Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
TochterAlice
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 1367 Bewertungen
Bewertung vom 03.05.2024
Nice to meet you, Istanbul!
Sander, Erol

Nice to meet you, Istanbul!


sehr gut

Ich habe schon mehrere Bände dieser Reihe lesen dürfen und ich muss sagen, es macht wirklich einen Unterschied, wenn der Protagonist eine lebenslange Bindung zur Stadt hat und diese regelmäßig und in allen Phasen seines Lebens eine Rolle darin eingenommen hat.

So wie das hier der Fall ist: wir treffen Erol Sander im Kreis seiner Verwandtschaft, in Ecken, die seiner Familie etwas bedeutet haben und in solchen, die er erst deutlich später frequeniert hat (oder auch im Rahmen dieser Publikation besuchen musste - wer weiß das schon?)

Auf jeden Fall ist eine solche Publikation eine tolle Idee, die sicher viele Leser und Fans findet!

Bewertung vom 03.05.2024
König von Albanien
Izquierdo, Andreas

König von Albanien


ausgezeichnet

Otto Witte traut sich was

Wir begegnen ihm zunächst in einer psychiatrischen Anstalt, damals nicht nur im Volksmund in einem Irrenhaus in Wien, wo er vom Doktoranden Alois Schilchegger, einem Mann mit fortschrittlichen Ideen als ausgesprochen ungewöhnlich und besonders wahrgenommen wird. Wir schreiben das Jahr 1913 und die Insassen solcher Einrichtungen werden nicht gerade rücksichtsvoll behandelt. Der junge Arzt findet das nicht richtig und bemüht sich um die Einführung eines anderen Umgangs, anderer Behandlungen: gegen den Willen vieler - genauer gesagt: der meisten Kollegen. Otto ist für ihn eine Art Mittler zwischen dem Personal und den Kranken. Schon bald finden sich die beiden abends in trauter Runde zusammen und Otto erzählt ihm seine Geschichte - er war nämlich für ganze fünf Tage König von Albanien.

Ein sehr ungewöhnlicher, ausgezeichnet recherchierter historischer Roman, in dem Otto - zumindest seinen Erzählungen nach - so manches Husarenstück gelingt. Der Autor erzählt von vergangenen Zeiten vor allem in Konstantinopel, als hätte er nie etwas anderes getan. Wie gut, dass dieser lange vergriffene Diamant von einem Roman endlich wieder neu aufgelegt wurde!

Bewertung vom 29.04.2024
Die Tage des Wals
O'Connor, Elizabeth

Die Tage des Wals


ausgezeichnet

Ein Roman über das harte Leben in Wales, der so zart und schroff zugleich verfasst ist, dass es mir die Schuhe auszieht!

Die Geschichte spielt in den ausklingenden 1930er Jahren. Die 18jährige Manod lebt mit Vater und Schwester auf einer kleinen Insel und muss schon seit vielen Jahren die Stelle der Mutter an ihrer jüngeren Schwester ausfüllen - in ihrer Familie blieb (bisher) nicht der Vater, ein Fischer ohne Schwimmkenntnisse auf dem Meer, sondern seine Frau. Manod ist intelligent und wissbegierig, sie spricht Englisch wie eine Muttersprachlerin - eine absolute Seltenheit. Ihr Traum - ein Studium auf dem Festland und ein Leben, das sie ihren Neigungen widmen kann. Statt dessen drohen ihr Heirat mit einem Fischer und im Extremfall baldige Witwenschaft mit einer Reihe von allein zu erziehenden Kindern.

Eines Tages strandet ein Wal auf der Insel und kurz nach ihm treffen zwei Engländer ein, die Sitten und Gebräuche der Insulaner erforschen wollen. Sie stellen Manod als Assistentin ein und ihr scheint es, als wären die Tore des Lebens auf einmal für sie weit geöffnet - es ist wirklich alles möglich!

Doch allmählich zeigt sich, dass die Gäste die Inselbewohner wie Tiere im Zoo betrachten und bestaunen. Nachdem Manod diese erniedrigende Erkenntnis verdaut hat, öffnet sich ihr ein ganz neuer Blick auf ihr eigenes Leben.

Ein eben so kluger wie emotionaler und sehr besonderer Roman, den ich allen empfehle, denen die Themen Würde und Achtung am Herzen liegen!

Bewertung vom 28.04.2024
Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
Tsokos, Anja;Tsokos, Michael

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge


schlecht

Zurückgeblieben - unglücklich verliebt - ostisch von oben bis unten: das ist Heinz Labensky. Einer, über man den Kopf schüttelt oder sich lustig macht. Der im hohen Alter die alles entscheidende Reise wagt und während dieser seine Lebensgeschichte erzählt.

Mit allen Schlagwörtern, die so zum DDR-Universum dazu gehören! Nein, das war so gar nicht meins, der gute Heinz ist unglücklich als eine Witzfigur gezeichnet, die DDR eine Lachnummer, die man nur an irgendwelchen drolligen Begriffen, furchterregenden Personen und wenig einladenden Schauplätzen festmachen kann.

Ich bin wirklich schockiert, wie man diesem Land, das es nicht mehr gibt, dies antun kann. Die Menschen, die dort lebten, haben diese Art von Erinnerungskultur nun wirklich nicht verdient.

Nein, es ist niemandem damit gedient, die in diesem Buch festgehaltenen Klischees weiterzutragen, weswegen ich es nun dorthin verbringe, wohin es gehört - in die Tonne!

Bewertung vom 24.04.2024
Zuckerbrot
Balli, Kaur Jaswal

Zuckerbrot


sehr gut

Eine Camouflage für das Leben an sich

Die verpasst das Mädchen Pin ihrem Leben, indem sie Zucker über alles streut - naja, zumindest über die meisten Speisen, damit diese besser rutschen.

Dabei ist ihr Leben in Singapur doch gar nicht so schlecht: sie ist die einzige Tochter, gar das einzige Kind ihrer Eltern, die alles in allem eine gute Ehe führen und sich mögen, was nicht unbedingt selbstverständlich ist. Einzig das Glücksspiel des Vaters, von dem er nicht lassen kann, steht dem so manches Mal im Weg

Doch dann zieht ihre Großmutter zu ihnen und Pin kann so gar nicht begreifen, warum ihre Mutter sie überhaupt aufnimmt - sie ist lange nicht so lieb zu ihr wie es Pins eigene Mutter zu ihrer Tochter ist und zudem scheint sie ihr die Schuld an einem Todesfall vor vielen Jahren zu geben!

Allmählich spürt Pin, dass es mehrere Wahrheiten gibt und dass diejenige ihrer Mutter von deren Familie nicht vollständig angehört wird.

Eine warmherzige, nur gelegentlich nicht tief genug reichende Geschichte um Familie, Glauben und Gerechtigkeit - in der es definitiv durchgehend etwas zu essen gibt, und zwar nicht nur Zuckerbrot!

Bewertung vom 24.04.2024
Die Gabe der Lüge / Karen Pirie Bd.7
Mcdermid, Val

Die Gabe der Lüge / Karen Pirie Bd.7


ausgezeichnet

Ich habe lange nicht mehr so einen Krimi gelesen, in dem ich uneingeschränkt drin schwelgen, hin und her knobeln und raten kann. Auch nicht von der Autorin Val McDermid, an der mir durchaus viel liegt, auch wenn meine Begeisterung bislang stets durch etwas eingeschränkt war. Das lag möglicherweise daran, dass es nie um die Reihe mit Karen Pirie, der Zuständigen für Cold Cases ging, die gemeinsam mit ihren beiden Mitarbeitern Daisy und Jason mein Herz im Sturm erobern konnte.

Hier stimmt einfach alles - der flapsige Jargon, in dem die Vorgesetzte mit ihren Kollegen verkehrt (und umgekehrt), der spannende Fall, die erzählende Sprache, die Steine, die den Ermittlern in den Weg geschoben werden - alles passt exakt einander.

Mit Sicherheit werde ich noch einige - ach was, alle Fälle der Cold Cases Unit lesen und genießen und dann erst mache ich mich auf die Suche nach weiteren tollen Krimi

Bewertung vom 21.04.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


sehr gut

Im zweiten Roman von Caroline Wahl entsteht der Eindruck, dass sie eine Reihe schreibt. Denn hier steht Ida im Mittelpunkt, die kleine Schwester von Tilda, mittlerweile selbst erwachsen. Auch aus ihr ist eine Schwimmerin geworden - eine, die ganz anders ist als Tilda und ihr Mann Viktor. Aber auch wieder nicht.

Im Gegensatz zu Tilda braucht Ida ganz viel Unterstützung, sie ist keine Einzelkämpferin. Auch wenn sie es versucht. In ihrem persönlichen Weltuntergang begibt sie sich in den Norden - und landet auf Rügen. Denn Ida braucht das Meer, auch wenn sie bisher noch nicht viel Berührung damit hatte.

Dort ist sie rasch wieder umringt von Menschen - von einer Art Beschützern: Kurt, Marianne, Leif. Denn Ida kann nicht ohne. Ida ist zu einer Person geworden, die Beschützer braucht - doch kann sie das zurückgeben?

Ein starker Roman - nicht nur, was die Qualität anbelangt, sondern auch in Bezug auf das Thema. Ida ist eigentlich schwach - jedenfalls fühlt sie sich so. Doch aus der Kraft des Meeres in unmittelbarer Nachbarschaft und den Menschen dort schöpft sie Energie.

Eine ganz andere Geschichte als die von Tilda, aber mindestens genauso eindringlich. Eine, die zeigt, dass es oft weitergeht, wenn man gar nicht (mehr) damit rechnet. Ich habe mich inzwischen schon sehr an die beiden Schwestern - auf eine sehr angenehme Art - und würde gerne mehr über sie erfahren! Ich hoffe, es gibt weiteres über sie oder über ihr Umfeld.

Bewertung vom 19.04.2024
Der Pakt der Frauen
Kröhn, Julia

Der Pakt der Frauen


sehr gut

Zumal man bei den Forschungen unversehens auf die eigenen Wurzeln stoßen kann. Diese Erfahrung macht Universitätsassistent Katharina Adler 1976, als sie in ihrer Übung zur Frauengeschichte auf ein Werk ihrer Mutter - ein Kochbuch aus Kriegstagen nämlich - stößt, über das sie noch nie etwas gehört hatte. Und entsprechend wortkarg ist Jule, ihre Mutter diesbezüglich: irgend etwas ist an diesem Thema dran, über das sie nicht reden will. Dabei ist Katharina voll und ganz auf sie angewiesen, denn an ihrer Uni in Wien ist es für sie alles andere als leicht, Karriere zu machen in einer Zeit, in der jede Menge Männer an ihr vorbeiziehen - und zwar einzig und allein aufgrund ihres Geschlechts. Doch irgendwann klickt ein Schalter um und sie befindet sich mit ihrer Mutter auf der Reise nach Hirschberg in Schlesien, deren Heimatort, der inzwischen seit vielen Jahren zu Polen gehört.

Ein spannender, gut recherchierter Roman um schmerzhafte Themen, die Autorin Julia Kröhn an den passenden Stellen mit Humor zu meistern weiß - sonst wäre es mir streckenweise kaum möglich gewesen, weiter zu lesen. Denn es geht um Themen wie Zwangsarbeit, Ausbeutung, Vertreibung in unterschiedlichen Zeiträumen und auch Schlimmeres wie Mißbrauch und Mord. Julia Kröhn versteht es über weite Strecken meisterhaft, die beiden Zeitstränge 1945 und 1976 miteinander zu verbinden. Ein lesenswerter Roman, doch sollte man sich für diese Lektüre innerlich wappnen - es ist nicht für schwache Nerven geeignet!

Bewertung vom 18.04.2024
Die Sehenden und die Toten / Ein Carla-Seidel-Krimi Bd.1
Piontek, Sia

Die Sehenden und die Toten / Ein Carla-Seidel-Krimi Bd.1


sehr gut

Vielversprechender Serienstart mit viel Gefühl
Vielmehr mit sehr vielen Gefühlen - bei Ermittlerin Carla Seidel und auch in ihem Umfeld geht es ausgesprochen emotional zu - es ist also nichts für Freunde eher cooler Krimis.

Für mich aber schon, zumal die Spannung nicht darunter leidet - ganz im Gegenteil!

Die erfahrene Mordermittlerin ist mit ihrer 17jährigen Tochter Lana nach dem Ende ihrer traumatischen Ehe von Hamburg ins Wendland gezogen, wo in jeder Hinsicht Ruhe herrscht. Fast schon zu viel für Carla.

Bis zu dem Tag, an dem ein wunderschöner Jüngling ermordet aufgefunden wird - von jetzt auf gleich muss Carla in einen ganz anderen Modus schalten und sich auf Kollegen einstellen, die in diesem Bereich komplett unerfahren sind. Wie denn auch, wird hier doch eher mal ein Traktor oder eine Kuh anfahren oder man muss in einem Nachbarschaftsstreit schlichten.

Altersmäßig ist Justus, das Opfer, nicht weit entfernt von Lana - das hochsensible Mädchen bringt sich auf ihre eigene Art in die Ermittlungen ein.

Ein eher persönlicher Ansatz, in dem - anders als bspw. bei Nele Neuhaus - die Frauen im Mittelpunkt stehen und man auch merkt, dass das Herz der Autorin für sie schlägt.

Was mich gestört hat: Carla hat sich einige Male sowohl Kollegen als auch Zeugen/möglichen Tätern gegenüber sehr unprofessionell geäußert. Genauso geht sie auch im beruflichen Alltag mit einem persönlichen Problem um - nämlich ziemlich offensiv, was überhaupt nicht zu einer solch erfahrenen Ermittlerin passt. Ich bin aber sicher, dass die Autorin, deren erster Krimi das ist, sich "einschreiben" wird, nachdem alles andere bereits richtig rund ist - vor allem das überraschende Ende!

Bewertung vom 17.04.2024
Gefährlicher Sog / Liv Lammers Bd.8
Weiß, Sabine

Gefährlicher Sog / Liv Lammers Bd.8


sehr gut

Diesmal ist die Jugend involviert
Und das aufs Heftigste, denn diesmal trifft es die Schwächsten der Schwachen, nämlich eine Jugendwohngruppe, deren Betreuer umgebracht wurde und zwar auf ziemlich brutale Art und Weise. Timur Roters, so sein Name, hinterlässt seine Frau Merret, die gemeinsame Pflegetochter Elanie und eine ganze Reihe von Teenagern, denen in ihren kurzen Leben bereits Schlimmstes widerfahren ist und für die er gemeinsam mit Merret als Sozialpädagoge verantwortlich war.


Wie man sieht, steht Liv wieder einmal unter Strom und das in vielerlei Hinsicht. Denn es gilt nicht nur, die Jugendlichen zu befragen, sondern auch, ihre eigene Tochter Sanna im Auge zu behalten, die ebenfalls auf Sylt weilt und schon bald selbst näher an den Fall heran rückt. Was Liv natürlich überhaupt nicht gerne sieht, doch kann sie etwas dagegen tun?

Zumal bald deutlich wird, dass Timur Roters einst selbst auf der anderen Seite des Gesetzes stand, inzwischen jedoch vollständig rehabilitiert ist. Zumindest offiziell. Kann er möglicherweise in irgeneiner Form rückfällig geworden sein?

Dazu kommen Livs Zweifel an ihrer Beziehung zum Gerichtsmediziner Sebastian Gerlich. Man sieht: Wieder einmal steht auch das Privatleben der Ermittlerin im Fokus der Handlung, das Autorin Sabine Weiss so geschickt mit der Krimihandlung verwoben hat, dass wie bei einem Puzzle alles genau zusammenpasst. Zudem wimmelt es diesmal sozusagen vor Verdächtigen - es gibt so viele, dass ich mir zum ersten Mal bei der Lektüre dieser Krimireihe ein Personenverzeichnis gewünscht habe!

Auch dieser nunmehr achte ist ein mehr als runder Fall mit einer eher überraschenden Auflösung. Ob Sie jetzt hier oder mit einem anderen Band starten, ich könnte mir vorstellen, dass sie wie ich diese Reihe, bei der sich die Protagonistin dank zahlreicher Alleinstellungsmerkmale von der Masse abhebt, lieben werden. Auf den nächsten Fall freue ich mich jedenfalls schon jetzt!