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sleepwalker

Bewertungen

Insgesamt 495 Bewertungen
Bewertung vom 02.11.2023
Pageboy
Page, Elliot

Pageboy


gut

„Ich habe nichts Neues oder Tiefgründiges zu sagen, nichts, was nicht schon vorher gesagt worden wäre, aber ich weiß, dass Bücher mir geholfen, mich sogar gerettet haben, und vielleicht kann auch dieses Buch anderen dabei helfen, sich gesehen und weniger allein zu fühlen, egal, wer sie sind und auf welcher Reise sie sich befinden.“ Für mich ist dieser Satz einer der besten in Elliot Pages Buch „Pageboy“. Ich hatte mich auf das Buch aus mehreren Gründen sehr gefreut, denn ich lese gerne (Auto)Biografien und ich lese gerne über die Reise von Menschen zu sich selbst, zumal ich selbst trans bin. Stellenweise fand ich das Buch auch tatsächlich gut und lesenswert, stellenweise erschütternd und erschreckend. Alles in allem fehlt mir aber der rote Faden völlig und das Werk wirkt etwas konfus und sprachlich viel zu wenig ausgefeilt. So ist es für weniger eine Autobiografie als eine chaotische Ansammlung von Gedanken und Anekdoten, schlicht: Elliot Pages ureigener Bericht über die Reise zu sich selbst.
Aber von vorn.
Schon früh im Leben war für Elliot Page klar, dass er sich stark dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlte, obwohl ihm bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen worden war. Mit sechs Jahren fragte er seine Mutter: „Kann ich ein Junge sein?“ Natürlich konnte er das nach Überzeugung der Mutter nicht. Es sollte noch viele Jahre dauern, bis er sich selbst gefunden hatte und der werden konnte, der er schon immer war. Er schreibt schonungslos über das Mobbing in seiner Kindheit in der kanadischen Stadt Halifax, das auch in der Familie stattgefunden hat (seine Stiefmutter bezeichnete ihn als „Plage“ und „Heulsuse“ und genoss es, ihm Schmerz zuzufügen). Er schreibt über traumatische Erlebnisse, seine Ess-Störung, erste Erfahrungen in der Schauspielerei und in der Liebe. Inzwischen hat er sich selbst gefunden und scheint mit sich selbst weitestgehend im Reinen zu sein.
Sprachlich fand ich das Buch gewöhnungsbedürftig, der Verfasser ist Schauspieler und ganz eindeutig kein Schriftsteller. Vor allem die Beschreibungen einiger Intim-Szenen fand ich zu vulgär. Das Buch ist kein literarisches Werk, aber es hätte doch auch für einen ungeübten Autor sicher einen Mittelweg zwischen Literatur und Obszönität gegeben. Leider fehlt dem Buch auch jeglicher roter Faden, die Gedanken sprudeln nur so aus Elliot Page heraus und so bringt er sie zu Papier, ungeordnet und oft ohne einen zeitlichen oder inhaltlichen Zusammenhang. Über seine inzwischen geschiedene Ehe schreibt er so gut wie nichts (möglicherweise um die Privatsphäre seiner ex Frau zu schützen), ob er seine Ess-Störung überwunden hat, ist auch nicht klar und insgesamt schreibt er sehr viel über Jungsklamotten, kurze Haare und Badehosen – aus eigener Erfahrung kann ich sagen: trans zu sein ist noch viel mehr als nur ein „Tomboy“ zu sein.
Elliot Pages Buch zeichnet das Bild eines sehr sensiblen Kindes, das lange braucht, sich selbst zu finden und noch länger braucht, zu sich selbst stehen zu können. Es zeigt, wie homophob die Gesellschaft nach wie vor ist, selbst unter Schauspielern und Filmschaffenden. Er zeigt, wie gefährlich es auch heute noch sein kann, sich als queer zu outen und wie aufreibend es ist, sein wahren Selbst verstecken zu müssen. Obwohl ich das Buch an sich wichtig finde, war es für mich ein zu großes Durcheinander und zu wenig ausgereift. Hätte ich dieselbe Geschichte mit meinem Namen an einen Verlag geschickt, wäre sie mit Sicherheit nicht veröffentlicht worden. Vielleicht schafft Elliot Page es ja irgendwann, eine richtige Biografie zu schreiben und damit dann das zu erreichen, was er damit eigentlich bezweckt hat: dass trans Menschen gesehen und akzeptiert werden. Ich würde das Buch auf jeden Fall lesen. „Pageboy“ schafft es bei mir allerdings leider nur auf 2,5 Sterne, aufgerundet auf drei.

Bewertung vom 29.10.2023
Das Klugscheißerchen
Kling, Marc-Uwe

Das Klugscheißerchen


sehr gut

Tina und Theo Theufel (erstere mit einem „th“, zweiterer mit zwei) sind überzeugte Klugscheißer. Und da sind sie in ihrer Familie in sehr guter Gesellschaft, ihre Eltern sind nämlich ebenfalls Klugscheißer. Und bei so viel Klugscheißerei war es klug von Marc-Uwe Kling, eine Kurzgeschichte über Klugscheißerei zu schreiben und sie auch selbst als sehr kurzes Hörbuch einzulesen. Noch nicht klug genug?
Tina und Theo finden auf dem Dachboden (auf dem sie eigentlich nicht spielen dürfen) in einer Kiste eine kleines Männchen, das sich als Klugscheißerchen vorstellt. Nur echte Klugscheißer können ihn sehen und da stellt sich die Frage: können die Eltern der beiden Kinder ihn sehen oder nicht?
Ich habe das 29 Minuten lange (oder kurze) Hörbuch gehört und da ich Marc-Uwe Kling als Sprecher gerne mag, hat es mir gut gefallen. Dass ich immer wieder ein aufmüpfiges Känguru vor Augen hatte, ist dabei ganz allein mein Problem. Insgesamt erinnerte mich die Geschichte allerdings sehr an Cornelia Funkes „Bücherfresser“, den ich allen, denen „Das Klugscheißerchen“ gefallen hat, ebenfalls ans Herz legen möchte.
Wer genau die Zielgruppe für „Das Klugscheißerchen“ ist, kann ich nicht sagen. Für Kinder ab sechs Jahren finde ich das (Hör)Buch auf jeden Fall schwierig und vermutlich werden sie wenig Spaß daran haben. Viele der Klugscheißereien beziehen sich auf Grammatik oder Allgemeinbildung, die die Kinder oft noch nicht haben. Für Erwachsene ist das (Hör)Buch zu kurz und inhaltlich ein bisschen schwach auf der Brust. Mir fehlte eine wirkliche Handlung. In der Hauptsache besteht das (Hör)Buch aus allen möglichen Zurechtweisungen und Klugscheißereien, trotzdem fand ich es unterhaltsam und einige Lacher trösteten mich über die Schwächen hinweg, allerdings bin ich auch ein eher fortgeschrittenes Kind.
Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich bin auf dem Dachboden. Da ich mindestens ein ebenso großer Klugscheißer wie die komplette Familie Theufel bin, müsste ich in einem unserer übriggebliebenen Umzugskartons auch ein Klugscheißerchen finden. Oder sogar zwei.
Von mir für dieses Hörbuch vier Sterne.

Bewertung vom 27.10.2023
Grausames Spiel / Team Helsinki Bd.2 (eBook, ePUB)
Ollikainen, A. M.

Grausames Spiel / Team Helsinki Bd.2 (eBook, ePUB)


gut

Vermeintliche Selbstmorde von völlig unterschiedlichen Menschen, die auf den ersten Blick überhaupt nichts miteinander zu tun haben – das ist das Hauptthema von A. M. (Aki und Milla) Ollikainens neuem Thriller, der der zweite Teil ihrer „Team Helsinki“-Reihe ist. „Grausames Spiel“ ist der Titel des Buchs und es lässt mich etwas zwiegespalten zurück. Einerseits ist es an manchen Stellen enorm spannend, an anderen zieht es sich etwas und plätschert vor sich hin. Aber der Schluss, so stimmig er auch sein mag, passte für mich leider überhaupt nicht. Lesenswert und unterhaltsam finde ich das Buch trotzdem.
Aber von vorn.
Als die 80jährige Kaarina Alanne in einem kleinen Wald in der Nähe von Helsinki an einer Birke erhängt aufgefunden wird, ist für die Polizei sofort klar, dass es ein Suizid war. Vor allem, als sich schnell herausstellt, dass sie unheilbar krank war und nur noch kurz zu leben gehabt hätte, sind alle schnell bereit, die Ermittlungen einzustellen. Aber Kriminalkommissarin Paula Pihlaja hat Zweifel. Wieso sollte die kleine Frau denn auf einen Baum klettern und sich eine Schlinge um den Hals hängen? Dann finden einige Wochen später Kinder auf einem Spielplatz einen erhängten Mann. Da er einen ähnlichen Strick um den Hals hat, könnten die beiden Fälle zusammenhängen. Die Ermittlungen nehmen Fahrt auf, die Fälle sind verzwickt und verworren. Als dann aber noch ein dritter Toter gefunden wird, überschlagen sich die Ereignisse. Der Mörder lässt sich zwischen den Taten immer weniger Zeit und eben diese läuft den Ermittlern langsam davon.
Nachdem ich den ersten Teil der „Team Helsinki“-Reihe („Die Tote im Container“) gelesen habe, habe ich die Ermittlerin Paula Pihjala und ihren Kollegen Aki Renko ins Herz geschlossen. Vor allem die vielen Andeutungen auf Paulas Vergangenheit waren lose Enden des Buchs und beim neuen Teil der Serie hoffte ich auf Aufklärung. Und wurde nicht enttäuscht. Neben den Morden und der Ermittlungsarbeit erfährt man mehr über Paula und ihren Sohn „Pauli“ (der eigentlich Mikko heißt), den sie nach der Geburt zur Adoption freigegeben hatte. Diese zahlreichen Exkurse ins Privatleben sind informativ, bringen aber natürlich die Ermittlungsarbeit und dadurch die Krimi-Handlung keinen Millimeter vorwärts. Und leider stören sie auch ein bisschen die Spannung. Dadurch entsteht ein stark unterbrochener Spannungsbogen, der allerdings stellenweise sehr hoch ist.
Die Charaktere, die man aus dem ersten Buch schon kennt, wurden in diesem Band weiterentwickelt und ausgebaut. Reibereien unter den Kollegen und private Probleme lockern die Geschichte auf, stören aber (wie vorhin schon erwähnt) die Spannung. Da sie allerdings charmant beschrieben und mitten aus dem Leben gegriffen sind, sind sie nett zu lesen und unterhaltsam, wozu auch die angenehme Sprache beiträgt, in der das Buch geschrieben ist. Der Stil ist klar, bildhaft und verständlich, die Übersetzung ist hervorragend gelungen. Die vielen Unbekannten in der Gleichung der Ermittlungen sind ein enormer Spannungs-Faktor, das Mitraten fesselte mich mehr als die Taten selbst, da das Buch auch einige Längen hat. Die Lösung des Falls konnte mich hingegen nicht wirklich begeistern. Nach allem Rätselraten um Identität und Motive des Täters fand ich die Auflösung leider viel zu konstruiert und an den Haaren herbeigezogen. Da ist noch sehr viel Luft nach oben und für dieses Buch reicht es nur für drei Sterne.

Bewertung vom 27.10.2023
Verschickungskinder
Gilhaus, Lena

Verschickungskinder


ausgezeichnet

Als ich das Wort „Verschickungskinder“ zum ersten Mal gelesen habe, dachte ich spontan an die Kinder, die ihm Rahmen der Kinderlandverschickung im Zweiten Weltkrieg „verschickt“ wurden. Aber das Buch „Verschickungskinder“ von Lena Gilhaus handelt nicht von ihnen. Die Journalistin schreibt vielmehr über die mehr als 15 Millionen Mal, bei denen Kinder ab dem Kindergartenalter (manche waren erst zwei Jahre alt!) wegen unterschiedlicher (zum Teil völlig irrwitziger) Indikationen in Kur geschickt wurden. Ein erschreckendes Buch das sehr schwer zu verdauen ist.
Aber von vorn.
Matthias Vollmer, genannt Matthes, reiste im Frühjahr 1967 zusammen mit seiner jüngeren Schwester Barbara zur „Kinderkur“ nach Sylt. Ziel war es, dass die Kinder zunähmen „und sich bei Spiel, Spaß und gutem Essen an der Nordsee vom verrußten Ruhrpott erholen könnten“. Rund 50 Jahre später schafft er es 2017, mit seiner Tochter Lena über die Erlebnisse zu sprechen, später machen sie die Reise noch einmal zusammen. Die Journalistin recherchiert in der Folge über die Kinderkuren und muss erkennen: die Erfahrungen ihres Vaters sind keine Einzelfälle. In Onlineforen melden sich unzählige andere ehemalige „Verschickungskinder“ und berichten von Essenszwang, Vernachlässigung, Isolation und immer wieder von Gewalt sowohl physisch, psychisch und s**uell. Die schwarze Pädagogik von Johanna Harrer wirkte auch lange nach der Nazizeit noch nach, egal, ob die Heime privat, staatlich oder von kirchlichen Trägern betrieben wurden. Oft können sich die Kinder gar nicht an die Grausamkeiten erinnern, die sie erlebt haben und leiden als Erwachsene plötzlich unter Flashbacks. Dabei waren die Kuren eigentlich gut gemeint, auch die Eltern dachten, sie täten den Kindern etwas Gutes. Indikationen dafür waren zum Beispiel Über- und Untergewicht, Haut- und Atemwegserkrankungen, oft aber auch schlechte Schulnoten oder eine „unstete Familiensituation“. Dann konnten die Kinder der BRD und der DDR an die Nord- und Ostsee, in den Schwarzwald sogar an die Adria verschickt werden, wo sie mit (zumindest aus heutiger Sicht) zweifelhaften Maßnahmen traktiert wurden. Und nicht alle Kuren waren schlecht. Nach der Lektüre von „Verschickungskinder“ und eigener Recherche muss ich aber sagen: die meisten scheinen es aber gewesen zu sein. Die Aufarbeitung läuft bis heute schleppend bis gar nicht. Selbst wenn Kinder auf der Fahrt zur Kur oder während dieser zu Tode kamen, versuchten sich die Verantwortlichen aus der Verantwortung zu stehlen.
Das Buch ist schwere Kost. Wegen der Ereignisse an sich, die so viele Betroffene bis heute leiden lassen, aber auch wegen der Haltung der „Täterseite“. „Insgesamt ist ein Mauern und Schweigen der Verantwortlichen festzustellen“, schreibt Lena Gilhaus. Schuld und Verantwortung wird von Land zu Bund und wieder zurückgeschoben, Krankenkassen, Landschaftsverbände und kirchliche Einrichtungen sehen sich nicht in der Pflicht bei der Aufarbeitung mitzuwirken. Forschende und Betroffene stoßen auf Ablehnung und Untätigkeit. Eine Schande. So viel Gewalt gegenüber Kindern, so viel (Macht)Missbrauch und Demütigung unter dem Deckmäntelchen der „guten Sache“. Frei nach dem Abraham Lincoln-Zitat „Wenn du den wahren Charakter eines Menschen erkennen willst, dann gib ihm Macht“ erkannten viel zu viele Kinder das, was sich hinter den Fassade von Nonnen, Pädagogen und medizinischen Personal verbarg.
Sprachlich fand ich das Buch stellenweise etwas holprig zu lesen und alles in allem als eine Zusammenstellung von journalistischen Recherche-Ergebnissen zu sehen, lose zusammengehalten durch die Geschichte von Lena Gilhaus‘ Vater. Da die Verfasserin Journalistin ist, hat mich das allerdings nicht überrascht. Ihre Ausführungen sind meist eher neutral und sachlich, nur manchmal blitzt etwas Emotion durch. Damit wird sie dem Thema aber durchaus gerecht und das Buch löste das bei mir aus, was es sollte: Entsetzen und tiefe Betroffenheit.
Eine absolute Lese-Empfehlung und von mir fünf Sterne.

Bewertung vom 08.10.2023
Die dunkle Spur
Blackhurst, Jenny

Die dunkle Spur


ausgezeichnet

Jenny Blackhurst ist für mich inzwischen zu einer Garantin für spannende Thriller mit unerwarteten Wendungen geworden. Da macht „Die dunkle Spur“ keine Ausnahme. Ich bin praktisch durch die Seiten geflogen und es fiel mir schwer, das Buch ab und zu zur Seite zu legen. Ein absoluter Pageturner für mich.
Aber von vorn.
„Es ist, als wollte er einfach nicht glauben, dass hier auf der Insel irgendetwas Schlimmes passieren könnte. Weil wir ja im Paradies leben. Weil es hier vollkommen sicher ist. Weil wir der einzige Ort in den USA sind, wo die Leute immer noch ihre Türen offen lassen.“ Und ausgerechnet dort, auf Martha’s Vineyard, verschwindet die 22jährige Engländerin Holly. Sie und ihre Schwester Claire haben sich seit dem Tod ihrer Mutter ein bisschen auseinandergelebt, sind aber immer in Kontakt. Als Holly England verlässt, um als Backpackerin etwas von der Welt zu sehen, bekommt ihr Verhältnis Risse. Ein Telefonat zwischen den beiden endet im Streit, die beiden sind nicht nur räumlich dreitausend Meilen auseinander, sondern auch menschlich. Nach dem Telefonat herrscht Funkstille, Claire kann ihre Schwester nicht mehr erreichen und macht sich erst große Sorgen und sich dann auf den Weg auf die Insel nahe Massachusetts. Dort trifft sie auf mehr und weniger hilfreiche Menschen, vor allem die Polizei scheint kein Interesse daran zu haben, Holly zu suchen, die nach einer Party bei der Familie Slayton verschwunden ist. Haben die beiden Söhne der schwerreichen Familie etwas mit ihrem Verschwinden zu tun? Immerhin sind die Slaytons mit den Kennedys verwandt. Und hängt es irgendwie mit dem Tod der 15jährigen Natalie von vor fünf Jahren zusammen?
Was kann man zu dem Thriller sagen? Spannung. Massig! Gut ausgearbeitete Charaktere mit allen möglichen Schattierungen? Absolut. Wilde Wendungen in der Geschichte mit einem völlig überraschenden Schluss? Ja, wie man es von Jenny Blackhurst gewohnt ist. Ein unfassbar spannender Pageturner mit klaustrophobischem Insel-Setting und komplizierten zwischenmenschlichen Verhältnissen, Liebe, Hass, Schuld und mittendrin eine schwer reiche Familie, deren Sprösslinge zu glauben scheinen, sie stünden über dem Gesetz. Erzählt ist die Geschichte aus zwei Perspektiven, Claires Suche nach Holly im Hier und Jetzt und die Geschehnisse rund um Hollys Verschwinden am 4. Juli, was allem einen gewissen Pfiff gibt und die Handlung noch spannender macht.
Mir hat das Buch auf jeden Fall wieder einmal sehr gut gefallen und es macht Lust auf mehr. Daher vergebe ich fünf Sterne.

Bewertung vom 25.09.2023
Nach der Zeit
Johannsen, Anna

Nach der Zeit


sehr gut

Als großer Fan von Enna Andersen durfte ich mir die neue Serie von Anna Johannsen natürlich nicht entgehen lassen. „Nach der Zeit“ heißt das neue Buch der Autorin, im Mittelpunkt stehen Kommissarin Hanna Will und der Psychologe Jan de Bruyn – und natürlich ihr Fall. Wobei der an manchen Stellen für mich fast zu sehr zur Nebensache verkommt, bei so viel Privatem, das auch die beiden Ermittler einprasselt. Trotzdem ist es, wie ich es von der Autorin gewohnt bin, ein weitestgehend unblutiger, psychologisch hochspannender und unterhaltsamer Krimi.
Aber von vorn.
Zwei völlig unterschiedliche Männer um die 40 werden in der Lüneburger Heide tot aufgefunden. Erste Ermittlungen ergeben, dass es sich bei beiden nicht um den zuerst vermuteten Suizid handelt, sondern dass sie ermordet wurden. Weitere Nachforschungen zeigen, dass sich die beiden gekannt hatten, sie waren in ihrer Jugend befreundet gewesen. Und ihr Freundeskreis war noch größer, wie Hauptkommissarin Hanna Will und der Kriminalpsychologe Jan de Bruyn schnell feststellen. Sollten die beiden Morde zusammenhängen, sind dann noch mehr Menschen in Gefahr? Und wenn, was ist das Motiv dafür? Als Hanna und Jan der Lösung des Rätsels näherkommen, ist es auch schon fast zu spät.
Wer Anna Johannsen kennt, weiß, was ihn bei ihren Büchern erwartet. Üblicherweise präsentiert die Autorin gut durchdachte, erfreulich gewaltarme (die Gewalt passiert zwar, wird aber selten in brutalen Szenen geschildert) und äußerst angenehm zu lesende Krimis. Da macht auch „Nach der Zeit“ keine Ausnahme. Die Spannung des Buchs liegt nicht in offener Brutalität, sondern mehr im Unterschwelligen. Allein die Zusammenhänge herauszufinden, war für mich als Leser eine Herausforderung, da man immer nur so viel weiß, wie die Ermittler im Buch und sich seine eigenen Gedanken machen kann. Sprachlich ist das Buch ansprechend geschrieben und bis auf ein paar falsch gewählte Wörter habe ich auch keine Fehler gefunden.
Die Charaktere sind im zweiten Teil der Serie noch im Werden begriffen. Die Ermittler Hanna und Jan sind zwar schon ein bisschen plastischer als in Band 1, ihnen fehlt aber noch, wie man so schön sagt, „das Fleisch auf den Rippen“. Allerdings kam für mich in diesem Buch das Private zwischen den beiden Hauptcharakteren ein bisschen zu sehr zum Tragen, stellenweise verkamen die Ermittlungen neben allen persönlichen Problemen ein bisschen zur Nebensache. Daher ist der Spannungsbogen für mich auch nicht konstant vorhanden, geschweige denn, dass er konstant hoch wäre. Mit Hanna wurde ich auch bis zum Schluss nicht wirklich warm. Sie ist mir zu forsch und zu kantig, die ruhigere Art von Jan lag mir wesentlich mehr. Aber die beiden so gegensätzlichen Charaktere geben dem Krimi einen gewissen Pfiff.
Aber alles in allem war es ein solider Krimi mit zwei interessanten Hauptcharakteren, die handfeste Ermittlungsarbeit erledigen und ihren Fall zu einem stimmigen Schluss führen. Auch wenn sie bei mir zu Kopfschütteln führten, sind die Reibereien der beiden Ermittler mit den Kollegen gut und realistisch beschrieben. Was für ein Kompetenz-Gerangel! Unterhaltsam, stellenweise spannend und psychologisch interessant – so stelle ich mir gute Krimi-Unterhaltung vor. Punktabzug von mir für die vielen Exkurse ins Privatleben der Ermittler. Die sind zwar unterhaltsam, beeinträchtigen aber die Spannung für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr. Eine unbedingte Leseempfehlung für alle Freunde unblutiger und ruhiger Krimis, die neben dem Fall noch eine ansprechende Landschaft mit vielen Heidschnucken zu schätzen wissen. Von mir gibt es vier Sterne und ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Teil.

Bewertung vom 08.09.2023
Foellig nerdiges Wissen
Foell, Jens

Foellig nerdiges Wissen


ausgezeichnet

Ich liebe unnützes Wissen. Ich liebe Bücher über unnützes Wissen. Und natürlich liebe ich es, bei mehr oder weniger geselligen Zusammenkünften mit meinem unnützen Wissen hausieren zu gehen. Hach, was bin ich Jens Foell für sein Buch „Foellig nerdiges Wissen“ dankbar. Er hat meinen Vorrat an unnützen Fakten zu Wissen, das die Welt nicht braucht, um 42 (und ein paar mehr) aufgestockt und ich werde auch künftig der beliebteste Gesprächspartner auf Partys sein. Nicht.
Aber von vorn.
Hand aufs Herz. Wer weiß aus dem Stegreif Bescheid über die Kotbakterien, die in Jett bags auf dem Mond rumliegen, Naktmulle und die Substanz P, Bracewell-Sonden, Anterograde Amnesie oder Conways Spiel des Lebens? Das Naturwissenschaftliche Wissen vieler endet doch vermutlich spätestens bei Schleimpilzen, mein persönliches bei Chicxulub. Aber wollten wir nicht alle schon immer wissen, warum man sich am besten am Times Square trifft? Auch die Tatsache, dass John Wayne bei den Dreharbeiten zu „Der Eroberer“ einen Geigerzähler zu den Dreharbeiten mitbrachte war mir neu, und wieso hat das Buch überhaupt 42 Kapitel?
Jens Foell kannte ich schon vor der Lektüre seines Buchs als Kollege von Mai Thi Nguyen-Kim bei MaiThinX. Außerdem ist er promovierter Neuropsychologe und bekennender Nerd. Wobei Nerd für ihn nicht negativ behaftet ist, er besitzt einfach eine Leidenschaft für ein Thema (oder ganz viele Themen), bei dem andere den Kopf schütteln. So geht er auch in dem Buch vor. Locker flockig und in ansprechend angenehmer Sprache hüpft er bei seiner Art der Wissensvermittlung von Thema zu Thema und von Sachgebiet zu Sachgebiet. Trotzdem schafft er es, den roten Faden nie zu verlieren und seine Überleitungen zwischen den einzelnen Kapiteln sind an sich schon lesenswert. Man kann aus jedem seiner Sätze die Freude am Erklären herauslesen und Foell wirkt nie oberlehrerhaft oder überheblich.
So wird das Buch für alle, die Spaß an Wissen (nützlichem und wirklich unnützem, aber durchaus amüsantem) haben zur reinen Freude. Für mich war es auf jeden Fall so und die zahlreichen Anregungen für weiterführende Lektüre werde ich mir noch genauer anschauen. Auf dass ich auch künftig bei gesellschaftlichen Zusammenkünften ein Quell der Freude und des Wissens sein werde. Hach, das wird schön. Von mir fünf Sterne.

Bewertung vom 04.09.2023
Johnny Cash: Meine Arme sind zu kurz, um mit Gott zu boxen (eBook, ePUB)
Huff, Matthias

Johnny Cash: Meine Arme sind zu kurz, um mit Gott zu boxen (eBook, ePUB)


gut

Johnny Cashs Musik und ich haben bislang nicht so richtig zueinander gefunden. Das hat sich durch „Walk the line“ (den Film mit Joaquin Phoenix) und auch durch die Lektüre von Cashs Autobiografie „Man in Black“ nicht geändert. So hatte ich für Matthias Huffs neues Buch „Johnny Cash: Meine Arme sind zu kurz, um mit Gott zu boxen“ große Hoffnungen. Die Glaubensreise des „Man in Black“, seine Texte und sein Leben eingeordnet in Bibelstellen – das klingt doch interessant. Aber so wirklich abholen konnte mich das Buch nicht. Und auch den Sänger selbst brachte es mir trotz seiner interessanten Facetten leider nicht näher.
Aber von vorn.
Johnny Cash ist eine Legende, an die sich die Welt auch nach seinem Tod als „Mann in Schwarz“ und „Vater des Landes“ erinnert. Er war tiefgründig, rätselhaft, unberechenbar, ein „Bada**, Kirchgänger und Pionier in Sachen drogengetriebenen Rock’n’Roll Tourvandalismus“. Oder, wie sein Kollege Kris Kristofferson es auf den Punkt bringt: „ein wandelnder Widerspruch, halb Wahrheit, halb Dichtung.“ Aus seiner Lebensgeschichte kennen die meisten vermutlich seine Drogensucht, seine Auftritte in Gefängnissen und seine Ehe mit June Carter. Aber natürlich war da noch mehr. 1932 geboren, ab dem Alter von zehn Jahren Baumwollpflücker, sein um zwei Jahre älterer Bruder Jack stirbt mit 14 Jahren, als er beim Bau von Zäunen für die Schule in eine Kreissäge gerät. Für Cashs Vater starb dabei der falsche Sohn, der vorbildliche Junge, der nachts die Bibel las und Prediger werden wollte. Aus Cash wurde erst ein Soldat, dann, nach der ehrenhaften Entlassung aus der Armee 1954 ein „erfolgloser Vertreter für Kühlschränke und andere Haushaltsgeräte“ (das wusste ich vor der Lektüre dieses Buchs nicht). Aus seiner Ehe mit Vivian gehen vier Töchter hervor, mit June bekommt er einen Sohn. Seine Musikkarriere startete 1955. Der Rest ist Geschichte.
Eine Geschichte voller Widersprüche, zumindest für mich. Das Leben des tiefgläubigen Christen, der in einer Kultur aufgewachsen ist, „die ein sehr ausgeprägtes Gefühl für den Unterschied zwischen Musik für den Samstagabend und den Sonntagvormittag hat“, war auch geprägt von Drogen und Alkohol. „Als ich wirklich schlecht war, war ich nicht nur schlecht. Als ich wirklich versucht habe, gut zu sein, konnte ich nie ganz gut sein. Durch mich ging immer diese schwarze Ader“, sagte Cash in einem Interview. Seine Abstürze sah er als „Gottferne“, nicht als Glaubenskrisen. Seine Texte sind gespickt mit Bezügen zur Bibel und seinen Glaubensgrundsätzen. Diese hat Matthias Huff unter die Lupe genommen und eingeordnet und das Ganze dann zu einer Art Biografie verarbeitet. Ich sage deswegen „eine Art Biografie“, weil das Buch für mich nichts Halbes und nichts Ganzes ist.
Es ist für mich eher eine riesige Fleißaufgabe mit vielen Zitaten und Bibelstellen und noch mehr Fußnoten im Anhang, eine Mischung aus Masterarbeit und Wikipedia-Eintrag, aber leider keine flüssig lesbare Biografie. Manchmal hatte ich das Gefühl, der Autor hat sich mit seiner Detailverliebtheit ein bisschen verrannt, sein Schreibstil war an manchen Stellen etwas holprig, ab und zu fehlte mir der rote Faden, dafür fand ich ein paar Fehler.
Allerdings gibt es auch etwas Positives, das allerdings nur indirekt mit dem Buch zu tun hat. Meine weiterführende Lektüre zur Person Johnny Cash hat mir den Musiker doch ein wenig nähergebracht. Auch wenn mir Johnny Cashs Musik nach wie vor nicht liegt, ziehe ich doch meinen Hut vor ihm als Person und vor allem auch vor seiner Frau June. Und die Tatsache, dass er im Drogenrausch Hotelzimmer schwarz angestrichen hat, lässt mich trotz aller Tragik immer noch schmunzeln (für die Hotelbesitzer war er allerdings eher ein Alptraum). Für dieses Buch hat es allerdings für mich nur zu drei Sternen gereicht.

Bewertung vom 28.08.2023
Die Suche nach dem Wunschzauber / Land of Stories Bd.1
Colfer, Chris

Die Suche nach dem Wunschzauber / Land of Stories Bd.1


weniger gut

Da ich mit den Märchen der Gebrüder Grimm aufgewachsen bin, habe ich mich auf „Land of Stories: Das magische Land 1 - Die Suche nach dem Wunschzauber“ von Chris Colfer sehr gefreut. Normalerweise sind mir als E-Book-Leser Buchcover völlig egal, aber bei diesem Buch hat mich das tolle Bild sehr angesprochen. Schon nach etwa der Hälfte habe ich allerdings überlegt, das Buch abzubrechen und es kommt für mich (obwohl ich mich dann letztendlich doch durchgekämpft habe) über ein „ganz nett“ nicht hinaus. Ich fühlte mich von dem Buch schlicht völlig erschlagen, aber vielleicht bin ich einfach auch nicht Teil der Zielgruppe. Auch der komplett vorhersehbare Schluss konnte mich nicht wirklich begeistern.
Aber von vorn.
Zu ihrem zwölften Geburtstag bekommen die Zwillinge Alex und Conner von ihrer Oma ein altes Buch geschenkt. Alex merkt schnell, dass das es kein normales Buch ist. Es summt und leuchtet und Dinge, die man drauflegt, sinken in die Seiten und verschwinden. „Ich denke, das Buch ist vielleicht eine Art Portal.“ – und damit hat sie Recht. Es ist ein Portal in ein magisches Reich. Eine Welt mit guten Feen, verwunschenen Prinzen, bösen Stiefmüttern, sprechenden Tieren und noch vielem mehr. Schlicht: eine Märchenwelt. Allerdings sieht sie anders aus als erwartet. Natürlich gibt es dort die bekannten Märchengestalten wie Rapunzel und Rotkäppchen, aber auch Cinderella (nicht Aschenputtel!), aber auch Jack (aus Benjamin Tabarts/Joseph Jacobs „Jack und die Bohnenranke") oder „Goldlöckchen und die drei Bären“. „Wenn sie nicht gestorben sind“, haben die Figuren ein eigenes Leben abseits der Geschichten entwickelt und in eben dieses platzen die Zwillinge auf der Suche nach den Objekten für den Wunschzauber, der sie wieder nach Hause bringen soll. Eine wilde Jagd beginnt, bei der die beiden Jäger und Gejagte gleichermaßen werden.
Wow. Das Buch hätte ein unglaubliches Potential besessen. Die Idee dahinter ist hervorragend, leider schafft der Autor es für mich nicht, mich mit dem Buch auch nur ansatzweise zu begeistern. Noch nicht einmal seine Charaktere konnten mich für sich gewinnen. Alex ist in der „echten“ Welt ehrgeizig und eine taffe und sehr gute Schülerin. Ihr Zwillingsbruder Connor ist eher ein prä-pubertärer (leidlich liebenswerter) Chaot. Dennoch wird er in der Märchenwelt zu einer Art Anführer der Expedition und Alex verwandelt sich in ein quiekendes, quietschendes Etwas. Sprachlich ist das Buch überwiegend leicht zu lesen, manchmal fand ich die Wortwahl allerdings nicht kindgerecht (ob es an der Übersetzung liegt, kann ich nicht sagen). Als Kinderbuch finde ich es trotzdem nur bedingt geeignet. Was allerdings dann die Zielgruppe ist, kann ich gar nicht sagen. Für ein Vorlesebuch finde ich die Kapitel mit jeweils rund 20 Seiten zu lang, überhaupt finde ich das Buch mit rund 500 Seiten ein bisschen überfrachtet und es hatte für mich einige Längen, die ich zugegebenermaßen quergelesen habe. Da war es mir dann auch vollends egal, dass manche Stellen unlogisch waren und dass den Kindern der Zufall immer so dermaßen demonstrativ in die Hände gespielt hat, dass es von vornherein klar war, wie die Geschichten ausgehen würde. Der Schluss hat mich dann tatsächlich überhaupt nicht überrascht, ich habe genickt, „ach ja“ gesagt, das Buch zugeklappt und weggelegt. Erinnerungswert wird es für mich auf jeden Fall keinen haben.
Einzig die Moral mancher Geschichten fand ich gut vermittelt. Vor allem, dass nicht alles so ist, wie es scheint, kommt immer wieder zum Tragen, denn die Protagonisten erfahren immer wieder, dass vieles mehr Schein als Sein ist. Und so ist es für mich leider auch bei dem Buch gewesen – tolles Cover, mäßiger Inhalt. Schade. Der Schluss macht klar, dass es der Auftakt zu einer Serie ist, zwar ist er ein richtiger Abschluss, aber es bleiben reichlich offene Fragen. Von mir zwei Sterne.

Bewertung vom 28.08.2023
Der finstere Pfad
Blackhurst, Jenny

Der finstere Pfad


sehr gut

Da mir Jenny Blackhursts Buch „Dein dunkelstes Geheimnis“ ziemlich gut gefallen hat, war ich auf „Der finstere Pfad“ sehr gespannt. Und tatsächlich folgt die Autorin ihrem bewährten Muster: sie lässt die Leserschaft fast das ganze Buch über im völlig Unklaren über das, was wirklich hinter dem Fall steckt, und legt unzählige Finten. Dennoch konnte mich das Buch spannungstechnisch nicht hundertprozentig überzeugen, dafür zog es sich für mich teilweise zu sehr in die Länge. Dennoch fand ich es unterhaltsam und alles in allem nett zu lesen.
Aber von vorn.
„Menschliche Überreste gefunden“. Diese drei Worte bringen das perfekte Leben von Laura Johnson komplett durcheinander. Dabei hatte es sich die Designerin personalisierter Geschenke so schön eingerichtet: Mann, zwei Kinder, Haus und Hund. Und dann holt sie plötzlich ihre Vergangenheit ein. Als 20-Jährige war sie vor über 15 Jahren auf dem West Coast Trail, einem berühmten Fernwanderweg im Südwesten Kanadas unterwegs. Sie hatte, wie vermutlich die meisten, die sich auf eine Wanderung dieser Art begeben, einige neue Bekanntschaften geschlossen. „Ich werde nie hinter mir lassen können, was in Kanada geschah.“ – was aber geschah, erfährt die Leserschaft des Krimis nur häppchenweise. Fakt ist: Anders als die meisten Wanderer hatte sie sich am Ende der Wanderung als Teil einer Mordermittlung wiedergefunden, denn kurz vor dem Ziel kam es zu einem Verbrechen. Ihre Mitwanderin Seraphine wurde vermisst, mutmaßlich ermordet von einem Bekannten. Überreste wurden nie gefunden – bis jetzt. Denn nach all der Zeit wird in der Nähe des Wanderwegs ein Skelett gefunden. Und als Laura plötzlich anonyme Geschenke mit Bezug zur damaligen Wanderung bekommt und ihre Familie bedroht wird, bekommt ihre schöne Fassade Risse und um sich und ihre Familie zu schützen, ist sie bereit wirklich alles zu tun.
Psychologisch gesehen ist das Buch spannend, allerdings hat die Autorin das Potential meiner Meinung nach bei weitem nicht voll ausgeschöpft, da wäre noch viel mehr drin gewesen. Dann hätte das Buch auch weniger Längen und mehr Spannung gehabt. Der stete Wechsel der sehr kurzen Kapitel zwischen den beiden Handlungssträngen (einer spielt heute, der andere bei der Wanderung 1999) schaffte bei mir leider nicht den von der Autorin gewünschten Effekt der Spannungssteigerung, sondern oft eher Verwirrung und verleitete mich häufig dazu, die „Heute“-Abschnitte quer zu lesen. Diese fand ich alles in allem ein wenig langatmig und handlungsarm. Die Vergangenheits-Kapitel hingegen finde ich zunehmend packend, die Atmosphäre zwischen den an der Wandung Beteiligten mit den wechselnden Beziehungsgefügen zwischen Ric, Seraphine ist gut und spannend beschrieben und das langsame, aber stetige Umschlagen der Laune ist psychologisch gekonnt aufgebaut. Die Charaktere finde ich teilweise sehr gut beschrieben, teilweise aber ein bisschen sehr stereotyp und eindimensional. Sympathisch fand ich auf jeden Fall keinen davon.
Sprachlich fand ich das Buch gut und leicht zu lesen. Die Autorin baut in ihre Erzählung zudem Zeitungsartikel und Podcasts ein, was ich stilistisch wirklich clever fand. Der Schluss kam für mich als alter Krimi-Hase nur teilweise überraschend. Ein lesenswerter Psycho-Thriller mit einigen Längen, der aber trotzdem gut unterhält. Das Buch ist weitestgehend unblutig, die Spannung wird eher unterschwellig und mehr als ständiges ungutes Gefühl im Magen erzeugt, da baut die Autorin mehr auf eine stete bedrückende Atmosphäre statt auf tatsächliche Gewaltszenen. Der Schluss kam für mich ein bisschen abrupt, die Ereignisse überschlagen sich sehr plötzlich, was nach so viel langer „Vorarbeit“ fast wie eine kalte Dusche wirkt. Aber alles in allem eine gelungene Lektüre, von mir vier Sterne.