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Benutzername: 
Frau M. aus M.
Wohnort: 
Magdeburg

Bewertungen

Insgesamt 112 Bewertungen
Bewertung vom 13.04.2023
Der Geheimnishüter von Jaipur / Jaipur Bd.2
Joshi, Alka

Der Geheimnishüter von Jaipur / Jaipur Bd.2


ausgezeichnet

Indien - bunt, vielfältig und geheimnisvoll
Der besondere Charme dieses Romans von Alka Joshi besteht darin, dass er in den Kulissen des 1960er Indiens spielt. Die Ausdehnung des Landes über verschiedenen Klimazonen hinweg, die Bedeutung der Farben und Gerüche, die Kastenordnung, die Bedeutung der Königsfamilie, die vielen verschiedenen Volksstämme mit ihren eigenen Sprachen und auch die Spuren des britischen Kolonialismus geben der Handlung einen sehr eindrucksvollen Rahmen.
"Der Geheimnishüter von Jaipur" ist der Nachfolgeroman zu "Die Hennakünstlerin". Ich kenne den ersten Teil nicht, was jedoch meinen Lesegenuss in keiner Weise beeinträchtigt hat. Die gelegentlichen Bezüge auf "Die Hennakünstlerin" sind so gestaltet, dass ich mir die Zusammenhänge gut erschließen konnte.
In diesem Buch also geht es um Malik, den erwachsen gewordenen Ziehsohn von Lakshmi, und Nimmi, einer jungen Witwe mit zwei kleinen Kindern. Sie fühlen sich vom ersten Augenblick miteinander verbunden. Lakshmi möchte jedoch, das Malik eine Ausbildung als Bauingenieur im fernen Jaipur macht, so dass die beiden lange Zeit getrennt sein werden. Sie kümmert sich auch um Nimmi und deren kleine Kinder. Nimmis Bruder, ein Schafhirte ist in einen Goldschmuggel verwickelt, der bis ins ferne Jaipur seine Fäden zieht. Als das neue vom Palast initiierte Superkino bei der ersten Filmpremiere teilweise einstürzt, kommt Malik auf die Zusammenhänge.
Das Buch ist abwechselnd aus der Perspektive von Lakshmi, Malik und Nimmi erzählt. Die in den Text eingestreuten Wörter in indisch verbreiten in authentisches Gefühl für Land und Leute. So entsand ein wunderschönes und spannendes Gesellschaftsgemälde Indiens. Trotz aller Dramatik verströmt der Roman eine gewisse Seichtheit, die es zu einem richtig guten Schmöker macht.

Bewertung vom 04.04.2023
Wodka mit Grasgeschmack
Mittmann, Markus

Wodka mit Grasgeschmack


ausgezeichnet

Anschauen, annehmen, loslassen
Das unfassbare Leid, das durch die Vertreibung der Deutschen aus den östlichen Gebieten des heutigen Polens in vielen Familien ausgelöst wurde, steckt heute noch vielen Betroffenen in den Knochen. Zu schlimm waren die Erlebnisse, dass darüber nicht oder nur wenig gesprochen werden konnte. Der Schmerz besteht in den nächsten Generationen fort. Um das Schreckliche verarbeiten und zurücklassen zu können, muss es angeschaut werden und angenommen werden. Markus Mittmann hat dieses Thema auf sehr einfühlsame Weise aufgenommen. Aus dem Stoff von etwa 500 Befragungen Vertriebener hat er einen Roman geschrieben. In "Wodka mit Grasgeschmack" reist eine vierköpfige Familie, bestehend aus Mutter, Vater und den beiden erwachsenen Söhnen, in einem VW Beetle in die Dörfer, in denen die Eltern ihre Kindheit verbracht haben. Die Eltern wollen ihre alte Heimat noch einmal wiedersehen. Die Geschichte wird aus der Perspektive des jüngeren Sohnes erzählt, der die Reise auf der Rückbank rechts verbringt. Im Verlaufe der Reise wechseln sich Ereignisse im Jetzt mit Rückblenden in die Vergangenheit ab. Stückchen für Stückchen nähern sich die Vier ihrem Ziel an. Sehr bildhaft und mit wunderschöner Sprache wird erzählt, was in den Protagonisten vorgeht. Der Text berührt sehr tief. Die Leser werden sozusagen mitgenommen auf die Reise im Beetle. Der eigene Bezug zum Thema bekommt viel Raum, sich zu entfalten. Dinge werden erinnert, ausgesprochen und beweint. Am Ende der Reise ist den Protagonisten (und auch der Leserin) vielleicht ein Stück Verarbeitung gelungen. Es is ein wichtiges Buch zu einem immer noch bedeutsamen Thema in unserer Gesellschaft.

Bewertung vom 29.03.2023
Deutsche Geschichte in 100 Zitaten
Marx, Christoph

Deutsche Geschichte in 100 Zitaten


ausgezeichnet

Von Tacitus bis Merkel
Dieses Buch ist ein wahres Schmuckstück. Der Einband ist in Halbleinen. Die Seiten sind schön gestaltet. Schmuckelemente, Überschriften und besondere Textteile sind in roter Farbe gedruckt. Es gibt viele Illustrationen, die teilweise farbig und ganzseitig sind. Die 100 Zitate sind wie Schnappschüsse quer durch die deutsche Geschichte und germanische Vorgeschichte zusammmengestellt. Sie sind in verschiedene Epochen aufgeteilt, denen jeweils ein kurzer Gesamtüberblick vorausgestellt ist. Die Zitate werden auf jeweils zwei Buchseiten näher beleuchtet. Wer hats gesagt, oder soll es gesagt haben? In welchem Zusammenhang ist das Zitat entstanden? Was sollte es damals aussagen? Wird es heute noch benutzt? Wenn ja, welche Bedeutung hat es heute? In einem kleinen zweispaltigem Nachsatz gibt es noch kurze Informationen über die Persönlichkeit, die hinter dem Zitat steht.
Das Buch ist eine Reise quer durch die Jahrhunderte. Viele der Zitate sind auch heute noch in Gebrauch, wenn auch teilweise abgeschliffen oder/und in etwas anderen Zusammenhängen. Einige Zitate sind nicht deutscher Herkunft, haben aber eine starken Bezug zu Deutschland. Kennedys "Ich bin ein Berliner." steht beispielsweise für ein sehr prägnantes Kapitel Deutschlands. Die Auswahl ist eine wohldurchdachte Entscheidung des Autors. Manch einer hätte wohl einige andere Zitate auch als wichtig empfunden, aber da die Anzahl ja auf 100 Stück begrenzt ist, mussten eben Entscheidungen getroffen werden. Viel Informatives ist zu lesen, was die eigenen Geschichtskenntnisse auf sehr unterhaltsame Weise auffrischt und ergänzt. Auch wenn eine Vollständigkeit hier nicht der Anspruch ist, ermöglicht das Buch vielleicht dem einen oder der anderen Leser.in , auch ein besseres Verständnis für die gegenwärtige politische Situation in unserem Land zu erlangen.

Bewertung vom 28.03.2023
Seventeen / Die Seventeen Reihe Bd.1
Brownlow, John

Seventeen / Die Seventeen Reihe Bd.1


ausgezeichnet

Ein Höllenritt
"Seventeen" von John Brownlow ist ein richtig guter Action-Thriller. Seventeen ist ein Auftragskiller der besonderen Art. Er ist darauf bedacht, nur die bösen Menschen dieser Welt zu entschärfen und "zivile Opfer" zu vermeiden. Hinter der Fassade des eiskalten und ausgekochten Killers verbirgt sich ein Mann mit einer sehr tragischen Kindheitsgeschichte, der starke Moralvorstellungen hat und der den Zugang zu seinen Gefühlen nicht verloren hat. Natürlich ist es eine Jungs-Geschichte, aber es fällt auf, dass die Frauen, denen Seventeen begegnet starke Charaktere sind, für die er großen Respekt hat.
Die Geschichte dreht sich darum, dass Seventeen eben genau der Siebzehnte seiner Art ist, bei der es dazu gehört, den jeweiligen Vorgänger zu töten. Siebzehn hat seine Position dadurch erlangt, dass er den vorherigen Kandidaten für die Nummer Siebzehn erledigt hat. Nummer Sechzehn lebt noch und ist unauffindbar abgetaucht. Doch jetzt bekommt er den Auftrag, Sechzehn zu finden und zu töten, wenn er nicht selbst abgesägt werden will. Im Verlauf der heftigst actionreichen Handlung, während der viel geschossen und geprügelt wird, kommen die wahren Hintergründe für diesen Auftrag ans Licht. Sechzehn und Siebzehn können sich verbünden und schaffen es, das Blatt zu wenden und natürlich, wie es sich für einen richtigen Thriller gehört, in letzter Minute die Welt zu retten.
Mit einer sehr bildhaften Sprache, mit viel Witz, Ironie und detailreichen Schilderungen bekommt hier das Kopfkino richtig viel Futter.
Ich gebe eine klare Leseempfehlung und sehr gern fünf Sterne.

Bewertung vom 11.03.2023
Nackt in die DDR. Mein Urgroßonkel Willi Sitte und was die ganze Geschichte mit mir zu tun hat
Boks, Aron

Nackt in die DDR. Mein Urgroßonkel Willi Sitte und was die ganze Geschichte mit mir zu tun hat


ausgezeichnet

Willi Sitte oder Eine Annäherung an die DDR
Die Frage "Wer war Willi Sitte und was trieb ihn an?" ist der Ausgangspunkt für dieses Buch von Aron Boks, dem heute 25jährigen Urgroßneffen von Willi Sitte. In akribischer Detektivarbeit hat er sich anderthalb Jahre lang mit dem Künstler und Menschen Willi Sitte beschäftigt. Wie es in einer Biografie sinnvoll ist, beginnt Aron bei der Kindheit und bewegt sich durch alle Lebensstationen des Malers und seiner Familie. Indem er Willi Sittes Entwicklung vom Kommunisten und begnadeten unangepassten Künstler, der von der Stasi bespitzelt wird, zu einem der mächtigsten DDR-Kulturfunktionäre, der Karrieren befördert oder verhindert, folgt, taucht er immer tiefer in die gesellschaftlichen Verhältnisse und Entwicklungen der DDR ein. "Plötzlich war ich wie in einer anderen Welt." sagt er in der Magdeburger Volksstimme. Aron befragt viele Zeitgenossen und Wegbegleiter und beleuchtet Ereignisse, die die Familie Sitte und insbesondere Willi Sitte auf ihrem Lebensweg prägten. So entsteht zeitgleich ein ziemlich differenziertes Bild der DDR und es wird deutlich, dass es sich um eine Familie mit vielen verschiedenen Persönlichkeiten in einer Gesellschaft mit vielen Facetten handelte. Auch wird klar, warum dieses Land keinen Bestand haben konnte. "Mir wurde nach der "Wende" klar, wie wenig unser ganzes System mit Sozialismus zu tun hatte..." sagt Willi Sitte einige Jahre später.
Aron beschreibt unvereingenommen die Entwicklung der Ausnahmepersönlichkeit Willi Sitte und der für ihn prägenden Umstände in der DDR. Er tut dies auf sehr sympathische Weise und mit klug ausgefeilter Sprache. Viele Fußnoten erklären bestimmte Ereignisse näher. Es ist ein sehr wichtiges Buch, das den Blick auf die DDR, die bisher in den Geschichtsbüchern meist als "Diktatur" abgetan wird, erweitert und ergänzt.
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 28.02.2023
Siegfried
Baum, Antonia

Siegfried


ausgezeichnet

Gewalt und das Schweigen darüber

Die Geschichte dreht sich um eine junge Frau, die als Ich-Erzählerin agiert. Man kann ihre psychische Erschöpfung deutlich spüren. Sie ist schon seit einer Weile sehr verzweifelt, kennt bereits die Adresse eines Psychiaters, den sie heute aufsucht. Die Frau verbringt den Tag im Warteraum der Psychiatrie. Im Verlaufe des Romans erfahren wir von ihrer entwurzelten Kindheit zwischen merkwürdigen Charakteren. Alles dominierend agierte ihr Stiefvater Siegfried, an dessen Interessen das Familienleben ausgerichtet war. Siegfried ist immernoch permanent präsent in den Gedanke der jungen Frau. Er gab Rahmen und Sicherheit. Doch jetzt blockieren die von ihm erzeugten Strukturen die Protagonistin in ihrem Vorankommen. Im Roman werden die Ereignisse ihrer Kindheit nicht beim Namen genannt. Es gibt nur jede Menge Hinweise und Indizien auf die schlimmen Vorkommnisse, denen sie ausgesetzt war und deren Ursachen bis in die Zeit der NS-Ideologie zurückreichen. "Siegfried ist ein Roman ... über eine Generation, deren Eltern nach dem Krieg geboren wurden und deshalb glaubten, er sei vorbei."
Jetzt aber ist für die Protagonistin der Moment gekommen, alles das hinter sich zu lassen und endlich ihr eigenes Leben mit eigenen Prämissen zu leben.
Am Abend verlässt die Protagonistin die Psychiatrie wieder, ohne mit einem Arzt gesprochen zu haben. Lediglich eine Schwester kümmert sich um sie und bringt ihr einen Krug Wasser. Diese symbolische Szenerie finde ich ganz besonders gelungen. Die Arbeit muss der Patient eben immer selbst tun. Er braucht nur einen Ort dafür und jemanden, der ihm beisteht.
"Siegfried" ist ein hervorragender Roman mit ausgezeichnet gestalteten Figuren und wunderbar subtilen Anspielungen. Das Buch ist ein wahrer Lesegenuss.

Bewertung vom 24.02.2023
So heilt man heute
Sievers, Burkhard

So heilt man heute


sehr gut

Gendermedizin populärwissenschaftlich erklärt

Dieses Buch hat die sogenannte Gendermedizin im Fokus. Die Erkenntnis, dass Männer und Frauen unterschiedlich krank sein können und daher unterschiedliche Symptome ausbilden und unterschiedliche Therapien benötigen ist nicht mehr so ganz neu. Dennoch stehen die entsprechenden Forschungen immer noch ganz am Anfang. Es macht dieses Buch so wertvoll, dass es das Bewusstsein dafür intensiviert.

Das Buch enthält einen ausführlichen allgemeinen Einführungsteil, in dem die grundsätzlichen Unterschiede in der medizinischen Behandlung von Männern und Frauen besprochen werden. Auch allgemeine Grundsätze der gesunden Lebensführung als wichtiger Beitrag zur Vermeidung von Krankheiten werden erklärt.

Danach hat jede der großen Volkskrankeiten (z. B. Bluthochdruck, Störungen der Schilddrüse, Herzinfarkt) ein eigenes Kapital, in dem sehr anschaulich beleuchtet wird, wie die Krankheit sich bei Männern und Frauen ausdrückt, welches die jeweils normalen gesunden Werte sind, welche Spätfolgen aus der Erkrankung erwachsen können und wie die Störung behandelt werden kann. Sehr gut sind auch die Übersichten zu den Frühwarner-Symptomen und zu dem, was jeder Mensch selbst tun kann, um die Krankheit möglichst früh zu erkennen und im schlimmsten Fall möglichst gut damit zu leben. Durch kurze Fallbeispiele wird das Compendium verollständigt.

"So heilt man heute" ist eine rein schulmedizinische Betrachtung. Die Möglichkeiten der Komplementärmedizin finden keine Erwähnung. Dabei sind gerade Akkupunktur, Homöopathie, Schüssler-Salze usw. gute Beispiele für eine Betrachtungsweise, die über die Gendermedizin sogar noch hinausgeht, indem sie jeden Menschen ganz individuell behandelt.

Alles in allem jedoch kann es für jedermann und -frau sehr nützlich sein, "So heilt man heute" als umfassendes Nachschlagewerk im Hause zu haben.

Bewertung vom 23.02.2023
Gläser voller Glück
Hager, Irene;Hönigschmid, Alice

Gläser voller Glück


ausgezeichnet

So wie Oma es schon gemacht hat
"Gläser voller Glück" ist ein Buch, dem die Freude am Tun direkt aus den Seiten quillt. Es greift auf die Erfahrungen und das Wissen der Großeltern zurück, die in einer Zeit lebten, als es Brühpulver und Gewürzmischungen oder Müsli noch nicht massenweise im Supermarktregal gab und man alles selber machte.

Es ist unendlich wertvoll, genau an diese Herangehensweise jetzt wieder anknüpfen zu können. Regional, saisonal und biologisch zu kochen und zu essen ist nachhaltig und auf jeden Fall auch sehr gesund. Es macht einen Riesenspaß, den Obst- Gemüseanbau im eigenen Garten wieder zu erlernen. Dieses Buch hilft einem dabei, die Ernteschätze zu konservieren und in lauter lange haltbare Köstlichkeiten zu verwandeln.

In einer ausführlichen Einleitung werden die Konservierungsmethoden Einmachen, Einkochen, Fermentieren und Dörren ganz allgemein erklärt. Danach kommen viele schöne Rezepte, die alle nochmals ganz genaue Anleitungen für die Haltbarmachung enthalten. Müsli, Marmeladen, Brot, Suppen, Brotaufstriche und vieles vieles mehr ist tatsächlich sehr einfach herzustellen. Jedes dieser köstlichen Gerichte kann natürlich auch sofort verzehrt werden. Besonders haben mich die Rezepte für Brot und Kuchen im Glas beeindruckt.

Die großzügige Gestaltung des Buches mit vielen sehr schönen Fotos und viel Raum für jedes Rezept gefällt mir sehr. Die Rezepte werden noch durch Erläuterungen und Erfahrungen der Autorinnen ergänzt, so dass man gelegentlich das Gefühl bekommt, sie schauten einem über die Schulter.

Bewertung vom 14.02.2023
Macht
Furre, Heidi

Macht


ausgezeichnet

Macht - über die eigene Geschichte
"Macht" ist ein sehr gut durchdachtes und durchkomponiertes Gesamtpaket. Das Cover mit den rosaroten Scherben fühlt sich tatsächlich wie Porzellan an. Darunter findet sich der schwarze Pappeinband. Wieder darunter auf der Innenseite der Buchdeckel sehen wir Fotos der Künstlerin Niki de Saint Phalle. Das entspricht im Grunde der Beschreibung der Protagonistin Liv. Sie ist fünfunddreißig und hat eine Vergewaltigung zu verkraften, die sie fünfzehn Jahre zuvor als Studentin erlebt hat. Sehr präzise wird in der Ich-Form erzählt, wie heftig der Bruch ihrer Seele sich bis in ihr gegenwärtiges Leben hinein auswirkt. "Niemand bleibt nach einer Vergewaltigung liegen." Aber niemand steht als dieselbe Person wieder auf. Der gesamte Blickwinkel auf das Leben ist aus der Balance gestoßen. Zwischen der Welt und Liv gibt es eine Trennung. Sie ist äußerlich mitten drin, innerlich jedoch fühlt sie sich als Zuschauer. Sie erlebt die Geschehnisse um sich herum auf besondere Weise. Ihre Aufmerksamkeit wird von ganz anderen Dingen angezogen als vor dem Ereignis. Und immer ist da dieser Schmerz, der alles in ihrem Leben einfärbt und den sie manchmal nur mit Tabletten ertragen kann.
Liv hört nicht auf, sich immer wieder mit allen Facetten ihrer Gewalterfahrung auseinanderzusetzen. Das wird dadurch erschwert, dass sexualisierte Gewalt leider ein zähes Tabuthema in der Gesellschaft ist und darüber lieber geschwiegen wird. Dennoch findet Liv ihren Weg, das traumatisierende Erlebnis zu integrieren und seine Auswirkungen zu akzeptieren. Sie schafft es, sich einer Freundin anzuvertrauen. Sie findet bei ihrem Mann Beistand.
Auf dieses Buch sollte man sich einlassen und genau hinhören. Es sind oft kleine, auf den ersten Blick harmlose Sätze, die die Wunden sichtbar werden lassen. Liv kennt viele der Symptome, so dass sie sie oft auch bei anderen Menschen erkennen kann. Und es sind leider sehr viele Menschen, vor allem Frauen, die eine Vergewaltigung erleben: laut Statistik in Norwegen ist es jede zehnte. Das macht dieses Buch so wichtig. Das Schweigen zu diesem Thema muss überwunden werden, weil es das Dilemma nur noch verschärft.
"Macht" ist ein wunderbarer Roman über ein existenzielles Thema. Ich gebe eine unbedingte Leseempfehlung.

Bewertung vom 09.02.2023
Vogel entdeckt - Herz verloren
Coenen, Antonia;Juranek, Philipp

Vogel entdeckt - Herz verloren


ausgezeichnet

Gefiederte Freunde
Dieses wunderschöne, unterhaltsame und buntbebilderte Sachbuch lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers auf unsere gefiederten Nachbarn. Den Autoren Antonia Coenen und Philipp Juranek merkt man ihre Liebe zu den Vögeln aller Art direkt an. Sie gehen nicht trocken und wissenschaftlich an die Sache heran, sondern einfach mit viel Liebe, Leidenschaft und Freude. Vögel sind in allen ihren Lebensbereichen integriert.
Das Buch enthält 13 Vogelporträts von typischen europäischen Vögeln wie Spatz, Stieglitz, Amsel und Stockente. Zusätzlich wurde auch der auf Hawaii vorkommende Albatros vorgestellt, was mich besonders freut, da er mein persönlicher Lieblingsvogel ist. Die vielen sehr guten Fotos helfen dem Leser sicher auch zukünftig dabei, draußen in der Welt zu erkennen, welchen Vogel sie gerade vor sich sehen.
Sehr interessant ist auch die Einordnung der Vögel in die Kulturgeschichte. Es wird erzählt, welche Bedeutung die Vögel früher in der Gesellschaft hatten und wie Musik und Lyrik von ihnen inspiriert war. Auch weniger schöne Traditionen werden beleuchtet. Dass Singvögel als Delikatesse angesehen und gnadenlos gejagt und verspeist wurden, hat mich sehr erschüttert.
Besonders wichtig finde ich die Rubrik "Selbst Gutes tun", die erklärt, wie jeder Einzelne dazu beitragen kann, dass den Vögeln ihre Lebensgrundlage erhalten bleibt und sie wieder besser in unsere Gesellschaft integriert werden.
Das Buch ist eine bunte Sammlung von Fakten, Erlebnisberichten, Fotos und Zeichnungen. Es ist eine Hommage an die derzeit ziemlich aus dem Fokus geratenen Vögel.
Ich wünsche diesem Buch sehr viele Leser und den Vögeln viele neue Freunde.