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Benutzername: 
Fannie
Wohnort: 
Oelsnitz/Erzgebirge

Bewertungen

Insgesamt 136 Bewertungen
Bewertung vom 20.04.2015
Der Tote am Kirchturm
Bálly, Alexander

Der Tote am Kirchturm


sehr gut

“Ja verreck! A echte Leich’!”

Dieser prägnante Ausspruch entfleucht dem 16-jährigen Robert Messerer, der in Wolnzach eben das findet – a echte Leich’. Und zwar die von Benedikt Singer, einem vermögenden Künstler aus der Holledau, der neben seiner Freundin auch seine Gattin hinterlässt. Als zweifelsfrei feststeht, dass das Opfer mit Gift getötet wurde, fällt der Verdacht auf die Noch-Ehefrau – sind Giftmorde doch erfahrungsgemäß Frauensache. Doch ob das Ermittlerteam um Karl Konrad damit richtig liegt? Der ehemalige Metzgermeister Ludwig Wimmer und seine 13-jährige Enkelin Anna glauben nicht daran und agieren undercover…

“Der Tote am Kirchturm” ist Fall Nummer zwei für Ludwig Wimmer und Anna. Schon im Vorgänger “Der Tote am Maibaum” haben die beiden leidenschaftlichen Freizeit-Detektive erfolgreich die offiziellen Ermittlungen unterstützt – doch besonders erbaut war die Gendarmerie darüber nicht. Autor Alexander Bálly lässt die Hobby-Polizisten nun wieder von der Leine. Das tut er, wie schon im Vorgänger, mit jeder Menge Humor und Mundart. Die verbreitet eine gewisse Heimeligkeit und ist auch für Leser, die nicht in der Hallertau leben, verständlich, vergleichsweise aber anspruchsvoller als im ersten Band.

Der Wortschatz des Autors scheint unerschöpflich zu sein. Für seine kreativen Ausdrücke kann man ihn nur bewundern. Stumpfe Wortwiederholungen und einfallslose Sätze? Nicht mit Alexander Bálly! Ebenso vielfältig sind die Themen, die dem Leser im Buch begegnen: Ob irische Rindviecher, apothekeneigene Giftbücher, freiverkäufliche Überwachungstechnik oder Brauchtumspflege – man kann beim Schmökern dieses heiteren Kriminalromans nur dazulernen!

“Der Tote am Kirchturm” zeichnet sich durch eine solide Krimihandlung aus. Der Leser tappt dabei genauso lange im Dunkeln wie die Polizei und die Hobby-Detektei. Die Aufklärung des Falles zieht sich zwischendurch ein wenig hin, aber diese kleine Durststrecke übersteht der Leser durch die witzigen Geschehnisse und Dialoge unbeschadet.

Wer meint, 248 Seiten böten zu wenig Lesevergnügen, kann versichert sein, dass bedingt durch die kleine Schrift für abendfüllende Lektüre gesorgt ist. 248 Seiten sind eben nicht gleich 248 Seiten.

Mir hat das Wiedersehen mit Ludwig Wimmer und Anna jedenfalls richtig viel Spaß gemacht.

Bewertung vom 14.04.2015
Alleine war gestern
Meier, Beatrice

Alleine war gestern


ausgezeichnet

304-seitiges Lesevergnügen voller tragikomischer Momente

WGs sind nur was für Studenten und junges Gemüse? Weit gefehlt! Ricarda, Philip, Harry, Eckart und Uschi – alle 60 plus – treten den Gegenbeweis an. Die fünf Senioren und der dicke Dackel Ralf ziehen gemeinsam in eine große Wohnung in Köln ein. Anfangs ist alles ein großer Spaß, obwohl Eckart für Erstaunen sorgt, als er mit dem Grabstein seiner vor Jahren verstorbenen Frau sein Zimmer möbliert. Doch dann erleidet Uschi einen Schlaganfall. Für Ricarda steht unverrückbar fest: Die Freunde werden Uschi nach dem Klinikaufenthalt und der anschließenden Reha pflegen. Doch dieses edle Vorhaben erweist sich in der Realität alles andere als einfach und sorgt für reichlich Zündstoff.

Schon das fröhlich-bunte Cover von Beatrice Meiers erstem Roman “Alleine war gestern” lässt erahnen, dass zwischen den Buchdeckeln eine Menge Humor lauert. Und so ist es in der Tat: Die Autorin lässt ihre fünf unverwechselbaren und liebevoll geformten Charaktere allerhand skurrile und lustige Situationen durchleben. Ich habe beim Lesen oft laut lachen müssen. Doch ebenso mühelos wie gekonnt legt Beatrice Meier den Schalter um und schlägt auch ernste Töne an: Bei Uschis Schlaganfall, der allgegenwärtigen Trauer von Eckart um seine Frau, der aufreibenden Pflege von Uschi. Dennoch versinkt die Geschichte niemals in Schwermut und bleibt durch und durch ein Unterhaltungsroman mit wunderbaren Darstellern und frechen Dialogen. Die Geschichte ist genauso lebendig wie Harry, Ricarda und Co.: Alles ist ständig in Bewegung, nie wird es langweilig. Auch die Nebendarsteller, allen voran Harrys Särge malender Enkel Timmi, sind einzigartig.

Die Verfilmung des Buches, die am 20. März 2015 ihre TV-Premiere im Ersten feierte, kam trotz guter Schauspieler meiner Meinung nach nicht an die literarische Vorlage heran. Mein Rat lautet deshalb: Lieber zum Buch greifen! Denn “Alleine war gestern” ist ein 304-seitiges Lesevergnügen voller tragikomischer Momente.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.04.2015
Was dein Tier dir sagen will
Horsley, Pea

Was dein Tier dir sagen will


gut

Leider anders als erwartet

“Was dein Tier dir sagen will – Wahre Geschichten von Liebe, Trost und Treue”: Als ich den Titel dieses Buches las, stand für mich – stolze Besitzerin einer einjährigen Beagle-Dame – fest, dass ich es unbedingt lesen will. Angetan war ich auch von dem auf dem Cover abgebildeten Beagle-Mischling namens Morgan, dem im Buch eine große Rolle zukommt.

Von der britischen Autorin und Tierkommunikatorin Pea Horsley hatte ich bis dato noch nichts gehört, doch in Großbritannien ist sie mit ihrer Agentur “Animal Thoughts” und ihrem ersten Sachbuch “Heart To Heart” sehr erfolgreich. “Animal Communicator’s Guide” lautet der Originaltitel ihres zweiten Buches, dessen deutsche Ausgabe “Was dein Tier dir sagen will” am 16. März 2015 veröffentlicht wurde.

Ich hatte erwartet, dass das Buch eine Art Übersetzungshilfe zur (Körper-)Sprache unserer tierischen Freunde anhand einzelner Episoden ist, musste dann allerdings feststellen, dass es bei der Tierkommunikation um den Austausch energetischer Botschaften über die Sinnesorgane geht. Schließlich ließ ich mich so vorurteilsfrei wie möglich auf das 384-seitige Abenteuer ein. Ich erfuhr, dass Pea Horsley mit Hilfe von Fotos mit lebenden und verstorbenen Tieren aller Art kommuniziert. Die Besitzer können Fragen an ihre tierischen Gefährten richten. Deren Antworten gibt die Spezialistin nach erfolgter Kontaktaufnahme an ihre Klienten weiter. Im Verlauf des Buches begegnen dem Leser Heilsteine, Schamanen, ein Gespräch mit einem Baum und das Kaffeesatzlesen. Spätestens bei Letzterem war die Grenze meines spirituellen Horizonts erreicht und ich musste einsehen, dass ich zu Dingen dieser Art in einer solchen Dimension einfach keinen Zugang habe.

Die Geschichten, die Pea Horsley erzählt, sind durchweg berührend, geht es doch in jeder um den Verlust eines Tieres. Im vergangenen Jahr habe ich selbst diese schmerzliche Erfahrung machen müssen, als unsere erste Beagle-Hündin nach elfeinhalb gemeinsamen Jahren starb, und konnte mich deshalb in den tieftraurigen Tierbesitzern nur zu gut wiederfinden. Bemerkenswert finde ich die Wertschätzung der Autorin, die sie den Tieren entgegenbringt – eine Einstellung, die leider viel zu selten anzutreffen ist.

Ob man an Pea Horsleys Arbeit glaubt, möge jeder Leser für sich entscheiden. Tierfreunde mit einem Faible für das Spirituelle werden von diesem Buch begeistert sein. Mich konnte “Was dein Tier dir sagen will” leider nicht wirklich erreichen.

Bewertung vom 07.04.2015
Blutiger Winter / Inspektor Akyl Borubaev Bd.1
Callaghan, Tom

Blutiger Winter / Inspektor Akyl Borubaev Bd.1


gut

"Blutiger Winter" lässt mich gespalten zurück

Tiefster Winter in Kirgisistan: Inspektor Borubaew wird zu einem abgelegenen Waldstück gerufen, in dem die Leiche einer jungen Frau liegt. Er erstarrt, als er näher hinschaut, denn der hartgesottene Ermittler hat das, was sich hier ereignet hat, noch nicht gesehen. Der Fall bekommt eine ganz besondere Brisanz, als später die Identität der Toten festgestellt wird…

Mit den ersten drei Sätzen hatte mich Autor Tom Callaghan schon am Haken. Sie sind von einer morbiden Schönheit und zergehen dem Leser genussvoll auf der Zunge. Etwa bis zur Hälfte des Buches war ich gefesselt von der Geschichte, von den Einblicken in ein Land, das hierzulande selten bis gar nicht eine Rolle in der Spannungsliteratur spielt.

Die Sprache ist rau, oftmals obszön und passt zu den Bildern, die Tom Callaghan von Kirgisistan malt. Dort sitzen die Waffen locker, es wird nicht lange gefackelt und stets begleitet eine unsichtbare Gefahr die Protagonisten – so, als würde bereits an der nächsten Ecke jemand lauern, der Borubaew und Co. ans Leben will. Kein Wunder in den Kreisen, in denen der Inspektor ermittelt: Alles dreht sich hauptsächlich um Prostitution, Gewalt und Drogen.

Fast schon gleichgültig lässt der Autor seine Hauptfigur von den Zuständen in Kirgisistans Hauptstadt Bischkek berichten: Das ärmlich ausgestattete Leichenschauhaus ist in keinster Weise mit den Standards der modernen Rechtsmedizin vergleichbar, die Krankenwagen sind ramponiert, Korruption ist an der Tagesordnung. Alles erscheint kaputt – auch Ermittler Borubaew, der seine geliebte Frau kürzlich verloren hat.

Dieser gewaltige Bildersturm lässt den Leser fast vergessen, dass die Ermittlungen im Mordfall nicht recht vorankommen.

Und dann beginnt die andere Hälfte des Buches. Zu viele politische Verstrickungen und ein für mich enttäuschendes Ende führen dazu, dass mich dieses Buch gespalten zurücklässt.

“Blutiger Winter” ist der Auftakt einer Thriller-Reihe um Inspektor Borubaew. Doch ehrlich gesagt bin ich mir noch nicht sicher, ob ich dem zweiten Fall für den kirgisischen Ermittler mit dem Originaltitel “A Spring Betrayal” eine Chance gebe.

Bewertung vom 04.04.2015
Mordsommer
Jagusch, Rudolf

Mordsommer


sehr gut

Gruselatmosphäre pur

Nina Lehmann hat ein Geheimnis. Eines, das ihr auf dem Karrieresprung zur Oberstaatsanwältin, zu dem sie gerade ansetzt, gefährlich werden könnte. Schlimmes hat sich 1992 ereignet. Seither lastet eine schwere Schuld auf Nina und ihren früheren Freunden. Mit ihrer damaligen Clique hat Nina vereinbart, für immer Stillschweigen über die Geschehnisse von einst zu wahren. Dann erhält sie über zwanzig Jahre später plötzlich ein mysteriöses Schreiben, in dem sie aufgefordert wird, in das Eifel-Dorf Mauel zu kommen. Auch ihre ehemaligen Freunde haben einen solchen Brief empfangen. Vor Ort werden sie alle auf dramatische Weise von ihrer Vergangenheit eingeholt. Und schließlich steht ihnen die schrecklichste Nacht ihres Lebens bevor…

Die Geschichte in “Mordsommer” ist nicht neu, aber verdammt gut erzählt. Der im Rheinland lebende Autor Rudi Jagusch bedient sich in seinem aktuellen Thriller erfolgreich der Zutaten, die es für einen richtig schönen Gruselabend auf dem Sofa braucht. Man nehme: Ein verlassenes Dorf ohne Handyempfang mit einem der Sage nach dort spukenden Geist, ein tosendes Unwetter, eine alte Kapelle, mehrere Leichen und die panische Angst vor einem wahnsinnigen Killer, der Nina und Co. dicht auf den Fersen ist. Über die insgesamt 83 Kapitel hinweg, die recht knackig gehalten sind, entpuppt sich Rudi Jagusch als Meister des Cliffhangers. Oft enden die einzelnen Kapitel so spannend, dass man gar nicht anders kann als weiterzulesen. Die äußerst angenehme Schreibe des Autors tut dazu ihr Übriges. “Mordsommer” wird aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählt und spielt abwechselnd in den Jahren 1991/1992 und heute. Das verlassene Dörfchen Staudenhof, das ein Ortsteil der Gemeinde Mauel ist, existiert übrigens tatsächlich. Im Einband des Buches ist eine Karte abgedruckt, die es dem Leser ermöglicht, sich dieses vergessene Fleckchen Erde noch besser vorzustellen.

Das Szenario von einer Gruppe von Freunden, die im Nirgendwo von einem Killer verfolgt wird, wurde in Literatur und Film schon oft bemüht. Dennoch machen Geheimnisse, die sich dem Leser erst nach und nach erschließen, die gespenstische Atmosphäre und das Ende, das nicht vorhersehbar ist, “Mordsommer” zu einer spannenden Lektüre für alle, die eine gepflegte Gänsehaut zu schätzen wissen.

Bewertung vom 24.03.2015
Töte und lebe! / Marie & Daniel Zucker Bd.3
Wulff, Laura

Töte und lebe! / Marie & Daniel Zucker Bd.3


sehr gut

Atmosphärischer und vielschichtiger Thriller um einen ganz besonderen Ermittler

Köln: In einem Park neben einer Industrieruine wird eine männliche Leiche entdeckt. Der Körper des Toten weist massive Verletzungen auf, die auf Folter schließen lassen. Das Opfer litt am Down-Syndrom. Wer hat den geistig behinderten jungen Mann derart bestialisch umgebracht? Ermittler Daniel Zucker, der seit einem Freizeitunfall an den Rollstuhl gefesselt ist, muss und will den Mörder schnellstens fassen. Der Druck steigt, als eine zweite Leiche gefunden wird…

“Töte und lebe!” von Laura Wulff ist nach “Leiden sollst du” und “Nr. 13″ bereits der dritte Band der Thriller-Reihe mit Rollstuhl-Kommissar Daniel Zucker in der Hauptrolle. Viel Positives hatte ich im Vorfeld über diese Bücher gelesen. Mit “Töte und lebe!” konnte ich mir nun ein eigenes Bild machen. Die beiden Vorgängerbände kannte ich nicht. Auch wenn es sich jeweils um abgeschlossene Fälle handelt, bin ich der Meinung, dass man den ersten und den zweiten Fall gelesen haben sollte, denn hin und wieder nimmt Laura Wulff Bezug auf frühere Geschehnisse – vor allem, was das Privatleben der Zuckers betrifft. Das spielt übrigens neben den Mordfällen eine große Rolle. Die Autorin bringt die Schwierigkeiten in der Ehe der Zuckers sowie die vielen kleinen Hindernisse, aber auch die großen Hürden, mit denen Daniel als Rollstuhlfahrer Tag für Tag zu kämpfen hat, sehr direkt und ohne Umschweife auf den Punkt.

Beeindruckt hat mich, wie abwechslungsreich Laura Wulff die Geschichte erzählt. Mitunter hatte ich sogar das Gefühl, ich lese verschiedene Bücher, so intensiv und unterschiedlich sind die drei Perspektiven, aus denen die Story beleuchtet wird. Daniel und sein Team fahnden mit Hochdruck nach dem Mörder, seine Frau Marie wird von ihrer tragischen Vergangenheit eingeholt, während ihr Cousin Ben, der bei den Zuckers lebt, in eine alternative Welt, die ihren eigenen Gesetzen folgt, eintaucht.

Neben den Einblicken in das private Umfeld des Ermittlers verursacht die Thrillerhandlung mit ihrer düsteren Atmosphäre Gänsehaut. Laura Wulff hat mit den schrecklichen Verbrechen an Menschen mit Behinderung nicht nur ein Tabu-Thema aufs Tapet gebracht, sondern außerdem einen wirklich wahnsinnigen Killer erschaffen, dessen Identität erst am Ende gelüftet wird.

Apropos Ende: Eine Szene zum Schluss erschien mir unglaubwürdig und nahezu hollywoodreif. Das war eindeutig zuviel des Guten. Davon abgesehen ist “Töte und lebe!” ein atmosphärischer und vielschichtiger Thriller, der mit grausigen Szenen nicht geizt und in dessen Mittelpunkt ein ganz besonderer Ermittler steht.

Bewertung vom 11.03.2015
Kellerkind / Kommissar Waechter Bd.1
Neubauer, Nicole

Kellerkind / Kommissar Waechter Bd.1


ausgezeichnet

Großartiges Krimi-Debüt!

In einem Münchner Nobelviertel wird in einer enormen Blutlache liegend die Leiche der Anwältin Rose Benninghoff entdeckt. Die Frau lebte sehr zurückgezogen; niemand schien sie wirklich zu kennen. Kurz darauf finden die Ermittler im Keller des Hauses einen verstörten 14-jährigen Jungen vor, an dessen Händen Blut klebt. Sein Körper weist außerdem massive Verletzungen auf. Hat er Rose Benninghoff getötet? Der Junge kann sich an nichts erinnern. Kommissar Waechter und sein Team tun alles, um das Verbrechen aufzuklären. Dabei werden sie mit abscheulichen Geschehnissen konfrontiert…

Der Kriminalroman “Kellerkind” ist das Debüt der in München lebenden Schriftstellerin Nicole Neubauer – und zwar ein absolut großartiges! Die Autorin wartet mit einem tollen Ermittler-Team auf, bestehend aus Hauptkommissar Michael Waechter und seinen Kollegen Hannes und Elli. Nicole Neubauers Figuren haben Charakter, ihre ganz eigene Geschichte und verfügen über eine ungewöhnliche Tiefe. “Kellerkind” ist ein ruhiger Krimi – wobei ruhig um Himmels willen nicht mit langweilig verwechselt werden darf! Es hechtet nur nicht alle paar Minuten ein Polizist mit gezückter Waffe durch die Kapitel, noch stapeln sich die Todesopfer. Dieser Kriminalroman ist anders als die unzähligen Storys über Serienkiller und Ritualmörder – und das ist gut so. Der Mordfall glänzt durch Spannung bis zum Ende und dessen Auflösung ist ebenso schlüssig wie erschütternd. Mitunter hat das Buch sogar echte Psychothriller-Anleihen. Jeder, der einen bodenständigen und gut gemachten “Tatort” zu schätzen weiß, wird “Kellerkind” lieben. Apropos Tatort: Der gutmütige Michael Waechter hat mich ein wenig an den TV-Kommissar Bienzle aus Stuttgart erinnert. Das Ermittler-Team grantelt gern freundschaftlich unter- und miteinander. Damit streut Nicole Neubauer in manche Dialoge eine feine Nuance Humor ein. Das kommt der ansonsten sehr ernsten Geschichte zu Gute.

Abschließend bleibt mir nur zu sagen: Dieser Krimi hat mich wirklich begeistert! Deshalb freue ich mich auch schon sehr auf “Moorfeuer”, den Nachfolgeband von “Kellerkind”, und das Wiedersehen mit Waechter und Co. – ein Ensemble, das sich mühelos und völlig zu Recht einen festen Platz in meinem Leserherzen gesichert hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.03.2015
Fuckin Sushi
Degens, Marc

Fuckin Sushi


ausgezeichnet

Weltfrieden und Dosenbier: Originelle Geschichte über eine aufstrebende Band

“Das Bonner Nachtleben […] findet am Hauptbahnhof an Gleis 1 statt. Von da fahren die Züge nach Köln.” (“Fuckin Sushi”, Seite 2:67) Eine Liebeserklärung an die ehemalige Bundeshauptstadt klingt anders. Dennoch spiegelt diese Aussage ziemlich genau das wieder, was Niels Dannenfeld – gemeinsam mit seinen Eltern frisch aus dem Ruhrpott an den Rhein gezogen – von seiner neuen Heimat hält: Nämlich nicht übermäßig viel. Bewegung in sein tristes Schülerdasein kommt erst, als er gemeinsam mit seinem Kumpel René eine Band gründet. Später stoßen Lloyd und Nino dazu. Als Fuckin Sushi gelangt das Quartett via Youtube zu Ruhm. Doch der hat bekanntlich auch seine Schattenseiten, wie Niels schließlich feststellen muss.

“Coming of Age” sagt man heutzutage zu Büchern wie “Fuckin Sushi”, in denen es um das Erwachsenwerden geht. Ich persönlich bezeichne diesen Roman lieber als eine wunderbar-witzige Geschichte über die unbeschwerte Zeit, bevor der Ernst des Lebens an die Tür klopft und in der man noch hochfliegende Träume hat. Niels, der Erzähler im Buch, lebt seinen Traum an der Bassgitarre aus. Es sind herrlich verrückte Tage und Nächte, die Niels mit seinen Freunden erlebt – und der Leser ist hautnah dabei. Autor Marc Degens hat für die Band einen ganz besonderen Proberaum ausgewählt: Einen leerstehenden Turm mit Flachdach in einem stillgelegten Industriegebiet. Dieser atmosphärische Ort wird zum Sinnbild für Freiheit und Unbeschwertheit, wenn die Band an lauen Sommerabenden hoch oben ihr geschätztes Dosenbier trinkt, sich dabei die Lichter der Stadt besieht oder man – wie Niels – sein erstes Mal an einem so exotischen Punkt verlebt.

Beim Lesen dieses Buches habe ich sehr oft lauthals gelacht. Anlässe dafür bietet “Fuckin Sushi” zur Genüge: Brüllend komische Situationen, beispielsweise beim Konzertdebüt von Niels und René in Bad Münstereifel, spritzige Dialoge und natürlich die unverwechselbaren Charaktere der Geschichte, die allesamt echte Typen sind.

Genauso gut wie die humorvollen Szenen gelingen Marc Degens die ernsten Töne, die “Fuckin Sushi” ebenfalls enthält. Langweilig wird es in keinem der 52 Kapitel. Im Gegenteil: In nur zwei Tagen hatte ich die insgesamt 320 Seiten regelrecht inhaliert. Das ist bei dem locker-fluffigen Schreibstil des Autors und der fantastischen Story allerdings auch nicht verwunderlich.

Eine kleine Besonderheit hat mir außerdem ein Schmunzeln entlockt: Die Seitenzahlen sind wie Zeitangaben auf einer Musik-CD gestaltet – Seite 267 wird zu 2:67.

“Fuckin Sushi” ist ein Roman mit einer unglaublich positiven Ausstrahlung – unverzichtbar für Träumer, Musikfans und alle, die sich gern gute Geschichten erzählen lassen.

Bewertung vom 10.02.2015
Die Kalte Sofie / Rechtsmedizinerin Sofie Rosenhuth Bd.1
Gruber, Felicitas

Die Kalte Sofie / Rechtsmedizinerin Sofie Rosenhuth Bd.1


ausgezeichnet

Pfundiger Krimi aus der Weltstadt mit Herz

Die aus München stammende Rechtsmedizinerin Dr. Sofie Rosenhuth kehrt ihrer Wahlheimat Berlin nach nur zwei Jahren den Rücken. Zurück in heimischen Gefilden tritt sie eine Halbtagsstelle in der Gerichtsmedizin an. Dadurch kommt sie nicht umhin, mit ihrem Ex-Mann, dem flotten Kripo-Beamten Joe Lederer, zusammenzuarbeiten. Ihrer Tante Vroni, die Sofie unter Vortäuschung falscher Tatsachen zurück nach München gelockt hat, ist das nur allzu recht. Denn Joe und Sofie gehören ihrer Meinung nach einfach zusammen. Doch zunächst einmal werden die geschiedenen Leut’ von mysteriösen Todesfällen und einigen vergifteten Leckereien gehörig auf Trab gehalten…

“Die Kalte Sofie” ist der erste Band einer Krimi-Reihe um die Rechtsmedizinerin und ehemalige Polizistin Dr. Sofie Rosenhuth. Kalt ist die Hauptdarstellerin aber keineswegs – bei Sofie handelt es sich um eine warmherzige Person, die ein wenig schusselig und herrlich unperfekt ist. So nimmt sie sich fast täglich aufs Neue vor, endlich dem leidigen Hüftgold zu Leibe zu rücken. Die Anzahl der guten Vorsätze deckt sich allerdings mit der der gescheiterten Versuche.

Felicitas Gruber hat sich mit “Die Kalte Sofie” einen humorvollen München-Krimi ausgedacht. Dabei rückt sie allerdings nicht die strahlenden Seiten der bayerischen Landeshauptstadt in den Mittelpunkt. Das Herz der Autorin schlägt unverkennbar für den Stadtteil Giesing, das ehemalige Viertel der kleinen Leute, das sich bis heute seinen beinahe dörflichen Charakter bewahrt hat.

Alles an der Geschichte ist ausgesprochen lebendig: Die Figuren, die Dialoge – die auch für Menschen jenseits des Weißwurst-Äquators gut verständlich sind – und die herrlichen Bilder von München im Frühling.

Die Krimihandlung besteht aus zwei parallel verlaufenden Fällen. Sie birgt Spannung und spornt zum Miträtseln an. Die Autorin beeindruckt außerdem mit fundierten Fakten aus der Rechtsmedizin, die das umfangreiche Aufgabenspektrum dieser Berufsgruppe widerspiegeln. Denn Rechtsmediziner befassen sich nicht nur mit den Toten. Unterstützt wurde Felicitas Gruber bei ihrer Recherche von Fachleuten auf dem Gebiet der Rechtsmedizin.

In “Die Kalte Sofie” schnürt die Gruberin ein Paket, das Humor, Spannung, Münchner Lokalkolorit und viel Wissenswertes beinhaltet. Kurzum: Dieses Buch macht einfach Spaß!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.01.2015
Todesruhe / Julia Wagner Bd.2
Noy, Tanja

Todesruhe / Julia Wagner Bd.2


sehr gut

Mord in der Psychiatrie

Julia Wagner wäre fast einem wahnsinnigen Mörder zum Opfer gefallen. Die beiden Schüsse, die er auf sie abgefeuert hatte, waren zum Glück nicht tödlich. Tag für Tag erinnern sie die Narben auf ihrem Oberkörper an die schrecklichen Geschehnisse – auch ihre Seele leidet. Deshalb ist sie in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht. Doch Julia kommt dort nicht zur Ruhe: Sie entdeckt die Leiche eines pädophilen Mitpatienten. Ihm wurden die Augen herausgerissen. Allerdings wird es nicht bei einem Toten bleiben…

Tanja Noy hat mit “Todesruhe” den zweiten Band ihrer Thriller-Reihe um Julia Wagner vorgelegt – eine Ex-Polizistin mit einer erdrückenden Vergangenheit, deren Auswirkungen bis in die Gegenwart reichen. Man sollte sich beim Lesen unbedingt an die Reihenfolge halten, da “Todesruhe” unmittelbar an den ersten Band “Teufelsmord” anknüpft. Wer – wie ich – mit “Todesruhe” beginnt, ohne Teil eins zu kennen, kommt sich gerade am Anfang ein wenig verloren vor. Nach und nach erschließt sich einem zwar die Vorgeschichte, doch das Gefühl, etwas verpasst zu haben, begleitete mich das ganze Buch hindurch.

“Todesruhe” ist ein Thriller mit vielen gruseligen Zutaten. Schon der Handlungsort sorgt für Gänsehaut, denn die Psychiatrie befindet sich in einem ehemaligen Kloster, das auf eine schaurige Vergangenheit zurückblickt. Auf dem weitläufigen Gelände befindet sich außerdem ein Friedhof. Dort liegt Annegret Lepelja begraben, eine Kindsmörderin, die im späten 19. Jahrhundert ihr Unwesen getrieben hat und deren Geist noch heute in den alten Klostermauern spuken soll. Bei mir hat all dieses Unheimliche dafür gesorgt, dass mir so mancher Schauer über den Rücken lief.

Beeindruckend fand ich, wie glaubwürdig Tanja Noy die unterschiedlichen Gründe für einen Aufenthalt in der geschlossenen Psychiatrie in lebendige Figuren kleidet: Da ist der alkoholabhängige Karl Waffenschmied, Viktor Rosenkranz – ein alter Mann, der an Demenz leidet, der gewaltbereite Robert Campuzano, vor dem die ganze Station zittert, und eben die schwer traumatisierte Julia Wagner. Zugegeben, Julia Wagner wirkte auf mich persönlich wenig sympathisch. Dafür eroberten ihr ehemaliger Kollege Zander und die ermittelnde Kommissarin Charlotte Gärtner mein Leserherz auf Anhieb. Die schlagfertigen Wortwechsel der beiden lockern die bedrückende Atmosphäre in der Psychiatrie wohltuend auf.

In “Todesruhe” erzählt Tanja Noy auf 416 Seiten eine schaurige Gruselstory mit klassischen Thriller-Elementen, die mit einem ebenso unerwarteten wie schlüssigen Ende überrascht.