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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Desiree
Wohnort: 
Wanne-Eickel

Bewertungen

Insgesamt 115 Bewertungen
Bewertung vom 27.07.2023
Schönwald
Oehmke, Philipp

Schönwald


schlecht

Ruth ist die Matriarchin der Familie Schönwald über die sie vor allem mit Schweigen und Abwiegeln herrscht, gespickt mit Spitzen gegenüber der Schwiegertochter. Ihr Mann Harry kuscht und ihre drei Kinder wollen es ihr ebenso recht machen und merken gar nicht wie sie sich dem Schweigen anschließen. Doch dann will Tochter Karolin einen queeren Buchladen eröffnen, was sie mit dem Geld aus ihrem Erbe mütterlicherseits finanziert. Prompt ruft sie damit „Insta-Kids“ auf den Plan, die das Geld als „Nazigold“ bezeichnen. Und die Schönwalds müssen zugeben, dass sie sich tatsächlich nie mit der Vergangenheit auseinandergesetzt haben.
„Schönwald“ von Philipp Oehmke musste ich abbrechen. 260 Seiten habe ich durchgehalten, weil ich dachte, da kommt noch was. Wer holt denn so weit aus, schildert jede Banalität von jeder Figur, ohne dass es von Bedeutung ist? Vielleicht ist es das auch, vielleicht hätte ich mich weiter durchkämpfen müssen, aber es hat mich einfach nicht gepackt.
Ich hatte das Gefühl, Philipp Oehmke hat bestimmte Themen nur angeschnitten, um zu provoziere und damit mehr zu verkaufen, aber so was will ich nicht mehr lesen. Ich will gute Geschichten, die auf den Punkt sind, nicht Geschwafel, hinter dem ich den Sinn suchen muss.
Beworben wird dieses Romandebüt auch noch mit einem Spiegel-Bestseller-Autor-Aufkleber. Ja klar, wenn man eine Biographie über eine Band wie Die Toten Hosen schreibt, hat man automatisch eine riesige Fanbase hinter sich. Das heißt aber nicht, dass man über 500 Seiten ausholen muss, um jeden Gedanken, den man in den letzten Jahren hatte, zu äußern und dabei auf jeden Zug aufzuspringen, der in der Ferne zu sehen ist, ob es nun Identität, Nazivergangenheit oder Trump ist. Manche kontroverse Passage hat sich auch noch angefühlt als würde er (als Autor) das so meinen, als wär das tatsächlich sein Gedankengut. Hinzu kam der sprunghafte Wechsel der Perspektive, welcher mich immer wieder nach Halt suchen ließ. Sprachlich hat es mich auch nicht umgehauen.
Wieso also weiterlesen?

Bewertung vom 19.07.2023
Nincshof
Sebauer, Johanna

Nincshof


sehr gut

Nincshof ist wie jedes andere Dorf, aber dann doch ganz besonders, was natürlich an den Nincshofern und Nincshoferinnen liegt. Da ist Erna, die ihr ganzes Leben hier verbracht hat und die mit fast 80 noch was erleben will. Also schließt sie sich den Oblivisten, bestehend aus dem Bürgermeister, dem immer schon alten Sipp Sepp und dem Jungspund Valentin, an, die ein ganz besonderes Vorhaben verfolgen. Sie wollen, dass Nincshof vergessen wird, so wie damals war. Denn nur so können sie in Frieden leben ohne von der Außenwelt behelligt zu werden. Das wird allerdings torpediert, als Filmemacherin Isa mit Ehemann Silvano herziehen. Sie weiß nicht wohin und beginnt mit Recherchen über ihren neue Heimat und er erfüllt sich seinen langersehnte Traum von einer Irrziegenherde - beides kontraproduktiv zum Tun der Oblivisten. Zu allem Überfluss freunden sich Erna und Isa auch noch an.
So absurd, wie es sich anhört, ist „Nincshof“ von Johanna Sebauer auch, aber auf gute Art. Mit viel Witz berichtet sie von diesem eigentümlichen Ort, dessen Geschichte und den Einwohner*innen mit ihren Bräuchen, wie zum Bespiel, dass die Männer schon immer die Nachnamen der Frauen angenommen haben. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven, was einen Rundumblick ermöglicht. Manchmal habe ich mich mit der Sprache etwas schwergetan, etwas umständliche, langwierige Formulierungen, die zwar witzig und originell sind, aber meinen Lesefluss etwas gestört haben. Dies führte auch zu gewissen Längen, die ich für die Geschichte nicht gebraucht hätte. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau, denn „Nincshof“ ist ein gelungenes Debüt, das zurecht bereits ausgezeichnet und gefördert wurde. Der Kern der Geschichte ist interessant und eigene Überlegungen wert. Denn ist es nicht wirklich einfacher, friedvoller, besser vergessen zu werden von einem Außen, das immer nur weitere Forderungen stellt und die eigene Freiheit einschränkt?
Ich hoffe, dass auf diesen Roman noch einige folgen werden.

Bewertung vom 10.07.2023
Die Frau, die es nicht mehr gibt
Nielsen, Maiken

Die Frau, die es nicht mehr gibt


ausgezeichnet

Es ist 1984, Alex ist mit der Schule fertig und reist durch die Welt. Sie macht Fotos und lässt sich treiben bis sie in die Provence gespült wird. Dort trifft sie auf Mado, Loic und Fantomas und beschließt zu bleiben. In diesem Sommer lernt sie nicht nur was Freundschaft ist, sie findet auch ihre große Liebe und die Leidenschaft ihres Lebens. Doch nach dem Sommer ist alles anders und Jahrzehnte später muss sie erkennen, dass viele Menschen, die sie damals in Luberon kennengelernt hat, nicht die waren, für die sie sich ausgegeben haben, allen voran Mado.
„Die Frau, die es nicht mehr gibt“ von Maiken Nielsen gehört zu meinen Jahreshighlights. Diese Geschichte hat alles, was ein guter Roman braucht. Die Charaktere sind schillernd, berührend und mir direkt ans Herz gewachsen. Maiken Nielsens Beschreibungen lassen die Leser*innen durch die Gassen der Provence schlendern, so haptisch und eindringlich sind sie. Die vielen Figuren, die eigentlich nur Nebendarsteller*innen sind, tragen die Geschichte ebenso wie die Protagonistinnen. Die RAF, Ausländerfeindlichkeit und Terrorismus spielen eine entscheidende Rolle, trotzdem kommt das Persönliche von Alex und Mado nicht zu kurz. Das szenische Erzählen erzeugt ein schnelles Lesetempo und die Geschichte ist zusätzlich so spannend, dass ich den Roman nur ungern aus der Hand gelegt habe. Als Leser*in kann man wunderbar selbst Vermutungen anstellen und bekommt Puzzleteile, die man selbst zusammensetzen kann und wird trotzdem immer wieder überrascht, aber niemals enttäuscht, denn am Schluss laufen alle Fäden zusammen.
Dieser Roman ist eine ganz besondere Reise durch die Zeit und in die Provence.

Bewertung vom 03.07.2023
Flüchtige Freunde
Caritj, Anna

Flüchtige Freunde


sehr gut

Leda geht auf College und gehört einer Sorority an. Nach dem Tod ihre Mutter vor drei Jahren, sehnt sie sich nach einer Familie und ist froh über die Gemeinschaft, auch wenn diese oberflächlich ist und veralteten, zum Teil absurden Regeln folgt. Dann ist da noch Ian, der mit ihr flirtet und mit dem es auf einer Halloweenparty ernster wird. Am nächsten Tag hat sie einen Filmriss, dreckige Füße und einen Verletzung an der Lippe. Ihre letzte Erinnerung betrifft ein Mädchen, das seitdem verschwunden ist. Leda fragt sich nicht nur, was mit Charlotte passiert ist, sondern auch mit ihr selbst und ob sie mit dem Verschwinden etwas zu tun hat.
„Flüchtige Freunde“ von Anna Caritj sieht auf den ersten Blick aus wie ein Thriller und hat auch viele Merkmale des Genres: die Spannung, das Mysteriöse und einen Showdown mit Waffe, doch es ist ein Roman mit Augenmerk auf Ledas Entwicklung. Sie taumelt schon vor Halloween durchs Leben, hat unbedeutenden und oft nicht wirklich einvernehmlichen Sex, weil es nun mal dazugehören soll. Sie ist auf der Suche nach einer Familie und glaubt sie bei Delta Psi gefunden zu haben. Doch nach Halloween ist nichts mehr wie es war. Jetzt sucht sie auch noch nach Charlotte und ihrer Erinnerung, wodurch sie sich immer mehr selbst findet und erkennt, in was für einer Gemeinschaft sie sich vermeintlich sicher fühlt.
Charlottes Verschwinden wird Ledas Wendepunkt und es ist spannend ihre Entwicklung zu beobachten. Alles wird mehr oder wenig schlüssig aufgelöst, obwohl ich Ledas Verhalten manchmal nicht nachvollziehen konnte. Das Ende wirkt leider nicht so gut durchdacht, wie der Rest des Romans.
Besonders interessant fand ich, das Setting an einem College und vor allem das Leben in einer Sorority. Anna Caritj Stil ist sehr fesselnd, beobachtend und mit gut gewählten Metaphern gespickt.
Wer einen klassischen Thriller sucht, ist hier vielleicht falsch; wer einen guten Roman lesen möchte, kann gerne zugreifen.

Bewertung vom 26.06.2023
Im Tal
Goerz, Tommie

Im Tal


ausgezeichnet

Anton Rosser verbringt fast sein ganzes trostloses Leben auf einem abgelegenen Hof im Tal. Er wird dort geboren, seine Mutter stirbt früh, sein Vater schenkt ihm keine Aufmerksamkeit, dafür aber Gewalt. In der Schule findet er keine Anschluss, weil er stottert und sein Vater schon ein Sonderling ist. Er kann es niemandem recht machen, wie sehr er sich auch bemüht, also geht er in den Krieg, was er bereut und kehrt wieder zurück ins Tal, auch wenn er Angst vorm Vater hat. Doch der ist inzwischen gestorben und er kann den Hof nun selbst bewirtschaften, auch wenn der Geist des Vaters ihn immer wieder heimsucht, in seinen Träumen und in seinem eigenen Gesicht. Das Einzige, was ihm Hoffnung schenkt ist seine Nachbarin Maria. Für sie strengt er sich an. Als er erfährt, dass seine Liebe aussichtslos ist, stürzt ihn das in ein Loch, aus dem er nicht mehr herauskommt.
Das ist nur ein kleiner Teil von „Im Tal“ von Tommie Goerz, denn in Tonis Leben geschieht noch um einiges mehr, aber nichts gutes. Er hat ein schweres Erbe zu tragen, die Traumatisierung sitzt tief und die Schicksalsschläge sind zahlreich. Er hat gar nicht die Möglichkeit sich aufzurappeln. Und obwohl ich das wusste als Leserin, denn Tonis Tod als Eigenbrötler in seiner verwahrlosten Hütte wird vorweggenommen, hatte ich immer noch ein wenig Hoffnung. Ich mochte Toni, er tat mir unendlich Leid und er hat nichts von dem, was ihm passiert und angetan wird, verdient. Sein Leben scheint vorgezeichnet, jede seiner Bemühungen umsonst, das ging mir nah.
Tommie Goerz ist ein guter Erzähler, versteht es mit wenigen Worten Emotionen zu transportieren. Seine Schilderungen schneiden ins Fleisch und Tonis Werdegang und Reaktionen sind absolut schlüssig. Ich hab „Im Tal“ gern gelesen, auch wenn es schmerzhaft war, denn es zeigt an einem Einzelschicksal, was Isolation anrichten kann.

Bewertung vom 19.06.2023
Die Zeitreisende
Lemper, Ute

Die Zeitreisende


ausgezeichnet

Schauspielerin, Darstellerin und Sängerin Ute Lemper ist ein Weltstar. Eine der wenigen Deutschen, die es nicht nur außerhalb Deutschlands zu Ruhm gebracht hat, sondern dort auch mehr geliebt wird als in ihrem Herkunftsland. Nun hat sie ihre zweite Biografie geschrieben, die gleich drei Bücher enthält. Zunächst Auszüge der erste Biographie, die sie mit Anfang Dreißig geschrieben hat und die sie kommentiert und einordnet. Chronologisch geht es dann weiter. Zum Schluss kommt noch ihre Tochter Stella zu Wort und schenkt der Leserschaft eine ganz eigene Perspektive.
„Die Zeitreisende“ ist keine 0815-Biographie, sie ist Zeitzeugnis, bewegtes Leben und Einblick in das Showbusiness. Ute Lempers Sprache ist durchzogen von Kunst, von Melodie und Klang. Sie kann mit Worten umgehen und ist wahnsinnig einfühlsam. Sie scheut nicht davor zurück schwierige Dinge anzusprechen und den Finger noch auf die Wunde zu halten, ob es nun um Politik, Geschichte oder Privates geht.
Sie ist eine beeindruckende Frau, die in Deutschland nicht geschätzt wurde, aber zum Glück im Ausland und allen Widrigkeiten zum Trotz, eine Karriere aufgebaut hat, die ihres Gleichen sucht. Ihre Bühne ist international und wie viele Deutsche können das von sich behaupten. Aber sie ist nicht nur Künstlerin, sondern auch Mutter und versucht, oft mit (meiner Meinung nach unbegründeten) Schuldgefühlen behaftet, alles unter einen Hut zu bringen.
Sehr bewegt haben mich die Kapitel in denen sie die deutsche Geschichte aufarbeitet, über die nur allzu gern geschwiegen wird. Sie hat viele Berührungspunkte mit dem Judentum und positioniert sich klar, auch wenn sie (für mich unverständlicherweise) im besten Fall auf Schweigen trifft.
Manchmal hätte ich mir noch etwas mehr persönliches gewünscht, wie ihr Gespräch mit Marlene Dietrich, denn ich bin mir sicher, sie hat viele außergewöhnliche Persönlichkeiten getroffen, denen sie auf Augenhöhe begegnet konnte.

Bewertung vom 12.06.2023
Meine Mutter sagt
Pilgaard, Stine

Meine Mutter sagt


ausgezeichnet

Die Ich-Erzählerin wird von ihrer Freundin verlassen und zieht zurück zu ihrem Vater. Sie kommt mit der Trennung nicht klar und will sie zurück, verheddert sich jedoch im Gejammer, welches zu nichts führt und ausgiebig von ihrer Mutter kommentiert wird.
„Meine Mutter sagt“ ist mein erster Roman von Stine Pilgaard, was sich gut trifft, denn es ist auch ihr Debüt. „Meter pro Sekunde“, woran man letztes Jahr nicht vorbei kam, ist jetzt ganz weit nach oben auf meiner Wunschliste gerückt, denn ich bin sehr beeindruckt von diesem Debüt.
Sie schreibt frech, witzig, zynisch, was mich die zunächst abschreckend wirkenden Blöcke ohne Absätze und wörtliche Rede haben schnell vergessen lassen. Der Vater und die Mutter sind einmalig und es erscheint logisch, warum die Protagonistin ist wie sie ist. Zwischen die Erzählung schiebt Stine Pilgaard noch die Seepferdchenmonologe, kleine Erinnerungen, die an jeweils ein Körperteil oder Sinn geknüpft sind und die zeigen, wie bildgewaltig Literatur sein kann.
Die Entwicklung der Protagonistin ist absehbar, aber dieses Wissen stört keineswegs den Lesegenuss. Es ist eines dieser bösen Bücher, die einen zum Schmunzeln bringen, womit aber nicht geworben wurde und ich bin positiv überrascht, denn ich hatte mit etwas Schonenderem gerechnet.
Mich hat Stine Pilgaard mit ihrem Roman gewonnen, nur finde ich es immer schade, wenn Autorinnen von einem Mann übersetzt werden, aber man kann nicht alles haben.

Bewertung vom 01.06.2023
Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen
Ironmonger, John

Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen


ausgezeichnet

Der 20jährige Tom trifft in seinem Heimatdorf St. Piran auf den 20 Jahre älteren Politiker Monty. Den Streit, der durch eine alkoholgeschwängerte Provokation von Tom ausbricht, beenden sie mit einer Wette, die beider Leben verändern und prägen wird. Und die auf die Brisanz des Klimawandels hinweist, wie es deutlicher nicht gehen könnte.
„Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen“ von John Ironmonger ist ein bittersüßer Roman. Das Dorf St. Piran, das viele Leser*innen aus „Der Wal und das Ende der Welt“ kennen (ich noch! nicht), ist nur ein Schauplatz. Denn das Polarmeer mit seinen Eisbergen und Gletschern ist der Ort, der entscheidend sein wird für die beiden Charaktere und dem Roman ein ganz besonderes Panorama schenkt. Tom und Monty scheinen keine ausgewogenen Gegner, nähern sich aber im Laufe von 50 Jahren an, was natürlich nicht immer harmonisch geschieht.
Was das Buch so bemerkenswert macht, ist nicht nur die Wichtigkeit des Themas, sondern die Lösungsansätze, die es gleich mitbringt und die verständlichen Erklärung für die Ursachen und Folgen des Klimawandels. Es wagt einen Ausblick, schaut 80 Jahre in die Zukunft und das für mich auf realistische Weise. Was sind die Konsequenzen, wenn wir so weitermachen; aber auch, was kann passieren, wenn wir als Menschheit endlich etwas verändern; wenn Regierungen Umweltschutz nicht an Bürger*innen abschieben, sondern selbst Verantwortung übernehmen und etwas tun, denn ganz ehrlich, als Einzelperson ist man geradezu machtlos.
Vermittelt wird das alles mit einer spannenden Geschichte, die so manche Wendung bereithält, Action und Liebe beinhaltet und natürlich auch einen Eisbären. Ab und zu ist es etwas vorhersehbar und für meinen Geschmack haben die Frauen einen zu stark begrenzten Raum durch die übermäßige Präsenz der Männer, aber das ist Meckern auf hohem Niveau und sollte niemanden davon abhalten zu diesem Roman zu greifen.

Bewertung vom 29.05.2023
Idol in Flammen
Usami, Rin

Idol in Flammen


sehr gut

Akari hat nur einen Lebensmittelpunkt: Masaki, der Sänger in einer Idol-Band und Schauspieler ist. Sie hat einen Blog über ihn, sammelt alles, was sie über ihn finden kann, transkribiert jedes seiner geäußerten Worte und heftet sie in Ordner. Mit dieser Obsession ist sie nicht allein, aber sie ist extrem. So extrem, dass sie nur für Masaki neben der Schule einen Job anfängt und alles andere immer mehr in den Hintergrund tritt.
„Idol in Flammen“ von Rin Usami ist ein dünnes Buch mit gerade mal 125 Seiten und kommt mit einem scheinbar poppigen, leichten Thema daher, aber mitnichten. Akari ist besessen, aber nicht wie eine Stalkerin. Sie will nicht mit Masaki zusammen sein, auch wenn sie ihn gerne trifft. Es ist eher ein Aus-der-Ferne-anhimmeln. Ihr ganzes Leben dreht sich um ihn, was leichter ist als sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Diese war für sie ohnehin immer nur schwer zu bewältigen. Masaki ist ihre Fluchtmöglichkeit.
Wahrscheinlich kennt jede*r die Begeisterung für eine Berühmtheit, gerade als Teenager*in. Und in heutiger Zeit, mit Social Media, bekommt man schnell das Gefühl, diese Stars wirklich zu kennen. Auch Akari geht es so. Neu war für mich allerdings der Blick in die K-Pop-Welt, wo Bands aus Idolen zusammengestellt werden, der oder die Beliebteste von den Fans gewählt werden kann und dadurch noch mehr in den Fokus rückt und eine ganz neue Dimension von Fankultur entsteht.
Eine richtige Verbindung zu Akari konnte ich nicht aufbauen, dafür ist mir ihre Lebensrealität zu fremd und der Roman zu schnell zu Ende, aber ich sehe durchaus Potenzial in der Figur, denn es steckt mehr in ihr. Rin Usamis Gespür und ihre Erfahrung mit dem Erzählen, trotz ihres jungen Alters, ist bemerkenswert. Ich bin auf jeden Fall neugierig auf ihr Debüt geworden, das leider noch nicht auf deutsch erschienen ist und bin gespannt, was wir noch von ihr zu lesen bekommen.

Bewertung vom 28.05.2023
Kleine Schule des Fliegens
Walker, Christina

Kleine Schule des Fliegens


sehr gut

Alexander Höch erholt sich von einer Krebserkrankung. Dafür wird er von seiner Frau ins Exil, in die momentan freistehende Wohnung seines Bruders, verbannt. Parallel zu ihm ziehen Saatkrähen in die Platane gegenüber des Arbeitszimmers. Die sind aber nicht willkommen in der Straße und Nachbarin Melitta Miller tritt auf den Plan. Sie kümmert sich nicht nur um Höch und die Pflanzen in der Wohnung, sondern kämpft auch an vorderster Front gegen die Krähen. Höch ist ihr ebensowenig behilflich, wie die Rentner*innen des Seniorenheims nebenan.
„Kleine Schule des Fliegens“ von Christina Walker ist ein wunderbarer, kleiner Roman mit einem Wermutstropfen, dem Ende. Alexander Höch war mir auf Anhieb so sympathisch, wie Melitta Miller unsympathisch. Ich solidarisierte sofort mit den Krähen, denn Menschen vergessen nur allzu schnell, dass diese Welt nicht nur für sie da ist und sie weitaus mehr Krach und Dreck machen als es jemals ein Tier tun könnte.
Sehr gefallen hat mir, dass Christina Walker Informationen über Krähen, ob biologischer Natur oder kultureller, in die Geschichte eingeflochten hat. Und auch sprachlich war es sehr gelungen, passende Metaphern und wiederkehrende Bilder an den richtigen Stellen. Höch kommt in manch komische Situation, die mich schmunzeln ließ, denn obwohl er sich Melitta gegenüber nicht klar positioniert, torpediert er ihr Unterfangen, ohne dass sie es merkt.
Leider kam das Ende etwas abrupt, nachdem noch einiges passierte, was unaufgelöst blieb. Da hätte ich mir gern noch ein paar Seiten mehr gewünscht, zumal die abschließende Szene wieder sehr gelungen war.
Der Roman lässt mich also zwiegespalten zurück, aber ich habe eine neue Autorin gefunden, die ich definitiv im Blick behalten werden.