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Frau M. aus M.
Wohnort: 
Magdeburg

Bewertungen

Insgesamt 104 Bewertungen
Bewertung vom 14.02.2023
Macht
Furre, Heidi

Macht


ausgezeichnet

Macht - über die eigene Geschichte
"Macht" ist ein sehr gut durchdachtes und durchkomponiertes Gesamtpaket. Das Cover mit den rosaroten Scherben fühlt sich tatsächlich wie Porzellan an. Darunter findet sich der schwarze Pappeinband. Wieder darunter auf der Innenseite der Buchdeckel sehen wir Fotos der Künstlerin Niki de Saint Phalle. Das entspricht im Grunde der Beschreibung der Protagonistin Liv. Sie ist fünfunddreißig und hat eine Vergewaltigung zu verkraften, die sie fünfzehn Jahre zuvor als Studentin erlebt hat. Sehr präzise wird in der Ich-Form erzählt, wie heftig der Bruch ihrer Seele sich bis in ihr gegenwärtiges Leben hinein auswirkt. "Niemand bleibt nach einer Vergewaltigung liegen." Aber niemand steht als dieselbe Person wieder auf. Der gesamte Blickwinkel auf das Leben ist aus der Balance gestoßen. Zwischen der Welt und Liv gibt es eine Trennung. Sie ist äußerlich mitten drin, innerlich jedoch fühlt sie sich als Zuschauer. Sie erlebt die Geschehnisse um sich herum auf besondere Weise. Ihre Aufmerksamkeit wird von ganz anderen Dingen angezogen als vor dem Ereignis. Und immer ist da dieser Schmerz, der alles in ihrem Leben einfärbt und den sie manchmal nur mit Tabletten ertragen kann.
Liv hört nicht auf, sich immer wieder mit allen Facetten ihrer Gewalterfahrung auseinanderzusetzen. Das wird dadurch erschwert, dass sexualisierte Gewalt leider ein zähes Tabuthema in der Gesellschaft ist und darüber lieber geschwiegen wird. Dennoch findet Liv ihren Weg, das traumatisierende Erlebnis zu integrieren und seine Auswirkungen zu akzeptieren. Sie schafft es, sich einer Freundin anzuvertrauen. Sie findet bei ihrem Mann Beistand.
Auf dieses Buch sollte man sich einlassen und genau hinhören. Es sind oft kleine, auf den ersten Blick harmlose Sätze, die die Wunden sichtbar werden lassen. Liv kennt viele der Symptome, so dass sie sie oft auch bei anderen Menschen erkennen kann. Und es sind leider sehr viele Menschen, vor allem Frauen, die eine Vergewaltigung erleben: laut Statistik in Norwegen ist es jede zehnte. Das macht dieses Buch so wichtig. Das Schweigen zu diesem Thema muss überwunden werden, weil es das Dilemma nur noch verschärft.
"Macht" ist ein wunderbarer Roman über ein existenzielles Thema. Ich gebe eine unbedingte Leseempfehlung.

Bewertung vom 09.02.2023
Vogel entdeckt - Herz verloren
Coenen, Antonia;Juranek, Philipp

Vogel entdeckt - Herz verloren


ausgezeichnet

Gefiederte Freunde
Dieses wunderschöne, unterhaltsame und buntbebilderte Sachbuch lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers auf unsere gefiederten Nachbarn. Den Autoren Antonia Coenen und Philipp Juranek merkt man ihre Liebe zu den Vögeln aller Art direkt an. Sie gehen nicht trocken und wissenschaftlich an die Sache heran, sondern einfach mit viel Liebe, Leidenschaft und Freude. Vögel sind in allen ihren Lebensbereichen integriert.
Das Buch enthält 13 Vogelporträts von typischen europäischen Vögeln wie Spatz, Stieglitz, Amsel und Stockente. Zusätzlich wurde auch der auf Hawaii vorkommende Albatros vorgestellt, was mich besonders freut, da er mein persönlicher Lieblingsvogel ist. Die vielen sehr guten Fotos helfen dem Leser sicher auch zukünftig dabei, draußen in der Welt zu erkennen, welchen Vogel sie gerade vor sich sehen.
Sehr interessant ist auch die Einordnung der Vögel in die Kulturgeschichte. Es wird erzählt, welche Bedeutung die Vögel früher in der Gesellschaft hatten und wie Musik und Lyrik von ihnen inspiriert war. Auch weniger schöne Traditionen werden beleuchtet. Dass Singvögel als Delikatesse angesehen und gnadenlos gejagt und verspeist wurden, hat mich sehr erschüttert.
Besonders wichtig finde ich die Rubrik "Selbst Gutes tun", die erklärt, wie jeder Einzelne dazu beitragen kann, dass den Vögeln ihre Lebensgrundlage erhalten bleibt und sie wieder besser in unsere Gesellschaft integriert werden.
Das Buch ist eine bunte Sammlung von Fakten, Erlebnisberichten, Fotos und Zeichnungen. Es ist eine Hommage an die derzeit ziemlich aus dem Fokus geratenen Vögel.
Ich wünsche diesem Buch sehr viele Leser und den Vögeln viele neue Freunde.

Bewertung vom 24.01.2023
Der Inselmann
Gieselmann, Dirk

Der Inselmann


ausgezeichnet

Hundert Arten von Stille
In diesem Roman, der Anfang der Sechziger Jahre angesiedelt ist, wird viel geschwiegen. Vor allem der Protagonist Hans Roleder redet nicht viel. Dennoch wird in sehr poetischer Sprache höchst ausdrucksstark sehr viel erzählt. Hans ist der Sohn von sehr traurigen und verletzten Eltern, die sich von der Welt zurückziehen, um allein auf einer Insel mitten in einem weit abgelegenen See in Deutschland ein ganz einfaches Leben zu führen. Hans erbt alle ihre Wunden. Weil er nicht so funktioniert wie die kalte, hartherzige und gnadenlose Gesellschaft es fordert, wird Hans von der Insel entfernt und in ein sogenanntes Erziehungsheim gesteckt. Hans aber trägt die Insel stets weiterhin mit sich und in sich. Das hilft ihm, nicht zu zerbrechen. Entwickeln aber kann er sich nicht. Er bleibt ein trauriger Mensch voller Sehnsucht, der nicht in der Lage ist, einen Platz in der Gemeinschaft einzunehmen und Zuneigung anzunehmen. Er wird am Ende wieder auf die Insel zurück kommen und dort leider vor die Hunde gehen.
Mit stark komprimierten Sätzen erzeugt Dirk Gieselmann wunderschöne, sehr detaillierte Bilder. Auf subtile Weise wird ausgedrückt, dass es im Grunde niemanden kümmert, wie es Hans ergeht. "Schade um sie, aber wer trauert um Wellen?"
Der Roman wird noch lange in mir nachhallen. Ich bin sehr begeistert. Ich gebe eine ausdrückliche Leseempfehlung und natürlich fünf Sterne.

Bewertung vom 13.01.2023
Blüte der Zeit
Weiß, Sabine

Blüte der Zeit


sehr gut

Politik und Gartenkunst in den Niederlanden

"Blüte der Zeit" ist ein historischere Roman, der in der Zeit des Holländischen Krieges von 1672 bis 1678 spielt. Dies war ein europaweiter Konflikt, an dem unter anderem auch Brandenburg beteiligt war. Es gibt zwei locker miteinander verwobene Handlungsstränge. Einer dreht sich um Wilhelm III. von Oranien, der sehr jung und ehrgeizig in den Krieg mit Frankreich gezwungen wird und der außerdem mit inneren Unruhen und Bürgerkrieg im Land zu kämpfen hat. Ihm zur Seite steht Paulus, ein junger Offizier und Jugendfreund. Der zweite Schauplatz befindet sich in Berlin-Brandenburg und rankt sich um den Kurfürsten und seine Familie. Auch hier wird die Geschichte von einigen Sympathieträgern erzählt. Da ist beispielsweise Max, der aus den Niederlanden geflüchtete Gärtner mit seiner Mutter und seinem Bruder. Außerdem gibt es Elvina, die Tochter eines Apothekers, die sich ebenfalls sehr für Pflanzen interessiert.

Die sehr gut recherchierten historischen Fakten sind ergänzt durch die Geschichten der Romanfiguren. Sehr schön wird erzählt, worin die politischen Verwicklungen bestanden, welche gesellschaftlichen Norman damals galten, mit welchen Schwierigkeiten die Menschen zurecht kommen mussten und welche Rolle die niederländische Gartenkunst auch für die Gestaltung der Gärten des Kurfürsten von Berlin-Brandenburg spielte.

Liebe, Ränke, Intrigen und natürlich kriegsbedinger Mord und Totschlag bieten dem Leser auf 559 Seiten beste Unterhaltung.

Bewertung vom 10.01.2023
Das Leben der Krawatten
Helfer, Monika;Köhlmeier, Michael

Das Leben der Krawatten


ausgezeichnet

Die Geschichte des "Kulturstricks"
Dieses Buch ist ein wunderschöner Bildband. Es zeigt viele Exponate aus der ehemaligen Krawattensammlung von Gerald Matt. Viele Stücke stammen aus den zwanziger Jahren bis späten sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Es gibt wohl auch noch Exemplare aus den siebziger, achtziger, neunziger und 200er Jahren, die für Matt aber nicht annähernd die gleiche Bedeutung haben. Warum das so ist, ist von Gerald Matt im ausführlichen Nachwort erläutert, das auch die Geschichte der Krawatte erzählt. Der Leser kann es aber auch gut in den vielen eingestreuten Geschichten erkennen, in denen auf die eine oder andere Weise eine oder mehrere Krawatten eine Rolle spielen. Es sind kurze und lange Geschichten. Auch Gereimtes ist zu finden. Es sind lustige, skurrile, gruselige und in jedem Fall sehr unterhaltsame Texte. Auch wenn die Krawatte heute oft kein Alltagsgegenstand mehr ist, belibt sie doch ein schöner Blickfang auf Männerhemden. Dieses Buch kann den Blick dafür wieder schärfen, so dass man sich an der unendlichen Vielfalt der Farben und Muster erfreuen kann.
Ich wünsche diesem Buch ganz viele Leser.

Bewertung vom 04.01.2023
Bis ich wieder atmen konnte
Amurri, Lorenzo

Bis ich wieder atmen konnte


ausgezeichnet

Wie man sich wieder aufrappelt, wenn einem das Leben die Beine wegreißt
"Bis ich wieder atmen konnte" ist ein autobiografischer Roman. Er erzählt die persönliche Geschichte des Autors, der nach einem Skiunfall querschnittsgelähmt ist. Er erzählt sehr eindrücklich, sehr emotional und sehr offen, wie er die einzelnen Stationen bis zu seiner Rückkehr ins Leben wahrgenommen hat. Der Leser kann sehr gut nachvollziehen, wie sich die ersten Tage, dann die weiteren Wochen und Monate nach dem Tag X angefühlt haben. Lorenzos Leben veränderte sich durch die schwere Behinderung vollkommen. Bestimmten früher Sex, Drugs und Rock'n Roll sein Leben, so ist er jetzt ständig auf Unterstützung durch Dritte angewiesen. Nichts ist mehr selbstverständlich. Es ist eben nicht nur die Bewegungsunfähigkeit, die zu handhaben ist. Auch ander körperliche Funktionen machen ihm Probleme. Der Kreislauf, die Verdauung, der Schlaf funktionieren nicht mehr selbstverständlich wie früher. Der Unfall hat den ganzen Körper aus der Fassung gebracht. Lorenzo nahm sein Leben zunächst als Ausnahmezustand an. Er war vollauf damit beschäftigt, die Anstrengungen jeden einzelnen Tages zu überstehen. Es dauerte eine lange Zeit, bis er realisieren konnte, dass er sein altes Leben nie wieder fortführen kann. Er stürzte zunächst in ein tiefes schwarzes Loch, war für seine nächsten Menschen und seine Freunde nicht mehr erreichbar. Dennoch schafft es Lorenzo irgendwann, sich dem Leben wieder zuzuwenden.
Es ist ein wunderbares Buch über ein Thema, mit dessen Umgang viele von uns sehr unsicher sind. Es weckt Verständnis, Empathie und einmal mehr Respekt für Menschen, die körperlich beeinträchtigt sind.

Bewertung vom 30.12.2022
Ginsterhöhe
Caspari, Anna-Maria

Ginsterhöhe


ausgezeichnet

Wollseifen, ein Dorf in der Eifel
"Ginsterhöhe" ist die Geschichte des in der Eifel ziemlch abgelegenen kleinen Dorfes Wollseifen. Sie beginnt am Ende des Ersten Weltkriegs, der das Dorf selbst nicht direkt erreicht hat. Seine Bewohner jedoch waren dennoch sehr betroffen. Viele Männer wurden an die Front geschickt, viele Pferde konfisziert. Nicht alle kamen zurück, viele waren körperlich oder seelisch versehrt. Das Dorf ist marode, weil wichtige Arbeiten lange nicht gemacht werden konnten. Im Mittelpunkt steht der Bauer Albert Lintermann mit seiner Familie. Mühsam und mit harter Arbeit baut er seinen Hof trotz vieler Widrigkeiten wieder auf und erweitert ihn. Er glaubt, dass das Schlimmste nun überstanden ist. Aber inzwischen sind die Nationalsozialisten an die Macht gekommen. Direkt neben Wollseifen wird ein Militärisches Ausbildungslager errichtet, dass das kleine Dorf in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit reißt. Dies soll dem Dorf am Ende leider zum Verhängnis werden.
Die fiktiven Charaktere der Dorfbewohner sind sehr gut gezeichnet. Der Leser kann sich gut vorstellen, wie das tägliche Leben und das tägliche Miteinander in diesem kleinen Kosmos funktioniert hat. Die Figuren handeln dem Zeitgeist entsprechend typisch. Es ist ein schöner unterhaltsamer Schmöker, der auch Zeitgeschichte dokumentiert.

Bewertung vom 28.12.2022
Totenwache - Eine Erfahrung
Wurster, Maren

Totenwache - Eine Erfahrung


ausgezeichnet

Mein Vater ist drei Tage sehr schön
"Totenwache" ist ein Erfahrungsbericht der Autorin Maren Wurster. Sie hat damit ein sehr wichtiges Buch über ein in unserer Gesellschaft eher verdrängtes und tabuisiertes Thema geschrieben. Betrifft es einen irgendwann, ist man plötzlich auf unbekanntem Terrain und wird von anderen gesteuert. Dieses Buch hilft dabei, sich mit dem Thema des Sterbens vertraut zu machen, so dass man vielleicht leichter agieren kann, wenn es einen Trauerfall im eigenen nahen Umfeld gibt.
Maren Wurster begleitet ihren Vater, von dem sie weiß, dass er sehr krank ist und nicht mehr viel Zeit zu leben hat. Sie geht offen und sehr einfühlsam auf das Thema zu. Sie berichtet von den Anstrengungen, die Situation entsprechend an die persönlichen Bedürfnisse ihrer Eltern anzupassen, ihnen beizustehen und sie auch emotional zu begleiten. Es ist sehr berührend, wie gut es ihren Eltern tut, dass Maren sich so intensiv auf die Situation einlassen kann. Der Tod des Vaters ist natürlich trotzdem ein ziemlicher Einschnitt für die Familie. Die drei Tage der Totenwache, die Maren sich erbeten hat, werden sehr genau auf verschiedenen Ebenen beschrieben. Was passiert körperlich mit dem Verstorbenen. Wie erlebt Maren die Situation emotional, organisatorisch und in Bezug auf andere Menschen, die in dieser Zeit auch aktiv begleitend dabei sind. Wie nimmt die demente Mutter den Tod ihres Mannes auf. Wie erlebt der fünfjährige Sohn von Maren den verstorbenen Opa. Das Annehmen des Todes macht das Loslassen des geliebten Menschen leichter.
Dies unterstreicht auch die Geschicht des Vaters der Heimbereichsleiterin. Auf Grund der coronabedingten Maßnahmen, durften ihm die Angehörigen nicht beistehen und für ihn sorgen. Er war den Umständen ausgeliefert und starb alleingelassen.
Immer wieder zwischendurch bringt Maren kleine Exkurse über den Umgang mit Tod und Sterben in der Menschheitsgeschichte und auch in anderen Kulturen. So wird deutlich, dass die Art, wie es in unserer Gesellschaft üblich ist, mit diesen Themen unzugehen, nur eine von vielen Möglicheiten ist.
Totenwache ist ein ganz wunderbares Essay. Ich wünsche dem Buch sehr viele Leser.

Bewertung vom 16.12.2022
Das Einmaleins der Erholung
Altfeld, Dr. Sebastian

Das Einmaleins der Erholung


ausgezeichnet

Wenn du es eilig hast, gehe langsam

Dass die Traingspausen beim Sport genauso wichtig sind wie das Training selbst, hattet ich schon gelernt. Dass man schlafen soll, beor man müde ist, hatte ich auch schon irgendwo gelesen. Dieses kleine Büchlein hier ist die elementare Zusammenfassung des Wissens über den Stellenwert von Erholung und allem, was dabei von Bedeutung ist. Die Illustrationen sind heiter und verdeutlichen nochmal bildhalft das Gesagte. Das Thema wird sehr unterhaltsam und kurzweilig behandelt, so dass dieses Buch tatsächlich für alle geeignet ist, die lesen können.

Der kleine Löwe Leopold fühlt sich ziemlich zerribbelt von den Aufgaben in seinem Leben. Er stellt sich die Frage, wie er erreichen kann, dass er mit allem besser zurechtkommt. Er geht los und fragt die anderen Tiere, was sie ihm zum Thema erzählen können. Während er den Affen besucht, dann auch zu Giraffe, Elefant, Zebra und einigen andere Tieren geht, erfährt er eine Menge darüber, wie die verschiedenen Tiere mit dem Thema Stress und Erholung umgehen und warum es so wichtig. Leopold erfährt, dass gerade regelmäßige Pausen ermöglichen, dass man auf Dauer große Leistungen vollbringen kann. Leopold erfährt auch, wie er Stress erkennen kann was genau er vorgehen muss, um sich zu regenerieren.

"Dieses Buch möchte einen Mentalitätswandel auslösen." S.13 schreibt Sebastian Altfeld. Diesen hohen Aspruch kann ich nur unterstützen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig es ist, mit den eigenen Ressourcen klug umgehen zu können.
Ich wünsche diesem Buch ganz viele Leser.