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coffee2go
Wohnort: 
Österreich

Bewertungen

Insgesamt 398 Bewertungen
Bewertung vom 22.05.2023
Weite Sicht
Pilz, Thorsten

Weite Sicht


sehr gut

Der Roman beschreibt in einfühlsamer, ruhiger Weise, obwohl eigentlich sehr viel im Umschwung ist und viele Veränderungen passieren. Für mich könnte der Schreibstil vor allem in der ersten Hälfte lebhafter sein.
Friedrich stirbt an Herzversagen und dies löst in seinem Umfeld großes Umdenken, Ärger und den Mut zur Veränderung aus. Seine Frau Charlotte ist im ersten Moment traurig, aber auch erleichtert, denn nun kann sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen und mit knapp über 70 möchte sie ihre verbleibenden Jahre nach ihren Vorstellungen gestalten und sich nicht mehr nach anderen richten. Die Kinder sind schon erwachsen und bei der Testamentseröffnung stellt sich heraus, dass auch das Eheleben nicht so glücklich war, wie es den Anschein hatte. Der Wunsch nach Veränderung erfasst auch ihre etwas jüngere Schwester, die Stiefschwester notgedrungen durch den Verlust ihrer Wohnung und zudem macht sich Charlotte auf die Suche nach einer seit langer Zeit vermissten Freundin Bente, die schwer an Krebs erkrankt ist, knüpft an ihrer Freundschaft aus Jugendjahren an und intensiviert und belebt die Beziehung wieder. Alle Frauen, die so um die 70 Jahre alt sind, stellen sich die Frage, wie lange werden sie noch so leben können, wie sie es jetzt tun und beschließen das Leben im Hier und Jetzt in vollen Zügen zu genießen. Obwohl sehr viel Unruhe und Umschwung entsteht, ist die Herangehensweise des Autors doch sehr ruhig und beschreibend. Hier hätte ich mir noch mehr Ausdrucksstärke und Energie gewünscht. Gerade wenn es um die Biografie von starken Frauen in höherem Alter geht, gibt es noch relativ wenig Literatur und dies gehört besonders gewürdigt.

Bewertung vom 01.05.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


ausgezeichnet

Im Roman fahren die beiden befreundeten Familien Binder und Strobl-Marinek auf Urlaub in die Toskana, doch die Freude währt nicht lange, denn schon bald geschieht ein Unglück, welches das Leben aller beteiligten maßgeblich verändert. Aayana, Flüchtlingskind aus Somalia und Freundin der Tochter, ertrinkt im toskanischen Pool. Glattauer berichtet einerseits hautnah und ungeschönt, auf der anderen Seite wirft er auch gesellschaftskritische Fragen auf und zeitweise liest sich der Roman fast wie eine Satire. Diese gelungene Mischung macht den Roman kurzweilig und regt zum Nachdenken an, klingt auch noch lange nach dem Beenden nach. Was ist das Leben eines Menschen wert? Und ist jeder Mensch gleich viel wert? Wer ist schuld am Unglück und kann man die Schuld irgendwie ausgleichen, falls ja, wie? Mit einer Zahlung an die hinterbliebene Familie? Wie viel wäre angemessen?
Das Drama nimmt dann zuhause noch einmal richtig Fahrt auf, die Gerichtstermine sind für die Familien belastend, die Kinder leiden mit, teilweise unbemerkt, aber dafür noch heftiger. Gleichzeitig kann man in den Postings und Zeitungsartikeln lesen, wie wertend die Situation von Außenstehenden kommentiert wird und wie die Gesellschaft mit der Sensationsgier an diesem Unglück umgeht. Ein sehr lesenswerter Roman, aber keine leichte Kost, sondern ein nachdenklicher Roman, der nachwirkt.

Bewertung vom 30.04.2023
Mutterliebe
Selvig, Kim

Mutterliebe


ausgezeichnet

Der Justiz-Krimi ist eher ein Action-Thriller, da er durchgehend sehr temporeich und auch ereignisreich ist und der Justiz-Handlungsstrang nur einer von mehreren Handlungssträngen ist. Die Gerichtsreporterin Kiki Hollander wirkt sehr quirlig, überaus motiviert und hängt sich persönlich mit voller Energie in ihren Auftrag, bis es für sie selbst persönlich und gefährlich wird. Als Charakter wirkt sie sehr sympathisch, als Leser*in muss man sie einfach mögen sowie auch ihr Umfeld. Sehr gut gefallen hat mir aber auch der ernste Hintergrund, wie es Frauen mit Depressionen während und nach der Schwangerschaft ergeht und wie schwerwiegende Folgen eine falsche Medikation haben kann. Sylvia wird im Verlauf des Buches auch vielschichtiger dargestellt, nicht nur als Kindermörderin, wie sie während des Prozesses von einigen Personen wahrgenommen wird, dies hat mir gut gefallen. Sehr emotional und authentisch finde ich auch die persönlichen Erzählungen von Sylvia am Anfang der einzelnen Kapitel aus ihrer Wahrnehmung. Hiervon hätte ich gerne noch mehr gelesen. Insgesamt hat mir der vielschichtige und actionreiche Krimi sehr gut gefallen.

Bewertung vom 27.04.2023
30 Tage Dunkelheit
Madsen, Jenny Lund

30 Tage Dunkelheit


ausgezeichnet

Der Kriminalroman hat einen langsamen, erzählenden Charakter, sodass man als Leser*in gemütlich folgen kann und dann ereignet sich doch wieder ein spannender Plot oder ein Ereignis, mit dem man nicht unbedingt gerechnet hat. Die Schriftstellerin Hannah wird zu Beginn sehr unsympathisch dargestellt: momentan erfolglos, am absteigenden Ast, neidisch auf ihre Kolleg*innen, die Mainstreamkrimis schreiben und sich gut verkaufen, alkoholabhängig, unfreundlich – das typische Klischee einer zurückgezogen lebenden Schriftstellerin. Der Tapetenwechsel in ein anders Land und der Kontakt zu anderen Menschen tut ihr aber sichtlich gut und sie wandelt sich immer mehr, auch charakterlich. Zu manchen Personen baut sie eine Beziehung auf und der Todesfall des Neffen ihrer Vermieterin ist natürlich großes Gesprächsthema in dem kleinen, abgeschiedenen Dorf und bietet für Hannah die ideale Ausgangssituation für ihren eigenen Krimi, den sie in 30 Tagen schaffen möchte. Neugierig unterstützt sie auch den einsamen Dorfpolizisten bei den Ermittlungsarbeiten und je öfter sie bedroht wird, sich nicht mehr einzumischen, umso mehr wird sie dazu motiviert weiterzumachen und nicht locker zu lassen. Der Krimi hat eine besondere Stimmung, die auch die Dorfbewohner spiegelt, verschlossen, geheimnisvoll und Fremden gegenüber misstrauisch und kritisch. Das Ende hat mich dann persönlich doch ein wenig überrascht, passt aber im Nachhinein ganz gut.

Bewertung vom 27.04.2023
Halliggift / Minke-van-Hoorn Bd.3
Henning, Greta

Halliggift / Minke-van-Hoorn Bd.3


ausgezeichnet

Der Nordseekrimi ist aufgrund der mitreißenden und lebendigen Erzählweise der Autorin uns als Leser*innen so authentisch, als ob man tatsächlich vor Ort und mitten im Geschehen wäre. Minke und Lisa sind beide sehr liebenswerte Charaktere und ergänzen sich als Ermittlerinnen gut, auch wenn sie nicht immer einer Meinung sind. Bo kann diesmal aufgrund seines Krankenstandes nur eingeschränkt mitwirken, aber dafür hat er einen für ihn passenden Part zugeschrieben bekommen. Die Giftmorde sind im Nachhinein schlüssig und aus Täter*innensicht auch gut nachvollziehbar und wurden auch beinahe perfekt umgesetzt, vor allem die Szene mit der „Toten Tante“ lädt zum Schmunzeln ein, wie auch noch zahlreiche weitere Eigenheiten. Bereichernd finde ich auch die Tagebucheintrage aus Sicht des jungen Mädchens, das gerade in der anfänglichen Verliebtheitsphase war. Allerdings waren sie für meinen Geschmack recht kurz gehalten, hier hätte ich gerne noch mehr davon gelesen. Am Ende fügen sich alle Puzzleteile perfekt ineinander und ergeben einen runden und gelungenen Abschluss.

Bewertung vom 18.04.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


sehr gut

Der Roman beginnt mit einer düsteren, traurigen Grundstimmung. Die beiden Schwestern Tilda und Ida kämpfen sich durch ihr Leben, das aus Armut, einem abwesenden Vater und einer alkoholabhängigen, depressiven Mutter besteht. Zwischendurch erkennt man einzelne Lichtblicke, wie die Routine im Schwimmbad Bahnen zu ziehen. Tilda arbeitet an einer Supermarktkassa um das Haushaltsbudget aufzubessern und kümmert sich so gut sie kann um ihre Schwester, Zeit ihre Jugend auszuleben oder Freundschaften zu bilden bleibt ihr kaum und dennoch wirkt sie hoffnungsvoll und optimistisch. Durch eine einmalige Chance, für die sie nach Berlin ziehen müsste und zeitgleich auch ihre Liebe zu Viktor beginnt Tilda ihr Leben zu überdenken, gemeinsam mit Ida neu zu sortieren und plötzlich wird auch Ida erwachsener, selbstständiger und möchte ihrer Schwester, die so viel für sie geopfert hat, ein neues Leben in Freiheit und nach ihren Möglichkeiten erlauben. Tilda ist hin- und hergerissen, ob sie ihre Schwester und Mutter alleine lassen kann, ob sie es schafft, die Verantwortung abzugeben und sich für die neue Freiheit zu entscheiden, für die Liebe zu entscheiden. Es fällt beiden Schwestern nicht leicht. Diese innere Zerrissenheit ist auch für die Leser*innen sehr gut spürbar und in gewisser Weise auch nachvollziehbar. Diese Szenen haben mir persönlich am besten gefallen. Am Ende ging mir dann alles doch ein wenig zu schnell und zu glatt, hier hätte ich mir, passend zur Vorgeschichte, noch mehr Wehmut, Unsicherheit, Überlegungen gewünscht.

Bewertung vom 16.04.2023
Erinnere dich!
Reiter, Max

Erinnere dich!


sehr gut

Traue niemandem - nicht einmal dir selbst!

Der Thriller ist sehr spannend und kurzweilig, vor allem auch aufgrund der kurzen und abwechselnden Kapitel. Man kommt als Leser*in in einen Flow und möchte wissen, wie es weiter geht und was damals geschehen ist, sodass man das Buch kaum zur Seite legen kann. Außerdem wird man verunsichert, gleich wie Arno, der seinen eigenen Erinnerungen nicht mehr vertraut. Was ist damals vor 20 Jahren wirklich auf der Wanderung geschehen, an der seine damalige Freundin Maja verschwunden ist? Arnos Erinnerungen sind trügerisch, er wird immer mehr verunsichert, traut seinen Freunden nicht mehr, nicht einmal mehr sich selbst. Je krampfhafter Arno versucht, sich zu erinnern, umso mehr falsche Erinnerungen schleichen sich ein und Arno ist mit seinen Nerven am Ende. Diese Zerrissenheit ist sehr gut spürbar und faszinierend, man hat als Leser*in durchgehend einen Nervenkitzel. Die erneute Wanderung mit seinen alten Freunden finde ich eine gute Idee, um einen Abschluss zu finden, aber ob dies die Erinnerungen nicht wieder neu beflügeln oder vielleicht auch falsche Hoffnungen wecken wird? Ein sehr gelungenen durchgehend nervenaufreibender Thriller, der mich sehr gut unterhalten hat, wenn auch der Schluss nicht ganz zu meiner Zufriedenheit war.

Bewertung vom 29.03.2023
Siegfried
Baum, Antonia

Siegfried


sehr gut

Wendepunkt im Leben

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive einer Ehefrau, Mutter, Schriftstellerin, Tochter geschrieben, die sich von einem Moment auf den anderen an einem Wendepunkt in ihrem Leben befindet. Lang angestaute Gefühle, Ängste, Sorgen, Unzufriedenheit – all dies kommt plötzlich zum Vorschein und bringt das Leben durcheinander. Die Ich-Erzählerin ist komplett mit der Situation überfordert, weiß auch nicht, an wen sie sich wenden könnte, da ihr Stiefvater, Siegfried, der ansonsten alles für sie geregelt hat, nicht mehr zur Verfügung steht. Aus einem Impuls heraus begibt sie sich in die Ambulanz einer Psychiatrie und macht sich ihre Gedanken im Warteraum und die Wartezeit ist sehr, sehr lange, sodass sie einen Rückblick bis in ihre Kindheit schafft. Der Roman beschreibt einerseits sachlich, erzählend, lässt aber für die Leser*innen genug Spielraum für eigene Interpretationen und Gedanken. Interessant finde ich auch, dass die Ich-Erzählerin wichtige Figuren in ihrem Lebenslauf herausnimmt und beleuchtet, welchen Einfluss sie auf ihr Leben hatten und teilweise auch bis heute noch haben. Auch das Leben ihrer Mutter sieht sie im Nachhinein und mit ihrer heutigen Erfahrung aus einem anderen Blickwinkel.
Wohin ihr eigenes Leben sie führen wird, weiß sie noch nicht so genau, aber sie wird etwas an ihrer Situation verändern, nur was genau, ist noch nicht so klar. Sie ist an ihrem persönlichen Wendepunkt im Leben angelangt.
Der Schluss ist offen und lässt Raum für eigene Gedankengänge, sodass man sich auch im Nachhinein noch mit dem Gelesenen auseinandersetzen muss und das Buch nicht einfach so beiseitelegen kann.

Bewertung vom 28.03.2023
Dein Taxi ist da
Guns, Priya

Dein Taxi ist da


schlecht

Potenzial nicht genutzt

Der gesellschaftskritische Roman hat großes Potenzial, das leider durch die Umsetzung kaum genutzt wurde. Eine Sammlung von bedeutenden Themen, wie Rassismus, Sexualität, Armut, Diskriminierung, Gewalt, wurde angeschnitten, aber die Auseinandersetzung mit den Themen ging nicht in die Tiefe und wurde durch zu viele Wiederholungen und immer wieder gleichen Argumenten einseitig und wertend. Der Start ins Buch war frisch, spannend und interessant, danach wurde der Stil schnell vulgär, wiederholend und einseitig in der Betrachtungsweise. Was von anderen erwartet wird, sollte auch selbst gelebt werden. Im Verlaufe des Romans wurden die Handlungsweisen drastischer, die Argumente haltloser und dann auch die Gedankengänge wirr und unnahbar. Leider konnte mich das Buch nicht überzeugen. Ich hatte mir aufgrund der Inhaltsbeschreibung und des auffälligen Covers sowie der bedeutenden Themen mehr erwartet.

Bewertung vom 27.03.2023
Grenzfall - In der Stille des Waldes / Jahn und Krammer ermitteln Bd.3
Schneider, Anna

Grenzfall - In der Stille des Waldes / Jahn und Krammer ermitteln Bd.3


ausgezeichnet

interessante Charaktere

Der Kriminalroman ist sehr bildhaft und lebendig geschrieben, vor allem die örtlichen Begebenheiten, die Wälder, sind detailliert beschrieben, sodass man als Leser*in das Gefühl hat, mitten im Geschehen zu sein oder zumindest die Orte zu kennen. Sehr gelungen finde ich auch, dass Alexa und Krammer einen ausgewogenen Anteil an den Ermittlungen bekommen haben, und das obwohl Alexa momentan gerade im Krankenstand ist. Als Charakter wird Alexa auch von Buch zu Buch nahbarer und menschlicher, da man mehr über ihr Privatleben erfährt und auch über die eine oder andere neue oder alte Liebe. Der Ermittlungsfall ist ebenfalls gelungen, er verbindet eine ältere Geschichte mit neuen Erkenntnissen, die dann im Laufe der Ermittlung zusammen finden. Vor allem der Fund der ausgestopften Tiere mit den Babykleidern fand ich sehr gruselig, passt aber gut zur Stimmung. Insgesamt ein lesenswerter Regionalkrimi mit interessanten Charakteren.