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dorli
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Berlin
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Insgesamt 883 Bewertungen
Bewertung vom 25.04.2022
Düsteres Watt / Liv Lammers Bd.6
Weiß, Sabine

Düsteres Watt / Liv Lammers Bd.6


ausgezeichnet

Sylt im August. Kommissarin Liv Lammers und ihr Freund Sebastian genießen gerade ihren ersten gemeinsamen Urlaub, als die lauschige Ferienstimmung durch einen Leichenfund in den Wanderdünen bei List abrupt beendet wird. Bei dem Toten handelt es sich um Karl von Raboisen. Erste Erkenntnisse stellen die Ermittler vor ein Rätsel, denn der Spross eines alten holsteinischen Adelsgeschlechts scheint mitten in der Dünenlandschaft ertrunken zu sein…

Neben der Suche nach Karls Mörder hält auch das Verschwinden einer jungen Frau die Kommissare in Atem – Michelle Müller war mit ihrer Drohne in den Dünen unterwegs, hat beim Filmen des malerischen Sonnenaufgangs den Toten entdeckt und anonym bei der Polizei gemeldet. Seit dem ist sie spurlos verschwunden…

„Düsteres Watt“ ist bereits Liv Lammers sechster Fall - auch diesmal erwartet den Leser ein fesselnder Krimi mit einer abwechslungsreichen Handlung und vielschichtigen Figuren. Sabine Weiß kann vortrefflich erzählen. Sie versteht es ausgezeichnet, Situationen und Emotionen mitreißend darzustellen, so dass es mir ganz leicht gefallen ist, in die Handlung einzutauchen und mit den Akteuren mitzufiebern und mitzufühlen.

Im Fokus dieses Krimis steht die Familie von Raboisen. Alteingesessener Adel, hoch angesehen und steinreich. Doch der schöne Schein trügt – zwar geben sich die Herren von Raboisen nach außen edel und honorig, doch hinter der schillernden Fassade weht ein ganz anderer Wind: Familienpatriarch Eduard strotzt nur so vor Arroganz. Er herrscht mit harter Hand und drangsaliert sowohl Angestellte wie auch Familienangehörige. Auch Karl schreckte vor Gewalt nicht zurück und hat vor seinem Tod seine Frau Charlotte und seine Töchter Jennifer und Sophia erniedrigt, gegängelt und ausspioniert.

Nicht nur die wie eine Dunstglocke über der Insel hängende Hitze droht Liv und ihren Kollegen von der Kripo Flensburg die Energie zu rauben, auch die Ermittlungen im Hause Raboisen erweisen sich als äußerst anstrengend, denn irgendwie scheint fast jeder aus Karls Umfeld - ob nun geschäftlich oder privat - einen Grund gehabt zu haben, ihm den Garaus zu machen. Auch das unwirsche Verhalten Eduards, ein Sommerfest mit über einhundert Gästen aus Politik und Gesellschaft am Vorabend des Mordes sowie das öffentliche Interesse - handelt es sich doch bei den Raboisens um eine allseits bekannte Familie und bei Charlotte um eine aufstrebende Politikerin - machen den Fall für die Ermittler zu einer äußerst verzwickten Aufgabe. Falsche Fährten, mehrere Verdächtige und immer neue Hinweise halten die Handlung durchweg lebendig und laden den Leser zum Miträtseln und Mitgrübeln ein.

Besonders gut gefallen hat mir, dass neben der Ermittlungsarbeit auch die privaten Angelegenheiten der Kommissare wieder eine Rolle spielen. Die zum Teil dramatischen Entwicklungen verleihen dem ohnehin schon lebhaften Geschehen zusätzliche Spannung.

Abgerundet wird die Krimihandlung durch allerlei Wissenswertes rund um Sylts einzigartige Natur und Kultur - genau die richtige Dosis Lokalkolorit, die ein Regionalkrimi braucht.

„Düsteres Watt“ punktet mit einer genauso spannenden wie abwechslungsreichen Handlung und hat mir ein paar kurzweilige Lesestunden beschert.

Bewertung vom 03.04.2022
Engel des Todes / Paul Stainer Bd.3
Ziebula, Thomas

Engel des Todes / Paul Stainer Bd.3


ausgezeichnet

In seinem historischen Kriminalroman „Engel des Todes“ nimmt Thomas Ziebula den Leser mit in einen brisanten Abschnitt der deutschen Geschichte. Die Krimihandlung spielt zwischen dem 13. und 19. März 1920 in Leipzig - der erste große Aufstand gegen die Weimarer Republik, der sog. Kapp-Putsch, führt in vielen deutschen Regionen und ganz besonders in Leipzig zu Demonstrationen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen, zahlreiche Tote und viele Verletzte sind zu beklagen. Mittendrin in diesem brodelnden Hexenkessel versucht Kriminalinspektor Paul Stainer gemeinsam mit seinen Kollegen seinen dritten Fall zu lösen und einen bestialisch mordenden Serientäter zur Strecke zu bringen - kein leichtes Unterfangen, denn der Aufenthalt in Leipzigs Straßen ist auch für die ermittelnden Kommissare lebensgefährlich.

Anders als in den beiden vorhergehenden Bänden rund um den erst vor kurzem aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten Stainer steht in diesem Krimi die politische Lage mit den Auswirkungen des Putsches und den unterschiedlichen Intentionen der einzelnen Gruppierungen im Vordergrund. Zudem ist der Täter dem Leser diesmal von Anfang an bekannt – man bekommt Einblick in seine Psyche, erfährt, was ihn antreibt und erlebt seine grausigen Taten mit.

Thomas Ziebula versteht es ganz ausgezeichnet, dem Leser den Zeitgeist und die Lebensart der 1920er Jahre zu vermitteln. Der Autor hat das Schicksal seiner Protagonisten eng mit den damaligen Ereignissen verwoben - die Nachwirkungen des Krieges, die politischen Unruhen, der ganz normale Alltag in der so turbulenten Zeit und auch das langsam wieder aufblühende gesellschaftliche Leben werden greifbar dargestellt und sorgen für eine genauso abwechslungsreiche wie authentische Handlung.

Die Mischung aus politischem Zeitgeschehen und spannender Kriminalgeschichte hat mir sehr gut gefallen - „Engel des Todes“ wird fesselnd erzählt und kann mit stimmigem Zeitkolorit und interessanten Charakteren überzeugen.

Bewertung vom 23.03.2022
Tote tanzen keinen Walzer
Minck, Lotte

Tote tanzen keinen Walzer


ausgezeichnet

Bärbel und Frank wollen heiraten und wünschen sich von ihren Freunden etwas ganz Besonderes: da auf einer richtigen Hochzeit auch ordentlich getanzt werden muss, soll ein gemeinsamer Tanzkurs für die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten sorgen - alle sind begeistert, nur Loretta missfällt die Idee, da sie fürs Tanzen so gar nichts übrig hat. Aber das Brautpaar enttäuschen geht natürlich nicht, also ist ab sofort immer freitags schwofen angesagt.

Niemals hätte Loretta für möglich gehalten, dass es ihr sogar Spaß macht, das Tanzbein zu schwingen; genauso wie sie es niemals für möglich gehalten hätte, das mitten in der Tanzstunde quasi vor aller Augen einer ihrer Tanzmitschüler erschossen wird.

Kommissarin Küpper rückt mit ihrer Truppe an und nimmt die polizeilichen Ermittlungen auf, was Loretta und ihre Freunde nicht davon abhält, eigene Nachforschungen anzustellen. „Hornbrillen-Girl“ und „Minipli-Man“ nehmen das Umfeld des Opfers und auch das Umfeld der anderen Tanzschüler sowie der Tanzlehrer genauer unter die Lupe, doch vom Täter fehlt jede Spur. Das Motiv bleibt unklar und selbst die Frage, ob der Mörder es überhaupt auf Christian abgesehen hatte, kann lange nicht beantwortet werden. Loretta & Co. geben im großen Finale dieser Krimi-Reihe noch einmal alles - doch wie so oft bei ihren Ermittlungen scheinen die Dinge mit jedem neuen Hinweis verworrener und undurchsichtiger zu werden. Aber aufgeben kommt für die Spürnasen selbstverständlich nicht infrage…

Auch in Lorettas mittlerweile fünfzehnten - und voraussichtlich letzten - Fall erwarten den Leser wieder eine abwechslungsreiche Handlung, spannende Ermittlungen und wortwitzige Dialoge. Die muntere Hobbydetektivin hat mich dabei mit ihrer Spurensuche und der Art, wie sie aus ihrem Alltag erzählt, wieder bestens unterhalten. Wer amüsante Krimis mit genauso originellen wie warmherzigen Figuren mag, kommt in „Tote tanzen keinen Walzer“ genau wie in allen vorherigen Bänden der Reihe voll auf seine Kosten.

Das Ende einer vergnüglichen Reise in 15 Etappen ist nun also erreicht. Fürwahr ein gelungener Ausklang. Ich habe Loretta über die Jahre hinweg gerne bei ihren abwechslungsreichen Abenteuern begleitet, das Mitfiebern und Miträtseln hat immer wieder Spaß gemacht. Und irgendwie hoffe ich, dass dieses Finale kein endgültiger Abschied ist und es irgendwann ein Wiederlesen mit Loretta und ihrer lebhaften Einsatztruppe geben wird. Denn mal ehrlich: Loretta in Ermittler-Rente? Das ist nur schwer vorstellbar.

Bewertung vom 04.03.2022
Das verschlossene Zimmer
Givney, Rachel

Das verschlossene Zimmer


weniger gut

Polen im Frühjahr 1939. Die 17-jährige Marie lebt gemeinsam mit ihrem Vater Dominik in Krakau. An ihre Mutter, die spurlos verschwand, als Marie ein Kleinkind war, hat die Schülerin keine Erinnerung, kennt nicht einmal deren Namen. Da Dominik beharrlich über den Verbleib ihrer Mutter schweigt und nicht bereit ist, auch nur eine Frage zu beantworten, macht sich Marie daran, das Geheimnis rund um das Verschwinden ihrer Mutter zu lösen…

Klappentext und Leseprobe haben mich wahnsinnig neugierig auf diesen Roman gemacht. Ich habe eine Geschichte voller Zeit- und Lokalkolorit erwartet, in der ich eine junge Frau auf der Suche nach ihren Wurzeln begleite. In der ich mit ihr Puzzleteil für Puzzleteil umdrehe und schließlich gemeinsam mit ihr Licht in das Dunkel um die Ereignisse bringe, die ungefähr 15 Jahre zuvor geschehen sind. Bekommen habe ich eine ganz andere Geschichte.

Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen während der Zwischenkriegszeit – überwiegend 1939 sowie in einigen Kapiteln zu Beginn der 1920er Jahre. Rachel Givney stellt nicht Maries Nachforschungen in den Fokus, sondern wartet mit einer Vielzahl zum Teil recht gewichtiger Themen auf, die die Menschen damals bewegt haben. Neben dem damaligen medizinischen Standard mit Meilensteinen wie Penicillin und Aspirin geht es zum Beispiel um die Judenverfolgung in Polen, die politische Situation mit der Bedrohung durch den herannahenden Zweiten Weltkrieg, die Rolle der Frau in der Gesellschaft oder auch um Kriegsneurosen heimkehrender Soldaten nach dem Großen Krieg. Der Autorin gelingt es leider nicht, all diese interessanten Aspekte in Einklang zu bringen. Alles wirkt auf mich oberflächlich und irgendwie unausgegoren.

Auch die Darstellung von Marie hat mir nicht gefallen - mal ist sie eine intelligente junge Frau mit einem starken Willen, dann wieder wirkt sie so naiv, dass ich Zweifel hatte, ob sie in der Lage ist, auf eigenen Füßen zu stehen. Marie trifft bei ihrer Suche nach Antworten auf Ben Rosen, ihren Freund aus Kindertagen. Sie verliebt sich in ihn und konvertiert zum Judentum, um ihn heiraten zu können. Da Maries Entwicklung so gut wie gar nicht erkennbar ist, konnte ich ihr Handeln besonders in diesem Punkt nicht nachvollziehen und es ist mir entsprechend schwer gefallen, mit ihr mitzufiebern. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass sie überhaupt nicht begreift, was für ein Drama da auf sie zurollt.

Der Part, der kurz nach dem Ersten Weltkrieg in Lemberg spielt, hat mir ein wenig besser gefallen, wenn auch die Höhen und vor allen Dingen die Tiefen, die Maries Mutter Helena durchmachen musste und die Wege, die sie deshalb gegangen ist, ins Unglaubwürdige abdriften.

Auch wenn ich schon recht früh eine Ahnung hatte, welches Geheimnis Dominik verbirgt und mich das Ende schließlich nicht wirklich überzeugt hat, fand ich die Idee hinter der Geschichte spannend. Daher zwei Sterne und das Fazit: „Kann man lesen, muss man aber nicht“.

Bewertung vom 21.02.2022
Terra di Sicilia. Die Rückkehr des Patriarchen / Die Carbonaro-Saga Bd.1
Giordano, Mario

Terra di Sicilia. Die Rückkehr des Patriarchen / Die Carbonaro-Saga Bd.1


ausgezeichnet

In Mario Giordanos Roman „Terra di Sicilia. Die Rückkehr des Patriarchen“ geht es um die Lebensgeschichte von Barnaba Carbonaro, der – 1880 geboren und im archaischen Sizilien aufgewachsen - Dank seines Mutes und seiner Gewitztheit auch ohne Schulbildung zu einem geachteten Zitrushändler wird.

Mario Giordano erzählt diese Geschichte auf zwei Zeitebenen – zum einen vom Wachsen und Werden Barnabas an der Schwelle zum 20. Jahrhundert und zum anderen von seiner Rückkehr im Jahr 1960 in den Schoß seiner Familie nach München, der Stadt, in der er im Laufe seines Lebens Beachtenswertes erlebt und erreicht hat. Dem Autor gelingt es dabei ganz ausgezeichnet, den Zeitgeist der unterschiedlichen Jahrzehnte einzufangen.

Der Einstieg in die Geschichte war für mich aufgrund der vielen Namen etwas holperig. Dank einer Personenübersicht und eines Stammbaumes war die Hürde aber schnell überwunden und ich konnte Barnabas Geschichte in vollen Zügen genießen.

Barnaba wächst in einer Familie auf, die am Rande des Existenzminimums lebt. Er muss sich auf Geheiß seines Vaters von dem deutschen Fotografen Wilhelm von Gloeden nackt fotografieren lassen und sich für einen Hungerlohn auf einer Zitrusplantage abrackern, statt wie andere Kinder zur Schule zu gehen. Während er Jahr für Jahr bis zum Umfallen für den Orangenbauer schuftet, ist er ein aufmerksamer Beobachter. Er verinnerlicht die einzelnen Arbeitsschritte und träumt dabei von Reichtum und der Gründung einer Familiendynastie.

Barnaba bleibt Zeit seines Lebens Analphabet. Ich habe mich im Verlauf der Handlung des Öfteren gefragt, warum er sich nicht einfach die Zeit genommen hat, das Lesen und Schreiben zu lernen. Vieles wäre einfacher für ihn gewesen. Die Welt der Buchstaben bleibt ihm fremd, das Rechnen liegt ihm dagegen im Blut. Zahlen erscheinen ihm als Farben, Muster und Düfte, so dass auch komplizierte Berechnungen für ihn kein Problem sind – im Gegenteil, sein Talent ebnet ihm den Weg aus Armut und Elend. Über die Jahre hinweg wechseln sich Erfolg und Niederlage ab. Mal vom Pech verfolgt, dann wieder mit Glück gesegnet kämpft Barnaba bis zum Schluss mit den Launen des Schicksals. Er häuft ein Vermögen an, das von Misserfolgen wieder aufgefressen wird, sein Leben ist ein ständiges Auf und Ab.

Besonders gut gefallen hat mir Barnabas innere Zerrissenheit. Er möchte sich über die verstaubten Traditionen seiner Heimat hinwegsetzen und gleichzeitig daran festhalten. Und so balanciert der liebenswürdige, aufgeschlossene Mann durch die Stürme des Lebens und versucht, die Forderungen seiner Mutter – sie niemals allein zu lassen - zu erfüllen und gleichzeitig seine Träume und Wünsche im fernen München – er liebt das moderne, geordnete Leben in der Stadt - zu verwirklichen.

Einen übersinnlichen Touch bekommt die Geschichte durch die „Patruneddi“ – das sind die Seelen von Toten, die weiterhin an den Orten umherwandern, an denen sie früher gelebt haben. Diese Hausgeister erweisen sich für Barnaba mal als Retter in der Not, dann wieder als nerviges Hindernis. Ich habe diesen Part der Geschichte als Bereicherung empfunden. Das Bild, das der Autor von der facettenreichen sizilianischen Kultur zeichnet, wird durch die Einbindung dieser Surrealität auf eine für mich interessante Weise ergänzt.

„Terra di Sicilia. Die Rückkehr des Patriarchen“ lässt sich angenehm zügig lesen und hat mir nicht nur spannende, unterhaltsame Lesestunden beschert, sondern mir auch vielfältige Einblicke in die Historie und Kultur Siziliens ermöglicht.

Bewertung vom 21.02.2022
Es muss nicht immer Labskaus sein / Ostfriesen-Krimi Bd.9
Franke, Christiane;Kuhnert, Cornelia

Es muss nicht immer Labskaus sein / Ostfriesen-Krimi Bd.9


ausgezeichnet

Ostfriesland im Januar. Dorfpolizist Rudi Bakker vertritt einen Kollegen auf Spiekeroog. Während einer Joggingrunde entdeckt er am Strand einen toten Pottwal. Der mächtige Kadaver sorgt natürlich schnell für Aufsehen, so dass die Mitglieder der Umweltschutzgruppe EGA eine Walwache organisieren, um Schaulustige auf Abstand zu halten. Als Rudis Sohn Sven in den frühen Morgenstunden seine Schicht antreten will, findet er den Lehrer und EGA-Mitstreiter Martin Junghans erstochen neben dem Wal liegend auf. Die Kripo Wittmund rückt an und befragt die Anwesenden. Geertje Michelsen ist nicht nur völlig durch den Wind, weil ihr Freund ermordet wurde, die junge Frau hat auch entdeckt, dass dem Wal mehrere Zähne fehlen. Hat Martin Walzahndiebe überrascht und musste deshalb sterben? Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf. Kurz darauf ist Geertje spurlos verschwunden…

Christiane Franke und Cornelia Kuhnert zeigen auch im neunten Abenteuer ihrer drei Neuharlingersieler Spürnasen, dass sie ein Händchen für eine gut ausbalancierte Mischung aus frischem Humor und spannender Krimihandlung haben und dass sie es zudem ganz ausgezeichnet verstehen, ihr Personal echt und lebensnah darzustellen. Die Akteure, die dieser Krimiserie mit ihren Eigenarten und Marotten die besondere Note geben, überzeugen dabei einmal mehr mit einem unterhaltsamen Zusammenspiel. Es macht einfach Spaß, Rosa, Rudi, Henner und die anderen Dorfbewohner während der Ermittlungen zu begleiten und ihnen bei ihren persönlichen Angelegenheiten über die Schultern zu schauen. Für den einen oder anderen Aufreger sorgt wie gehabt Rudis Kollege Helmut Schnepel - der Oberkommissar schießt mit seinen fadenscheinigen Anschuldigungen und Vermutungen wiederholt über das Ziel hinaus und stapft so munter von einem Fettnapf zum nächsten.

Ganz hervorragend gelungen ist den Autorinnen auch wieder das Lokalkolorit - neben den Besonderheiten der Region, dem facettenreichen Alltagsgeschehen in und um Neuharlingersiel sowie dem Naturell und den Gewohnheiten der Küstenbewohner darf der Leser sich auch wieder auf einige Spezialitäten und Leckereien aus der ostfriesischen Küche freuen. Die entsprechenden Rezepte gibt es wie immer im Anhang.

„Es muss nicht immer Labskaus sein“ hat mir sehr gut gefallen. Ein Krimi, der kurzweilige Unterhaltung bietet und zum Miträtseln einlädt - ein tolles Lesevergnügen.

Bewertung vom 03.01.2022
Die Brücke der Ewigkeit / Die Baumeister Bd.1
Hector, Wolf

Die Brücke der Ewigkeit / Die Baumeister Bd.1


ausgezeichnet

In seinem historischen Roman „Die Brücke der Ewigkeit“ nimmt Wolf Hector den Leser mit in das 14. Jahrhundert nach Prag und erzählt vom Bau der Karlsbrücke, die die Prager Altstadt mit der Kleinseite verbindet.

Wolf Hector erzeugt allein schon dadurch Spannung, dass er diesen Roman auf zwei Zeitebenen spielen lässt und mit dem Ende beginnt. Dieses Ende ist Teil einer Rahmenhandlung, in der der ältere Jan Otlin seinem Schwiegervater Mathias von Nürnberg zu erklären versucht, warum dessen Tochter Maria-Magdalena sich im Gefängnis befindet und auf ihre Hinrichtung wartet. Was Otlin zu erzählen hat, bildet die Haupthandlung und ist nicht nur eine Antwort für Mathias, sondern beinhaltet Otlins Werdegang und damit die Geschichte rund um die Erbauung der Brücke.

Bei dem Steinmetz Jan Otlin handelt es sich um eine historische Figur. Erst seit wenigen Jahren geht man davon aus, dass er - und nicht wie bisher angenommen der Dombaumeister Peter Parler - der Architekt der Karlsbrücke gewesen ist. Wolf Hector hat die wenigen Daten, die über das Leben Otlins bekannt sind, mit einer spannenden fiktiven Handlung verknüpft und diesen Roman damit zu einer kurzweiligen Zeitreise werden lassen.

Die Haupthandlung beginnt am 3. Februar 1342 – eine stürmische Gewitternacht, in der die Judithbrücke durch ein Hochwasser zerstört wird. Der 12-jährige Jan Otlin versucht, seine Mutter aus den reißenden Fluten der Moldau zu retten und schwört in seiner Not, eine neue, stabilere Brücke zu bauen, wenn Gott ihn und seine Mutter verschont. Tatsächlich überleben beide die schreckliche Nacht und Jahre später bekommt Otlin die Chance, sein Versprechen wahr zu machen. Doch er hat einen unerbittlichen Konkurrenten: der Steinmetz Rudolph von Straßburg lässt nichts unversucht, um Otlin den Posten des Baumeisters streitig zu machen…

Wolf Hector erzählt sehr anschaulich. Mit viel Liebe zum Detail zeichnet er ein umfassendes, vielschichtiges und vor allen Dingen sehr glaubwürdiges Bild der damaligen Zeit und versteht es ausgezeichnet, die historischen Fakten durch mitreißende Schilderungen mit Leben zu füllen. Schon nach wenigen Seiten hat mich die Welt des jungen Baumeisters gefangen genommen und ich habe gespannt verfolgt, wie Jan Otlin sich gegen alle Widrigkeiten - ob nun Naturgewalten oder die hinterlistigen Attacken seines Gegners - stemmt.

Neben Rudolphs Intrigen bringen auch die undurchsichtigen Machenschaften von Ricarda Scorpio eine große Portion Spannung ins Geschehen. Die Sternendeuterin, Heilerin und Frauenwirtin hat eher ihre persönlichen Ziele im Blick, als dass sie Ratsuchenden verlässliche Hilfe bietet. Und auch ein Straßenmädchen, das sich Max nennt, sorgt mit ihren vielfältigen Erlebnissen für packende Momente.

„Die Brücke der Ewigkeit“ hat mir sehr gut gefallen - eine mit vielen historischen Fakten verwobene Geschichte, die anschaulich und lebendig erzählt wird und dabei schnell einen Sog entwickelt, dem man sich als Leser nicht entziehen kann.

Bewertung vom 02.01.2022
Gold und Ehre
Weiß, Sabine

Gold und Ehre


ausgezeichnet

In ihrem historischen Roman „Gold und Ehre“ nimmt Sabine Weiß den Leser mit in die Mitte des 17. Jahrhundert nach Amsterdam und Hamburg und wartet mit facettenreichen Einblicken in die Lebens- und Arbeitsbedingungen der damaligen Zeit auf. Die Niederlande befinden sich auf dem Höhepunkt ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Blütezeit; in der Hamburger Neustadt haben die Bauarbeiten an der St. Michaelis-Kirche begonnen.

Die Geschichte beginnt im Sommer 1650 und wird in mehreren Handlungssträngen erzählt. Für den 19-jährigen Benjamin Aard - talentierter Spross einer Amsterdamer Architektenfamilie - und seinem Cousin Theo hat eine kleine Unachtsamkeit bei einem wissenschaftlichen Experiment einschneidende Folgen: Während der medizinisch interessierte Theo zu einer Lehre bei einem Schiffsarzt gezwungen wird und auf große Fahrt gehen muss, wird Benjamin von seinem Vater Michiel nach Hamburg strafversetzt und soll dort den Bau des Hauses eines in der Hansestadt ansässigen Niederländers übernehmen.

Nach einem denkbar schlechten Start in Hamburg – Benjamin wird belogen, verprügelt und ausgeraubt - lernt er die junge Steinhändlerin Lucia kennen und verliebt sich in sie. Kaum hat Benjamin in Hamburg einigermaßen Fuß gefasst, wird er jedoch von seinem Vater nach Amsterdam zurückbeordert. Michiel will seine politische Karriere vorantreiben und braucht Benjamin und sein Können im Familienunternehmen. Lucia bleibt zurück…

Sabine Weiß erzählt diese Geschichte sehr unterhaltsam, jede Szene wirkt lebendig und ist fesselnd, so dass ich nicht nur ruckzuck mittendrin im Geschehen war und mir die Handlungsorte und die vorherrschenden Gegebenheiten bestens vorstellen konnte, ich wurde auch von den Höhen und Tiefen, die Benjamin, Lucia und Theo durchstehen mussten, mitgerissen und war stets neugierig darauf, was wohl als nächstes passieren wird.

Die Autorin hat das Leben und das Schicksal ihrer Protagonisten eng mit den historischen Umständen und den Herausforderungen der damaligen Zeit verflochten. Man bekommt nicht nur einen guten Einblick in die sozialen Strukturen des 17. Jahrhunderts und lernt die unterschiedlichen Gepflogenheiten und Werte der Menschen kennen, es werden auch viele reale Ereignisse der Zeit sehr eindringlich geschildert.

Zentrales Thema ist die Baukunst der damaligen Zeit. Neben der Errichtung des Hamburger Michels und des Amsterdamer Stadhuis werden die unterschiedlichsten Bereiche des Bauhandwerkes beschrieben. Es geht um Baustile, Fassadengestaltung, die Herstellung von künstlichem Marmor und vieles mehr.
Auch der Fernhandel, der Alltag auf See einschließlich der vielen Widrigkeiten, die die Seefahrt mit sich brachte, die Arbeit eines Schiffsarztes und die Gräuel des Sklavenhandels werden beleuchtet.
Zudem spielt die politische Lage eine große Rolle. Diplomatische Verwicklungen, die Intrigen und Ränkespiele der Reichen und Mächtigen und die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Niederlanden und England sind genauso Teil der Handlung wie das gesellschaftliche Leben und das Miteinander bzw. Gegeneinander der religiösen Gemeinschaften.

Besonders begeistert hat mich das stimmige Bild, das Sabine Weiß zeichnet. Das Zusammenspiel zwischen den zahlreichen historischen Persönlichkeiten und fiktiven Figuren funktioniert reibungslos; reale Ereignisse und Romanhandlung werden zu einer Einheit. Alles passt zusammen und wirkt durchweg echt und glaubwürdig – ein historischer Roman ganz nach meinem Geschmack.

Bewertung vom 13.12.2021
In ewiger Freundschaft / Oliver von Bodenstein Bd.10
Neuhaus, Nele

In ewiger Freundschaft / Oliver von Bodenstein Bd.10


ausgezeichnet

Frankfurt/Bad Soden am Taunus. Heike Wersch, einflussreiche Persönlichkeit in der deutschen Literaturszene und langjährige Mitarbeiterin im renommierten Winterscheid-Verlag, hat nach über 30 Jahren ihre Kündigung erhalten. Wenig später wird die als unbequem und streitlustig bekannte Programmleiterin vermisst und kurz darauf tot aufgefunden…

Nele Neuhaus beginnt diesen bereits zehnten Fall für ihr Ermittler-Duo Pia Sander und Oliver von Bodenstein mit einem kurzen Prolog, der 35 Jahre vor den aktuellen Ereignissen auf der französischen Atlantikinsel Noirmoutier spielt und dem Leser einen kleinen Blick auf eine Gruppe von befreundeten Jugendlichen werfen lässt, die hier ihren Urlaub verbringt. Obwohl auf diesen ersten zwei Seiten nichts Außergewöhnliches geschieht, spürt man doch, dass innerhalb der Clique nicht alles rund läuft…

Im Folgenden erwartet den Leser dann ein vielschichtig angelegter Krimi - mehrere Handlungsstränge, unterschiedliche Schauplätze und häufige Perspektivewechsel sorgen für eine lebhafte und abwechslungsreiche Handlung. Wie man es von Nele Neuhaus kennt, trifft man auch in diesem Krimi auf eine Vielzahl von Personen, die alle irgendwie - im Guten oder auch im Bösen - miteinander verbunden sind.

Im Fokus der Handlung stehen die Freunde von damals, die heute alle auf die eine oder andere Weise in der Welt der Bücher bzw. im Verlagswesen beschäftigt sind. Im Verlauf der Geschichte kommt heraus, dass die jungen Leute seinerzeit den Pakt geschlossen hatten, über ein schwerwiegendes Ereignis Stillschweigen zu bewahren. Nach Jahren voller Geheimnisse, Lügen und Intrigen wird die Wahrheit rund um die „ewige Freundschaft“ jetzt mit mörderischer Kraft ans Licht gezerrt und fordert nach Heike Wersch noch weitere Opfer…

Die Ermittlungsarbeit ist spannend und wird durch immer neue Hinweise und Ereignisse lebendig gehalten. Es hat mir sehr gut gefallen, wie die Autorin mich hinter die Fassaden ihrer zahlreichen Akteure blicken lässt. Geschickt lenkt Nele Neuhaus meine Augen während der Spurensuche von einem Verdächtigen zum nächsten, so dass ich bis zum Schluss prima über Motiv, Hintergründe und die Identität des Mörders miträtseln und mitgrübeln konnte.

Neben den spannenden Ermittlungen geht es auch im Privatleben der Kommissare – diesmal besonders im dem von Oliver von Bodenstein – recht turbulent zu. Außerdem animiert die Autorin ihre Protagonisten und damit auch den Leser darüber nachzudenken, was Freundschaft eigentlich ist.

„In ewiger Freundschaft“ hat mir sehr gut gefallen - ein kurzweiliger Krimi, der mich mit spannenden Ermittlungen und einer gut durchdachten Handlung bis zur letzten Seite gefesselt hat.

Bewertung vom 25.10.2021
Wenn der Teufel erwacht - Ein Fall für Jutta Stern und Tom Neumann 2 (eBook, ePUB)
Wind, Jennifer B.

Wenn der Teufel erwacht - Ein Fall für Jutta Stern und Tom Neumann 2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Wien. In einer Kfz-Werkstatt entdeckt ein Mechaniker im Kofferraum eines Autos zwei Leichen, die zahlreiche Verletzungen aufweisen. Die Halterin des Fahrzeugs ist geschockt und hat keine Erklärung dafür, wie die Toten in ihren Wagen gelangt sein könnten…

Jennifer B. Wind wartet in „Wenn der Teufel erwacht“ mit einem hochaktuellen Thema auf. Es geht um Flüchtlinge. Es geht um Menschen, die ihre Heimat verlassen, nicht nur, weil sie dort keinerlei Perspektive mehr für sich sehen, sondern weil sie der ständigen Gefahr für Leib und Leben entkommen wollen. Es geht auch um die Strapazen und die Risiken, die solch eine Flucht mit sich bringt. Und es geht um Menschen, die die Verzweiflung und die Hoffnung der Flüchtlinge gnadenlos ausnutzen, um die miese Geschäftemacherei der Schlepperbanden und die barbarischen Methoden, mit denen sie arbeiten.

Jennifer B. Wind versteht es mit ihrem angenehm zu lesenden Schreibstil ausgezeichnet, den Leser in ihren Bann zu ziehen. Schon der Prolog hat es in sich. Schnell hat mich der Bericht des 22-jährigen Medizinstudenten Samir gepackt, der gemeinsam mit seinem Vater die Flucht über das Mittelmeer wagt. Genauso mitreißend erzählt Samirs Mutter Nesrin im zweiten Teil des Buches vom Krieg in Syrien. Davon, wie schwer es ist, ohne ihren Mann mit den beiden jüngeren Kindern im zerbombten Aleppo auszuharren. Nesrin macht sich schließlich mit den Kindern und ihrer Mutter auf den Weg nach Österreich – die Brutalität, die sie unterwegs erlebt, macht sprachlos. Es gelingt der Autorin hervorragend, Nesrins Gedanken und Gefühle zu vermitteln. Man spürt ihre Angst, den Schmerz und die Verzweiflung und hofft und bangt mit ihr, dass die Reise für sie ein gutes Ende nehmen wird.

Ermittlerin Jutta Stern kann ihre Kollegen anfangs nicht bei den Ermittlungen unterstützen, da sie nicht in Wien ist, als die Leichen in dem Kofferraum gefunden werden. Jutta brauchte nach dem Tod ihres Mannes Simon eine Auszeit und ist nach Indien gereist, um sich auf die Suche nach ihrem Vater zu begeben. Auch dieser Part der Geschichte wird von Jennifer B. Wind sehr fesselnd geschildert. Jutta erlebt furchtbare Dinge und verlässt Indien fluchtartig.

Die Ermittlungen zu dem Kriminalfall rutschen durch Juttas Erlebnisse und den aufwühlenden Geschehnissen rund um Samir und Nesrin ein wenig in den Hintergrund, was aber nicht heißen soll, dass nicht ermittelt wird. Chefinspektor Georg Kunze und sein Kollege Tom Neumann unternehmen alles, um Licht in das Dunkel um die toten Flüchtlinge zu bringen. Die Spurensuche wird sogar richtig dramatisch und bringt Tom unversehens in große Gefahr.

„Wenn der Teufel erwacht“ hat mich rundum begeistert. Die abwechslungsreiche, gut durchdachte und vor allen Dingen realitätsnahe Handlung sorgt für spannende Lesestunden. Absolute Leseempfehlung!