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Nach getaner Arbeit und erledigten Alltagspflichten greife ich stets mit viel Freude zum Buch. Lesen ist mein liebstes Hobby. Dabei bin ich an kein Genre gebunden. Ein Buch habe ich immer in der Tasche, so können auch ungeliebte Wartezeiten gut überbrückt werden. Mehr Gedanken zum von mir Gelesenen findet Ihr unter: www.karthause.wordpress.com

Bewertungen

Insgesamt 146 Bewertungen
Bewertung vom 09.07.2013
Der Liebhaber meines Mannes
Roberts, Bethan

Der Liebhaber meines Mannes


ausgezeichnet

1999 sitzt Marion am Krankenbett von Patrick, dem Freund ihres Ehemannes, sie hat ihn entgegen des Willens ihres Mannes ins Haus geholt und pflegt ihn. Nach zwei Schlaganfällen kann er nicht mehr sprechen, aber sie möchte mit ihm kommunizieren, vor allem über ihre gemeinsame Vergangenheit mit Tom. Deshalb schreibt sie sie auf. Tom ist der große Bruder von Marions Schulfreundin. Sie hat sich schon bei der ersten Begegnung als Teenager sofort in ihn verliebt und auf Sylvies warnende Worte "Er ist anders." gab Marion nicht viel. Jahre später bringt Tom, er ist inzwischen Polizist, der Lehrerin Marion das Schwimmen bei und sie kommen sich vorsichtig näher. Als er ihr dann den Heiratsantrag machte, sah Marion sich am Ziel ihrer Träume. Für Tom sollte diese Ehe aber in erster Linie ein Schutzschild sein, denn seine Gefühle galten in erster Linie Patrick, dem gut gestellten Museumskurator. Beide Männer verband eine langjährige Affäre, die von Marion lange Zeit lediglich als Männerfreundschaft wahrgenommen wurde. Und so fragt man sich als Leser, kann diese Dreiecksbeziehung auf Dauer gut gehen?

Bethan Roberts erzählt die Geschichte dieser Dreierbeziehung abwechselnd aus Marions und aus Patricks Sicht. Marion schreibt auf wie sie die gut 50 Jahre erlebte. Patricks Gedanken erfährt der Leser aus dem von ihm geschriebenen Tagebuch. So nimmt diese Geschichte ganz ruhig in wechselnden Sequenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen Marion und Patrick seinen Lauf. Die Personen wurden so gut charakterisiert, dass beim Lesen das Gefühlt aufkam, man würde von guten Bekannten lesen. Die in den 1950er und 1960er Jahren angesiedelten Rückblicke vermitteln ein sehr genaues Gesellschafts- und Zeitbild. Homosexualität war im damaligen England eine Straftat und wurde dementsprechend geahndet. Im Roman gibt es aber keinen erhobenen Zeigefinger es wird nicht moralisiert. Bethan Roberts hat eine Liebesgeschrieben, die einen bittersüßen Beigeschmack hat. Sie erzählt mit viel Empathie von der Verletzlichkeit großer Gefühle.

Eigentlich lese ich nur sehr selten Liebesgeschichten. Dieser Roman, der frei von Kitsch und Liebesgezwitscher ist, der so gefühlvoll geschrieben wurde und voller Zärtlichkeit ist, hat mich jedoch sehr berührt. Er ist es wert, auch ein zweites Mal gelesen zu werden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.06.2013
Tierische Profite / Commissario Brunetti Bd.21
Leon, Donna

Tierische Profite / Commissario Brunetti Bd.21


sehr gut

Zum einundzwanzigsten Mal hatte Commissario Brunetti in den Kanälen und Gassen Venedigs einen Fall zu lösen, zum einundzwanzigsten Mal fieberte ich mit ihm. War ich von den ersten Krimis aus der Feder von Donna Leon wirklich begeistert, ließ dieses Empfinden bei mir bereits seit einigen Fällen nach. Umso gespannter wartete ich nun auf den neuen Brunetti.

Wie in den vorhergehenden Fällen konstruiert die Autorin ihren Kriminalfall um ein gesellschaftlich ebenso brisantes wie auch aktuelles Thema. In ihrem neuesten Krimi widmet sie sich den Zuständen in der Fleischindustrie. Die Beschreibungen sind ungeschönt und sie verschont weder Commissario Brunetti noch den Leser mit unappetitlichen Details. Die Krimihandlung weist keine großen Längen auf und ist von Beginn an spannend. Das Buch liest sich sehr flüssig, was zum einen der routinierten Schreibweise der Autorin zum anderen der gelungenen Übersetzung von Werner Schmitz zu verdanken ist. Ganz besonders sind mir jedoch seit dem ersten Teil die Spaziergänge durch Brunettis Venedig ans Herz gewachsen. Wer Venedig kennt, wird sicher beim Lesen auch das Gefühl haben, die Stadt riechen und hören zu können. Donna Leon schaffte es aber auch bei den Szenen im Schlachthof das Kopfkino bei mir in Gang zu setzen. Bei dem Zusammenspiel von den Ermittlungen um die aufgefundene Leiche und die Machenschaften im Schlachthof hat die Autorin genau das richtige Maß gefunden. Sie weist deutlich auf Missstände hin ohne dadurch den Kriminalfall zu belasten. Was mich jedoch ein wenig stört, Brunetti ist immer noch der „Alte“, seit den ersten Fällen ist kaum eine persönliche Weiterentwicklung zu erkennen. Aber wenn ich es recht bedenke, will ich eigentlichen anderen Commissario?

Mit diesem 21. Fall hat mich Donna Leon wieder überzeugt und über die etwas schwächeren Vorgänger hinweg getröstet. Fall. Wer ruhige Krimis und die Serenissima mag, wird auch dieses Buch mögen. Ich freue mich jetzt schon auf Brunettis 22 Einsatz.

12 von 18 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.05.2013
Das Salz der Erde / Fleury Bd.1
Wolf, Daniel

Das Salz der Erde / Fleury Bd.1


sehr gut

Herzogtum Oberlothringen 1187 – 1206. Geprägt durch die gemeinsame Flucht mit dem Vater Rémy und den Geschwistern in Kindertagen aus der Leibeigenschaft nach Varenne-Saint-Jaques, wo man nach einem Aufenthalt von einem Jahr und einen Tag die Freiheit erlagt, lernt Michel de Fleury früh den Wert dieser schätzen. Mit viel Fleiß schafft es der Vater, ein Handelsgeschäft zu etablieren, das Michel nach dem Tod des Vaters weiterführt. Der Vater ermöglichte es Michel, in Mailand von der Pike auf zu lernen, was es heißt ein Handeltreibender zu sein. Zurück in Varenne wird Michel schmerzlich klar, wie seine Stadt unter der kirchlichen und weltlichen Herrschaft leidet. Handelswege werden kontrolliert, willkürliche Steuern erhoben, das Geld immer wieder verrufen. Aber Michel hat einen Traum, den vom freien Bürgertum in einer freien Stadt, für diesen lebt und kämpft er.

Daniel Wolf siedelt die Handlung seines historischen Romans in der fiktiven Stadt Varenne-Saint-Jaques an. An deren Beispiel macht er für die Leser erlebbar, wie das aufstrebende Bürgertum um seine Rechte kämpfte. Er schildert die Knechtung der Hörigen, das Festhalten der Oberen an traditionellem Gebaren und den immer stärker werdenden Unmut der Gilden. Kurz, der Autor hat ein umfassendes und glaubhaftes Zeit- und Sittenbild des ausgehenden 12. und beginnenden 13. Jh. gezeichnet. Die Helden des Romans sind gut entwickelt. Hatte ich zu Beginn meiner Lektüre noch ein paar Bedenken, dass Michel zu sehr zum Gutmenschen werden könnte, relativierte sich das und auch bei ihm wurden die von mir geschätzten menschlichen Seiten sichtbar. Aber auch der böseste Widersacher konnte mir ein Fünkchen Sympathie abringen.

Dieser monumentale, 1152 Seiten dicke Roman ist in fünf Abschnitte untergliedert, welche wiederum in einzelne Kapitel unterteilt sind. Jedes ist mit einer Orts- und Zeitangabe versehen. Wechselt der Handlungsort, hat der Autor Zwischenüberschriften zur besseren Orientierung für den Leser eingefügt. Das Buch enthält auch einen schematischen Stadtplan von Varenne, eine Übersichtskarte, ein Personenregister und ein ausführliches Glossar.

„Das Salz der Erde“ ist ein gelungener Roman, in dem historische Fakten mit Fiktion gekonnt verknüpft werden. Die Handlung wird konsequent vorangetrieben, wobei dem Leser gelegentlich eine Pause zum Durchatmen und Sammeln seiner Gedanken gegönnt wird. Das geschieht in erster Linie durch die gewollte Vorhersehbarkeit einiger Situationen, die in den dem jeweiligen Ereignis vorhergehenden Szenen fast schon angekündigt wurden. Für meinen Geschmack hätte sich der Roman ein wenig mehr am Titel orientieren können und das Salz und dessen Gewinnung etwas mehr in den Mittelpunkt rücken dürfen. Aber das ist nur ein Gedanke am Rande.

Wer komplexe, gut recherchierte und umfangreiche Mittelalterromane mag, wird an „Das Salz der Erde“ sicher seine Freude haben.

14 von 19 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.05.2013
Showdown
Müller, Dirk

Showdown


sehr gut

Wir leben in bewegten Zeiten, politisch und ökonomisch. Längst ist aus einem Miteinander der europäischen Staaten ein Gegeneinander geworden, weltweit gesehen, ist es wohl nicht vermessen, von einem Wirtschaftskrieg zu sprechen. Dabei wird Otto Normalbürger oft für dumm verkauft oder auch bewusst dumm gehalten. Nach "Crashkurs“ und "Cashkurs“ liegt mit "Showdown“ nun das dritte Sachbuch vor, in dem Dirk Müller die interessierte Leserschaft ein wenig hinter die Kulissen der Wirtschafts- und Politbühne schauen lässt.

Dirk Müller macht deutlich, dass nicht ausschließlich die immensen Staatschulden ursächlich für die gegenwärtige Misere sind. Wieder einmal geht es um die Aufteilung von Rohstoffressourcen. In Europa gibt es keine unerschlossenen mehr? Und Griechenland hat schon gar keine? Weit gefehlt. Griechenland hat so große Erdöl/-gasvorkommen, dass es damit ganz Europa versorgen könnte. Dass es von der Förderung bis zur Tilgung der Staatsschulden nur ein kleiner Schritt ist, sollte dann auch jedem relativ schnell klar werden. Warum sollen sich die angeschlagenen Staaten zu Tode sparen, indem ihnen ein Sparprogramm nach dem anderen auferlegt wird. Warum wird nicht eher die Konjunktur angekurbelt? Warum wurde der us-amerikanisch geprägte IWF gegen das Anraten namhafter Fachleute zu Bewältigung der europäischen Schuldenkrise herangezogen? Warum hat man nicht auf eigene Kräfte vertraut? Was würde ein Austritt aus dem EURO für die Bürger der schuldengeschüttelten Staaten für Folgen haben? Was würde sich für uns beim Austreten Deutschlands aus der europäischen Währung ergeben? Ein wenig Licht in den Fragendschungel bringt schon das Nachdenken über die Frage „Wem nutzt es?“ Ohne die Antwort darauf vorweg nehmen zu wollen, dem Europäer nutzt die gegenwärtige Situation keinesfalls. Aber auch Dirk Müller hat keine ultimative Lösung des europäischen Problems parat. Er zeigt lediglich Möglichkeiten für Wege aus der Krise auf.

Dieses Buch finde ich durchaus wichtig und gelungen, obwohl mir zwei Punkte nicht so gefielen. Zum einen nennt Müller nicht konsequent seine Informationsquellen. Mag sein er will sie in der Öffentlichkeit nicht bloßstellen, aber am Ende des Sachbuches hätte ich mir ein ausführliches Quellenverzeichnis gewünscht, ohne dass klar werden muss, wer genau zu welchem Thema Auskunft gab. Andererseits haderte ich beim Lesen ein wenig mit dem Sprachstil des Autors. Dieser war mir stellenweise ein wenig zu salopp. An manchen Stellen kam beim Lesen bei mir so eine Art Stammtischatmosphäre auf, die das Buch und das Thema einfach nicht verdient haben. Zwar soll dieses Sachbuch durchaus allgemeinverständlich sein, hier war es ein wenig zu launig.

"Showdown“ ist ein hochinteressantes Sachbuch über die aktuellen Probleme der EURO-Zone. Dirk Müller zeigt verschiedene Möglichkeiten und deren Folgen für eine Krisenbewältigung auf. Dabei ist das Buch leicht verständlich geschrieben und auch Laien werden nicht vom üblichen Fachchinesisch überrollt. Klar ist, es muss etwas geschehen. Wie Dirk Müller schreibt, wir bewegen uns konsequent in Richtung eines Sumpfes, noch können wir uns entscheiden, ob wir ihn rechts oder links (ohne politische Wertung) umgehen wollen. Aber geradeaus, wie bisher, ist die eindeutig schlechteste aller Möglichkeiten.

Den Politikern möchte ich zurufen 'Bewegt Euch!', auf jeden Fall ist die Lektüre dieses Buches ein Weckruf, der nicht ungehört verklingen sollte. Aus dem Grund wünsche ich diesem aufklärenden Sachbuch viel Erfolg und viele Leser.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.05.2013
Die Sonne war der ganze Himmel
Powers, Kevin

Die Sonne war der ganze Himmel


ausgezeichnet

"Der Krieg wollte uns im Frühling töten." Mit diesen Worten beginnt dieser beeindruckende und aufwühlende Roman. Aber schnell wird deutlich, er tötet nicht nur im Frühling, er ist allgegenwärtig und mit ihm der Tod. Das wird dem Leser auf beklemmende Weise deutlich gemacht. Der 21-jährige John Bartle war schon vor dem Kriegseinsatz bei der Army, als es plötzlich ernst wurde.

"Es war eine ganz gute Zeit gewesen, die Army bot mir die Möglichkeit, abzutauchen. Ich muckte nicht auf und tat, was man mir auftrug. Niemand erwartete viel von mir, und ich verlangte wenig. Ich hatte so gut wie nie einen Gedanken an einen Kriegseinsatz verschwendet, und nun, da er kurz bevorstand, suchte ich vergeblich nach einem Gefühl innerer Dringlichkeit, das den Ereignissen entsprach, die sich in meinem Leben zu entfalten begannen."

John Bartle, Protagonist des Romans, kann ohne weiteres als Alter Ego des Autors angesehen werden. Kevin Powers war wie er von 2004 bis 2005 im Irak stationiert. In diesem Roman verarbeitet er seine eigenen Erfahrungen auf literarische Weise. Beeindruckend ist der sprachliche Stil, der durch die Übersetzung ins Deutsche kaum Schaden genommen zu haben scheint. Der Übersetzer Henning Ahrens hat ausgezeichnete Arbeit geleistet. Auf schon fast poetische Weise beschreibt der Autor die Schrecken des Irak-Krieges, die Gluthitze in der Wüste und die Ängste der Soldaten und ihrer Angehörigen. Dies scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein, Kevin Powers beweist aber eindringlich, auch das Grauen hat schöne Worte verdient und wird dadurch nur noch empathischer und bedrückender. Ich kann mich nicht erinnern in den letzten Jahren einen Roman gelesen zu haben, bei dem sich Schönheit und Gräuel so hervorragend ergänzten.

Der Leser begleitet den Private John Bartle in der Zeit von 2003 bis 2009 und bekommt Einblicke ins Leben und Sterben der us-amerikanischen Kampfeinheit. Aber das Leben ist ein blanker Überlebenskampf und das Sterben ein Verrecken. Powers entreißt dem Irak-Krieg jede Art von Glorifizierung und Mythos, er stellt ihn dar, wie er ist, grauenvoll, brutal, unmenschlich.

Diese Geschichte erzählt Kevin Powers nicht chronologisch, sondern wechselt zwischen den verschiedenen Zeitebenen. In den Kapiteln, die die Zeit nach Bartles Irakeinsatz betreffen, wird deutlich, dass der Krieg die Soldaten nicht nur physisch, sondern auch psychisch zerstört.

Kevin Powers hat mit "Die Sonne war der ganze Himmel" ein beeindruckendes Romandebüt abgeliefert. Er schont den Leser nicht und führt sie sprachgewaltig in die Welt des Krieges, des Tötens und getötet Werdens, der Angst und des Schreckens. Dieser unglaublich intensive Roman hat mich tief berührt und nachhaltig beeindruckt. Dafür gibt es von mir eine unbedingte Leseempfehlung.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.04.2013
Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz
Punti, Jordi

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz


sehr gut

Was für eine kuriose Geschichte! Als der Polizei Barcelonas Gabriel Delacruz als vermisst gemeldet wird, wendet diese sich an dessen Sohn Cristòfol. Bei seiner Recherche entdeckt dieser, dass er in Paris, London und Frankfurt/Main noch drei weitere Halbbrüder hat, deren Vornamen sich lediglich durch landestypische Schreibweise von seinem eigenen unterscheiden. Alle vier Christofs treffen sich, erzählen sich gegenseitig von den wenigen Erlebnissen mit dem Vater, von dem sie jedoch seit 30 Jahren nichts mehr hörten. Es beginnt eine unterhaltsame Spurensuche. Warum haben alle den gleichen Namen? Wie konnte er vier Familien haben, ohne dass sie voneinander erfuhren? Warum hatte er überhaupt vier Familien? Warum ist er verschwunden, was ist geschehen? Fragen über Fragen bewegen die vier Männer und den Leser. Die vier Christophs befragen ehemalige Gefährten des Vaters und ganz allmählich bekommt man in dem 608 Seiten langen Roman Antworten.

„Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz“ ist der erste Roman, den ich von Jordi Punti las. Er ist unterhaltsam, amüsant und regt zum Nachdenken an. Die Erlebnisse von Gabriel, Bundó, seinem Begleiter seit den Kindertagen im Waisenhaus, und Petroli, dem dritten Mann im Umzugswagen, muten zum Teil skurril und abenteuerlich an und wirkten auf mich ebenso ruhelos, wie das Leben dieser Männer. Mitunter gerät der Autor bei den Erzählungen ins Plaudern, er spannt einen weiten Bogen, ehe er zum Kern der Sache kommt. Dadurch empfand ich den Roman stellenweise als ein wenig langatmig. Darüber trösteten dann aber wieder die unverhofften Wendungen hinweg, die diesen Roman so interessant machten, so dass letzten Endes ein kunterbuntes Bild des Lebens des Gabriel Delacruz entstand. Die Figuren charakterisierte der Autor sehr ausdrucksstark und facettiert. Sie wirkten lebendig und werden schnell zu „guten Bekannten“.

„Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz“ ist ein Roadmovie der besonderen Art. Wer ungewöhnliche Geschichten mag, wird seine Freude an diesem Roman haben. Ich habe mich mit diesem Buch sehr wohlgefühlt und werde nach weiteren Romanen des Autors Ausschau halten.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.04.2013
Brief in die Auberginenrepublik
Khider, Abbas

Brief in die Auberginenrepublik


ausgezeichnet

Salim ist ein ehemaliger Student, der wegen des Besitzes illegaler Bücher im Irak verhaftet wurde. Sein Onkel verhalf ihm zur Flucht aus dem Gefängnis und dem Land. Nach einigen Zwischenetappen ist er in Bengasi gestrandet und verdingt sich dort als Bauarbeiter, wie viele im Exil. Seit zwei Jahren hat er nichts mehr von seiner Familie gehört. Auf offiziellem Weg kann er wegen der Zensur keine Briefe in die Heimat schicken, da erfährt er zufällig von dem Netzwerk illegaler Briefboten. Er schreibt einen Brief an seine Geliebte Samia und übergibt ihn dem ersten Boten.

Der eigentliche Protagonist dieses Romans ist ein Brief, dessen abenteuerlichen Weg der Leser auf seiner Reise von Bengasi über Kairo und Amman bis hin nach Bagdad verfolgen kann. Jedes der 7 Kapitel ist der Person an dem Ort gewidmet, bei der sich der Brief gerade befindet. So lernt der Leser Menschen kennen, die dem Regime, wie der Absender, zum Opfer gefallen sind, aber auch die, die in dem Brieftransport eine Geschäftsidee sehen, mit der sie ihr Geld verdienen und dann gibt es noch die, die sich dem Regime unterworfen haben und für die Zensurbehörde arbeiten. Aber es gibt auch die Menschen, die vollkommen uneigennützig einem Heimatlosen einfach nur helfen wollen.

Man merkt diesem Roman an, dass sein Autor aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen konnte. Denn Parallelen zu dem Exil-Iraker Salim, dem Schreiber der des Briefes, sind kaum zu übersehen. Ob der Roman autobiografisch ist, lasse ich dahingestellt. Inspirationen fand Abbas Khider dazu in seiner eigenen Vergangenheit gewiss genügend. Gekonnt flicht er in seine Erzählung immer wieder Passagen ein, die über die Situation der im Exil lebenden Iraker und die politischen Gegebenheiten in deren Heimat Auskunft geben. Der Roman wirkt dadurch auf mich ungeheuer glaubhaft. Abbas Khider schreibt sehr wortgewaltig, mitunter auch sehr poetisch, nie nur bitterernst, vieles schmückt er mit einem Fünkchen Humor. Sehr gerne lese ich die richtig dicken Wälzer. Aber ein Autor wie Abbas Khider gibt mir dann wieder zu verstehen, es bedarf nicht der vielen Worte für einen wirklich guten Roman, auch 160 Seiten können einem eine ganz Welt nahe bringen, wenn man auch an manchem Ort gern etwas länger geblieben wäre.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.