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sabisteb
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Freiburg

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Insgesamt 1375 Bewertungen
Bewertung vom 20.01.2013
Längengrad, Die illustrierte Ausgabe
Sobel, Dava; Andrewes, William J. H.

Längengrad, Die illustrierte Ausgabe


ausgezeichnet

Die Suche nach einer zuverlässigen Berechnungsmethode für den Längengrad (der senkrechte Grad parallel zu Greenwich, das andere ist der Breitengrad), nahm seinerzeit Ausmaße an, vergleichbar mit der Suche nach dem Jungbrunnen, dem Perpetuum Mobile oder der Verwandlung von Blei zu Gold.
Viele Unglücke passierten auf Schiffsreisen, weil die Kapitäne nicht wussten, auf welchem Längengrad sie sich befanden, die Lösung dieses Problems würde viele Menschenleben und vor allem viele Ressourcen retten. Die Hauptantriebsfeder der Suche waren somit hauptsächlich wirtschaftliche Gründe, die Verluste an Schiffen und Fracht waren einfach enorm. Daher schrieb das britische Parlament 1714 eine fürstliche Belohnung für denjenigen aus, der eine „praktikable und nützliche Mathode zur Bestimmung der geographischen Länge“ entwickeln würde, den Longitude Act. Einige der Methoden sind aus heutiger Sicht eher abenteuerlich, wie das Gissen oder das Sympathie Pulver.
Die Astronomen scheiterten mit ihren Ideen an noch nicht vorhandenen Messdaten, daher hoffte man darauf, das Problem mittels einer genau gehenden Uhr zu lösen. Das klingt trivial, war es damals aber nicht, den damalige Uhren gingen bei Wärme schneller, bei Kälte langsamer, nach dem Aufziehen schneller als kurz vor dem Ablaufen, für eine sichere Bestimmung des Längengrades benötigte man aber eine nahezu sekundengenaue, von äußeren Einflüssen unabhängige Uhr, etwas was heute jede Quarzuhr aus dem Kaugummiautomaten leisten kann.
John Harrison, von Beruf her Schreiner, von Herzen jedoch Uhrmacher, nahm die Herausforderung an. Er erfand viele Bauteile, die noch heute in mechanischen Uhren Verwendung finden. Er geriet dabei jedoch in das Spannungsfeld von Theoretikern gegen Praktiker und Astronomen gegen Uhrmacher. Er geriet in die Mühlen der Administration, die ihn zu zermürben drohen.

Sachbücher können erstaunlich unterhaltsam sein. Dava Sobel erzählt in einer lockeren, ironischen, süffisant zynischen Erzählweise den Leidensweg, des John Harrison. Ein praktischer Mensch, umständlich aber solide, gegen ein Gremium von Wissenschaftlern, die davon überzeugt sind, dass sie recht haben, dass nur der Mond, nur die Sterne die Lösung sein können und keine mechanische Uhr eines autodidakten Bastlers. Man legt Harrison Steine in den Weg, wo es nur geht, man demütigt ihn und verweigert ihm die Anerkennung und dennoch macht er weiter. Mir war die Geschichte nicht neu, schon 2004 gab es auf ARTE eine Mission X Folge zu John Harrison Kampf um das Preisgeld (Mission X - Staffel 1 [4 DVDs]).
Was traurig ist an dieser Geschichte, ist dass sich bis heute in der Wissenschaft nichts geändert hat, was das gängeln von Kollegen angeht. Auch heute, werfen Gremien Wissenschaftlern Knüppel zwischen die Beine, ganz besonders, wenn in diesen Kollegen sitzen, die am selben Thema arbeiten. Missbrauch von Gremien, von Macht zur Unterdrückung einer Erfindung, um die eigenen Pläne zu befördern.
Andererseits, ganz Unrecht hatte Nevil Maskelyne, John Harrisons erbittertster Gegner auch nicht. Auch wenn Harrisons Methode sicherlich einfacher und verständlicher war, so war sie, anders als Maskeleynes Mondtabellen (die jedoch an einigen Tagen des Monats nicht funktionierten), für die meisten Seeleute einfach nicht erschwinglich, anders als der Nautical Almanac und die dafür benötigten Messgeräte. Neutral betrachtet, hatten beide Methoden ihre Berechtigung und ihre Schwächen, dennoch ist es nicht richtig, wie er Harrison gängelte.

Fazit: Ein spannendes Sachbuch, das sich wie ein Roman liest, vor allem wegen der teils wunderbar abstrusen Anekdoten.

Es gibt von diesem Buch zwei Ausgaben. Eine unbebilderte TB Ausgabe und eine deutlich teurere illustrierte Leinenvariante. Ich rate dringend zur illustrierten Variante (Längengrad. Die illustrierte Ausgabe), sonst sitzt man permanent am Rechner, um sich die Bilder der Beschriebenen Uhren und Probleme zu besorgen.

Bewertung vom 20.01.2013
Längengrad
Sobel, Dava

Längengrad


ausgezeichnet

Die Suche nach einer zuverlässigen Berechnungsmethode für den Längengrad (der senkrechte Grad parallel zu Greenwich, das andere ist der Breitengrad), nahm seinerzeit Ausmaße an, vergleichbar mit der Suche nach dem Jungbrunnen, dem Perpetuum Mobile oder der Verwandlung von Blei zu Gold.
Viele Unglücke passierten auf Schiffsreisen, weil die Kapitäne nicht wussten, auf welchem Längengrad sie sich befanden, die Lösung dieses Problems würde viele Menschenleben und vor allem viele Ressourcen retten. Die Hauptantriebsfeder der Suche waren somit hauptsächlich wirtschaftliche Gründe, die Verluste an Schiffen und Fracht waren einfach enorm. Daher schrieb das britische Parlament 1714 eine fürstliche Belohnung für denjenigen aus, der eine „praktikable und nützliche Mathode zur Bestimmung der geographischen Länge“ entwickeln würde, den Longitude Act. Einige der Methoden sind aus heutiger Sicht eher abenteuerlich, wie das Gissen oder das Sympathie Pulver.
Die Astronomen scheiterten mit ihren Ideen an noch nicht vorhandenen Messdaten, daher hoffte man darauf, das Problem mittels einer genau gehenden Uhr zu lösen. Das klingt trivial, war es damals aber nicht, den damalige Uhren gingen bei Wärme schneller, bei Kälte langsamer, nach dem Aufziehen schneller als kurz vor dem Ablaufen, für eine sichere Bestimmung des Längengrades benötigte man aber eine nahezu sekundengenaue, von äußeren Einflüssen unabhängige Uhr, etwas was heute jede Quarzuhr aus dem Kaugummiautomaten leisten kann.
John Harrison, von Beruf her Schreiner, von Herzen jedoch Uhrmacher, nahm die Herausforderung an. Er erfand viele Bauteile, die noch heute in mechanischen Uhren Verwendung finden. Er geriet dabei jedoch in das Spannungsfeld von Theoretikern gegen Praktiker und Astronomen gegen Uhrmacher. Er geriet in die Mühlen der Administration, die ihn zu zermürben drohen.

Sachbücher können erstaunlich unterhaltsam sein. Dava Sobel erzählt in einer lockeren, ironischen, süffisant zynischen Erzählweise den Leidensweg, des John Harrison. Ein praktischer Mensch, umständlich aber solide, gegen ein Gremium von Wissenschaftlern, die davon überzeugt sind, dass sie recht haben, dass nur der Mond, nur die Sterne die Lösung sein können und keine mechanische Uhr eines autodidakten Bastlers. Man legt Harrison Steine in den Weg, wo es nur geht, man demütigt ihn und verweigert ihm die Anerkennung und dennoch macht er weiter. Mir war die Geschichte nicht neu, schon 2004 gab es auf ARTE eine Mission X Folge zu John Harrison Kampf um das Preisgeld (Mission X - Staffel 1 [4 DVDs]).
Was traurig ist an dieser Geschichte, ist dass sich bis heute in der Wissenschaft nichts geändert hat, was das gängeln von Kollegen angeht. Auch heute, werfen Gremien Wissenschaftlern Knüppel zwischen die Beine, ganz besonders, wenn in diesen Kollegen sitzen, die am selben Thema arbeiten. Missbrauch von Gremien, von Macht zur Unterdrückung einer Erfindung, um die eigenen Pläne zu befördern.
Andererseits, ganz Unrecht hatte Nevil Maskelyne, John Harrisons erbittertster Gegner auch nicht. Auch wenn Harrisons Methode sicherlich einfacher und verständlicher war, so war sie, anders als Maskeleynes Mondtabellen (die jedoch an einigen Tagen des Monats nicht funktionierten), für die meisten Seeleute einfach nicht erschwinglich, anders als der Nautical Almanac und die dafür benötigten Messgeräte. Neutral betrachtet, hatten beide Methoden ihre Berechtigung und ihre Schwächen, dennoch ist es nicht richtig, wie er Harrison gängelte.

Fazit: Ein spannendes Sachbuch, das sich wie ein Roman liest, vor allem wegen der teils wunderbar abstrusen Anekdoten.

Es gibt von diesem Buch zwei Ausgaben. Eine unbebilderte TB Ausgabe und eine deutlich teurere illustrierte Leinenvariante. Ich rate dringend zur illustrierten Variante (Längengrad. Die illustrierte Ausgabe), sonst sitzt man permanent am Rechner, um sich die Bilder der Beschriebenen Uhren und Probleme zu besorgen.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.01.2013
Marconis magische Maschine
Larson, Erik

Marconis magische Maschine


gut

1. Der Mordfall Hawley Crippen
1910 erschütterte ein Mordfall London. Dr. Crippen, obwohl ich der Meinung bin, dass er eher ein Scharlatan war, da er auf Homöopathie und selbsterfundene Patentmedizin spezialisiert war, und man ihn wohl kaum Dr. nennen darf, ist ein harmloser freundlicher Mann. Leider ist seine zweite Frau (die erste starb und er schob seinen Sohn einfach zu Verwandten ab und begann mit Nr. 2 ein neues Leben, eigentlich verdiente er diese Frau), ein übler Hausdrache. Sie träumt von der Oper, nimmt Gesangsunterricht und hat leider gar kein Talent. Sie macht Crippen das Leben zur Hölle. Als dieser sich in seine junge Stenotypistin Ethel Le Nege verliebt, vergiftet er seine Frau, zerstückelt sie, verbrennt die Knochen und vergräbt den Rest im Kohlenkeller. Nur weil einige ihrer Theaterfreunde Belle vermissen, und eher wegen der Affaire mit der Neuen bei der Polizei anklopfen, wird die Leiche eher durch Zufalle entdeckt.
Dieser Mordfall war noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts sehr bekannt. Hitchcock entlehnte Motive für „Coctail für eine Leiche“ und „Das Fenster zum Hof“. Es gab Filme über diesen Fall wie „Dr. Crippen an Bord“ (1942). Heute jedoch, erinnert sich kaum noch einer an diesem damals spektakulären Fall. Vielleicht, weil zerstückelte Leichen heutzutage nicht mehr sonderlich aufsehenerregend sind.

2. Guglielmo Marconi Entwicklung des Funkens
Marconi, Nobelpreisträger, Unternehmer, gefeierter Vater der Funktelegraphie, ein Prototyp des modernen Unternehmers und ein mahnendes Beispiel, aus dem leider immer noch niemand gelernt hat. Marconi verhält sich wie andere Egomanen seines Schlages (Zuckerberg, der Facebook „Erfinder“ ist noch so einer). Er, Marconi, und nur er ist wichtig. Alle, die ihm zuarbeiten werden unterschlagen, nicht erwähnt, ihre Meinung, ihre Gefühle mit Füßen getreten. Marconi schert sich einen Dreck darum, was andere, wie Oliver Lodge (für mich der eigentliche Erfinder des Funkprinzips) beigetragen haben. Er profitiert von public domain Forschungsdaten, patentiert seine darauf beruhenden Ergebnisse und hält seine Entwicklungen geheim. Er geht sogar noch weiter, er will, dass künftig alle seine Funkanalagen nur untereinander kommunizieren und verbietet den Kontakt zu Anlagen der Konkurrenz, außer in Notfällen. Ein ganz mieser, aggressiver Monopolist. Er verschweigt Probleme und Fehler seines Systems und macht ernsthafte Wissenschaftler lächerlich, obwohl er selbst nicht mehr als ein Tüftler ist und keine Ahnung hat von der Physik, auf der sein System basiert. Damals immerhin gab es noch Kaiser, die mit einer allgemeinen Funkkonferenz verlangen konnten, dass sämtliche Funksysteme miteinander frei verkehren dürften. Heute undenkbar, Markoni hätte wohl einfach das Parlament bestochen und sein Monopol durchgesetzt und Lobbyismus betrieben. Er fand es UNFAIR, sein Netz für Dritte zu öffnen (S. 251). Er gebärdet sich schon 1905 wie die heutigen Geschäftsführer. Obwohl es der Fima finanziell schlecht geht, für ihn nur das Beste, erste Klasse, beste Hotels, er wirft Socken lieber weg und kauft neue, statt sie zu waschen, das wäre effizienter.
Seine erste Verlobte ist clever genug, zu erkennen, dass Marconi mit seiner Arbeit verheiratet ist, und löst die Verlobung. Aber schon bald fällt ein anderes junges Mädchen auf ihn rein, Beatrice O'Brien. Er behandelt sie wie ein Möbelstück, mal schleppt er sie mit, mal parkt er sie irgendwo aus dem weg, über Monate, schwanger, und kommt nicht mal nach Hause, als die Kinder fällig sind. Als sie sich endlich scheiden lässt, lässt er sogar die Ehe annullieren, um eine erzkatholische neue Frau zu heiraten.
Natürlich ist dieser widerliche, arrogante, aggressive Geschäftsmann Nobelpreisträger und heute noch bewundert. Für mich unverständlich. Er hat von der Arbeit anderer profitiert, keine Ahnung von den wissenschaftlichen Grundlagen gehabt und eine aggressive Geschäftspolitik gegen das Allgemeinwohl betrieben. Helden sehen für mich anders aus.