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Benutzername: 
Nancy Frohberg
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Drage

Bewertungen

Insgesamt 81 Bewertungen
Bewertung vom 23.04.2019
Einer wird sterben
Lorenz, Wiebke

Einer wird sterben


ausgezeichnet

„Einer wird sterben“ fängt mit einem Prolog an, der es in sich hat und der den Titel des Buchs untermauert, denn hier scheint gerade jemand zu sterben. Wer und warum ist absolut undurchsichtig. Wir wissen nur, dass eine weitere Person dabei ist, die aus der Ich-Perspektive die Geschehnisse weitergibt. Dieser Einstieg macht es natürlich unheimlich spannend. Sofort sucht man beim Lesen nach Anhaltspunkten, wie es denn zu dieser Anfangsszene kommen konnte.

Im Gegensatz zum Prolog wird das restliche Buch aus einer neutralen Erzählperspektive weitergegeben und startet eher ruhig. Wir lernen Stella, ihren Alltag, ihren Mann Paul und die Nachbarschaft näher kennen. Immer wieder streut die Autorin dabei geheimnisvolle Andeutungen ein, die mich aufhorchen und neugierig werden ließen. Zum Beispiel geht es dabei um die näheren Umstände des Unfalls, den Stella und Paul vor sechs Jahren hatten und der – eventuell – etwas mit den Leuten zu tun hat, die vor Stellas Fenster parken.

Wiebke Lorenz hat dabei die Angst, die Stella verspürt, und ihr Unbehagen sehr lebendig dargestellt. Mir selber waren diese Menschen schon beim Lesen unsympathisch und gleichzeitig auch etwas unheimlich. Die Spannung im Buch zog immer wieder etwas fester an, um dann doch wieder lockerer zu lassen. Ich empfand es nie als langatmig, aber ich hatte das Gefühl, dass die Autorin den Leser hier gern zappeln lassen wollte. Beim Versuch herauszufinden, was das mysteriöse Paar im Auto bezweckt, stolpert Stella oft über ihre Nachbarn. Dass diese wiederum, alle ihre eigenen Geheimnisse haben, macht es natürlich nicht leichter herauszufinden, was vor sich geht. Immer mehr merkwürdige Ereignisse häufen sich und bereiten Stella (und uns Lesern) Kopfzerbrechen.

Ohne den Spannungsbogen zu sehr abflachen zu lassen, zeichnet die Autorin die Charaktere allesamt sehr glaubwürdig und authentisch. Ich konnte mir Stellas Nachbarn sehr genau vorstellen, da sie aus dem Leben gegriffen wirkten. Der angenehme Schreibstil trug außerdem dazu bei, dass ich mich komplett in das Geschehen denken konnte. Wiebke Lorenz schreibt so flüssig, angenehm und bildhaft, dass man nur so durch die Kapiteln fliegt. In richtiger Psychothriller-Manier sind die Kapitel eher kurz und enden fast jedes Mal mit einem Cliffhanger, der dazu verleitet weiterlesen zu wollen.

Am Ende klärt Wiebke Lorenz die Ereignisse sehr geschickt auf und führt die vielen losen Fäden zusammen. Natürlich ist der Showdown actionreich und mich erwartete noch die ein oder andere Wendung, die ich dann doch nicht vermutet hätte. Alles in allem ein toller Roman, der komplett auf psychologische Spannung ausgerichtet ist. Aufgrund des sehr gelungenen Endes fühlte ich mich tatsächlich an Sebastian Fitzek erinnert. Ein toller Psychothriller, den ich gern allen empfehle, die psychologische Spannung ohne Blutvergießen zu schätzen wissen.

Bewertung vom 12.04.2019
Zeilen ans Meer
Fischer, Sarah

Zeilen ans Meer


ausgezeichnet

Diese Rezension hier möchte ich anders schreiben - anders, als ich das normalerweise tue. Ihr müsst wissen, ich bin da normalerweise sehr organisiert und überlege oft lange, wie ich alles am besten formulieren könnte. Hier aber möchte ich einfach drauf los schreiben wie mir der Schnabel gewachsen ist. Alles andere würde meine Eindrücke zu diesem Buch verfälschen oder zu nüchtern erscheinen lassen.

In "Zeilen ans Meer" begleiten wir die Brieffreundschaft von Sam und Lena. Das Schicksal hat die beiden zusammengeführt. Sam lebt in Australien und Lena in Deutschland. "Wie konnte das denn passieren?", werden sicher einige von euch denken. Lena hatte vor etlichen Jahren Australien besucht und kurz bevor die Work & Travel-Zeit vorbei war, hat sie eine Flaschenpost ins Meer geworfen. Sam findet diese Flaschenpost Jahre später auf seiner morgendlichen Jogging-Runde und da er ein netter Kerl ist, schreibt er der lieben Lena zurück. Ein erster kurzer Briefwechsel erfolgt. Über eine Weihnachtskarte kommen die beiden dann jedoch erneut in Kontakt.

Ihr kennt es eventuell, dass man Personen, die weiter weg sind oder nicht zum engeren Freundeskreis gehören, oftmals mehr anvertrauen kann als Personen, mit denen man regelmäßig in Kontakt steht? Einfach weil man weiß, die plauern eventuell nichts aus oder man sieht sie ebenso selten, dass man nicht ständig über dieses Anvertraute reden muss, wenn man nicht will. Den beiden geht es genauso. Sie vertrauen sich viele Dinge an, philosophieren darüber, was wirklich im Leben wichtig ist und lernen sich so immer besser kennen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass sooo viele dieser Briefe mich sehr nachdenklich gestimmt haben und teils melancholisch zurückließen. Durch die Zeilen der beiden habe ich selber wieder gemerkt, wie weit man doch oftmals von seinen früheren Träumen entfernt ist und wie oft man sich im Leben mit Nebensächlichkeiten beschäftigt, statt sich mit Dingen zu befassen, die uns glücklich machen und/oder die wirklich wichtig sind. Versteht mich nicht falsch. Sarah Fischer hat hier keinen Ratgeber geschrieben. Aber es steckt so viel zwischen ihren Sätzen! So viele Botschaften, die direkt den Weg in mein Herz gefunden haben. Und das alles ohne kitschig zu werden! Auch das möchte ich betonen. Ich mag nämlich absolut keinen Kitsch!

Mir erging es also beim Lesen genauso wie Lena. Ich habe mich in diesen unheimlich tollen Australier verliebt und gemerkt, dass ich selber über meine Träume bestimmen kann - egal wie alt oder wie unrealistisch sie waren/sind. Wie er euch sicher denken könnt, ist es natürlich ein Problem, wenn der Brieffreund, in den man sich verliebt hat, auf der anderen Seite der Welt lebt und sich nicht mal in der selben Zeitzone aufhält. Immer wieder begegnen Sam und Lena aber auch weiteren Widrigkeiten, die sie in ihren Gefühlen zurückwerfen. Aber mehr möchte ich zum Inhalt nicht verraten.

Erwähnenswert finde ich außerdem, dass die Autorin wirklich einen Roman komplett in Briefform geschrieben hat (okay, es mogeln sich später auch E-Mails oder Whatsapp-Nachrichten dazwischen). Die Umsetzung ist sehr, sehr gelungen! Es war mein allererster Briefroman und ich war vorher nicht sehr überzeugt davon, dass das einen kompletten Roman hinweg gutgeht. Aber es hat sich genauso richtig angefühlt!

Ich habe in diesem Roman mit den beiden Figuren mitgelitten, mitgeweint und mitgelacht. Sicherlich werde ich dieses Buch auch noch ein zweites Mal lesen um Sam und Lena zu begleiten. Ich empfehle dieses Buch uneingeschränkt an alle, die es sich vorstellen können einen Briefroman zu lesen und die herzerwärmende Geschichten, die zum Nachdenken anregen, mögen! Ihr werdet sicherlich nicht enttäuscht sein - also doch, nämlich dann, wenn ihr das Buch beendet und Sam und Lena nicht weiter begleiten könnt! ;-)

Bewertung vom 19.03.2019
Ein perfider Plan / Hawthorne ermittelt Bd.1
Horowitz, Anthony

Ein perfider Plan / Hawthorne ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Die gut situierte, ältere – aber gesunde – Witwe Diana Cowper plant an einem hellen Frühlingsmorgen vorsorglich ihre eigene Bestattung in einem Londoner Beerdigungsinstitut. Nur wenige Stunden später ist sie tot. Ermordet. Wie kann das sein? Handelt es sich lediglich um einen Zufall? Hatte sie Feinde? Um diese Fragen zu klären, engagiert die Polizei den Privatdetektiv Daniel Hawthorne, der die Ermittlungen als Berater unterstützen soll. Hawthorne, der gerade etwas knapp bei Kasse ist, nutzt dies wiederum für eine neue Geschäftsidee. Er fragt den ihm bekannten Autoren Anthony Horowitz, ob er diesen mysteriösen Fall begleiten würde, um im Anschluss darüber einen Kriminalroman zu schreiben. Horowitz ist davon zunächst nicht angetan. Mag er den ehemaligen Polizeioffizier nicht einmal sonderlich. Trotzdem hat er das Gefühl, er würde sich hier etwas entgehen lassen, wenn er ablehnte. Also begeben sich die beiden auf die Spuren des ungewöhnlichen Mordes.

Das erste Kapitel von „Ein perfider Plan“ beginnt ganz klassisch. So wie eine Kriminalgeschichte eben immer beginnen würde. Doch bereits im zweiten Kapitel wird der Leser überrascht. Anthony Horowitz wechselt in die Ich-Perspektive und erzählt uns, wie es zum Roman kam. Er gibt Anekdoten aus seinem Autoren-Alltag zum Besten, beschreibt sein Verhältnis zu Hawthorne und verrät uns, wieso er Fan von Arthur Conan Doyle ist. Dieser Umstand bleibt auch dem Leser nicht unbemerkt. Schließlich erinnert die Story nicht nur aufgrund des Settings an Sherlock und Watson. Zum Ende des Romans durchbricht der Autor sogar die vierte Wand und spricht den Leser direkt an. Diese etwas andere Art der Erzählung hat mir ausgesprochen gut gefallen.
Recht schnell stoßen die beiden Hauptfiguren während der Ermittlungen immer wieder aneinander. Horowitz als Autor nimmt sich für sein Buch natürlich ein paar dichterische Freiheiten heraus. Hawthorne wiederum, ehemals Polizist, erwartet von ihm ein Aneinander-Reihen von Fakten ohne diese auszuschmücken. Allein die Streitfrage der beiden Hauptfiguren um den Titel des Buchs ist für den Leser sehr amüsant zu verfolgen. Weiß man doch bereits, was auf dem Cover steht.

Hawthorne ist kein beliebter Charakter. Weder bei Horowitz, noch bei Meadows, der der leitende Beamte in diesem Mordfall ist. Er erinnerte mich während des Lesens an eine Mischung aus verschiedenen TV-Detektiven. So ist er genial wie der von Phobien und Zwängen geplagte Monk, aber auch genauso gewitzt wie Columbo, passt sich den zu befragenden Personen an und wiegt sie in Ahnungslosigkeit. Er ist mal vorsichtig und sanft, mal barsch und fordernd in seinen Zeugenbefragungen. Und natürlich raucht er überall, ob er darf oder nicht. Genauso ausgeklügelt wie die beiden Fernsehermittler präsentiert auch Hawthorne am Ende die Auflösung des Falls im langen Monolog ohne die kleinste Frage offen zu lassen.
Horowitz versteht es, uns mit lauter kleinen Feinheiten in der Geschichte immer wieder vom Wesentlichen abzulenken. Gerade als ich dachte, ich hab die Lösung gefunden, präsentiert uns Horowitz (oder Hawthorne) wie naiv wir waren,zu glauben, wir hätten den Fall durchschaut. Natürlich fehlt auch das klassische, actionreiche Finale nicht, bei dem sich der Bösewicht um Kopf und Kragen redet. Wie viele Helden hätten schon das Zeitliche gesegnet, würden die Bösen nicht das Bedürfnis haben zu erzählen, wie genial sie gemordet haben.
Dies war mein erstes Buch von Anthony Horowitz und sicher nicht das Letzte. Ich hatte große Freude mit dieser englischen Detektivgeschichte, die komplett anders erzählt wird, als es normalerweise bei Kriminalromanen der Fall ist. Alle Fans von Anthony Horowitz, Arthur Conan Doyle, Holmes und Watson und klassischem, englischem Krimi-Charme kommen hier auf ihre Kosten! Ich empfehle dieses Buch sehr gern weiter!

Bewertung vom 18.03.2019
Kaschmirgefühl
Aichner, Bernhard

Kaschmirgefühl


gut

„Ein kleiner Roman über die Liebe“ lautet der Beiname zu Bernhard Aichners neuestem Werk „Kaschmirgefühl“. Genau das ist es auch – ein kleiner Roman. Es sind leider nur 180 Seiten, die der Autor in einem Genre schreibt, das sich weit weg von dem befindet, was man sonst von ihm liest. Der Österreicher ist normalerweise Krimi-Autor und lässt seine Leserinnen und Leser vor Spannung zittern und nicht beben vor Lachen. Beim Hören dieses Buchs passierte mir aber genau das immer mal wieder.
Der komplette Roman besteht nur aus den Dialogen, die Yvonne und Joe am Telefon führen. Aber Yvonne und Joe sind eigentlich gar nicht Yvonne und Joe. Die beiden heißen Marie und Gottlieb, aber bereits beim Namen fangen beide an zu flunkern. Vermutlich ist es nicht ungewöhnlich, wenn man an einer Sexhotline miteinander spricht, nicht seinen richtigen Namen preiszugeben. Denn genauso passiert es hier. Marie verdient ihr Geld damit, dass sie Männer am Telefon „einheizt“. Aber genau das möchte Gottlieb nicht. Er möchte einfach nur mit ihr reden. Und so passiert es, dass die beiden die ganze Nacht hinweg telefonieren, flunkern, Geschichten erfinden, sich in eben diesen verlieren und vielleicht sogar verlieben.
Zu Beginn denken Marie und Gottlieb, der jeweils Andere möchten sie wohlmöglich nur veralbern. Dem entsprechend werden sie auch mal wütend und lauter am Telefon. Sie legen auf. Sie sind misstrauisch. Aber nach und nach entwickelt sich doch unterschwellig ein leichter Flirt. „Kaschmirgefühl“ wird dabei jedoch selten direkt und nie obszön – aber doch manchmal sexy.
Ich habe diesen Roman, wie weiter oben kurz erwähnt, als Hörbuch genossen und würde es jedem, der Hörbücher mag, auch so empfehlen. Ich denke, vieles von dem, was ich an „Kaschmirgefühl“ mochte, mochte ich vor allem aufgrund der Art und Weise wie die Geschichte hier inszeniert wurde: Das Telefonklingeln am Anfang des Gesprächs, das Schweigen, wenn Gottlieb oder Marie nicht wussten, was sie sagen sollten, die Klangfarben der Stimmen. Alles wirkte sehr authentisch. Das gefiel mir ausgesprochen gut. Es war als lauschte man heimlich über eine dritte Leitung. Der männliche Part wurde übrigens von Bernhard Aichner selbst eingesprochen – da schlägt das Fanherz doch direkt höher. Gottlieb wirkte auf mich die ganze Zeit sehr sympathisch, teils schüchtern, teils neckisch. Das gefiel mir sehr gut. Der Part von Marie passt ebenso wundervoll ins Bild, weil es die Sprecherin versteht, ihrer Stimme genau den richtigen Klang zu geben: lüstern, fordernd, energisch, sanft… hier ist alles dabei. Toll eingesprochen von beiden!
Der Autor hat es geschafft, dass man – obwohl „Kaschmirgefühl“ sehr eintönig geschrieben ist – neugierig blieb, wie es zwischen Marie und Gottlieb weitergeht, was es mit der Erzählung von Gottlieb auf sich hat und vor allem, was am Ende davon an Wahrheit übrig bleiben wird. Marie und Gottlieb bleiben jedoch bis zum Schluss geheimnisvoll.
Am Ende gibt es dann eine kleine überraschende Wendung, die die Geschichte abrundet und mich mit einem Lächeln das Hörbuch ausschalten ließ. Ich persönlich hätte mir jedoch eine etwas krassere Wendung gewünscht, die alles Gehörte in Frage gestellt oder mich mit offenem Mund zurückgelassen hätte – eben ganz im Stile eines Thriller-Autors.

Bewertung vom 06.03.2019
Der Feind an meiner Seite
Winter, Johanna

Der Feind an meiner Seite


ausgezeichnet

Das Buch wurde unter dem Pseudonym Johanna Winter veröffentlicht, da die Autorin Angst hat, ihr Ex-Mann könnte von ihrem Erfahrungsbericht Wind bekommen. Sie schildert aus ihrer Sicht die Jahre ihres Kennenlernens bis hin zur Scheidung sowie den fortwährenden und teils noch andauernden Rechtsstreitigkeiten.

Da die Autorin hier von ihren eigenen Erlebnissen berichtet, sind die Geschehnisse im Buch sehr detailreich und emotional beschrieben. Man fühlt die Hilflosigkeit, die Johanna gespürt hat. Man merkt ihre Verzweiflung, ihre Wut und ihre Resignation. Selbst jetzt – Jahre später, sieht man, dass sie sich teils immer noch mit der abschätzenden Brille betrachtet, die Rolf ihr aufgesetzt hat.

Ich fand viele der geschilderten Ereignisse erschütternd. Wie kalt und berechnend ein Ehemann und Vater sich gegenüber seiner Frau und seinen Kindern verhalten kann, ist unfassbar widerwärtig. Mir fielen während des Lesens dermaßen viele wüste Beleidigungen für diesen widerlichen Haufen Abschaum ein, dass ich über mich selbst erschrocken war. In solchen Momenten wünschte ich mir sehr, dass das Karma irgendwann, wenn Rolf am wenigsten damit rechnet, in voller Härte zuschlägt und ihn für sein jahrelanges Fehlverhalten büßen lässt.

Ich finde es sehr mutig von Johanna Winter, dass sie dieses Buch geschrieben und veröffentlicht hat. Wenn es nur einer anderen Frau hilft, sich aus einer ähnlichen Lage zu befreien, dann hat das Buch in meinen Augen seinen Zweck erfüllt. Außerdem sollte es jedem, der es liest, zeigen, dass man es gar nicht so schlecht hat, wie man vielleicht oftmals denkt.

Lobend erwähnen möchte ich noch, dass das Buch sehr stringent geschrieben ist. Die Geschehnisse werden chronologisch „abgearbeitet“ ohne zu viel vorzugreifen oder unnötig zu erläutern und zu verweisen.

Ein lesenswertes Buch über eine Ehe, die für Johanna Winter zu ihrer persönlichen Hölle wurde, aus der sie keinen Ausweg sah. Es macht Hoffnung zu sehen, wie sie es geschafft hat, sich aus Rolfs Wirkungskreis zu befreien. Ich wünsche ihr und den Kindern sehr, dass sie es weiterhin so gut meistern.

Bewertung vom 05.03.2019
Mitternachtsmädchen / Nathalie Svensson Bd.3
Moström, Jonas

Mitternachtsmädchen / Nathalie Svensson Bd.3


weniger gut

Eigentlich bin ich kein Fan von nordischen Krimis und Thrillern. Ich kann auch gar nicht genau sagen, wieso ich bisher nicht damit warm geworden bin. Immerhin probiere ich es aber immer wieder. Es gab darunter auch schon Ausnahmen, die mich wirklich begeistern konnten (z.B. „Die Vatermörderin“ und „Das Seegrab“ – beide von Carina Bergfeldt). Nun ja, ich bin also motiviert und beschwingt an dieses Buch herangegangen, da mir der Einstieg echt unheimlich gut gefiel, und habe gehofft, hier wieder so eine Ausnahme zu finden.

Jonas Moström schreibt sehr angenehm: bildlich – ohne ausufernd zu werden und flüssig – ohne die Sprache zu einfach werden zu lassen. Die Atmosphäre in Uppsala hat er sehr gut beschrieben. Tagsüber ist der Frühling in voller Blüte greifbar, Vögel zwitschern, Blumen sprießen… das nächtliche Uppsala mit seinen historischen Gebäuden jedoch wirkte bedrückend und unheimlich. Ich schätze es sehr, wenn Autoren die richtige Stimmung für die jeweilige Handlung schaffen können. Dies ist Jonas Moström hier perfekt gelungen.

„Mitternachtsmädchen“ ist in der Gegenwart und in der Vergangenheit geschrieben. In der Gegenwart begleitet den Leser ein neutraler Erzähler. Vor den Kapiteln ist Datum angegeben. In der Vergangenheit lautet die Zeitangabe nur „früher“. Diese Kapitel drehen sich um einen kleinen Jungen und seine Mutter. Die Personen, die der neutrale Erzähler während des Buchs begleitet wechseln. Es gibt auch eine Täterperspektive, die das Ganze etwas aufpeppt. Alles in allem ist der Aufbau recht einfach gehalten.

Die meisten Charaktere blieben für mich recht blass. Da es sich hier um den bereits dritten Fall für Nathalie Svensson handelt, kann es jedoch daran liegen, dass ich die Vorgänger nicht kenne und mir die persönliche Bindung dadurch fehlt. Nathalie als Hauptfigur wird dem Leser/der Leserin am detailreichsten dargestellt. Trotzdem konnte ich sie nicht immer gut verstehen und manchmal ging sie mir auch ziemlich auf die Nerven. Ständig ging es um ihre Haare, ihr Make-up und ihr Outfit. Außerdem hat sie im Sorgerechtsstreit um ihre Kinder nichts Besseres zu tun als sich für einen One-Night-Stand zu verabreden. Das alles hat sie auf mich oberflächlich wirken lassen.

Leider hatte das Buch für mich einen wirklich großen Makel: Ich fand es nicht spannend genug. Der Sondereinheit werden recht schnell drei Personen verdächtig. Um diese drehen sich dann die kompletten Ermittlungen. Diese scheinen sich aber im Kreis zu drehen. Klar gab es am Ende einiger Kapitel kleinere Cliffhanger, auch waren die Kapitel des Buchs meist recht kurz. Aber trotzdem war ich nicht sehr motiviert weiterzulesen.

Es gab für mich auch ein paar Logikfehler, die mich beim Lesen echt gestört haben. Zum Beispiel werden den Opfern ihre Handys vom Täter abgenommen. Ein Opfer hat jedoch direkt nach dem Überfall eine Freundin angerufen. Wie hat sie das gemacht? Mit einem Münztelefon? Beim dritten Opfer zu Hause wird von den Ermittlern ein vermeintliches Passwort auf dem Schreibtisch gefunden. Nathalie Svensson geht direkt davon aus, dass es sich um ein Passwort für eine bestimmte Dating-Website handelt (auf der sie selbst auch angemeldet ist, aber es niemandem sagt). Das Passwort passt nicht zur Dating-Website, trotzdem wird ein Computer-Spezialist damit beauftragt das Passwort zu hacken.Also hier schien es echt als hätte ich etwas verpasst. Ggf. ist auch bei der Übersetzung etwas verloren gegangen. Beides hat mich jedoch verwirrt. Solche Logiklücken machen mich in Büchern immer etwas unzufrieden. Außerdem gab es ein paar komische Ausdrucksweisen im Buch. Hier ein Beispiel: „… es roch weder nach Chlorophyll noch nach Blumen…“. Wie bitte riecht denn Chlorophyll? Kann mir das jemand sagen?
Ich werde die Reihe um Nathalie Svensson wohl eher nicht weiterverfolgen. Auch wenn ich interessiert bin, wie es mit ihrem Privatleben weitergeht, haben mich doch zu viele Dinge gestört. Ich empfehle das Buch an Reihen-Liebhaber von Ermittlungskrimis.

Bewertung vom 21.02.2019
Abgeschlagen / Paul Herzfeld Bd.1
Tsokos, Michael

Abgeschlagen / Paul Herzfeld Bd.1


ausgezeichnet

Bereits die ersten Seiten des Buchs schlugen ein wie ein Feuerwerk – wow! Eine Spannung, eine Atmosphäre, die man beinahe schmecken konnte.
Nach dem fulminanten Prolog teilt sich das Buch in drei Teile auf. Teil Eins spielt 3,5 Jahre zuvor. Teil Zwei und Drei zur Zeit des Prologs. Auch Teil Eins, der recht kurz war, hat mir den Atem geraubt. Wie bei einem Rechtsmediziner zu erwarten, schreibt Tsokos sehr detailverliebt über Oduktionen, Verletzungen und dergleichen. Das wurde mir direkt im ersten Abschnitt des Buchs wieder bewusst. Ich war dann doch froh, noch nicht gefrühstückt zu haben. Zartbesaitete sollten das beim Lesen vielleicht auch bedenken.
Je weiter die Geschichte dann voranschritt, umso kürzer und knackiger wurden die Kapitel, die uns Tsokos präsentierte. Das hat die Spannung toll vorangetrieben und mich echt durch die Seiten fliegen lassen. Ich kam mir vor wie in einem Actionfilm. Vor jedem Kapitel findet der Leser Datum, Zeit und Ortsangaben – aufgrund der häufigen Schauplatzwechsel und der immer kürzer werdenden Kapitel, empfand ich dies als sehr hilfreich, um gut in der Geschichte zu bleiben. Tsokos lässt den Leser/die Leserin durch kursiv dargestellte Abschnitte auch an den Gedanken seiner Figuren teilhaben. Dadurch konnte ich mich sehr gut in die jeweilige Person denken und mit ihr fühlen. Gegen Ende des Buchs gab es außerdem viel mehr Dialoge als zu Beginn. Das hat das Buch und vorallem das große Finale sehr lebendig gemacht. Auch die Sprache und bildlichen Beschreibungen, die Tsokos immer wieder einbaute, waren gut gewählt:
„In seinem Körper sammelten sich immer mehr kleine Angstpartikel, die sich in seinem Magen zu einem Stein aus Furcht zusammenballten.“
Die Charaktere gefielen mir. Herzfeld mochte ich bereits in „Abgeschnitten“ total gern. Seit ich den Film gesehen habe, stelle ich ihn mir übrigens wirklich als Moritz Bleibtreu vor.
Paul Herzfeld ist ehrlich, leidenschaftlich, auch mal aufbrausend, liebender Familienvater, besitzt hohe Moralvorstellungen und unheimlich viel Kompetenz im Bereich der Rechtsmedizin. Er ist auch mit Abstand die Figur, die am meisten Tiefe im Buch bekommen hat.
Der Polizist Tomforde gefiel mir ebenfalls gut. In einigen Punkten waren sich Herzfeld und er sehr ähnlich. In anderen Punkten ticken sie vollkommen unterschiedlich. Das liegt vermutlich an den geleisteten Dienstjahren, die Tomforde schon hinter sich hat. Bei manchen Dingen stumpft man ab und möchte einfach schnell zur Lösung kommen.
Volker Schneider wurde auch tiefer gezeichnet. Er ist mir direkt unsympathisch gewesen – was sicher von Tsokos auch so gewollt war. Ein richtig arrogantes Ekelpaket mit dem Hang zur Selbstüberschätzung. Ach was sag ich: Selbstverherrlichung trifft es wohl eher. Der Typ Chef, den man nie und nimmer haben möchte. Der Typ Mensch, dem man nie begegnen will.
Der Plot von „Abgeschlagen“ gefiel mir ausgesprochen gut, wenn ich auch recht schnell das richtige Bauchgefühl bezüglich des Ausgangs hatte. (Natürlich nicht in allen Einzelheiten und in der Komplexität wie von Tsokos dargestellt. Aber die Intention war da.) Einen kleinen Abzug gebe ich dafür, dass nicht alle Aspekte der Handlung am Ende des Buchs abschließend für mich geklärt waren – z.B. geht es hier um einen Anruf von Margret Schalck. Auch passten gewisse „Fehler“ nicht zu der sonst so korrekten Art mancher Figuren. Aber dies sei dem Autor verziehen, da „Abgeschlagen“ sonst wohl recht schnell geendet hätte.
Das Ende als solches war wider Erwarten nicht komplett abgeschlossen. Im Nachwort erfuhr ich dann, dass es mit Paul Herzfeld weitergehen wird. Das freut mich persönlich sehr. Und alle, die mich kennen, wissen, dass ich normalerweise kein Fan von Reihen bin. Ich vermute, dass es aufgrund des leicht offenen Ausgangs wohl zu einem Wiedersehen mit der einen oder anderen Figur kommen wird und bin jetzt schon wieder sehr gespannt darauf.

Bewertung vom 11.02.2019
Anatomie eines Skandals
Vaughan, Sarah

Anatomie eines Skandals


weniger gut

Das Buch würde ich als eher ruhig beschreiben. Die Autorin hat auf die meisten Stilmittel verzichtet, die Tempo in die Geschichte bringen würden. In „Anatomie eines Skandals“ liegt der Fokus auf wenigen Charakteren und ihren Gefühlen. Die beiden Hauptfiguren im Buch sind James´ Ehefrau Sophie und die Prozessanwältin Kate.
Abwechselnd wird die Gegenwart und die Vergangenheit der Figuren beleuchtet. Das ist absolut nicht neu oder außergewöhnlich, aber ich mag diesen zeitlichen Wechsel in Büchern einfach gern. Man ist automatisch damit beschäftigt, sich zu fragen, wie die Ereignisse zusammenhängen oder auch wie die Figuren sich charakterlich so verändern konnten. Beides war auch hier der Fall. Ich fand die Verknüpfung der Zeitstränge sehr gelungen und mochte die damit verbundene Überraschung.
Ich muss gestehen, dass mich der erste Teil des Buchs jedoch etwas angestrengt hat. Der Schreibstil von Sarah Vaughan ist sehr detailliert. Es wird teilweise auf mehreren Seiten beschrieben, wie das House of Commons aussieht. Und zwar jeder Winkel, jeder Raum, jeder Flur, durch den James läuft. Und er hatte einen weiten Weg. Das hat das eh schon geringe Tempo noch etwas mehr gebremst. Im weiteren Verlauf des Buchs hat diese ausschweifende Erzählweise etwas nachgelassen und das Tempo wurde angezogen. Hier war ich dann auch ganz in der Story gefangen. Ich tendiere dazu, den Mittelteil als „Justizthriller-ähnlich“ zu beschreiben, da der Prozess um James dort im Vorderpunkt steht. Auch Cliffhanger kamen nun zum Einsatz und haben mich durch die Seiten rauschen lassen. Der letzte Teil des Buches zog sich dann aber leider wieder. Positiv erwähnen muss ich unbedingt, dass in diesem Abschnitt Sophie viel mehr an Tiefe und Charakter gewonnen hat als man am Anfang vermutete. Aber da es fast keine ungeklärten Fragen mehr gab, konnte das Buch mich dann nicht mehr wirklich fesseln.
Wie bereits erwähnt, hat die Autorin viel Wert auf das Gefühlsleben ihrer Figuren gelegt. Loben möchte ich, die sehr authentisch gezeichneten Charaktere. Es gab keinen nur „guten“ oder nur „schlechten“ Menschen aus meiner Sicht. Leider war mir aber keine der Figuren sonderlich sympathisch. Das ist zwar kein „Muss“ in einer Geschichte – hilft aber oft die Spannung zu erhalten, da man mit „seinem“ Liebling mitfiebert. Das konnte mir hier also leider auch nicht helfen.
Alles in allem war es kein schlechtes Buch, aber es wird wohl schnell in meiner Erinnerung verblassen und ich spreche eher Roman-Fans mit Hang zum Drama hier eine Leseempfehlung aus. Spannungsliebende Leser kommen hier nicht auf ihre Kosten.

Bewertung vom 08.02.2019
Sadie
Summers, Courtney

Sadie


ausgezeichnet

Das Buch begann ich zunächst etwas verwirrt. Für mich war nicht klar, was genau mit Mattie geschah oder wieso sich Sadie auf die Suche nach dem Mörder begibt. Noch weniger war mir klar, wieso Sadie der Meinung war den Mörder zu kennen. Natürlich kamen nach und nach Vermutungen bei mir auf. Eine ganze Zeit lang, tappte ich im Halbdunkel, bis tatsächlich Licht ins Spiel kam und ich erahnte, welchen Plan Sadie verfolgt – vor allem das „Warum?“ wurde mir aber erst später klar.
Sadie ist anders als Andere – und damit meine ich nicht nur die Hauptfigur des gleichnamigen Buches, sondern auch das Buch selbst. Die Leseprobe hat mich direkt neugierig gemacht, da der Roman zum Teil im Stile eines Podcasts geschrieben ist. Ein Podcast ist eine Art Reportage, ein Radiobeitrag, der im Internet angeboten wird und mehrere Folgen umfasst. Bei „Sadie“ ist dieser Podcast niedergeschrieben: Wer spricht, wo spricht diese Person (zum Beispiel am Telefon oder im Studio), Hintergrundgeräusche und ähnliches werden angegeben und beschrieben. Hier ist natürlich Umdenken und Kreativität beim Lesenden gefragt. Ich konnte mir persönlich aber sehr schnell den Podcast in mein inneres Ohr denken und fand diesen Stil nach kurzer Eingewöhnungszeit grandios. Als kleiner Tipp für alle, die sich darunter noch nicht viel vorstellen können: Es gibt einen wunderbaren Buchtrailer vom Verlag Beltz & Gelberg, den ihr ansehen könnt, um euch das Ganze besser vorzustellen.
Die andere Hälfte des Buchs ist aus Sicht von Sadie selbst geschrieben. Und gerade das macht es total spannend. Als Leser erhält man seine Informationen zum Teil von Sadie, zum Teil aus dem Podcast und zum Teil vervollständigt man die Puzzleteile für sich selbst. Manchmal liefern Sadies Kapitel oder der Podcast Informationen, die wir schon kennen, sie aber nun aus der geänderten Sichtweise ganz anders betrachten und einschätzen können. Das fand ich äußerst gelungen und macht das Buch für mich dadurch erfrischend anders.
Die Kapitel sind überwiegend kurz gehalten und mich erwartete fast an jedem Ende ein Cliffhanger. Das war unheimlich spannend und man flog nur so durch die Seiten.
Die Hauptcharaktere sind aufgrund des bereits beschriebenen Stils teilweise unglaublich authentisch und greifbar dargestellt. Natürlich gibt es auch Charaktere, die aufgrund des Stils etwas weniger Tiefe haben. Mir gefiel diese Mischung – nicht jede (Neben-)Figur braucht unbedingt Tiefe. Der krampfhafte Versuch erzeugt meines Erachtens oft Längen oder wirkt klischeehaft. Nichts davon war hier der Fall. Sadie als titelgebende Figur hat jedoch Tiefe und zwar jede Menge: Sie wirkte auf mich sehr fokussiert, teilweise fast schon kühl und nüchtern in ihren Handlungen – wie ein Auftragskiller, dann wiederum war sie hoch emotional und ließ sich von ihren Gefühlen bestimmen, auch wenn es sich negativ auf sie auswirkte. Sehr oft wirkte Sadie unbeirrbar und entschlossen. In manchen Momenten war sie aber auch das junge Mädchen, das sie eigentlich auch gern gewesen wäre. Dann wiederum wirkte sie gebrochen, in Trauer gefangen, von Wut gebeutelt. Sie ist ein unheimlich facettenreicher Charakter und ich habe stets mit ihr fühlen können.
Es gab im Verlauf der Geschichte kleinere Plottwists, die mir gut gefielen. Die Auflösung war für mich überraschend – wenn auch nicht zu 100 Prozent zufriedenstellend (wer es liest oder gelesen hat, versteht mich vielleicht). Sadie ist ein tolles Buch für alle, die Lust auf einen etwas anderen Roman haben und Kriminalgeschichten im Stil von „Autopsie – Mysteriöse Todesfälle“ mögen.