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EOS
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Siegen

Bewertungen

Insgesamt 209 Bewertungen
Bewertung vom 06.06.2022
Amelia
Burns, Anna

Amelia


gut

Die nordirischen 'Troubles' im Angesicht der Kinder
Nachdem ich den Klappentext gesehen hatte, wollte ich dieses Buch unbedingt lesen. Da mich der Nordirlandkonflikt immer wieder mal beschäftigt hat, erwartete ich viel historischen Hintergrund und gleichzeitig mehr über die Wirkung auf die Heranwachsenden zu erfahren. Das auf den ersten Seiten vorgestellte Mädchen Amelia war mir sympathisch, wenn auch etwas außergewöhnlich mit ihrer Sammelleidenschaft und ihrem Spielverhalten.
Meine Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Die Autorin zeichnet ein grauenvolles Bild der Troubles, die sich von 1969 bis in die 90er Jahre hinzogen, wobei sie hauptsächlich die Verrohung der Kinder bzw. Jugendlichen beschreibt. Es ist die Zeit des sinnlosen Abschlachtens und der puren Verzweiflung, die sich natürlich auf die Kinder überträgt.
Im Laufe der Seiten meint man nur noch auf Psychopathen zu treffen, die ihr soziales Umfeld bedrohen und auch vor lebensbedrohenden Aktionen nicht zurückschrecken. Dabei hatte ich zunehmend das Gefühl, dass es sich überwiegend um Gewaltphantasien handelte, aus denen der Leser mühsam die Realität rausfiltern sollte. Aber wo ist die Grenze? Das wurde mir nicht klar. Ebenso wenig wurde mir klar, warum diese Gewaltexzesse ihren Platz in diesem Buch finden, denn man hätte sich ja auch mit den Traumata der Heranwachsenden, deren Ursachen und Auswirkungen beschäftigen können. Das hätte mir besser gefallen.
Ganz im Gegenteil werden hier jedoch perverse Spielchen beschrieben, die von kleinen Kindern mit ihren Puppen nachgespielt werden, oder brutale Attacken mit diversen Gegenständen, die großen Schaden anrichten, und verbreitet widerlichen Missbrauch. Sehr makaber fand ich den Auftritt von Mary, die ihr Baby im 'Plastikbeutel' spazieren fährt, wobei wahrscheinlich die Plazenta gemeint ist.
Amelia kann einem Leid tun, denn sie hat keinen, der wirklich zu ihr steht. Sie driftet jedoch nicht in Gewalttätigkeiten ab, sondern flieht in Anorexie und Alkoholabhängigkeit. Sie möchte nach London, um dem Grauen zu entkommen. Zunächst wird sie nur belächelt und nicht ernst genommen. Als sie schließlich den Ausbruch schafft, ist nicht sicher, ob es ihr gelingt, die traumatisierenden Erfahrungen zu vergessen oder zumindest zu bekämpfen.
Die Atmosphäre in diesem Buch ist durchgehend niederdrückend, keine unbeschwerte oder sachliche Lektüre. Das Buch zeigt auf erschreckende Weise, was ein kriegerisches Umfeld aus einem Menschenleben machen kann, was gerade in dieser Zeit hochaktuell ist. Mir waren jedoch die Brutalität und die Gewaltbereitschaft, wie sie in diesem Buch beschrieben werden, eindeutig 'too much'.

Bewertung vom 01.06.2022
Talberg 2022 / Talberg Bd.3
Korn, Max

Talberg 2022 / Talberg Bd.3


ausgezeichnet

Abgründige Geheimnisse im Bergdorf
Das Buch fängt bereits sehr spannend und aktuell an, als im albtraumhaften Horrorszenario eines Unwetters Knochen angespült werden, die von Dorfpolizist Adam Wegebauer unter schwierigen Bedingungen geborgen werden. Diese Knochen spielen bis zum Ende eine tragende Rolle und führen tief in die finsteren Machenschaften einiger Dorfbewohner.
Das Buch hat mich sehr gefesselt, aber auch betroffen gemacht, es zieht den Leser in seinen Bann und entpuppt sich als regelrechter Pageturner. Es handelt sich hier um den letzten Teil der Talberg-Trilogie, und ich habe mich gefragt, wieso mir die beiden ersten Bände nicht aufgefallen sind. Ich muss diese Lektüre unbedingt nachholen.
Die Kapitel sind überschaubar lang, bieten Perspektiven- und Zeitenwechsel und sind so spannend geschrieben, dass ich vor einer Lesepause immer noch in das nächste hineinlesen musste. Der Schreibstil ist gut verständlich, auch wenn hin und wieder der Ortsdialekt durchkommt, was man aber durch den Zusammenhang trotzdem versteht. Der Autor experimentiert mit der Sprache, benutzt sie, um die düstere Atmosphäre zu schaffen. Aber auch bedeutungsvolle Wortspiele finden Platz ('Adam und Eva', Talberg usw.)
Die Spannung, die sich zusehends stärker aufbaut, hält bis zum Ende an. Dieses ist in sich schlüssig, für mich wurden alle Fragen geklärt. Aber selbst zum Ende hin gibt es noch überraschende Wendungen.
Die Charaktere sind für mich alle überzeugend, auch wenn sie teilweise etwas skurril daherkommen, aber so ist das eben in einem abgeschiedenen Bergdorf. Ich konnte mir den Ort in seiner Weltfremdheit gut vorstellen. Allein schon die Reaktionen auf das Unwetter waren authentisch. Erfreulich ist das Namensregister in der vorderen Umschlagseite, so bewahrt man den Überblick.
Alles in allem bin ich begeistert von diesem Buch und werde es sehr gern weiter empfehlen.

Bewertung vom 28.05.2022
Kalte Blüten / Périgord-Krimi Bd.2 (eBook, ePUB)
Dubois, Julie

Kalte Blüten / Périgord-Krimi Bd.2 (eBook, ePUB)


sehr gut

Cosy Crime au Périgord
Dies ist der zweite Kriminalroman um die sympathische Kommissarin Marie Mercier, die nach ihrem Sabbatjahr nun endgültig Paris verlassen hat, um im Périgord zu arbeiten, wo sie den Hof ihrer Großmutter renoviert hat und wo auch ihr Herz wohnt. Sie leitet nun das Kommissariat der Region.
Bei Bauarbeiten für eine Ölmühle wird ein Skelett freigelegt, sodass die Polizei ermitteln muss. Marie sieht sich jedoch bei den Besitzern des Grundstücks schroffer Abwehr ausgesetzt, als ob irgendetwas verborgen bleiben sollte. Das Grundstück gehört vier Schwestern, den Barthes Schwestern.
Julie Dubois Schreibstil ist flüssig und mitreißend. Man liest immer weiter, als würde man sonst etwas verpassen. Dabei läuft aber alles sehr gemächlich ab, keine Action-Szenen oder wilde Schießereien. Sehr intensiv ist auch das Lokalkolorit, das die spezielle Atmosphäre dieser französischen Region im Südwesten Frankreichs treffend einfängt.
Die Spannung entwickelt sich langsam, am Anfang für mich sogar zu schleppend, aber sie nimmt stetig zu und hält bis zum Ende an, zwischendurch gibt es noch so einige überraschende Wendungen. Als Leser kann man auch gut miträtseln, wer als Täter in Frage kommt. Das ist für mich immer sehr verlockend und hat mir gut gefallen. Dieses Mal lag ich allerdings lange falsch und wurde in Erstaunen versetzt, denn mit diesem Täter hatte ich nicht gerechnet.
Fast alle Figuren sind sympathisch gezeichnet, so dass man sich dadurch in diesem Dorf heimisch fühlt. Es gibt auch bizarre Charaktere, wie z.B. Rose, eine alte Dame, die immer bestens informiert ist und sich gemäß ihres Namens stets in rosa kleidet. Auch Georges ist ein Ausnahmecharakter, denn man trifft ihn selten ohne seinen besten Freund, das Trüffelschwein Augustine, an. Ihn möchte ich hier besonders hervorheben, denn die Szenen mit ihm bringen den Leser immer wieder zum Schmunzeln.
Es geht auch um kulinarische Genüsse, was mich im Allgemeinen nicht stört. Wenn aber Rezepte mit Gänsestopfleber verherrlicht werden, ist mir das ein Störfaktor, denn man weiß, dass dies mit Tierquälerei einhergeht.
Alles in allem ein gemütliches Krimigeschehen, das den Leser gut unterhält.

Bewertung vom 05.05.2022
Tiefes, dunkles Blau
Kobler, Seraina

Tiefes, dunkles Blau


gut

Ein sehr gemächlicher Krimi
Der Arzt einer Kinderwunschklinik, Dr Jansen, wird tot im Zürichsee gefunden, und bald stellt sich heraus, dass er viele Drogen im Körper hatte. Zufällig hat Seepolizistin Rosa kurz zuvor bei diesem Arzt Eizellen einfrieren lassen. Wer wollte ihn aus dem Weg räumen und warum? Zunächst führt eine Spur zu seiner Noch-Ehefrau, aber es gibt außerdem weitere Spuren, vor allem auch ins Rotlichtmilieu. Skurrilerweise führen alle Verdächtigungen nur zu Frauen, die dem Gynäkologen nach dem Leben getrachtet haben könnten.
Nach dem noch spannenden Prolog, in dem ein Toter in einer Fischreuse gefunden wird, sinkt die Spannungskurve, was verständlicherweise der Einführung des Settings geschuldet ist. Man muss ja erst einmal die Protagonistin, ihr Umfeld und den Handlungsort kennenlernen. Dies erfolgt sehr ausführlich und gut vorstellbar. Spätestens jetzt müsste der Spannungsbogen wieder ansteigen, aber da ist nichts! Die Ermittlungen laufen nebenher, im Mittelpunkt stehen in meinen Augen dagegen ein umfassendes Bild von Zürich und von der Ermittlerin Rosa. Die Geschehnisse plätschern dahin, und besonders die Ausführungen zur Gentechnik und ihrer Gefahren fand ich recht langatmig. Vergebens wartet man auf überraschende Wendungen oder andere krimitypische Stilmittel.
Meine Erwartungen wurden enttäuscht, das Buch konnte mich nicht in seinen Bann ziehen. Trotz des mörderischen Geschehens ordne ich dieses Buch eher dem Genre Roman zu.
Die Protagonistin und Ermittlerin Rosa Zambrano ist sympathisch, lebt naturverbunden und hat viele Hobbys, die in diesem Buch auch intensiv beschrieben werden. Vor allem scheint sie das Kochen und Schlemmen zu lieben, allerlei Rezepthinweise machen Lust aufs Ausprobieren. Die Beschreibung Zürichs ist ebenfalls verlockend, man möchte sich das mal vor Ort ansehen und in den gemütlichen Lokalen einkehren. Aber ich hatte ja einen Krimi lesen wollen.
So hat das Buch mich partiell gut unterhalten, aber es konnte absolut kein Krimi-Feeling aufkommen. Schade!

Bewertung vom 02.05.2022
Der große Fehler
Lee, Jonathan

Der große Fehler


sehr gut

Plötzliches Ende eines ambitionierten Lebens
Andrew Haswell Green, der Schöpfer des großartigen Central Parks in New York, wuchs im ländlichen Milieu unter ärmlichen Umständen auf. Seine Mutter starb, als er 12 war, und sein Vater kann ihm die Mutter nicht ersetzen. Im Gegenteil, er wird vom Vater regelmäßig geschlagen und bekommt viel Arbeit und Verantwortung aufgebürdet. Er nimmt dies alles hin, indem er versucht, seine Aufgaben zu optimieren. Prägend für ihn sind sein Ordnungssinn und seine Verträumtheit. Als er sich seinem Freund Sam zu sehr nähert, verbannt ihn sein Vater nach New York, unter dem Vorwand, dass er dort mehr Geld verdienen könne. Auch dort erwartet ihn ein hartes und entbehrungsreiches Leben, aber sein unentwegter Ehrgeiz lässt ihn aufsteigen, so dass er schließlich großen Anteil an der Gestaltung New Yorks hat.
Der vordergründige Fehler liegt darin begründet, dass Green im Alter von 83 Jahren durch einen Irrtum vor seiner Haustür erschossen wird. In Andrews Leben haben sich jedoch noch mehr Fehler ereignet, so dass der Titel eine Mehrfachbedeutung hat. So ist das Buch im Prinzip eine Biographie, die Andrews vielseitiges und ambitioniertes Leben beleuchtet. Nach und nach erschließen sich dem Leser immer mehr Details aus der Vergangenheit Die Ermittlungen zum Mordmotiv sind eher Nebensache, werden aber durch den zeitweise schwächelnden Inspektor McClusky aufgeklärt.
An den Schreibstil musste ich mich zunächst gewöhnen, denn die Sätze sind teilweise sehr lang und verschachtelt, so dass ich anfangs einiges mehrfach gelesen habe. Aber es lohnt sich, denn man findet sich in einer anderen Welt wieder, die Inhalte der mitunter anspruchsvollen Sätze sind sehr prägnant und spiegeln die Charaktere hervorragend wieder.
Der permanente Perspektivwechsel zwischen Andrews Kindheit und Jugend auf der einen Seite und sein Leben rückblickend in New York auf der anderen Seite haben mich teilweise etwas verwirrt. Enttäuschend fand ich, dass einige Nebenhandlungsstränge einfach im Sande verliefen, während man gern noch mehr erfahren hätte.
Sehr informativ hingegen fand ich die historische Betrachtung des Lebens zu jener Zeit, die Schilderung des damaligen New York und auch die missliche Lage der Homosexuellen in dieser Zeit.
Alles in allem fand ich das Buch sehr packend und informativ, die Lektüre hat mich mit ausdrucksstarken Charakteren bekannt gemacht. Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.04.2022
Zurück nach Übertreibling / Vikki Victoria Bd.1
Gray, Gloria;Felder, Robin

Zurück nach Übertreibling / Vikki Victoria Bd.1


gut

Krass und voller Überraschungen
Vikki Victoria, stadtbekannt und glamouröse Transfrau, muss sich verstecken. Der Grund: Toni ist aus dem Gefängnis ausgebrochen, und nun will er sich sicher an ihr rächen, denn Vikki war nicht unschuldig an seiner Festnahme. Toni soll seine Frau bestialisch umgebracht haben, aber ist das wirklich so gewesen? Die ausbrechende Panik setzt eine regelrechte Kettenreaktion in Gang, in deren Verlauf sich so einige kriminelle Energie entlädt und Wahrheiten ans Licht kommen. Hierbei spielen eine Motorradrockergang und ein türkischer Drogenboss mit seinen Leuten eine wesentliche Rolle.
Die Spannung ist schwankend, mal sehr stark, dass man unbedingt weiterlesen muss, aber es gibt auch Passagen, die recht langatmig sind, die wie Lückenstopfer erscheinen und nur nichtssagendes Gerede wiedergeben. Gerade zum Ende hin ist eigentlich schon alles klar, aber der Showdown zieht sich sehr in die Länge.
Zugegeben, das Buch hat mich oft zum Schmunzeln gebracht, denn Vikki legt ihre Gedanken ausführlich dar, worin ich Wortwitz, Ironie und skurrile Beschreibungen entdeckt habe, was mir sehr gut gefallen hat. Der Schreibstil ist sprachgewaltig, sie benutzt Wortneuschöpfungen und lustige Verbindungen (z.B. "damals....vor 30 kg" oder "er okayt"). Die Beschreibungen sind gut vorstellbar und natürlich übertrieben. Aber in meinen Augen ließ mit der Zeit die Kreativität nach oder ich wurde mit der Zeit überdrüssig.
Ach ja, nebenbei wird noch gegen E-Autos gewettert und SUVs hochgepriesen. Das finde ich nicht zeitgerecht. Schon mal etwas von Klimawandel gehört? Oder gehörte das in die Kategorie 'Humor ist, wenn man trotzdem lacht'?
Die Bewertung fällt mir nicht leicht, da das Buch zwar lesenswerte Züge hat, aber sich andererseits immer mehr in Übertreibungen verliert, die irgendwie erzwungen wirken. Leider war es so, dass das Krimigeschehen immer mehr in den Hintergrund rückte und Platz machen musste für unsinniges Palaver.

Bewertung vom 15.04.2022
Auf der Straße heißen wir anders
Cwiertnia, Laura

Auf der Straße heißen wir anders


sehr gut

Zurück zu den Wurzeln
Aber wo sind die Wurzeln wirklich? Karla ist die Tochter des in Deutschland lebenden Armeniers Avi und einer Deutschen, die Eltern sind geschieden, Karla ist dem sozialen Brennpunkt Bremen-Nord, wo sie viel einstecken musste, entkommen.
Anlässlich der Beerdigung ihrer Großmutter Maryam lernt Karla armenische Beerdigungsrituale kennen und realisiert, wie wenig sie über die Wurzeln ihres Vaters weiß. Im Nachlass der Großmutter findet sich ein goldener Armreif, den die Familie nach ihrem Tod in die armenische Hauptstadt Yerewan zu Lilit Kuyumcyan bringen soll. Nach anfänglichem Ablehnen willigt Avi schließlich ein, mit seiner Tochter nach Armenien zu fliegen, um das Testament zu erfüllen.
Zum Erstaunen seiner Tochter blüht Avi in Armenien auf, verändert sich regelrecht und saugt in seiner realen Heimat alles auf. Sehr schnell fühlt er sich zu Hause angekommen und verhält sich wir die Einheimischen. Die Relation Vater-Tochter verändert sich in positiver Weise.
Da ist sehr viel Hintergrundinformation in diesem Buch gespeichert, was mir sehr gut gefallen und meinen Horizont erweitert hat, sowohl landeskundlich, aber vor allem historisch. Es war sehr ergreifend über den unfassbaren Genozid an den Armeniern zu lesen.
Wenn man Avis Kindheit betrachtet, kann man sich erklären, warum er Defizite in seiner Gefühlswelt entwickelt hat und emotionale Annäherung ihm schwerfällt.
Der Schreibstil der Autorin ist gut verständlich und gibt die jeweiligen Situationen sehr präzise wieder. Die Beschreibungen der einzelnen Szenen sind intensiv und atmosphärisch. Als Leser hat man das Gefühl, in der Erzählung anwesend zu sein. Allerdings haben mich die ständigen Zeitsprünge bisweilen irritiert.
Auf jeden Fall ist das Buch sehr lesenswert und hinterlässt bleibende Eindrücke, gerade in der heutigen Zeit.

Bewertung vom 08.04.2022
Düsteres Watt / Liv Lammers Bd.6
Weiß, Sabine

Düsteres Watt / Liv Lammers Bd.6


ausgezeichnet

In den Sylter Wanderdünen ertrunken?
Nur durch Zufall wird in den Wanderdünen bei List eine Leiche entdeckt, denn da diese Sandmassen ständig in Bewegung sind, wäre der Tote wohl sehr bald nicht mehr zu sehen gewesen, je nach Windstärke. Kommissarin Liv Lammers befindet sich im Urlaub auf Sylt, das auch gleichzeitig ihre Heimat ist, und wird sofort von dem Fall angezogen. Der Tote entstammt dem alten schleswig-holsteinischen Adel und lebte mit seiner Familie in einer prunkvollen Villa. Dort scheint die heile Welt plötzlich zerstört und die Trauer groß, bis man einen Blick hinter die Kulissen werfen kann und düstere Abgründe entdeckt, wobei häusliche Gewalt eine große Rolle spielt. Dazu kommt noch, dass der ermordete Karl von Raboisen offensichtlich ertrunken ist, bevor er in den Dünen abgelegt wurde. Es gibt eine Vielzahl von Verdächtigen, die Polizei hat alle Hände voll zu tun und ermittelt in alle Richtungen.
Auch der Leser wird schnell zum Miträtseln animiert, was mir persönlich immer sehr gut gefällt. Auf diese Weise wird das Buch sehr schnell zu einem regelrechten Pageturner, man möchte immer weiterlesen. Im Laufe der Ermittlungen finden sich laufend neue Spuren und Verwicklungen, und es gibt überraschende, aber schlüssige Wendungen, die zum Umdenken zwingen. Dies alles wird unterstützt vom Spannungsbogen, der direkt nach dem Prolog ansetzt und bis auf eine Unterbrechung, in der die Protagonisten bekannt gemacht werden, bis zum Ende anhält, ja eigentlich sogar noch darüber hinaus, denn das Buch endet mit einem Cliffhanger, der bereits Lust auf den nächsten Band macht. Und auch der Prolog ist bereits interessant, denn hier werden wir mit einem exzentrischen Mörder bekannt gemacht.
Liv Lammers ist eine sympathische Ermittlerin, die auch bei ihren Kollegen beliebt ist. Sie ist alleinerziehende Mutter einer Tochter im Teenageralter. Da sie privat Traumatisches erlebt hat, ist sie misstrauisch gegenüber intensiven menschlichen Beziehungen. Ihre Gefühle werden in diesem Buch auf eine harte Probe gestellt, denn ihr neuer Freund trifft auf Sylt seine Ex und den gemeinsamen Sohn. Da ist Eifersucht vorprogrammiert. Die Autorin lässt Privates in den Krimi einfließen, aber nicht übermäßig, was mir persönlich sehr gut gefällt, denn der Fall sollte in einem Thriller im Vordergrund stehen und nicht eine Liebesbeziehung.
Die einzelnen Charaktere werden authentisch gezeichnet, sie erscheinen glaubwürdig und nicht konstruiert, wozu vor allem der Einblick in die Adelskreise gehört, die durch mehr Schein als Sein glänzen. Was sich nicht alles hinter einer solch heilen Fassade verbirgt!
Auch Hintergrundinformationen über Sylt fließen wieder ein, und ich werde sicherlich bei unserem nächsten Urlaub dort einen intensiven Blick auf die Lister Dünenlandschaft werfen.
Mir hat der 6. Lammers-Fall sehr gut gefallen, er vereint alles, was ein guter Krimi haben sollte. Das Geschehen ist gut durchdacht, in sich schlüssig und authentisch. Fast alle Fragen werden beantwortet und somit ist die Vorfreude auf den nächsten Liv Lammers-Fall bereits gegeben. Auf jeden Fall hat das Buch 5 Sterne verdient, die ich gern gebe.

Bewertung vom 03.04.2022
Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn
Matthiessen, Susanne

Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn


gut

Heimatinsel Sylt
Als ich das Cover dieses Buches sah, habe ich sofort Westerland erkannt, wo ich schon öfters während unserer Sylt-Urlaube war. Sofort beschlich mich ein heimeliges Gefühl, und nachdem ich die Leseprobe kennengelernt hatte, wollte ich das Buch unbedingt lesen.
Es fängt auch sehr interessant an, denn Susanne Matthiesen beschreibt aus Sylter Sicht den Lockdown, wie man ihn auf der Insel erlebte. Sylt gehörte endlich wieder den Einheimischen und nicht den Massen von Touristen. Amüsant fand ich die Anekdoten, wie Urlaubssüchtige trotzdem versuchten, ihre Lieblingsinsel zu erreichen.
Auch ansonsten gab es einige wissenswerte Hintergrundinformationen, von denen ich noch nie etwas gehört hatte, wie z.B. die Punkerinvasion, Details zur großen Flut von 1981, die Rebellion gegen die Touristen in den 80ern, Sylter Mythen und Sagen u.a. Diese Informationen werde ich sicher im Kopf haben, wenn ich Sylt wiedersehe.
Auch die Belastung der Natur durch den Massentourismus findet ihren Platz und die Umweltzerstörung wird angeprangert. Das gefällt mir.
Was mir nicht gefallen hat, sind langatmige Schilderungen von Personen oder Ereignissen, die kaum jemand interessieren. So fand ich z.B. die Schilderung der Silberhochzeit der Eltern sehr ermüdend, oder auch die Charakterisierung von Leuten, die nur im Leben der Autorin eine Rolle gespielt haben, wie z.B. als Nachbar.
Außerdem würde ich das Buch nicht als Roman kategorisieren, sondern eher als Sammlung von Erinnerungen. Es geht zwar immer wieder mal um Pfuschi, die Freundin der Autorin, aber in meinen Augen nicht so intensiv, wie es für einen Roman notwendig wäre. Auch vermisse ich einen Zusammenhang mit dem Cover, ich hatte eine interessante Geschichte dazu erwartet.
Alles in allem habe ich dem Buch viel Informatives entnehmen können, aber ich hatte zudem eine romanähnliche Erzählung erwartet.

Bewertung vom 31.03.2022
Die Rezeptur: Thriller
Shepherd, Catherine

Die Rezeptur: Thriller


ausgezeichnet

Kurzweilig und fesselnd
Auch dieser 12. Thriller der Zons-Reihe hat mich wieder total begeistert. Vielleicht liegt es am Wechselspiel zwischen den Verbrechen früher und heute, die aber durchaus Verbindungen aufweisen. Sicher ist es auch das schöne Städtchen Zons, das seine Wirkung tut, denn wenn man mal dort war, kommen einem sehr viele Schauplätze bekannt vor und werden vor dem inneren Auge lebendig.
Das Buch beginnt mit der Gegenwart: Ein Schönheitschirurg wird ermordet aufgefunden, in einer Badewanne, die mit schlammigem Wasser gefüllt ist. Auf dem Badezimmerspiegel findet sich der Schriftzug 'Ewiges Leben'. Kommissar Oliver Bergmann und sein Team ermitteln fieberhaft und stoßen dabei auf die intrigante Doppelmoral der Schönheitsfabriken. Und schon bald wird ein weiteres Opfer entdeckt...
In der Vergangenheit werden immer mehr junge Männer aufgefunden, überwiegend Mönche, deren Tod man sich zunächst nicht erklären kann. Sie stehen in der Blüte des Lebens, haben keine Vorerkrankungen und keine äußeren Verletzungen. Bastian Mühlenberg entdeckt aber bald verschlüsselte Schriftstücke bei den Opfern, die ihn zum Rätsel um eine geheime Rezeptur führen.
Catherine Shepherd versteht es geschickt, eine Verbindung zwischen beiden Zeiten herzustellen, die man anfangs nicht erahnen kann. Die Spannung hält durchgehend an, so dass man das Buch nicht weglegen möchte, bis man die Hintergründe kennt. Ein Pageturner wie gewohnt! Die Autorin heizt die Spannung bereits im Prolog an und hält sie durch zahlreiche Cliffhanger im Gang. Außerdem kann man miträtseln, auch wenn man immer wieder in eine Sackgasse gelangt.
Sehr sympathisch finde ich die beiden Hauptprotagonisten. Da ist zum einen Bastian Mühlenberg in der Vergangenheit, der sehr ruhig, überlegt und hilfsbereit auftritt und immer noch zu seiner alten Liebe Anna eine platonische Verbindung hat. Auch Oliver Bergmann ist ein ehrgeiziger, intelligenter und trotzdem ruhiger Ermittler, kein actiongeladener Superheld, der ständig in Schwierigkeiten steckt. Das gefällt mir sehr gut. Überhaupt mag ich es, dass das Privatleben der Ermittler nicht im Mittelpunkt steht, sondern die Kriminalfälle.
Abschließend bleibt zu sagen, dass das Buch mir spannende Lesestunden bereitet hat und ich nun leider wieder auf den nächsten Band warten muss.