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Benutzername: 
Gela
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Niedersachsen
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Ob Krimi, Belletristik, Biografie oder Dokumentation. Ich mag Bücher und reise gerne mit ihnen in andere Welten.
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Bewertungen

Insgesamt 141 Bewertungen
Bewertung vom 10.02.2021
Kein Entkommen / Katja Sand Trilogie Bd.1
Wortberg, Christoph

Kein Entkommen / Katja Sand Trilogie Bd.1


gut

Die Mordermittlung kommt hier zu kurz

Würde ein Nichtschwimmer sich mitten im See vom Schlauchboot in den sicheren Tod begeben? Mordermittlerin Katja Sand ist skeptisch und wird bestätigt, als ein weiterer mysteriöser Todesfall durch Ersticken im Kühlschrank gemeldet wird. Ihre Ermittlungen werden durch Bedenken von Vorgesetzten und fehlende pathologische Hinweise erschwert. Lediglich ihr Kollege Rudi Dorfmüller glaubt an ihren Instinkt und unterstützt sie, auch wenn ihm selbst Zweifel an ihrer Theorie kommen.

Christoph Wortberg hat mit seinem Debüt den Auftakt zu einer Thrillerserie geschrieben. Der Schreibstil ist durch die kurzen und einfachen Sätze sehr schnell zu erfassen. Dadurch bekommt der Inhalt ein gewisses Tempo bei gleichbleibender Spannung. Die Handlung ist in drei Abschnitte unterteilt, die jeweils von einer in der Vergangenheit spielenden Szene eingeleitet werden. Ein dreijähriges misshandeltes Kind muss unfassbares Leid ertragen. Bis zum Ende wird mit dem Leser gespielt, wer dieses Kind sein könnte.

Das Ermittler-Duo Katja und Rudi ist leider etwas in die Klischeekiste gerutscht. Eine toughe, geschätzte Ermittlerin, die ihr Privatleben nicht in den Griff bekommt. Die Tochter scheint ihr zu entgleiten und die Beziehung zu ihrer Mutter kann man nur als unterkühlt bezeichnen. Der eigenwillige Kollege scheint ein Einzelgänger und Eigenbrötler zu sein, der seine Arbeit als Lebensinhalt sieht. Für seine Vorgesetzte würde er dennoch fast alles tun und auch mal über Dienstordnungen hinwegsehen.

"Sie umklammert das Lenkrad, das feucht ist von ihrem Schweiß. Sie wischt sich die Hände an den Oberschenkeln ab. Es nützt nichts. Sie schwitzt ihre verfluchte Vergangenheit aus."

Die gut konstruierte Fallsituation von zwei unterschiedlichen vermeintlichen Suiziden, die nach und nach immer mehr Parallelen aufweisen, wird häufig durch die privaten Probleme Katja Sands unterbrochen. Ein thrillerartiger Spannungsbogen kann dadurch nur schwer aufgebaut werden.
Sehr interessant ist, wie die Marine mit dem Fall umgeht. Vertuschen und weitermachen. Hoffentlich nur noch fiktiv und nicht mehr in der Wirklichkeit zu finden.

Für die Fortsetzung würde ich mir mehr Fallarbeit und weniger Privatleben mit einem anwachsenden Spannungsbogen wünschen.

Bewertung vom 02.02.2021
Das Verschwinden der Erde
Phillips, Julia

Das Verschwinden der Erde


sehr gut

Im August verschwinden die russischen Golosowskaja-Schwestern aus der Bezirkshauptstadt Petropawlosk auf Kamtschatka. Viele Vermutungen und haltlose Schuldzuweisungen heizen die Gemüter der Stadtbewohner auf. Kinder dürfen nicht mehr allein auf die Straße gehen, indigene Mitbürger werden kritisch beäugt. Je mehr Einzelbetrachtungen aus unterschiedlichen Perspektiven getroffen werden, desto mehr verbinden sich lose Fäden zu einem Bild.

Julia Phillips hat für ihren Debütroman Jahre bis zur Fertigstellung benötigt. Die darin zugrundliegende Detailarbeit ist deutlich spürbar. Ein sehr feiner emotionaler Schreibstil gibt Beobachtungen über 12 Frauen aus unterschiedlichen Regionen und Gemeinschaften im post-sowjetischen Kamtschatka wieder. Als Rahmenhandlung verbindet alle die Entführung der russischen Geschwister Aljona 11 Jahre alt und Sofija 8 Jahre alt, aus Petropawlowsk. Jedes Kapitel beginnt mit einem Monat, bis ein Jahr vorbei ist und das Buch im Juli endet. Jeder Monat ist einer weiteren Frauenfigur gewidmet, wird mit den bisherigen verwoben und führt ein Stück weit mehr zur Aufklärung des Verbrechens bei. Viele Personen tauchen am Rand erneut auf oder begegnen sich.

Dies ist ein Roman, auf den man sich einlassen muss. Bei mir hat es etwas gebraucht, ein Gefühl für die Stimmung und die Besonderheiten der Personen zu bekommen. Von Kamtschatka habe ich vorher so gut wie nichts gewusst. Aber genau dafür wirbt dieser Roman: Setz dich mit den Menschen und ihrer Situation auseinander.

Die gesellschaftlichen Probleme nach der Auflösung der Sowjetunion zwischen Russen und Indigenen wird gut herausgearbeitet. Allen Personen ist anzumerken, dass sie auf der Suche nach sich selbst sind. Eine Zugehörigkeit ist ihnen abhandengekommen. Besonders stark ist es bei Ksjuscha zu spüren, einer Studentin in der Hauptstadt, deren Familie Rentiere in Esso züchtet und nur in den Wintermonaten an einem Ort lebt. Das urwüchsige Wilde der Tundra fehlt ihr in der Stadt, sie fühlt sich fremd. Erst als sie einer traditionellen Tanzgruppe beitritt, fühlt sie sich aufgehoben.

Immer wieder wird die Stadt oder die Gesellschaft als unheilvoll, gefährlich und düster dargestellt. Die Menschen fühlen sich nicht wohl oder sind einsam. Halt finden sie in der Natur und in ihren Traditionen. Katja, eine Zollbeamtin, fasst es zusammen:

"Sie war schon als Kind in diesen Wäldern gewesen, und obwohl sie inzwischen zwei Jahrzehnte Wachstum hinter sich hatten, sahen die Birken im Licht der Sterne immer noch so aus wie damals, als sie ein kleines Mädchen gewesen war: alt, eindrucksvoll und voller Magie. Die Welt da draußen hatte sich immer stärker verändert, war unberechenbarer und gefährlicher geworden, doch Orte wie dieser waren geschützt."

Die fast schon verloren gegangene Rahmenhandlung der verschollenen Schwestern wird am Ende wieder aufgenommen. Der letzte lose Faden wird verwoben, die Personen rücken näher aneinander, um dann doch ein offenes Ende mit Raum für eigene Vorstellungen des Lesers zu lassen.

Mich hat dieser Roman erst im Nachhinein in seinen Bann gezogen. Tatsächlich habe ich noch einige Tage danach immer wieder an Szenen denken müssen. Die Vielschichtigkeit und Dichte musste bei mir etwas nachwirken. Letztendlich gebe ich aber sehr gern eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 02.02.2021
Der Weltreporter
Stein, Hannes

Der Weltreporter


gut

In naher Zukunft beherrscht "die Krankheit" das Leben in Deutschland. Wenige Menschen sind unterwegs, Kontakte sind unerwünscht. Da trifft es sich gut, dass ausgerechnet Reisereporter Bodo von Unruh und Studentin Julias Bacharach immun gegen die Krankheit sind. In einer Hotelbar lernen sich der ältere von Unruh und die quirlige Julia kennen. Er ist nicht ihr Typ, zu alt, macht optisch wenig her. Doch am Ende siegt die Neugier auf einen neuen Menschen und die beiden treffen sich häufiger, wenn auch nicht oft, denn der Reporter ist überall auf der Welt unterwegs, um neue Reiseberichte für ein Hochglanzmagazin zu schreiben.

Hannes Stein hat ein Szenario entworfen, das gerade jetzt hoch aktuell ist. Obwohl er versichert, den Roman vor Ausbruch der Corona Pandemie geschrieben zu haben, sind doch viele Parallelen zu entdecken. Seine beiden Hauptprotagonisten könnten unterschiedlicher nicht sein, ein Weltenbummler und Einzelgänger trifft auf eine junge Studentin, die nebenher als Taxifahrerin jobbt. Ihre Treffen sind nicht häufig, dienen aber als Rahmenhandlung des Romans, der eigentlich mehr als Kurzgeschichtensammlung gesehen werden kann.


Zusammen mit seinem Fotografen bereist der Reporter die ganze Welt und erlebt überdurchschnittlich Skurriles, Fantastisches und lernt unglaubliche Menschen kennen. Er spielt mit den Emotionen des Lesers, gibt Rätsel auf und legt den Finger auf gesellschaftliche Wunden.

Der Besuch eines nur durch Einladung und einer horrenden Summe als Eintritt zu erreichenden Restaurants ist so ein Beispiel. Narkotisiert, um den Ort des Geschehens nicht wiederzufinden, erreicht der Gast eine Lagerhalle statt eines Nobelrestaurants. Die Menüfolge ist festgelegt und lautet wie folgt:

"Mehlwurmcocktail im Buffelgras, Aalsuppe mit tausendjahrigen Ei, Lauwarme Vogelnest mit Catsup, Fliegenpilsrisotto mit Hakarl, Kandierte Dachsohren, Eskimo Eiskrem, Funferlei von Langschwein, Achtschatze Reispudding"

Nichts, bei dem einem das Wasser im Mund zusammenlaufen würde, aber ein Gang hat es tatsächlich mehr als alle anderen in sich. Nicht gerade mein Lieblingsreisebericht.

Selbst die kleine Liebesgeschichte nimmt am Ende eine überraschende Wendung, mit der ich so nicht gerechnet habe. Desto näher sich die beiden Liebenden kommen, um so offensichtlicher wird es, dass Bodo etwas zu verbergen hat.

Dem Autor ist es gelungen, mich mehrmals zu schocken und auch innezuhalten. Nicht alles, was ich gelesen habe, hat mich tatsächlich begeistert. Manchmal wurde mir zu sehr herumphilosophiert oder das blaue vom Himmel gelogen. Dennoch trifft er mit seinen Geschichten genau den Puls der Zeit, ob es um einen amerikanischen Präsidenten geht oder um eine geheime Stadt, die von künstlicher Intelligenz gesteuert wird, es stimmt nachdenklich.

Bewertung vom 27.01.2021
Der Tausch - Zwei Frauen. Zwei Tickets. Und nur ein Ausweg.
Clark, Julie

Der Tausch - Zwei Frauen. Zwei Tickets. Und nur ein Ausweg.


sehr gut

Beängstigend und gleichzeitig fesselnd

Die Chance, ein neues Leben zu beginnen, begleitet Claire und Eva, als sie sich unabhängig voneinander auf dem Flughafen JFK in New York befinden. Claire flieht vor ihrem gewalttätigen Ehemann, der ihr durch seinen politischen und finanziellen Einfluss keinen Ausweg lässt. Eva sucht einen Neuanfang, um sich aus den Fängen des Drogenmilieus zu befreien. Nach einer spontanen Begegnung beschließen die Frauen, ihre Flugtickets zu tauschen, nichts ahnend, was sich daraus entwickelt.

Julie Clark versteht es, die beiden Hauptprotagonistinnen gekonnt in Szene zu setzen. Sie spielt mit Emotionen, Ängsten und Hoffnungen. Zwei völlig unterschiedliche Frauen, die durch einen Zufall den gleichen Wunsch hegen: Flucht aus dem bisherigen Leben. In zwei Handlungssträngen begleitet man die zwei Frauen. Claire schildert ihre gegenwärtigen Erlebnisse in der Ich-Form, Evas Erlebnisse werden dagegen im personalen Erzählverhalten Monate zurückliegend bis zum Tickettauschtag geschildert.

Gefesselt verfolgt man das Geschehen und bangt mal um die eine, dann um die andere. Ihre Chancen aus der Situation heil herauszukommen, stehen schlecht. Beide Protagonistinnen versuchen eine Fassade aufrecht zu erhalten, die schon längst zu bröckeln begonnen hat. Die gut situierte strahlende Ehefrau eines erfolgreichen Politikers, die täglich damit kämpft, ihre Blessuren zu verbergen. Auf der anderen Seite eine gescheiterte, einst erfolgversprechende Chemiestudentin, die ihre Drogenküche hinter einer biederen Alltagsfassade zu verstecken versucht und ihre Ängste kaum noch unterdrücken kann. Es geht um starke Frauen, die sich befreien wollen.

Männer spielen hier eher die "bösen" Nebenrollen, ob als unberechenbarer gewalttätiger Ehemann oder als Drogendealer, der kein Mittel auslässt, um Eva unter Druck zu setzen. Hauptakteure sind Frauen in unterschiedlichsten Positionen. Sie unterstützen sich gegenseitig, geben sich Halt, haben Verständnis füreinander. Die beste Freundin, die für Claire die Flucht mit organisiert, die nette Coffeeshop-Bedienung, die einen Job vermittelt, weil sie Claires Hilflosigkeit erkennt. Eine Professorin, die für Eva Verständnis aufbringt, obwohl diese alles andere als freundlich zu ihr ist. Eine überraschende Frau, die anfänglich wohl niemand als Unterstützerin im Blick hatte und für einen besonders spannenden Plot sorgt.

Durch die zeitlich unterschiedlichen Perspektiven wird der Spannungsbogen langsam, aber stetig aufgebaut. Man fiebert dem entgegen, was man befürchtet und hofft auf einen Ausweg. Beiden Frauen gönnt man ein Happy End, das tatsächlich bis zum Schluss offenbleibt.

Dieser ungewöhnliche Frauen-Thriller spielt mit weiblichen Ängsten. Mir fiel es nicht schwer, mich in die beiden Personen hineinzuversetzen und mit ihnen zu hoffen und bangen. Daher von mir eine Leseempfehlung.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.01.2021
Der 85-Jährige, der morgens aufstand und immer noch jung war
Janson , Horst;Köhne , Melanie

Der 85-Jährige, der morgens aufstand und immer noch jung war


gut

Sympathischer Rückblick auf ein bewegtes Leben

In seiner Autobiografie schildert der Schauspieler Horst Janson was er in 85 Jahren an Höhen und Tiefen erlebt und bewältigt hat. Seine Paraderolle - der ewige Student Bastian - mit der er in Deutschland berühmt wurde, darf natürlich nicht fehlen.

Horst Janson erzählt in einem lockeren Ton von seinem Werdegang als Schauspieler, Ehemann und Vater und natürlich von seiner Segelleidenschaft. Der Aufbau ist dann auch eher thematisch zu sehen. Bemerkenswert ist seine Offenheit, mit denen er auch Schicksalsschläge und negative Momente im Leben offenlegt. Sympathisch und frei von jedweden Starallüren schildert er z. B. wie er an der Seite von Franco Nero oder Roger Moore Filme gedreht hat.

Die Ausführungen, wann und wo er welche Rollen gespielt hat und wie es dazu kam, war mir teilweise zu langatmig. Ich bin aber auch kein Fan und habe nicht alle Rollen verfolgt. Andere Leser mögen diese Passagen interessanter finden. Die Besetzung der Rolle des Bastians ist dagegen sehr unterhaltsam. Jansons Aussehen und Charakter war hier ausschlaggebend und hat das "hohe" Alter von über 30 mehr als wettgemacht. Sein Beharren auf seinem für damalige Verhältnisse ungepflegten Aussehen (längere Haare) hatte einen hohen Erkennungswert. Für viele Menschen ist und bleibt er bis heute der "Bastian".

Besonders bewegend sind die Schilderungen über seinen finanziellen Ruin und die Angst, vor dem Nichts zu stehen. Er macht anderen Menschen Mut, wenn er über die Essstörung seiner Tochter Laura spricht. Verheimlicht nicht, dass er nicht immer gesetzeskonform gelebt hat und ist auch sonst kein Mensch, der Fehler nicht zugeben würde.

Ob er jetzt tatsächlich mit seinen 85 Jahren noch jung ist, darüber mag man streiten. Aber optimistisch und lebensbejahend wirkt er auf jeden Fall.

Bewertung vom 05.01.2021
Bonnie Propeller
Maron, Monika

Bonnie Propeller


gut

Punktsieg für den Hund
In einer Kurzerzählung schildert die 1941 geborene namenlose Icherzählerin, wie sie nach dem Tod ihres Hundes einen Nachfolger sucht, heftig enttäuscht wird und sich nur schwer mit dem zu kurz geratenen "hässlichen Entlein" arrangiert.

Auf nur 64 Seiten wird das Zueinanderfinden von Mensch und Hund von der Autorin Monika Maron erzählt. Der Schreibstil ist einfach und gut lesbar.

Die ersten Sätzen hätten aber fast schon dazu geführt, das Buch aus der Hand zu legen.

"Es ist das Bündnis von zwei Kreaturen mit dem einzigen Zweck, einander Freude und Beistand zu sein. "
Für mich ist ein Hund ein Familienmitglied, kein Dienstleister. Auch wenn ich verstehen kann, dass die alte Dame nicht lange allein sein möchte, ist die Suche im Internet per Bild und Video m. E. nicht der richtige Weg. Der persönliche Kontakt zum Tier ist sehr wichtig, man kauft doch keinen Gegenstand. Die Vermittlung erfolgt dann über eine Fundhund-Organisation, die sogar eine Möglichkeit zum Umtausch einräumt, weil der Hund unerwartet hässlich ist.

Was macht das mit dem Tier, wenn es wie ein Wanderpokal herumgereicht wird? Warum werden die Hunde mitten in der Nacht auf einem Parkplatz abgegeben? Ich empfinde das als falsch verstandene Tierliebe.

Der Protagonistin kann ich keine Sympathie abgewinnen. Der Hund muss perfekt sein. Darf nicht bellen, muss ruhig, aber nicht langweilig sein. Das Aussehen stört sie enorm.

"Dieses kleine, unschöne Tier sollte nun mein letzter Hund sein ...."

Da hilft auch nicht, das Tier mit teuren Accessoires auszustatten.

Erst als der Hund durch Kunststückchen und Freundlichkeit die Aufmerksamkeit anderer Menschen gewinnt, ist die Besitzerin auch mit dem Tier zufrieden.

Hält die Autorin uns den Spiegel hin. Seht her, selbst die Tiere müssen perfekt sein. Gebt den Außenseitern eine Chance. Oder schildert sie nur ihre eigene Geschichte? Das wäre sehr schade, denn Bonnie Propeller hat einen liebevollen Besitzer verdient.

Bewertung vom 08.12.2020
Dort, wo die Zeit entsteht
Wengenroth, Claudia

Dort, wo die Zeit entsteht


gut

Eine Auszeit vom anstrengenden Krankenhausalltag, das wünscht sich die Ärztin Katharina in der Zeit nach Weihnachten. In der abgelegenen Berghütte ihrer Familie richtet sie sich ein, einige Tage ohne Kontakt zur Außenwelt zu verbringen. Doch die erhoffte Erholung bleibt aus. Stattdessen plagen sie wirre Träume und die Dunkelheit drückt aufs Gemüt. Die alte Irmelin, Wächterin der Hütte, hilft mit Geschichten über "Die wilde Jagd" und den Raunächten auch nicht ruhiger zu werden. Erst als Katharina bereit ist, sich ihren Ängsten zu stellen, beginnt sie zu verstehen.

Claudia Wengenroth macht es dem Leser nicht leicht, in die Geschichte hineinzufinden. Zusammenhanglos wechselt die Handlung zwischen Realität und Traum. Winde, die über das Land ziehen, erzählen ihre Geschichte. Sind Übeltäter, wenn die Menschen in den Raunächten unruhig schlafen und sich alte Geschichten erzählen. Da ich weder von "Raunächten" oder "Der wilden Jagd" vorher etwas gehört habe - als Flachländer kennt man keine unheimlichen Nächte und heftigen Winde, konnte ich mir zwar Winterstürme in dunkler Winternacht vorstellen. Aber der Gedanke an umherstreifende Geister fühlte sich doch sehr fern an.

"Und ein alter, alter Wind, der einen Hauch Norden herweht, wie das Schnauben der alten Herden ... der die Menschen das Schlafen vergessen lässt, der sie ruft und sie den Norden hören lässt.

Obwohl es nur zwei Frauen in der Handlung gibt, kommt man ihnen nicht nahe. Die junge Ärztin, geplagt vom Stress im Krankenhaus und voller Selbstzweifel, kommt nicht zur Ruhe, obwohl man sich in einer vom Schnee umgebenen Berghütte eigentlich wohlfühlen müsste. Die alte Irmelin, von den Dorfbewohnern gemieden, achtet auf die Hütte, wenn niemand dort wohnt. Sie bleibt bis zum Schluss eine Figur, die nicht greifbar, teilweise übernatürlich, ist.

Sich auf sich selbst konzentrieren, in sich hineinhören und neue Wege beschreiten, das will dieses Buch wohl vermitteln. Aber für mich gab es viele verstörende Elemente, die ich nicht zuordnen oder verstehen konnte. Ausgedachte Geschichten, die im Traum lebendig werden und ein Eigenleben führen, deren Bedeutung für mich aber nicht greifbar wurde.

Vielleicht bin ich zu bodenständig und mit mir selbst im reinen, um in die Geschichte hineinzufinden oder es ist noch zu früh und man muss es tatsächlich zwischen den Jahren lesen.

Bewertung vom 08.12.2020
Zugvögel (eBook, ePUB)
McConaghy, Charlotte

Zugvögel (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

In ferner Zukunft machen sich die letzten Zugvögel unserer Welt auf ihre anstrengende Reise von der Arktis in die Antarktis. Ornithologin Franny Lynch will den Küstenseeschwalben auf Ihrer Reise folgen. Verzweifelt sucht sie ein Schiff, um die Vögel begleiten zu können. Was als Forschungsreise beginnt, entwickelt sich nicht nur für Franny zu einem dramatischen Kampf ums Überleben, denn auch Hochseefischer-Kapitän Ennis hat eine Mission zu erfüllen.

Charlotte McConaghy hat einen wundervollen Schreibstil, der Gefühle und Bilder malt. Dieser Debützukunftsroman hat Sogwirkung. Icherzählerin Franny polarisiert. Eine außergewöhnliche Frau. Wild, ruhelos und so verletzlich, mit einem traumwandlerisch festen Ziel vor Augen. In Rückblicken erfährt man Puzzleteil für Puzzleteil, was sich in ihrer Vergangenheit zugetragen hat. Ihre Sehnsucht nach dem Meer, ihre Unruhe an einem Ort zu bleiben, ihre Liebe zu Ehemann Niall. Obwohl sie ihren Mann so sehr liebt, tragen ihre Wanderfüße sie immer wieder von ihm fort. Vergisst sie das Hier und Jetzt und lässt sich treiben. Man spürt immer deutlicher, etwas Schreckliches ist geschehen. Sie war im Gefängnis, soll jemanden getötet haben. Aber so sehr man sich auch den Kopf zermartert, man kommt einfach nicht näher an dieses Unglück heran.

"Wenn ich in der Antarktis angekommen bin und meine Wanderung beendet ist, dann werde ich sterben."

Franny muss sich ihre Mitfahrgelegenheit auf dem Hochseefischer hart erarbeiten. Die Arbeit auf dem Schiff ist schmerzhaft gut beschrieben. Trotz ihrer blutenden Hände übt sie Knoten um Knoten, um später beim Goldenen Fang wirklich eine Hilfe sein zu können. Unerbittlich achtet dieser bunt zusammengewürfelte Menschenschlag einer Crew darauf, dass sie ihren Aufgaben nachkommt. Diese Crew ist rau, aber jeder für sich ein besonderer lebensechter Charakter und spürbar beschrieben.

Als das Trinkwasser knapp wird und der Stromgenerator ausfällt, liegt Meuterei in der Luft. Die Wut und Erschütterung der Mannschaft ist förmlich greifbar. Denn obwohl der Sender an der Schwalbe schon längst kein Signal mehr sendet, lässt Ennis vom selbstmörderischen Unterfangen nicht ab.

"Man kann die Wirkung eines Lebens an dem messen, was es gibt und was es hinterlässt, aber man kann sie auch an dem messen, was es der Welt wegnimmt."

Der Handlungsbogen wird geschickt aufgebaut und fast atemlos verfolgt man die Reise ins Ungewisse. Denn wohin diese Reise führen soll, erklärt sich nicht. Was geschieht, wenn die Vögel gefunden werden. Frannys Ziel bleibt bis zum Ende verborgen und wird dramatisch aufgelöst.

Verbunden mit einer Liebesgeschichte, die weit über Begreifbares hinaus und ans Herz geht, trifft die Handlung genau den Zeitgeist. Das vermutlich unaufhaltsame Arten- und Natursterben wird auf eindringliche Art in diesem Roman deutlich gemacht.

Auf den nächsten Roman der Autorin darf man gespannt sein.

Bewertung vom 08.12.2020
Alte Sorten (eBook, ePUB)
Arenz, Ewald

Alte Sorten (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Wieder einmal ist die siebzehnjährige Sally auf der Flucht. Doch diesmal scheint sie Erfolg zu haben, niemand verfolgt sie, bringt sie zurück in die Klinik. Auf ihrem Weg in die Freiheit trifft sie Liss, die auf einem Bauernhof lebt und arbeitet. Fast stillschweigend kommen sie überein, dass Sally bei Liss übernachten kann. Aus einer Nacht werden Monate, in denen beide merken, wie gut ihnen die Anwesenheit der anderen tut.

Ewald Arenz hat einen wundervollen klaren Schreibstil, der alltägliche Dinge besonders wirken lässt. Selten wird Erde, Holz, Obst und Kartoffeln, Federvieh, Bienen und Wild so viel liebevolle Aufmerksamkeit zuteil. Das Hofleben ist so lebendig beschrieben, man kann die erwähnten Düfte von Birnen und Weinbeeren fast schon selbst riechen und hat den Geschmack auf der Zunge.

"Sie lutschte an der kalten Beere und hatte auf einmal eine überwältigend aromatische Süße im Mund, die überhaupt nicht nach Weintraube schmeckte, sondern nach Muskat und irgendwie nach Honig und nach Äpfeln im Gras."

Der Herbst mit all seinen Facetten gibt die Stimmung vor. Hier spürt man in jeder Zeile die Naturleidenschaft und besondere Beobachtungsgabe des Autors.

"Was war in diesem Septemberleuchten, in diesem hohen Himmel, in diesem Morgen? Es war, als wollte die Welt noch einmal zeigen, wie schön sie sein konnte, wie viele Farben sie hatte, wie frisch sie riechen konnte."

Aber auch die Verletzlichkeit der beiden Frauen, denen man sich sehr nah fühlt, ist deutlich spürbar. Besonders überraschend, dass ein männlicher Autor mit so viel Feingefühl die Empfindungen wiedergibt. So unterschiedlich beide Protagonistinnen sind, haben sie doch beide ganz besondere Schicksale zu meistern. Der Handlungsbogen wird sanft und leise aufgebaut. Mal werden versteckte Narben auf der Haut sichtbar oder gut verborgene Emotionen suchen sich ihren Weg an die Oberfläche. Man ahnt nicht im Mindesten, warum die verschlossene, mit dem Leben hadernde Liss von den Dorfbewohnern gemieden wird, kein Kontakt gepflegt wird.

Es tut gut zu beobachten, wie aus einer unsicheren, zerrissenen und wütenden Sally langsam ein anderer Mensch wird. Sie entdeckt bei der Hofarbeit jeden Tag neue wundervolle Dinge, die sie beruhigen und begeistern. Liss gibt ihr den Freiraum, den sie so lange gesucht hat. Bei ihr gibt es keine Regeln, denn diese gibt allein die Natur und das Hofleben vor.

Die Annäherung der beiden unterschiedlichen Frauen geschieht so zart und bewegend. Man fühlt das Herantasten und Zurückweichen, die Sehnsucht nach Freundschaft und Nähe. Gerade als man das Gefühl bekommt, die beiden könnten sich dauerhaft Halt geben, wird es überraschend spannend und dramatisch. Man bangt um beide bis zum Schluss, der dann klug und nachvollziehbar die letzten Zeilen füllt.

Mich hat dieser besondere Roman mit seiner feinfühligen Art, der besonderen Herbststimmung und der bewegenden Geschichte in seinen Bann gezogen.

Bewertung vom 08.12.2020
Black Sun / Alexander Wassin Bd.1
Matthews, Owen

Black Sun / Alexander Wassin Bd.1


gut

Aufrüsten, Wettrüsten, Kalter Krieg. Atomwaffen in Ost und West sollen das Gleichgewicht halten, den Frieden sichern. Doch wie sicher sind wir in dieser Welt voller alles vernichtender Waffen. 1961 entwickeln die Sowjets in einer geheimen russischen Stadt eine Bombe, die alles Vorstellbare übersteigt. Wenige Tage vor dem ersten Test stirbt ein Physiker an einer Thallium-Vergiftung. Selbstmord - wie es scheint. Moskau zweifelt und schickt seinen besten KGB-Mann. Oberst Wassin wird es nicht leicht gemacht, denn in Arsamas-16 gelten russische Regeln nicht.


Owen Matthews hat auf der Grundlage von wahren Begebenheiten diesen Thriller geschrieben. Das Thema ist nicht neu, denn schon oft wurden russische Atomtests oder Weltvernichtungswaffen als Thema für spannende Romane verwendet. Außer, dass hier ein Wahrheitsfunke verbaut wurde, findet man nicht viel Neues. KGB Militärs, die sich gegenseitig misstrauen, ihre Macht missbrauchen, einschüchtern. Die anfängliche Sympathie, die man für Oberst Wassin entwickelt, schwindet schnell. Sein Privatleben ist alles andere als vorbildlich, seine Wahrheitsliebe erdrückt durch Gehorsam und Verzweiflung. Personen bleiben oberflächlich, Schatten ihrer selbst. Dabei hätten sie durchaus Potenzial für Tiefe und Emotionen geliefert. Besonders die junge Ehefrau vom Leiter des Bombentests hat eine schwere, leidvolle Vergangenheit. Doch statt Gefühle zu transportieren, werden nur Plattitüden verwendet. "wer unter Wölfen lebt, muss mit ihnen heulen"

Viel Detailliebe wird dagegen auf technische Elemente verwendet. Welche Materialien werden in der Bombe verbaut, wie funktionieren die Abläufe während der Startphase und welche Auswirkungen wird die Detonation haben. Das Umfeld der Arbeiten bleibt dagegen farblos. Wie sehen die Labore aus, die geheime Stadt mit ihren Bewohnern. Wie lebt man als Geheimnisträger mit westlichen Luxusgütern fern des russischen Alltags. Hier bleibt es der Fantasie des Lesers überlassen, sich ein Bild zu machen.

Die Ermittlungen laufen - wie erwartet - schleppend. Wassin läuft gegen Wände und Vorgesetzte an. Trotz seiner hartnäckigen, überheblichen Art kommt er nicht wirklich weiter. Der Einblick in sein Privatleben ist wenig hilfreich und teilweise ermüdend zu lesen. Die Handlung will keine Fahrt aufnehmen und der versucht aufgebaute Spannungsbogen überrascht am Ende nicht wirklich.

Mich konnte dieser Thriller nicht fesseln und blieb trotz des furchtbar und undenkbaren Szenarios nicht lange in Erinnerung. Technisch begeisterte Leser finden sicherlich mehr Inhalte, die sie begeistern können. Mir war die Handlung wichtiger und leider nicht durchgehend greifbar.