Eric, der sich unnahbar gibt und eine unerschütterliche Ruhe vortäuscht.
Wir erfahren die Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven. Wunderschöne, atmosphärisch dichte Naturschilderungen wechseln sich ab mit Einblicken in das alltägliche Leben an Bord und Erlebnissen an Land. Spannende Wendungen und interessante psychologische Erkenntnisse erinnern beinahe an einen Krimi. Der Name der Yacht „Querelle“ (Streit, Zank) wird bald zum bösen Omen, die Konflikte brechen offen aus und aus dem idyllischen Segeltörn wird ein verhängnisvoller Kampf ums Überleben.
Fazit: Spannende Handlung, interessante Charaktere und der authentische Einblick ins Leben auf einem Segelboot überzeugen nicht nur Segelfans. Meine Empfehlung!

Bewertung vom 24.03.2023
Lichte Tage (eBook, ePUB)
Winman, Sarah

Lichte Tage (eBook, ePUB)


gut

Liebe und Leid
Die Kopie eines Van-Gogh-Gemäldes, das seine verstorbene Mutter einst als Tombola-Gewinn bekam und das seither im Wohnzimmer hing, war für Ellis der Anlass, im Alter von 19 Jahren mit Freund Michael einige unbeschwerte Urlaubstage in Südfrankreich zu verbringen. Sie verlieben sich ineinander, wagen es damals jedoch nicht, sich zu ihrer Homosexualität zu bekennen. Wieder zurück in der Heimat verlieren sie sich bald aus den Augen. Ellis heiratet Annie und Michael hat Beziehungen mit verschiedenen Männern. - Jetzt ist Ellis 45 Jahre alt, einsam und traurig. Er blickt zurück, erinnert sich an die gemeinsame Zeit mit Annie und Michael, die beide aus seinem Leben verschwunden sind …
Sarah Winman, geb. 24.12.1964 in Essex, ist eine britische Schriftstellerin und Schauspielerin. „Lichte Tage“ (Tin Man, 2017) ist ihr dritter Roman, für den sie international viel Anerkennung erntete. Die Autorin lebt in London.
„Lichte Tage“ wäre eine wunderbare, herzerwärmende Geschichte, wenn …, ja wenn sie etwas allgemeinverständlicher geschrieben wäre. Unmotivierte plötzliche Zeitsprünge, in rascher Folge wechselnde Perspektiven und unklare Handlungsabläufe machen das Lesen anstrengend und die Zusammenhänge verwirrend. Oft musste ich zurückgehen und ganze Abschnitte ein zweites Mal lesen, um das Wieso und Warum zu erfassen. An diesem Gesamteindruck konnten leider auch die zahlreichen, wunderschön und einfühlsam formulierten Sätze und Passagen nicht mehr viel ändern.
Ich empfand den Roman zudem weniger als eine homosexuelle Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Männern, sondern eher als eine Dreiecksbeziehung zwischen einer Frau und zwei Männern. Zwischen den beiden steht doch Annie (über deren Gefühle man zu wenig liest), die zwar mit Ellis verheiratet ist, die aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Ellis Freund Michael zusammen ist. Erfährt man deshalb so gut wie nichts über den Unfall? Warum ist sie alleine mit Michael unterwegs gewesen?
Nach meinem Gefühl sehr gut hat die Autorin Ellis Unentschlossenheit und seine leeren Gefühle im Jetzt und Heute seinen glücklichen Empfindungen und hoffnungsvollen Gedanken vergangener Tage gegenüber gestellt. Gut gefallen hat mir auch der Schluss, in dem in der sonst recht melancholischen Geschichte für den Protagonisten neue Hoffnung aufkeimt.
Fazit: Ein Buch, das mich irritiert zurücklässt – unmotivierte Zeitsprünge und unklare Handlungsabläufe wechseln mit wunderschön und einfühlsam formulierten Sätzen.

Bewertung vom 21.03.2023
Melody
Suter, Martin

Melody


ausgezeichnet

Was geschah mit Melody?
Als nach dem Tod seines Vaters die monatlichen Zahlungen ausbleiben, ist der 34-jährige Langzeitstudent Tom Elmer gezwungen, einen Job anzunehmen. Es trifft sich günstig, dass der einstige Nationalrat Dr. Peter Stotz einen Juristen sucht, der seinen Nachlass ordnen, Wichtiges von Unwichtigem trennen und alles etwas beschönigen soll. Dafür bietet er als Gegenleistung eine großzügige Bezahlung samt Wohnung und Verpflegung in seiner Villa. Bereits bei seinem Einzug fällt Tom das Portrait einer jungen Frau auf, deren Foto auch in jedem Raum des Hauses präsent ist. Es handelt sich um Melody Alaoui, die ehemalige Verlobte seines Arbeitgebers, die vor vierzig Jahren spurlos verschwand – drei Tage vor ihrer Hochzeit. Diesen Verlust konnte Dr. Stotz nie verwinden. In täglichen Gesprächen am Kamin erzählt er Tom von seiner großen Liebe, von ihrem Verschwinden und seiner vergeblichen Suche nach ihr …
Martin Suter, geb. 1948, ist ein Schweizer Schriftsteller. Nach seiner Ausbildung zum Werbetexter schrieb er Reportagen, eine wöchentliche Kolumne sowie zahlreiche Drehbücher für Film und Fernsehen. Sein Durchbruch als Schriftsteller gelang ihm 1997 mit seinem ersten Roman „Small World“. Für seine zahlreichen Romane, die alle im Diogenes Verlag erschienen und auch international sehr erfolgreich sind, erhielt Suter mehrere Preise und Auszeichnungen. Nach Wohnsitzen auf Ibiza, in Guatemala und in Marrakesch lebt Martin Suter heute mit seiner Familie in Zürich.
„Melody“ ist ein Roman, dessen Plot mich sofort in seinen Bann zog. Die Geschichte ist unterhaltsam, birgt viele Geheimnisse und ist spannend wie ein Krimi. Was verbirgt Dr. Stotz? Warum will er seine Vita in besserem Licht erscheinen lassen? Was enthüllen die Unterlagen in seinem Archiv? Nicht minder interessant ist das Rätsel um Melody und ihrem mysteriösen Verschwinden. Wer war sie? Warum verschwand sie? Wurde sie entführt? Beide Handlungsabläufe hat Suter hervorragend miteinander verwoben und bietet sie dem Leser häppchenweise dar, wodurch der Spannungsbogen stets aufs Äußerste gespannt ist.
Der Schreibstil ist sehr ansprechend, liest sich angenehm flüssig und lässt den Leser am Geschehen teilhaben. Die einzelnen Charaktere sind großartig ausgearbeitet und wirken in ihrem Tun und Handeln äußerst authentisch. Der Roman ist die Geschichte einer Liebe, aber keine der üblichen Liebesgeschichten, denn nach vierzig Jahren erscheint vieles in anderem Licht. Einige unerwartete Wendungen und ein überraschendes Ende runden das Geschehen stimmig ab.
Fazit: Suter hat es wieder einmal geschafft, mich mit seiner Geschichte zu fesseln und zu überraschen – ein Lesevergnügen, das ich gerne weiter empfehle!

Bewertung vom 19.02.2023
Als Großmutter im Regen tanzte
Teige, Trude

Als Großmutter im Regen tanzte


ausgezeichnet

Familiengeheimnisse
Um aus ihrer lieblosen Ehe auszubrechen flieht Juni in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern und hofft, auf der kleinen der norwegischen Küste vorgelagerten Insel zur Ruhe zu kommen. Dort entdeckt sie beim Aufräumen ein Foto, das Großmutter Arm in Arm mit einem deutschen Soldaten zeigt. Als sie dann noch die Heiratsurkunde ihrer Großeltern findet wird ihr klar, dass in ihrer Familiengeschichte ein Geheimnis verborgen ist. War das vielleicht der Grund, warum ihre Mutter Lilla mit Großmutter immer Streit hatte? Und warum liebte es Großmutter Thekla so sehr, bei Regen im Freien zu tanzen? Junis Neugier ist geweckt, sie forscht weiter, unterstützt von Nachbar Georg. Die Spur führt die beiden nach Deutschland, wo sie auf die schrecklichen Nachkriegs-Ereignisse in der Stadt Demmin stoßen …
Die Autorin Trude Teige wurde 1960 in einem kleinen Ort an der Küste Norwegens geboren. Sie ist ausgebildete Übersetzerin und Journalistin und arbeitete viele Jahre als Reporterin, Nachrichtensprecherin und Programmmanagerin beim norwegischen Sender TV2. Als Schriftstellerin debütierte sie 2002 mit einem historischen Roman, in dem sie viele Erlebnisse ihrer Urgroßmutter verarbeitete. Das Original des Romans „Als Großmutter im Regen tanzte“ war bereits 2015 ein Bestseller in Norwegen, ist inspiriert von tatsächlichen Ereignissen und Menschen und wurde für den Bookstore-Preis nominiert. Trude Teige hat zwei Töchter und lebt in einem Vorort von Oslo.
Dass der Zweite Weltkrieg viel Leid über Europa brachte, dürfte allgemein bekannt sein. Dass aber auch norwegische Frauen, die sich in einen deutschen Besatzungssoldaten verliebten, Schreckliches durchmachen mussten, wusste ich bisher nicht. Von solch einem Schicksal erzählt dieser Roman, von Schande, Bloßstellung, Angst, Hoffnungslosigkeit, verdrängter Trauer und versuchtem Vergessen.
In sachlichem, beinahe als nüchtern zu bezeichnendem Schreibstil beschreibt die Autorin in zwei Zeitebenen abwechselnd Junis Suche nach der Wahrheit und Großmutter Theklas Erlebnisse im Nachkriegsdeutschland. Dabei schreckt sie auch vor gewalttätigen, brutalen Szenen nicht zurück und schildert diese ohne zu verurteilen. Wir erleben den Einzug der Roten Armee und erfahren vom Massensuizid in der Kleinstadt Demmin, bei dem sich aus Angst vor den russischen Soldaten mehrere Hundert Personen mit ihren Angehörigen das Leben nahmen. Die entsetzlichen Erlebnisse wirken nach und beeinflussen auch das Leben der nachfolgenden Generationen. Diese Einzelheiten lassen sich nur ertragen, weil wir immer wieder zur Enkelin Juni zurückkehren, sie bei ihren Recherchen begleiten, an ihrem neuen Leben auf der Insel teilhaben. Dass sie am Ende ein neues Glück findet, stimmt versöhnlich.
Fazit: Sehr gut recherchierte und spannend geschriebene Lebens- und Liebesgeschichte, bei der man viel über die unmittelbare Zeit nach Kriegsende erfährt – ein Buch, das noch lange nachhallt.

Bewertung vom 02.02.2023
Macht
Furre, Heidi

Macht


sehr gut

Die Macht der Gedanken
Liv führt ein Leben wie Tausende andere auch. Sie ist verheiratet, liebt ihren Mann und ihre beiden kleinen Kinder und arbeitet als Pflegerin. Doch eines Tages wird alles anders. Eine neue Patientin kommt ins Pflegeheim, deren Bruder vor Jahren als Vergewaltiger angeklagt wurde. Mit Macht kommen die alten Erinnerungen zurück, kreisen um das Schreckliche, das ihr vor 15 Jahren geschehen ist und von dem bisher keiner weiß. Sie will nicht mehr daran denken, versucht sich abzulenken, nimmt Pillen zur Beruhigung – bis sie sich endlich einer Freundin anvertraut …
Heidi Furre, geb. 1985, hat bereits mehrere Romane veröffentlicht. „Macht“ ist der erste, der ins Deutsche übersetzt wurde. Die Autorin arbeitet als Fotografin und lebt in Oslo.
In relativ nüchternen und emotionslosen, meist nur kurze Sätze umfassenden Schreibstil, tauchen wir ein in Livs Gedankenwelt und fühlen ihre innere Zerrissenheit. Sie weiß nicht mehr was sie tun soll, will das Geschehene vergessen und geht doch heimlich zum Haus des Täters. Ihre Gedanken schweifen ständig ab, drehen sich im Kreis und lassen sie nicht zur Ruhe kommen. Sie fragt sich stets nach einer gewissen Mitschuld und kommt nicht umhin, sich diese teilweise selbst einzugestehen. Die Tat selbst steht nicht im Vordergrund, sondern das, was sie aus dem Leben der Frau gemacht hat und wie sie deren Entscheidungen beeinflusst.
Trotz der Schwere des Themas und der vorherrschenden bedrückenden Stimmung konnte mich das Buch nicht voll überzeugen. Ich konnte die Handlungen der Protagonistin oft nicht nachvollziehen, da sie mir manchmal doch ziemlich unrealistisch und überzogen vorkamen.

Bewertung vom 28.01.2023
Kuckuckskinder / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.11 (eBook, ePUB)
Läckberg, Camilla

Kuckuckskinder / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.11 (eBook, ePUB)


sehr gut

Geheimnisse, Schuld und Rache
Während der erfolgreiche Schriftsteller Henning Bauer und seine Frau Elisabeth mit Freunden ihre Goldene Hochzeit feiern, wird ganz in der Nähe der ebenfalls mit ihnen befreundete bekannte Fotograf Rolf Stenklo in seinem Atelier ermordet. Er war gerade dabei die Ausstellung für eine Fotoserie vorzubereiten, die Bilder eines in den Achtzigerjahren ermordeten Transmannes zeigen sollten. Kurz darauf wird auch ein Anschlag auf die Familie des Schriftstellers verübt. Die Polizei unter Leitung von Patrik Hedström tappt noch im Dunkeln, als Patriks Frau Erica Falck bei ihren Recherchen zu einem Roman eine frühere Verbindung zu den aktuellen Fällen entdeckt …
Camilla Läckberg ist die wohl bekannteste schwedische Kriminalschriftstellerin, deren Bücher in mehreren Sprachen übersetzt in 30 Ländern erschienen und eine Auflage von über sechs Millionen erreichten. Sie wurde 1974 in Fjällbacka, dem Ort an dem auch der Krimi „Kuckuckskinder“ handelt, geboren. Sie hat Betriebswirtschaft studiert, war zweimal verheiratet und lebt mit ihren drei Kindern im schwedischen Enskede.
Der interessante Titel und das schöne Cover waren für mich der Anlass nach diesem Buch der Autorin zu greifen, deren Werke ich bisher noch nicht kannte. Leider dauerte es geraume Zeit, bis ich mich in der Geschichte zurecht fand. Gleich zu Anfang wurden so viele Personen vorgestellt, deren Namen und verwandtschaftliche bzw. freundschaftliche Beziehungen mich doch ziemlich verwirrten – und die unzähligen Verdächtigen machten mir den Einstieg in das Geschehen auch nicht leichter. Nach einiger Zeit, als ich die Namen endlich auseinander halten konnte, wurde es leichter und die Geschichte nahm Fahrt auf.
Der Schreibstil ist sehr ansprechend, angenehm flüssig zu lesen, gespickt mit regionalem Flair und interessanten Wendungen, die die Spannung bis zum überraschenden Finale stetig steigern. In Rückblenden erfahren wir von den Todesfällen in den 80er Jahren und rätseln mit, wie eine Verbindung mit den neuen Morden hergestellt werden kann. Leider lebt die Geschichte von vielen, teils unwahrscheinlichen, Zufällen, sodass Patrik Hedströms Polizeiarbeit ziemlich in den Hintergrund gerät. Auch Erica Falcks Recherchen über das frühere Geschehen gingen m.E. viel zu leicht vonstatten. Sehr aufschlussreich fand ich den Blickwinkel der Autorin auf Transpersonen, die sich früher und auch heute noch vielen Schwierigkeiten und Vorurteilen gegenüber sehen.
Fazit: Ein interessanter Krimi, der ziemlich verwirrend beginnt, dessen Spannung sich aber dann kontinuierlich bis zum dramatischen Finale steigert.

Bewertung vom 06.01.2023
Das glückliche Geheimnis (eBook, ePUB)
Geiger, Arno

Das glückliche Geheimnis (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Anregungen aus dem Altpapier
Die meisten Geheimnisse sind dunkel - umso schöner, wenn jemand ein glückliches Geheimnis hat, wie der 1968 in Bregenz/Vorarlberg geborene österreichische Schriftsteller Arno Geiger. Davon berichtet er uns in seiner Biografie, die etwa 25 Jahre seines Lebens umspannt. Gleich zu Anfang des Buches verrät er uns, dass er seit seinem Auszug aus dem Elternhaus einmal wöchentlich heimlich die Altpapier-Container der Stadt Wien nach Brauchbarem, Bücher, Tagebücher, Briefe und Notizen, durchsuchte – anfangs um durch den Verkauf von Büchern auf dem Flohmarkt seinen Lebensunterhalt aufzubessern, später als seelischen Ausgleich und um durch die schriftlichen Hinterlassenschaften fremder Menschen Anregungen und Ideen für seine Romane zu finden.
Der Schreibstil Arno Geigers ist angenehm und abwechslungsreich, gespickt mit ironischen Erkenntnissen und amüsanten Lebensweisheiten. Während er seine Tätigkeit der Schatzsuche beschreibt, die er wegen der Peinlichkeit inkognito mit Mütze und alter Kleidung versehen als sportliche Betätigung betrachtete, rollt sein Leben chronologisch vor uns ab. Er grübelt über seine Beziehungen zu Frauen nach, bemerkt mit Schrecken den langsamen geistigen Verfall seines Vaters und ist sich selbst über seinen weiteren Lebensweg noch nicht im klaren. Er beobachtet, sinniert, beschreibt und philosophiert – während sich sein glückliches Geheimnis als roter Faden durch das ganze Buch zieht.
Fazit: Ein sehr offenes und ehrliches Buch, mit vielen philosophischen Betrachtungen die zum Nachdenken anregen – und das Interesse auf die anderen Bücher des Autors wecken.

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