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Urte Köhler

Bewertungen

Insgesamt 75 Bewertungen
Bewertung vom 03.07.2019
Immer kommt mir das Leben dazwischen
Schrocke, Kathrin

Immer kommt mir das Leben dazwischen


sehr gut

"Pubertät ist, wenn die Eltern komisch werden" - an diesen Ausspruch unseres Kinderarztes musste ich die ganze Zeit denken, als ich das Buch von Kathrin Schrocke gelesen habe.
Die Welt von Karl steht Kopf. Und zwar seine Umwelt - nicht seine emotionale Welt, die im Moment eher erträglich ist und deren Fehler gegenüber dem Verhalten seiner Umwelt eher zu vernachlässigen sind.
Auf geschickte und auf "typisch Leben" Art taumelt Karl durch seinen Alltag bestehend aus Schule, Elternhaus, Oma und erster Liebe. Irgendwie schafft er den Drahtseilakt, alles miteinander zu verbinden und irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Dabei bleibt zwar das Smartphone kurzzeitig auf der Strecke und er muss das Festnetztelefon benutzen - welch eine Schmach - doch irgendwie geht das Leben weiter und notfalls könnte man auf Vorgehensweisen der Steinzeit zurückgreifen und einen richtigen Brief schreiben (was man in der Schule gelernt hat!!!!). Doch bevor er auch nur zum Briefpapier greifen kann, haben die Eltern Mist gebaut und er findet sich in vertauschten Rollen wieder. Sein Vater braucht Geld und seine Mutter Nachhilfe in Sachen Playlist.
Doch auch wenn alles drunter und drüber geht, am Ende passt wieder alles und Karl darf in Ruhe pubertieren.
Ein wunderbar einfühlsamer Roman über die Zwänge und Nöte eines "Pubertiers" in einer aus den Fugen geratenen Welt.

Bewertung vom 17.06.2019
Mit Schirm, Charme und Karacho / Samantha Spinner Bd.1
Ginns, Russell

Mit Schirm, Charme und Karacho / Samantha Spinner Bd.1


sehr gut

Der Kinderroman beginnt gleich mit dem eigentlichen Thema: der Onkel ist verschwunden.
Das ist Anlass zur Besorgnis, doch erste Schritte in Richtung des Rätsels Lösung lassen in dem geneigten Leser den Eindruck entstehen, in einer Welt zu sein, die erheblich anders tickt und funktioniert als er es bis dahin gewohnt war.
Was sich dann im Folgenden vor den Augen des Leser entfaltet und für gewaltig-buntes Kopfkino sorgt, ist eine Geschichte von unwahrscheinlicher Fantastik.
Mit Hilfe eines Regenschirms, der sich als Wegweiser zu erkennen gibt, werden die Geschwister Samantha und Nipper auf abenteuerliche Art und Weise (hypermoderne, zukunftsweisende technische Entwicklungen) auf der Welt herumgeschickt - auf den Spuren des verschwundenen Onkels. Sie folgen seiner Fährte und lösen seine Rätsel - furchtlos und unerschrocken legen sie sich mit dem Bösen an, das sich jedoch als ziemlich dämlich entpuppt.
Schlau und listig kommen sie ihrem Ziel näher und lassen dabei ihre Eltern wie vertrottelte Wissenschaftler aussehen, die keine Zeit haben, sich für die Aufregungen im Alltag ihrer Kinder zu interessieren.
Wie so häufig in abenteuerlichen Kinderbüchern, die nur dann funktionieren, wenn die Eltern Randfiguren bleiben.
Insgesamt ist die Lektüre spannend und unterhaltsam, wenn auch stellenweise langatmig. Immer dann, wenn die aktuelle Dramatik zur Erhaltung des Spannungsbogens in die Länge gezogen wird. Weniger wäre manches Mal Mehr gewesen.
Für Kinder bis 10 Jahre ein idealer Unterhaltungsroman. Sie können sich wunderbar in die beiden Kinder hineinversetzen und deren Abenteuer life miterleben. Eine leicht verständliche Sprache ohne Schnörkel und endlos lange Sätze lassen Kinderaugen flüssig über den Text gleiten. Die Kapitel sind in überschaubarer Länge, ohne große Cliffhangar, die es erleichtern, eine Pause beim Lesen einzulegen. Es wird gerade so viel Spannung erhalten, dass der Neueinstieg mühelos möglich ist.

Bewertung vom 20.05.2019
Sich selbst vertrauen
Pépin, Charles

Sich selbst vertrauen


ausgezeichnet

Ein anspruchsvolles, gewinnbringendes Buch über Selbstvertrauen und damit auch über den Umgang mit sich selbst. Die Aufforderung, in sich selbst hineinzuhorchen und sich zu fragen: Wie steht es bei mir damit?
Das lässt sich hervorragend mit dem vorletzten Satz veranschaulichen: "Wer sich selbst vertraut, findet den Mut, sich dem Ungewissen zu stellen, statt vor ihm zu fliehen." (S. 198)
Pépin stellt die Frage nach dem Erlangen von Selbstvertrauen. Wo kommt es her? Niemand bringt es von Geburt an mit.
Er nähert sich der Antwort auf diese Frage von verschiedenen Seiten, kommt aber immer wieder auf den Kern der Sache, dass die Nutzung des eigenen Gehirns unabdingbar ist. Das Auseinandersetzen und Hinterfragen von Sachverhalten und Aufgabenstellungen, die Hinwendung zur eigenen Freiheit: der Fähigkeit sich selbst zu vertrauen. Die Akzeptanz der Ungewissheit, die jeder Entscheidung innewohnt. Das Üben von Entscheidungen und das damit stetig wachsende Vertrauen in uns selbst.
Es ist möglich, den Zauderer in uns zu besiegen, aber es ist ein schwieriger Weg, die Herausforderung des eigenen Verstandes anzunehmen, statt dem bequemen Weg der Vorurteile anderer zu folgen.
Dieses Buch ist eine Aufforderung aber auch eine Anleitung an und für den Leser, darüber nachzudenken, wie viel Selbstvertrauen im Leben ausmacht, welche Erleichterungen es mit sich bringt und wie hemmend und ausbremsend Zweifel sind.
Pépin zeigt dem Leser unterschiedliche Wege auf, die zielführend sind. Es ist an ihm, sich für einen davon zu entscheiden.

Bewertung vom 13.05.2019
Crazy Rich Asians
Kwan, Kevin

Crazy Rich Asians


ausgezeichnet

Die Welt der Superreichen. Was ist das für eine Welt? In erster Linie eine menschliche, die extrem stark auf die Familie fixiert ist. Das sieht auf den ersten Blick sehr schön aus, denkt der Leser doch an Gemeinschaft, Unterstützung, Familienfeiern und normalen Alltag - mal stressig, mal nicht.
Doch die Bedeutung von Familie in Kwans Roman "Crazy Rich Asians" geht sehr viel weiter. Und der maßlose Überfluss an Geld und allem Skurrilen, was man damit machen kann, bringt viel Überheblichkeit und Gehässigkeit aber auch Druck und Zwänge mit sich.
Der Alltag der Superreichen in Singapur ist angereichert mit Bedürfnissen, bei denen sich der geneigte Leser fragt: Brauchen Menschen das wirklich? Sind es nicht eher Bedürfnisse aus der Not heraus geboren, über das "Normale", "Alltägliche" des Durchschnitts herauszuragen? Einfach auch, weil die Bedürfnisse des Durchschnitts keinen für die Reichen messbaren "Wert" haben?
In dem Buch von Kevin Kwan messen die Protagonisten den ideellen Wert einer Sache an seinem Preis, seinem Label oder einfach an der Tatsache, dass diese Sache machbar ist, egal was sie kostet.
Geld ist nur dazu da, allen Launen sofort nachzugeben, ohne wenn und aber, ohne Zwänge. Die Frage der Notwendigkeit oder eines effektiven Nutzen braucht nicht gestellt zu werden. Da diese Menschen sowieso alles haben, was man zum Leben braucht, besteht eigentlich keine Notwendigkeit, ein achtes Auto zu kaufen. Es wird aber dennoch gekauft, weil Menschen mal etwas Neues haben möchten, keine Lust auf den ewig alten Kram haben.
Vor diesem Hintergrund stellt sich dem Leser die Frage, wie hier Familie und Geld zusammengehören.
Er trifft auf unterschiedliche Charaktere: geldgierige, intrigante Jetset-Girls, die sich auf Labels und verschwenderische Vergnügungen beschränken und mit einer auf Geld begründeten Überheblichkeit daherkommen, die andere in die Knie zwingt.
Er trifft auch solche, die ihren Reichtum als selbstverständlich betrachten, ihr Leben leben, ohne zu protzen und einfach durch ihre Persönlichkeit gern gemocht werden.
Dann gibt es noch die Charaktere, die die Familie über alles heben und deswegen über "Leichen" gehen. Alle die, die nicht mindestens altes Geld sind und schon in der Vergangenheit adlige Verbindungen hatten, zählen nicht und sind deswegen automatisch ihrer unwürdig. Auf dem Menschen selber wird nicht geschaut, nur die Herkunft zählt.
Und dann gibt es noch die, die außerhalb der Familien aufwachsen, oder im Ausland leben und Kontakt zu "normalen" Menschen haben. Sie sind bodenständig, ehrlich, frei von Konventionen und Traditionen. Sie sehen den Menschen und seinen Charakter.
Hat der Leser schließlich die 570 Seiten verschlungen, macht sich Schadenfreude breit. Zurecht, sage ich, denn ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was diese Menschen eigentlich glauben, wer sie sind und welche Rechte sie meinen zu haben, selbstgerecht über andere zu richten.
Sie werden - Gott sei Dank - von den Folgen ihres Tuns eingeholt und damit wird sehr gut deutlich, dass Menschen unabhängig von Geld gut und schlecht sein können; doch unermesslich viel Geld und schlechte Menschen sind eine gefährliche Kombination.
Insgesamt ist der Roman eine wunderschöne Reise durch eine Welt, in der die meisten nicht leben und vielleicht nicht leben wollen, aber es ist doch mal eine Erfahrung wert, hinter die goldene und diamantenbesetzte Fassade zu schauen. Auch dort tun sich Abgründe auf.

Bewertung vom 07.05.2019
Das Versprechen der Islandschwestern
Baldvinsson, Karin

Das Versprechen der Islandschwestern


gut

In diesem Gesellschaftsroman wird der Leser in einem leicht und flüssig zu lesenden Schreibstil angenehm durch die Geschichte geführt. Diese spaltet sich in zwei Teile auf - einen, der in der Zeit unmittelbar nach Kriegsende spielt und einen Teil, der in der Gegenwart angesiedelt ist.
Zwei junge Schwestern ohne nennenswerte Zukunftsaussichten im Nachkriegsdeutschland 1949 verpflichten sich für ein Jahr als Landwirtschaftsgehilfinnen auf abgelegenen Bauernhöfen auf Island. Dort werden sie in die Familien integriert und arbeiten von früh bis spät. Ein endlos langer Winter in überwiegend eiskalter Dunkelheit und primitive Lebensverhältnisse ohne Strom und fließend Wasser, lassen die beiden Schwestern die kleinen Freuden zwischendurch umso herzhafter genießen. Das bleibt nicht ohne Folgen, was viel Trauer und vor allem verletzten Stolz hervorbringt.
Die Gegenwartsgeschichte erzählt die Entwicklung der Enkelin einer der Schwestern. Als alleinerziehende Mutter mit Teenagertochter fährt sie mit ihrer Oma zu deren Schwester nach Island einen runden Geburtstag zu feiern. Doch die Liebe schleicht sich heimlich dazwischen und sorgt für einige kleinere Turbulenzen.
Die an sich gut erzählte Geschichte erfährt jedoch einen herben Dämpfer, weil arg strapazierte Klischees angewendet werden, bevor alle glücklich ins Happy End schweben. Und dieses Happy End ist im Verlauf der Lektüre ziemlich offensichtlich, weil die Bausteine dafür vorher schon fast plakativ konstruiert wurden.
Dem Ganzen wird noch die Krone aufgesetzt, in dem ein persönliches Drama eines Protagonisten zu seiner Entscheidungsfindung noch schnell in die Geschichte montiert wird, wenn sie eigentlich den Scheitelpunkt der Spannung schon eine Weile überschritten hat. Das ist schade und macht das Ende pseudodramatisch, weil der Erkenntnisprozess für den Leser unsichtbar bleibt und nur als Information mitgeteilt wird.
Insgesamt eine flüssig erzählte Geschichte in schöner Landschaft, die aber unter den faden Klischees zu einer langweiligen Story verkommt.

Bewertung vom 04.05.2019
Marina, Marina
Landau, Grit

Marina, Marina


gut

Eine Liebeserklärung an Italien und "La dolce vita" in einem kleinen Dorf an der Riviera westlich von Genua Anfang der 1960er Jahre.
Das Leben plätschert beschaulich im banalen Alltag vor sich hin zwischen Friseur, Olivenhain, Werkstatt und Strand. Kleine Sorgen und Nöte der Kinder verlieren sich im Familienleben, die großen Sorgen und Nöte der Erwachsenen werden angedeutet, bleiben den Kindern jedoch verborgen.
Deswegen ist der Spannungsbogen von Anfang an auf konstant niedriger Höhe. Der Schreibstil liest sich flüssig, verliert sich gerne in landschaftlichen Beschreibungen, die den Leser am Ort des Geschehens eintreffen lassen. Er steht neben den Figuren und "lebt" mit. Fast ist es so, als würde der Leser die Sonne Italiens auf der Haut fühlen.
Pro Kapitel findet sich ein "Arm" des Handlungsstranges, der sich immer irgendwie um die Figur der Marina dreht, deren Leben im Dorf einen sozialen Aufstieg aus den ärmeren Gassen ihrer Kindheit in Rom bedeutet. Als Frau des Dorffriseurs ist sie stets bestens über den örtlichen Klatsch und Tratsch informiert. Ihre Intimfeindin macht ihr das Leben nicht immer leicht.
Doch die Zeit vergeht, die Kinder werden erwachsen und gehen ihren eigenen Weg, der so gar nichts mehr mit dem ihrer Eltern gemein hat, geschweige denn bei ihnen Zustimmung findet.
So ganz nebenbei verketten sich die einzelnen "Arme" des Handlungsstranges und offenbaren Zusammenhänge, die schlussendlich den Spannungsbogen in die Höhe schnellen lassen und zu ungeahnter Dramatik auflaufen.
Diese Dramatik findet sich in einer zeitlichen Rückblende in das vorletzte Kriegsjahr 1944. Danach fällt sie Spannung im Jahr 1980 schlagartig auf das Niveau von vorher zurück und die Story löst sich einfach auf.
Plötzlich sind Dinge möglich, die erst nach so langer Zeit möglich sind; so als hätte sie allein die Fäden in der Hand, an der die Menschen als ihre Marionetten tanzen.

Bewertung vom 29.04.2019
Dein Herz vergisst nicht
Perry, Jodi

Dein Herz vergisst nicht


weniger gut

Ein Roman zum Schmelzen - so könnte der geneigte Leser meinen, wenn er den Titel liest. Auch das Cover zieht ihn in diese sicherlich gewünschte Richtung, nicht umsonst wurde das Herz aus Vergissmeinnicht gelegt und die übrigen Farben dem Blau der Blüten angepasst.
Ganz so wie Eis in der Sonne schmilzt der Leser allerdings nicht, auch wenn einige Episoden sehr zu Herzen gehen. Besonders die Briefe, die Braxton an seine Frau schreibt, um ihrer Erinnerung auf die Sprünge zu helfen und sie vielleicht wieder in einem gemeinsamen Leben willkommen heißen zu können.
Die übrige Handlung, die sich um diese Briefe rankt, ist von nüchternem Alltag geprägt, Jemmas Versuch, in diesem Alltag Fuß zu fassen und sich im Leben einzufinden. Dabei helfen die Menschen, die ihre Familie und Freunde sind/waren.
Auf unterschiedlich treffende Weise gelingt es der Autorin diese Personen mit Leben zu füllen. Einige davon bleiben wenig belebte Hüllen, Staffage.
Bei Braxton schafft sie das ziemlich gut, auch wenn seine innere Reflexion manchmal oberflächlich bleibt, und er die doch schweren Schicksalsschläge scheinbar einfach wegsteckt. Da wünschte man sich eine tiefergehende, emotionale Auseinandersetzung.
Jemmas Mutter, die auch für Braxton einige Jahre Mutterersatz war, kommt mir vor wie das ungeliebte Stiefkind der Autorin. Zu diesem Charakter fehlt mir jeder emotionale Bezug, er handelt stereotyp und gestelzt, gefangen in einmal gefassten moralischen Vorstellungen und Verhaltensmustern. Echte Gefühle bleiben oberflächlich und wirken unecht. Lebensuntüchtig - so kann man sagen. Außerdem voller Wut.
Jemmas Vater ist eine unscheinbare Randfigur, die für einen Fehler lebenslang mit dem Hass seiner Exfrau bestraft wird. Was die Situation für Jemma verschärft, weil die Welt dort mit Fettnäpfchen gepflastert ist.
Rachel, Jemmas Freundin, ist eine resolute junge Frau, die die Dinge beim Namen nennt und Jemma schonungslos mit der Wahrheit konfrontiert, wenn es nötig ist.
Und dann das Ende! Enttäuschend und konstruiert. Zu Herzen gehend und unendlich happy, ist der Leser geblendet von soviel positiven Entwicklungen, als müsse das durchlebte Leid noch nachträglich einen auf die Mütze kriegen.

Insgesamt ein Roman für Leser, die Liebesgeschichten mögen und denen das Leben noch nicht wirklich vielschichtige Lebenserfahrungen aufdrücken konnte; andernfalls kommt einem das Verhalten der beiden Verheirateten oberflächlich und sexuell gefühlsorientiert vor. Auch wenn ihre Ehe nur kurz war, kennen sie sich von Kindesbeinen an. Insofern ist das Datum der Eheschließung unerheblich. Sie leben schon ein Leben lang "zusammen".

Bewertung vom 29.03.2019
Wo mein Herz schlägt (eBook, ePUB)
Bloom, Rose

Wo mein Herz schlägt (eBook, ePUB)


weniger gut

Eine sehr leichte, fast anspruchslose Liebesgeschichte mit einem dramatischen Hintergrund.
Nachdem der Leser in die Geschichte eingeführt worden ist, plätschert die dann vorhersehbare Handlung vor sich hin und jedes Mal, wenn der Erzählfortschritt eine Auflösung verlangt, passiert etwas Unvorhergesehenes. Als Leser habe ich den Eindruck, die Erzählung holt nochmal tief Luft um weitere Seiten zu füllen und das unausweichliche Ende so lange heraus zu zögern bis es nicht mehr anders geht.
Die Charaktere sind einfach angelegt - der eine extrem verschlossen und schlecht gelaunt, die andere fröhlich und teilweise zu gut für diese Welt. Es ist verständlich, dass Claire den völlig in seiner Trauer gefangenen Grant versucht, in die Realität zurückzuholen, doch das geschieht auf eine derart simple Art, die in keinem Verhältnis zur Tiefe der Trauer des Mannes steht.
Der Roman versucht sich an einem psychologisch geprägten Plot. Der ist grundsätzlich gut ausgedacht, doch leider bleibt die psychologische Trauerbewältigung oberflächlich und läuft wie nebenbei. Ein fröhlicher Mensch kann nicht allein durch seine Anwesenheit einen anderen Menschen aus den Untiefen fast lebenszerstörender Trauer herausholen. Dafür braucht es sehr viel mehr.
Dieser Roman ist eine sehr leichte Lektüre für jemanden, der sich an zwei Menschen erfreuen möchte, die aufgrund dramatischer Umstände die Liebe zueinander entdecken. Jemand, der eine tiefgründigere, anspruchsvollere Auseinandersetzung mit dem Thema Trauerbewältigung sucht, hat hiermit zum falschen Buch gegriffen.

Bewertung vom 26.03.2019
Madame Piaf und das Lied der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.9
Marly, Michelle

Madame Piaf und das Lied der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.9


gut

Die Lebensgeschichte der französischen Chansonnier Édith Piaf zum Gegenstand einer Romanbiografie zu machen, ist eine wundervolle Idee. Dadurch lässt sich das Leben für den Leser als etwas Greifbares darstellen, etwas, bei dem er 'dabei' sein kann. Nüchterne Fakten entfalten vor dem Leser eher eine Chronologie als ein Dasein voller alltäglicher Zwänge und Notwendigkeiten.
Der Autorin ist es sehr gut gelungen, das Ambivalente in Piafs Leben herauszuarbeiten und persönliche Konflikte sowohl mit ihrer Herkunft als auch mit ihrer Umwelt nachvollziehbar zu machen.
Leider beschränkt sich dieser Roman nach einer zusammenfassenden Erzählung der Herkunft und Entdeckung der Piaf selber, nur auf die Darstellung einer kurzen - aber wichtigen - Phase von Piafs Leben: der Zeit als Mentorin des jungen Yves Montand.
Historisch korrekt, schildert die Autorin diese Lebensphase der Piaf sehr ausführlich und vergisst dabei nicht, auf die Bedeutung der Liebe in Édiths Leben hinzuweisen, die sie als ihre Triebfeder herausstellt und die in ihren Chansons eine herausragende Rolle spielt. Die sie schließlich dahin bringt, wo die Welt Édith Piaf kennt: La vie en rose.
Die Figur des Yves Montand kommt dabei für meinen Geschmack etwas zu rückgratlos und leicht beeinflussbar rüber, selbst auf der Basis seiner innigen Liebe zur Piaf. Er folgt ihren Vorstellungen beinahe blind. Das mutet für einen jungen Mann italienischer Herkunft, behütet aufgewachsen in einer Familie mit wenig finanziellem Spielraum, sehr merkwürdig an. Als wären seine eigenen Vorstellungen ohne jeden Belang.
Die anderen Personen in der Entourage der Piaf sind bodenständige Menschen, die sich um den gesamten organisatorischen Kram rund um ihre Karriere kümmern. Die beste Freundin aus Kindertagen folgt ihr wie ein Schatten mit stetem Blick aufs Geld, ist aber auch gerne bereit, mal gehörig über die Stränge zu schlagen.
Insgesamt ein lesenswertes, allerdings streckenweise langatmiges Buch, von dem der Leser sich gelegentlich eine straffere Handlung wünscht, die sich nicht nur auf Alltagsschilderungen aus dem Leben der Piaf rund um ein Leben für Konzerte beschränkt, sondern Weiteres aus dem turbulenten, workoholic-mäßigen Leben der Édith Piaf verrät. In die Phase der Förderung von und Liebe zu Yves Montand fiel sicherlich Vieles in einer Romanbiografie Erwähnenswertes.
Ein wenig einseitig - auch wenn beabsichtigt - , sich bei solch einer in ihrer Zeit schillernden Persönlichkeit auf eine Liebesgeschichte zu beschränken, die nicht wirklich zu Herzen geht, weil die Sache mit der Liebe eben für Édith Piaf so eine ganz eigene Sache ist...
Was übrigens ein loses Ende in all den 'Männerbeziehungen' der Piaf darstellt…