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Mango

Bewertungen

Insgesamt 104 Bewertungen
Bewertung vom 22.06.2022
Eichenbach (eBook, ePUB)
Clare, Mo

Eichenbach (eBook, ePUB)


sehr gut

Familie König zieht nach Eichenbach - Vater Paul möchte sich einen Kindheitstraum erfüllen. Seine Familie, erst nicht begeistert von dem Umzug aus der Großstadt, fühlt sich doch schnell wohl in der wunderschönen Umgebung. Das große Grundstück bietet viel Platz für die beiden Kinder und die idyllische Umgebung tut ihr übrigens. Vor allem der kleine Bach weckt Begeisterung.
Aber Eichenbach hat eine Geschichte, die vor allem dieses Grundstück betrifft. So merkt die Familie schnell, dass hier irgendwas nicht stimmt. Es beginnt mit einem kalten Luftzug, den schon die Angestellten der Malerfirma bei Betreten des Hauses, wahrnehmen. Später kauft die Familie sich einen Hund, der immer wieder verrückt spielt. Auch die Träume, die Paul regelmäßig hat, sind auffällig. Und damit ist der Kinderpsychologe nicht allein. Auch ein Patient berichtet von gruseligen Träumen.
Paul ist zunehmend damit beschäftigt, um Normalität zu kämpfen, während um ihn herum immer mehr passiert.
Sein Nachbar Jörg Franke kennt die Mythen rund um das alte Haus. Sein ganzes Leben hat er in Eichenbach verbracht, aber wird er rechtzeitig eingreifen und wird ihm geglaubt?

Was für ein krasses Buch. Es liest sich ein bisschen wie ein Horrorfilm, ich habe in die Richtung bisher sehr wenig gelesen und möchte das jetzt auf jeden Fall ändern. Schon das kurze Vorwort baut direkt Spannung auf und hat mich neugierig gemacht.

Die Geschichte um die Vergangenheit Ortes ist unglaublich gut ausgearbeitet und interessant. Wir bekommen immer wieder Einblicke und das Puzzle setzt sich so immer weiter zusammen. Ich habe selten eine so gut konstruierte Geschichte gelesen, bei der inhaltlich einfach alles komplett zusammen passt. Auch die Beschreibungen der Umgebung waren toll, ich konnte mir Eichenbach gut vorstellen und hatte immer wieder das Gefühl, live dabei zu sein und den Horror selbst zu erleben.

Wir werden außerdem mit einigen Charakteren konfrontiert. Viele Leute aus dem Dorf bekommen eine Stimme, was super viele unterschiedliche Einblicke gibt. Stellenweise waren mir die Charaktere etwas zu platt, vor allem Familie König bleibt eher blass. Das ist in diesem Fall aber kein großes Problem, denn im Fokus steht hier auf jeden Fall Eichenbach und diese Darstellung ist in meinen Augen sehr gut gelungen.

Leider hatte ich am Anfang meine Schwierigkeiten mit dem Buch. Der Schreibstil von Mo Clare ist super ausführlich und teils ausschweifend. Was mir zum Ende hin sehr gefallen hat und mir geholfen hat, sehr tief in die Geschichte einzutauchen, hat mir am Anfang einige Schwierigkeiten bereitet.

Ich finde den Anfang einfach zu lang. Es passiert zu wenig und das richtige Feeling wollte für mich einfach nicht aufkommen. Das könnte auch daran liegen, dass hier gerne Dinge wiederholt werden und jeder kleine Furz erklärt wird. Da liese sich in meinen Augen einiges kürzen. Meine Geduld wurde aber belohnt. So etwa bei der Hälfte hat die Spannung dann eingesetzt und ich hatte auch weniger Probleme mit dem Schreibstil. Ich würde schon sagen, dass es da vom Erzählstil flüssiger wurde und ich nicht dauernd über offensichtliche Erklärungen und Wiederholungen gestolpert bin, es hat aber natürlich auch sehr geholfen, dass die Story an Fahrt angenommen hat.

An sich ist die ganze Story eher ruhiger gehalten, was mir gut gefallen hat. Die Spannung hat sich dann irgendwann aufgebaut und langsam gebrodelt, bis zur großen Explosion am Ende.

Eine große Empfehlung für alle Horror Fans, die etwas Geduld mitbringen. Ein einzigartiges Debüt, das durch wunderschöne Ortsbeschreibungen und Gruselfaktor glänzt.

Bewertung vom 18.06.2022
Die Leere der Nacht
Hartung, Alexander

Die Leere der Nacht


gut

Die Leere der Nacht ist der zweite Band der Thriller Reihe um die Privatermittlerin Alina Grimm. Ich habe den ersten Band nicht gelesen und kann deswegen leider kaum was zu den Figuren und deren Zusammensetzung als Team sagen, da wird in diesem Buch kaum drauf eingegangen. Ist halb so wild, es ist trotzdem alles logisch. Ihr könnt also mit dem zweiten Band anfangen, ich würde davon aber eher abraten.

Der Investigativ-Journalist Ignatz Mang wendet sich in einem Brief an Gerwald Arentz. Da dieser aber Tod ist, landet der Brief bei Alina Grimm. Er bittet um Hilfe und als sie in seinem Hotel anruft, erfährt sie, dass er Tod ist. Selbstmord, so sieht es zumindest aus.
Viele Leichen und einige Fragen, die Alina im Trio mit Lennard und Elias beschäftigen. Sie rutschen immer Tiefer in die Scheiße und bringen sich nicht nur ein mal in Gefahr.

Leider hat sich der Einstieg hier sehr schwierig gestaltet. Ich wurde direkt mit vielen Namen und unterschiedlichen Handlungssträngen konfrontiert. Das hat sich glücklicherweise relativ schnell gelegt und ich hatte einen Überblick bekommen, das hätte in meinen Augen aber angenehmer gelöst werden können.
Ich würde euch gern mehr zu den Figuren erzählen, aber um ehrlich zu sein gestaltet sich das sehr schwierig. Ich hatte nicht das Gefühl, auch nur einer Person hier irgendwie näher zu kommen. Es bleibt oberflächlich. Vielleicht hätte es da geholfen, den ersten Band zu lesen, aber ich glaube nicht, dass Charakterentwicklung hier im Vordergrund steht, auch wenn immer mal wieder ein paar heftige Schicksalsschläge eingestreut werden.

Viel eher gehts um die krasse Story. Und die ist wirklich ganz nett und könnte spannend sein. Mich persönlich hats leider überhaupt nicht gepackt, das ganze drumherum war mir einfach zu viel. Die Drei überschätzen sich ganz gern mal und bringen sich immer wieder in großem Gefahr. Eine Gefahr jagt die nächste und zwischendurch gibts noch ein paar Schießereien. Mir war das alles einfach zu absurd und konstruiert.

Auch sprachlich ist das Buch kein großes Highlight. Es ist flüssig geschrieben, aber stellenweise auch etwas trocken und ist leider, wie der Rest des Buches, einfach eher belanglos. Das Ende reiht sich da mit ein. Ist ganz schlüssig, will aber zu viel und hätte mehr Tiefe vertragen.

Ihr seht also, absolut nicht mein Buch. Aber ich verstehe, warum andere begeistert sind. Wenn ihr also auf Action steht und euch realistische Figuren und Handlungen eher unwichtig sind, wenn die Story dafür groß ist - Go for it.

Bewertung vom 17.06.2022
Bi
Shaw, Julia

Bi


ausgezeichnet

Wie viel wisst ihr, über Bisexualität? Die Antwort ist wahrscheinlich Nicht genug. Und das gilt auch für mich, auch wenn ich selbst Bisexuell bin. Julia Shaw hat mit Bi ein großartiges Buch geschrieben, dass kurz und knapp mit gängigen Klischees abrechnet und viele spannende Fakten liefert.

"Bisexualität ist nicht mysteriös, nicht bedrohlich, nicht performativ... - und auch nicht cool, woke oder transzendental. Sie ist ein völlig normaler Teil der menschlichen Sexualität.”

Direkt am Anfang widmet sich die Autorin Definitionen und der Entwicklung verschiedenster Begriffe. Ein wirklich interessanter Überblick, der direkt klar macht, wie wichtig und spannend es ist, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Auch die Geschichte bisexueller Aktivist*innen kommt nicht zu kurz. Kennt ihr zum Beispiel Brenda Howard?

Aber wie entsteht Sexualität? Liegts an den Genen? An äußeren Umständen? Oder doch an was anderem? Ein eher trockenes Thema, das aber auch wieder total interessant ist und genial aufgearbeitet. Es hat mich wirklich beeindruckt, wie viele Studien und wissenschaftliche Werke Julia Shaw nutzt. Das Buch ist mit etwa 300 Seiten nicht ewig lang und trotzdem wurde hier super viel kompakt zusammengefasst.

"Es ist von entscheidender Bedeutung - gerade für diejenigen von uns, die in Sicherheit leben -, sich derer, die sich in Gefahr befinden, bewusst zu sein und für sie zu kämpfen. Wir sollten jenen, die nicht sprechen können, unsere Stimme leihen." 

Dass queere Menschen nicht überall sicher sind, ist uns wohl allen bewusst. Natürlich wird hier auch auf die große Gefahr eingegangen, in der queere Menschen sich in anderen Ländern befinden. Aber wie ist das in angeblich so Fortschrittlichen Ländern? Habt ihr euch jemals Gedanken um Bifeindlichkeit gemacht? Und darüber, dass diese gleich von zwei Seiten kommt? Die Heteros, die Probleme mit allem haben, was nicht ihren komischen Normen entspricht, kennen wir alle. Aber was ist mit der Abneigung, die ist noch zu oft aus der Homosexuellen Ecke gibt? Gerade weil es kaum Bisexuelle Communities gibt, findet dieses Thema kaum Beachtung, obwohl es wirklich erschreckend ist.

Außerdem gibt es da noch andere Vorurteile. Bisexuelle Menschen können sich gar nicht auf ein Geschlecht festlegen, können daher also gar nicht treu sein. Allgemein wollen wir doch alle nur wild durch die Gegend vögeln und natürlich haben gerade bisexuelle Frauen richtig große Lust auf einen Dreier mit einer anderen Frau, um geheime Männerträume zu erfüllen. Ihr lacht jetzt vielleicht, aber es gibt leider immer noch zu viele Menschen, die so denken.

Neben den sicheren Räumen, die Bisexuellen fehlen, fehlt auch die Repräsentation. Wie viele Bisexuelle Charaktere kennt ihr aus Serien? Und wie werden diese dargestellt? Sexbesessen? Heiß, aber gefährlich? Und was sollte eigentlich I kissed a girl von Katy Perry damals?

Das Thema ist nicht einfach und manchmal frustrierend. Aber es ist wichtig, darüber zu sprechen und Julia Shaw macht das auf eine liebevolle, ehrliche Art, die mir immer wieder sehr viel Kraft gegeben hat. Gleichzeitig hab ich auf sehr viel neues gelernt, das definitiv hilft, vieles besser zu verstehen. Ich kann euch das Buch nur ans Herz legen. Ich habs geliebt und werde noch öfter reinschauen.

“Das wichtigste ist jedoch, dass wir weiter für die Liebe kämpfen.”

Bewertung vom 15.06.2022
Mord verträgt kein Jenseits
Zaffarana, Maria

Mord verträgt kein Jenseits


gut

What a ride. In Mord im Jenseits passieren um Charlie herum unerklärliche Dinge und sie scheint die einzige zu sein, die diese wahrnimmt. Charlie ist grundsätzlich nicht in der besten Verfassung - Alkohol ist ein großer Part ihres Lebens und hilft ihr, mit den Dingen klar zu kommen, die ihre alkoholabhängige Mutter und deren unterschiedliche Partner, ihr in der Kindheit angetan haben.
Plötzlich hat sie komische Träume und sieht überall Blut. Den Spiegel im Bad hängt sie ab, weil eine Silhouette, die sich ganz anders bewegt als sie selbst, sich darin befindet. Und dann ist da noch dieser komische Schlüssel, der ständig irgendwo auftaucht.

Maria Zaffarana hat hier eine ziemlich spannende Geschichte geschaffen und es geschafft, mich zu fesseln und gespannt weiter lesen zu lassen. Und das, obwohl ich das Ende für mich sehr naheliegend war und mich kaum überraschen konnte.

Das ist aber auch gar kein Problem, das Highlight waren hier für mich die spannenden Beschreibungen und die düstere Spannung, die fast durchgängig aufrecht erhalten wurden. Hier wird eine schön gruselige Atmosphäre aufgebaut, die fesselt.

Leider nur fast die ganze Zeit, den Anfang fand ich eher schwierig. Zieht sich mit zu ausführlichen Beschreibungen etwas für meinen Geschmack und Charlie.. Schwierige Protagonistin. Sie hat super viele negative Seiten und leider zu wenig Positive. Vor allem ihre oberflächliche Gehässigkeit hat mich immer wieder wütend gemacht. Zum Glück rückt ihr Charakter dann etwas in den Hintergrund, wenn die eigentliche Handlung dann richtig los geht. Ich hätte sie gern sympathischer gefunden, aber man kann nicht alles haben.

Außerdem gibts noch eine kleine Liebesgeschichte, die zum Ende ein paar Momente bekommt. Ist ganz süß, kam für mich aber sehr plötzlich und auch diese Frau ist in meinen Augen nicht ganz ausgearbeitet und hätte mehr Tiefe vertragen können.

Mord im Jenseits ist ein kurzes Buch, das fesselt. Nette Unterhaltung für alle, die besondere Geschichten mögen und Bock auf Mystery Thriller haben.

Bewertung vom 15.06.2022
Eine Frage der Chemie
Garmus, Bonnie

Eine Frage der Chemie


ausgezeichnet

Um ehrlich zu sein hätte mich das Buch wahrscheinlich gar nicht so angesprochen. Dann haben sich die positiven Stimmen hier immer mehr gehäuft und ich da ich das Hörbuch bei Bookbeat gefunden hatte, wollte ich dem Hörbuch mal eine Chance geben. Ich hatte keine großen Erwartungen und dann waren die knapp 12 Stunden in zwei Tagen weggehört, weil ich gar nicht mehr aufhören wollte.

Der Klappentext kann nicht annähernd alles zusammenbringen, was dieses Buch so großartig macht (Ich selbst könnte es noch weniger, deswegen versuche ich es gar nicht erst). Elizabeth Zott ist eine einzigartige Protagonistin, die ich unheimlich gern verfolgt habe.

Elizabeth weigert sich, die Rolle, die ihr als Frau zu Beginn der 1960er Jahre zugeteilt wurde, anzunehmen. Sie ist Chemikerin und legt wert darauf, alles aus eigener Kraft zu schaffen. Ihre Willenskraft und ihre Stärke sind beeindruckend. Sie hat aber auch eine total liebevolle Seite, die nur in ausgewählten Momenten zum Vorschein kommt und mich immer wieder total berührt hat. Außerdem ist sie sehr ehrlich und durchsetzungsstark - Dinge, die Frauen gerne mal im Weg stehen und mit ihrer teilweise naiven Art nimmt Elizabeth gern mal das ein oder andere Fettnäpfchen mit.

Ich hätte noch so viele weitere Stunden aus dem Leben dieser großartigen Frau verfolgen können. Vor allem in Kombination mit ihrer Tochter und dem besonderen Hund. Die ganze Geschichte ist vielleicht ein wenig sehr konstruiert und das Ende kitschig und drüber - Aber nichts daran hat mich gestört.

Neben all den feministischen Themen, die hier immer wieder aufgegriffen werden, lernen wir außerdem noch was über Chemie. Das hat dieses intensive Leseerlebnis noch informativer gemacht. Die Liebe zur Wissenschaft ist auf jeder Seite spürbar und durch den angenehmen Humor, der immer wieder einfließt, alles andere als Trocken.

Eine Frage der Chemie ist ein herzerwärmendes Buch, das mich total gepackt hat. Man muss zwischendurch mal ein Auge zudrücken, super realistisch ist das alles nicht, aber die nahbare, realistische Protagonistin macht es für mich leicht, darüber hinwegzusehen.

Bewertung vom 13.06.2022
Die hundert Jahre von Lenni und Margot
Cronin, Marianne

Die hundert Jahre von Lenni und Margot


ausgezeichnet

Lenni ist siebzehn Jahre alt und schwerkrank. Viel Zeit hat sie nicht mehr und diese Zeit verbringt sie in einem Krankenhaus. Gleichaltrige Freundinnen hat sie nicht, zu groß sind die Unterschiede. Dafür hat sie viele Fragen und viel Zeit.
In einem Malkurs trifft sie die dreiundachtzigjährige Margot. Eine liebevolle Frau, die einiges erlebt hat. Auch sie wird bald sterben. Als die beiden merken, dass sie gemeinsam 100 Jahre alt sind, beschließen sie, ein letztes großes Projekt zu starten. Denn noch leben sie, und das sollte zelebriert werden! Sie malen 100 Bildern, für jedes Jahr ihrer Lebens eins. Dazu erzählen sie sich die großen Geschichten ihres Lebens und entwickeln dabei eine wunderschöne Verbindung.

Lenni ist ziemlich offen und verschwendet keine Zeit auf Gepflogenheiten. Sie stellt Fragen direkt und möchte ihre verbleibende Zeit nutzen. Ich habe sie total schnell in mein Herz geschlossen, mich mit ihr gefreut und das Bedürfnis gehabt, sie in trotzigen Momenten in den Arm zu nehmen. Sie hat einen tollen Humor und eine so lockere, erwärmende Art, dass auch die Leute in ihrem Umfeld sich ihr schnell nähern. Alle Freundschaften, die sie aufbaut sind total echt und machen die Story noch schöner.

Auch Margot ist eine tolle Protagonistin. Sie hat ein bewegtes Leben hinter sich und einiges zu erzählen. Zu gern hätte ich ihre Bilder zu den Geschichten gesehen, auch wenn diese allein schon was ganz besonderes waren. So viel Leid, in einem Leben, aber auch so viel Liebe.

Ich war um ehrlich zu sein ziemlich abgeschreckt von dem Hype um das Buch - zu unrecht. Es ist eine herzergreifende, besondere Geschichte. Ich habe jede Seite genossen und kann es euch nur ans Herz legen, wenn ihr eine Geschichte sucht, die euch berührt und Charaktere, die ihr so schnell nicht vergesst. Dass Thema Tod ist natürlich nicht ohne, aber dieses Buch feiert das Leben und bringt viel Wärme mit.

Bewertung vom 10.06.2022
Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit
Nguyen-Kim, Mai Thi

Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit


sehr gut

Mai Thi Nguyen-Kim Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin. Auf ihrem Youtube Kanal MaiLab betreibt sie seit Jahren Aufklärung und bringt Wissen näher. Ende 2021 kam dann auch ihre eigene Show Maithink X dazu. Im März 2021 erschien ihr Buch Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit, das ich begeistert gehört habe.

Ausführlich widmet Mai sich verschiedensten Themen. Machen Videospiele wirklich aggressiv? Sollten wir Drogen legalisieren, gibt es den Gender Pay gap und wie unterschiedlich sind Männer und Frauen? Was ist Intelligenz und ist diese vererbbar? Und wie siehts eigentlich mit Homöopathie aus? Brauchen wir Tierversuche? Und ist eine Impfpflicht sinnvoll? All diese Themen und viel mehr werden analysiert und wissenschaftlich behandelt. Dabei betrachtet sie Studien genau und verdeutlicht, wie wichtig die Methoden sind.

Schnell wird klar - Unser Wissen ist oft begrenzt. Manchmal war es wirklich frustrierend für mich die Worte ‚Wir wissen es (noch nicht)‘ zu hören. Aber genau das zeigt immer wieder, wie fundiert dieses Buch ist. Mai saugt sich nichts aus den Fingern und geht ausführlich auf die aktuelle Lage ein. Genau darauf können Diskussionen doch erst aufbauen und ich habe beim Zuhören total viel gelernt.

Besonders gefallen hat mir, wie ausführlich sie Studien durchleuchtet hat und erklärt, wie oft Fakten aus dem Kontext gerissen, oder verkürzt werden. Wissenschaftliche Methoden werden erklärt und ‚Fakten‘ eingeordnet. Dabei wiederholt sie sich öfter mal und hilft, das gerade gelernte zu festigen.

Ihre eigene Begeisterung und ihr Wissensdurst ist dabei immer wieder spürbar und hat mich total angesteckt. Eine große Empfehlung an alle, die zwischen Meinung und Fakten unterscheiden und sich weiterbilden wollen.

Bewertung vom 07.06.2022
Am dunklen Wasser / Akte Nordsee Bd.1
Almstädt, Eva

Am dunklen Wasser / Akte Nordsee Bd.1


sehr gut

Fentje Jacobsen, eine junge Anwältin steht vor einem Rätsel. Sie lebt und arbeitet vom Bauernhof ihrer Großeltern, denen sie regelmäßig hilft. Eines morgens sieht sie einen verletzten Mann im Hof liegen. Als sie ihn nachhause fährt, finden die beiden seine Freundin erhängt im Garten. Selbstmord? Nein, alles spricht für einen Mord.
Der Mann, der sich nicht an die letzte Nacht erinnert, bietet den perfekten Verdächtigen, doch Fentje ist von seiner Unschuld überzeugt. Sie nimmt ihren bisher größten Fall an.
Kurz darauf verschwinden an der Schule, an der die tote Frau unterrichtet hat, zwei Mädchen. Ob die beiden Tatet zusammenhängen möchte auch Niklas John rausfinden. Der ehrgeizige, lockere Journalist geht Fentje erst ganz schön auf die Nerven, da die Polizei sich aber schon auf einen Täter eingeschossen hat, ihr Mandant, beginnen die beiden zusammen zu ermitteln.

Am Dunklen Wasser ist der erste Band der Akte Nordsee Reihe von Eva Almstedt. Ich habe ihre Ostsee-Reihe nicht gelesen und kannte die Autorin bisher nicht, war aber sehr neugierig auf diese Geschichte.

Mich haben vor allem die Charaktere begeistern können. Fentje ist eine schlagfertige, liebevolle Frau und auch Niklas hat einige positive Seiten in sich versteckt. Der Schlagaustausch der beiden hat mich immer wieder gut unterhalten und ich hab beide ein bisschen ins Herz geschlossen. 

Leider bleiben die anderen Charaktere, vor allem Fentjes Familie sehr blass und klischeebeladen, da wäre mehr drin gewesen. Dafür stimmt das Setting aber. Die Beschreibungen der Umgebung haben mir gut gefallen und zwischendurch hatte ich wirklich das Gefühl, am Meer zu sein.

Der Fall war sehr spannend und die Auflösung hat mich teilweise überrascht. Sie war auf jeden Fall schlüssig und es bleiben keine Fragen offen. Und trotzdem bin ich nicht kompett begeistert.. Mir hatte das Buch zu viele Längen und irgendwas hat gefehlt.

Ein netter Krimi, mit einem interessanten Fall und tollen Charakteren. Ich denke, dass ich dem zweiten Teil noch eine Chance geben werde, hoffe aber, da dann das gewisse Etwas zu bekommen. Krimi und Meer Liebhaber dürften hier auf ihre Kosten kommen.

Bewertung vom 07.06.2022
Inselluft
Hansen, Jette

Inselluft


weniger gut

Es hätte so schön sein können, hätte die Autorin nicht so verdammt viel gewollt. Die Themen, die hier aufgemacht werden, sind teilweise wirklich krass. Und es sind so verdammt viele. Jeder auf dieser Insel scheint ein tiefsitzendes Trauma zu haben. Wäre an sich auch mal eine coole Idee - Eine Selbsthilfegruppe auf Föhr, könnte man was draus machen. Ist ja auch nachvollziehbar, dass alle versuchen ihren Problemen mit einer Flucht an einen schönen Ort zu entgehen. Blöd nur, dass die Probleme mitkommen und niemand dazuzulernen scheint.

Ich hätte mir da im Klappentext mehr Bezug dazu gewünscht. Für mich klingt der viel zu positiv, dafür, dass wir kaum schöne Momente erleben und alles von dieser Tragik geprägt wird. Sarahs beste Freundin Isabel kommt zum Beispiel für ein paar Tage auf die Insel. Von ihr erleben wir nur ernste Gespräche und am Ende wird ein schöner Abend geplant, der uns komplett vorenthalten wird, Isabel ist plötzlich einfach wieder weg. Das Buch ist nicht mal 300 Seiten lang, wäre es nicht möglich gewesen, uns da auch ein paar nette Momente zu zeigen? Es ist alles so gewollt aufs negative gelenkt. Obwohl, Sarahs Pollenallergie wird nach knapp 100 Seiten einfach gar nicht mehr erwähnt, glaube ich. Also doch ein Erfolgserlebnis..

Außerdem werden diese krassen Themen kaum bearbeitet und komplett oberflächlich behandelt. Es ist schwierig, darüber zu reden, ohne groß zu spoilern, aber ich bin zwischendurch so wütend geworden. Wir reden hier über krasse Traumata, die die Figuren teilweise seit Jahrzehnten begleiten und ihr Leben mitbestimmen. Sie machen vieles mit sich aus. Wenn mal drüber gesprochen wird, gibts Mitleid, aber die Idee, vielleicht mal eine Therapie zu machen, kommt absolut niemanden. Und dann dieses Ende. Ne, echt nicht. Weltfremder gehts kaum.

Die Charaktere waren allesamt meh. Sarah hat sich immer weiter ins negative entwickelt. Irgendwie sieht sie sich als die moralische Instanz und muss sich in alles einmischen - Hauptsache die eigenen Probleme vergessen, lieben wir.
Und dann gabs da noch Fee. Die Frau, die mir das letzte bisschen Spaß an diesem Buch genommen hat. Sie nimmt viel zu viel Raum ein und verhält sich einfach unmöglich und übergriffig. Aber dieses Übergriffige scheint ein Ding hier zu sein. Vor allem die Frauen mischen sich in alles ein und haben zu allem eine klare Meinung.

Die Männer blieben eher schwammig. Der eine war ein perfekter Saubermann, ohne Ecken und Kanten, der andere das genaue Gegenteil. Viel mehr Persönlichkeit hab ich da nicht gesehen.

Es handelt sich hier um den Auftakt einer Reihe und ich kann nur hoffen, dass diese Themen später noch tiefer behandelt werden, ich bezweifle es aber leider und werde den nächsten Band natürlich nicht lesen. Ich hatte mich sehr auf das Buch gefreut, finde das Cover auch wunderschön, aber war dann einfach froh, als es vorbei war.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.06.2022
Eine perfekte Familie
Moriarty, Liane

Eine perfekte Familie


sehr gut

Ich hatte Eine perfekte Familie hier einige Male gesehen und meine Neugier ist jedes mal mehr gestiegen. Ich wusste grob, was ich mir darunter vorstellen kann, aber einen so spannenden, tiefgründigen Roman habe ich nicht erwartet.

Die Familie Delaneys hat eine große Verbindung zum Tennis. Joy und Stan haben, nachdem sie ihre eigenen Karrieren aufgeben mussten, eine Tennis-Akademie gegründet und nicht nur ihren eigenen Kindern das Tennisspielen beigebracht.
Irgendwann ist es Zeit, sich zur Ruhe zu setzen. Die vier Kinder sind aus dem Haus und die beiden leben ein ruhiges Leben.
Eines Abends steht eine junge Frau vor der Tür. Sie berichtet von häuslicher Gewalt und die beiden bieten ihr eins der leerstehenden Kinderzimmer für die Nacht an. Schnell freunden vor allem Joy und die Unbekannte sich an. Diese bleibt dann eine ganze Weile, übernimmt in der Zeit den Haushalt und es werden viele Gespräche geführt.
Nach einem Streit am Valentinstag verschwindet Joy plötzlich spurlos, ebenso die fremde Frau. Die perfekte Familie wird plötzlich genau beobachtet, während die Mutter verschwunden bleibt. Der Verdacht er Ermittler*innen fällt schnell auf den Vater und langsam bröckelt die perfekte Fassade immer mehr. Irgendwann wissen auch die Kinder nicht mehr, was sie glauben sollen.

“Amys Eltern konnten das Tennisspiel ihrer Kinder mit absoluter Genauigkeit deuten, sie konnten jeden Schlag vorhersagen, jede Schwäche herausarbeiten, aber in vieler anderer Hinsicht waren sie vollkommen ahnungslos, geblendet von ihrer Liebe zu dem großartigsten Sport, der je erfunden wurde.”

Eine perfekte Familie bietet ein sehr detailliertes Bild einer Familie. Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt, hier kommt wirklich jeder zu Wort. Und das ist es, was dieses Buch so besonders macht. Die Familienverhältnisse werden schonungslos aufgedeckt und vor allem die Rivalität zwischen den Geschwistern war total spannend. Jeder hier versucht ein gewisses Bild von sich zu präsentieren. Alle Familienmitglieder wissen davon - Und spielen einfach mit. Mir hats total Spaß gemacht, die Figuren so intensiv kennen zu lernen und die Beziehungen zwischeneinander zu beobachten.
Besonders Joy, eine ältere Frau, die immer versucht, alles richtig zu machen und niemandem auf die Füße zu treten, dabei aber immer wieder ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche hinten anstellt, hat mich sehr fasziniert.

“Vielleicht hatte sie versehentlich Bodyshaming betrieben. Es gab viele neue Regeln im Leben, und sie war noch nicht überall auf dem neuesten Stand. Ihre Kinder, die völlig unzivilisiert auf die Welt gekommen waren und sämtliche gute Manieren von ihr gelernt hatten, riefen manchmal ‚Mum! Das sagt man doch nicht!‘ Sie lachte jedes mal, als würde es ihr nicht das Geringste ausmachen, aber in Wahrheit brachten sie diese unbeabsichtigten Verstöße aus der Fassung und waren ihr peinlich.”

Auch der Schreibstil von Liane Moriarty hat mich total begeistert. Sie hat neben einer beeindruckenden Beobachtungsgabe eine besondere Erzählweise und konnte mich total fesseln. Ich bin nur so durch die Seiten geflogen und habe mich immer wieder über die tollen Formulierungen gefreut.

Die Spannung kommt für mich auch nicht zu kurz. Manche Leser*innen mögen das Buch langatmig finden, für mich hatte es die perfekte Menge an Informationen und unterschwelliger Spannung, die durchgängig gehalten wurde. Es ist kein Thriller, klar, aber langweilig ist es auf keinen Fall.

Wenn euch realistische Charaktere und besondere Beziehungen mögt, wird euch das Buch wahrscheinlich glücklich machen. Für Thrillerliebhaber, die durchgängig Action wollen, ist es wohl eher nichts.