Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
ullap64
Wohnort: 
47533 Kleve

Bewertungen

Insgesamt 127 Bewertungen
Bewertung vom 12.09.2023
Eigentum
Haas, Wolf

Eigentum


sehr gut

Marianne Haas hat ihr Leben lang gearbeitet, gespart und gehofft. Für die eigenen vier Wände. Nun liegt sie hochbetagt im Sterben, ihr Sohn blickt zurück auf Mutters langes, entbehrungsreiches, oft trostloses Leben und auch seine eigene Kindheit und Jugend, die mit von den Zwängen der Mutter bestimmt waren.

Der Autor Wolf Haas legt uns hier einen ungewöhnlichen und wohl überwiegend autobiographischen Roman vor, ein einseitiges "Zwiegespräch" mit der Mutter, teilweise nicht ohne Vorwürfe, aber auch humorvoll und ironisch geschrieben. Ein raffinierter, klarer, manchmal eindringlicher Sprachstil zeugen von einem Leben, dass für viele dieser Müttergeneration stehen kann: immer nur arbeiten, arbeiten, arbeiten, um am Ende mit (fast) nichts dazustehen. Das Buchcover, wie in einfachem Packpapier eingepackt, verdeutlicht die Situation zusätzlich.

Trotz allem habe ich das Buch nicht als trostlos empfunden. Irgendwie war für mich auch eine gewisse Zuneigung zwischen Autor und Mutter erkennbar, wenn man zwischen den Zeilen liest.

Obwohl das Buch nicht einmal 200 Seiten umfasst, sollte man es nicht schnell herunterlesen, sondern sich immer wieder Pausen zum Nachdenken nehmen, dann wird man mit einer ganz besonderen Geschichte belohnt.

Bewertung vom 24.08.2023
Simone
Reich, Anja

Simone


sehr gut

Das Buch beginnt direkt mit einem Paukenschlag: Kurz nach einem Anruf bei ihrer Freundin nimmt sich Simone scheinbar grundlos das Leben. Diese Freundin ist die Autorin Anja Reich selbst, der Roman ist autobiographisch. Die Autorin macht sich Jahre nach dem Selbstmord auf die Suche nach den Gründen dafür und nimmt hierzu Kontakt zu Simones Familie sowie ehemaligen Freunden auf.

Dieses außergewöhnliche Thema hat mich sehr berührt und auch mitgenommen.
Sehr feinfühlig aber auch ungeschönt gibt die Autorin hier nicht nur Simones Leben wieder, in dem sie immer wie eine Suchende dasteht, offenbar Konstanz sucht und doch nicht findet, sondern auch der Umgang der Hinterbliebenen mit der "Sache", die Viele so ungerne aussprechen möchten, wird dem Leser nahegebracht. Zusätzlich habe ich als Leser einen mir bisher nicht so sehr bekannten Einblick in das Arbeitsleben der DDR vor der Wende gefunden, die Wende für viele Ostbürger als Chance, für einige - wie Simone - jedoch auch als problematisch empfunden.
Zu Beginn hatte das Buch für mich noch einige Längen und gefühlt ähnliche wiederholte Szenen, die sich am Ende allerdings auch als wichtig zur Erklärung von Simones Innenleben erweisen.
Ein lesenswertes Buch, das mich nachdenklich zurückgelassen hat.

Bewertung vom 15.08.2023
Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie / Die Dresden Reihe Bd.1
Stern, Anne

Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie / Die Dresden Reihe Bd.1


ausgezeichnet

Der Roman spielt Mitte des 19. Jahrhunderts in Dresden kurz nach Fertigstellung der Semperoper. Die junge Elise wächst in einem musikalischen Elternhaus auf, ihre ganze Liebe gilt der klassischen Musik und ihrer Geige. Auf Wunsch ihres Vaters soll sie den um einige Jahre älteren Musikkritiker Jacobi heiraten und ihre erhoffte Karriere hintenan stellen. Wäre da nicht auch ihre heimliche Liebe zu dem jungen Theatermaler Christian...
Die Geschichte hat mich total in ihren Bann ziehen können. Eine gelungene Mischung aus Historie und fiktiver Geschichte, die mir einen tollen Blick hinter die Kulissen der aufstrebenden Semperoper verschafft hat, ebenso zu den gesellschaftlichen Hintergründen der damaligen Zeit, in der es keineswegs normal war, dass eine Frau ihrer Berufung und ihren Wünschen nachgehen durfte. Die unerlaubte Beziehung zwischen dem jungen Paar, ihre zarten Gefühle füreinander, hat die Autorin feinfühlig beschrieben und sind mir sehr unter die Haut gegangen. Ebenso haben mich die tollen Beschreibungen von Dresden und Umgebung begeistern können und weckten Erinnerungen an einen einige Jahre zurückliegenden Urlaub in der Gegend.
Ein leichter Cliffhanger am Ende lässt mich auf eine Fortsetzung in einem Folgeband hoffen.

Bewertung vom 14.08.2023
Marthas Geheimnis / Die Zuckerbaronin Bd.1
Sahler, Martina;Wolz, Heiko

Marthas Geheimnis / Die Zuckerbaronin Bd.1


ausgezeichnet

Dieser Roman erzählt uns von den beiden Familien Schinder und Wallendorf, die einen arm und die Schmuggelkönige vom Bayrischen Wald, die anderen gutsituiert durch den Aufbau eines Zuckerimperiums. Wie werden die beiden von jung an verfeindeten Väter auf die Liebe zwischen Tochter Schinder und Sohn Wallendorf reagieren?
Die Geschichte hat mich von Beginn an sofort in ihren Bann gezogen. Eine gelungene Verknüpfung zwischen Historie und Fiktion, die spannenden und gefährlichen Aktionen der Schmugglerfamilie sowie eingewobenen Liebesgeschichten ließen mich tief in die Handlung eintauchen. Die Charaktere -insbesondere die der doch so sehr unterschiedlichen drei Schindler-Mädchen - waren für mich sehr eindrucksvoll gezeichnet, ständig wechselten hier auch meine Sympathien. Stand zu Beginn noch die wilde und ungebundene Martha im Vordergrund, so wechselte der Schauplatz später zu der besonnenen und zielstrebigen Gwendolyn, die wohl im Folgeband im Vordergrund stehen wird. Der verträumten und noch jungen Helene werden später sicherlich auch noch Kapitel oder sogar ein eigener Roman gewidmet werden.
Eine tolle und beeindruckende Geschichte auch über die Erfindung des Zucker-Ersatzstoffes Saccharin, über dessen Bedeutung mir bisher in dem Masse noch nichts bekannt war.
Für dieses Buch, dass mich bis zum Schluss in Atem gehalten hat, meine absolute Leseempfehlung mit der großen Vorfreude auf den kommenden Band.

Bewertung vom 14.08.2023
Bei euch ist es immer so unheimlich still
Schröder, Alena

Bei euch ist es immer so unheimlich still


ausgezeichnet

Der Roman spielt auf zwei Zeit-und Handlungsebenenebenen: Evelyn als junge Ehefrau und Ärztin in den 50er Jahren, die als ehemaliges Flüchtlingskind in eine gutsituierte Familie in einer Kleinstadt in Süddeutschland einheiratet und für ihre Arbeit brennt, die Erwartungen der Familie und sich selbst an eine gute Mutter jedoch nicht erfüllen kann. Dann befinden wir uns in Ostberlin zu Zeiten der Wende und erleben Evelyns alleinstehende Tochter Silvia, die mit ihrem Baby Hannah in die Heimat zurückkehrt und sich der schwierigen Situation zwischen Mutter und Tochter stellen möchte.
Der Spagat zwischen den Zeiten, der Mutter-Tochter-Konflikt, ein Wechsel der leisen, lauten sowie ungesagten Töne sowie die Darstellung so mancher Päckchen, die hier auch einige interessante Nebenfiguren zu tragen haben, ist der Autorin hier für mich ausgezeichnet gelungen. Eine einfühlsame, leichtgängige Sprache ließ mich schnell und interessiert durch die Zeilen fliegen. Zwar habe ich weder für Mutter noch für Tochter eine enge Sympathie entwickeln können, was wohl auch gar nicht Botschaft dieses Romans sein sollte. Die Gefühlswelt der Charaktere als auch eine teilweise Sprachlosigkeit, wo man doch ansonsten Nähe und Vertrauen erwarten sollte, sind für mich hier hervorragend ausgearbeitet und haben mich das Buch sehr gerne und beeindruckt lesen lassen. Den Vorgänggerroman, der zeitlich nach diesem liegt und in dem es wohl um die Enkelin Hannah geht, werde ich mir gerne noch besorgen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.08.2023
Vom Ende der Nacht
Daverley, Claire

Vom Ende der Nacht


sehr gut

Über ihren Zwillingsbruder Josh lernt Rosie dessen Freund Will kennen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine gewisse Anziehungskraft, die gefühlsmäßig über mehr als platonische Freundschaft hinausgeht. Ein schlimmer Schicksalsschlag zerstört gleich zu Beginn bereits das zarte Pflänzchen aufkommender Liebe. Wir begleiten die beiden in diesem Roman über lange Jahre hinweg, in denen ihnen immer irgendwie das Leben und die eigenen Unzulänglichkeiten dazwischen kommen.

Dieses Buch ist eigentlich so viel mehr als eine reine Liebesgeschichte. Alle Protagonisten haben so ihr eigenes Päckchen zu tragen, mal mehr, mal weniger. Auch wenn ich zu Beginn keinen tieferen Zugang zu den Charakteren gefunden habe, konnte mich am Ende die Geschichte doch insgesamt überzeugen, das Verhalten und auch die Selbstreflektionen der Figuren haben mich zum Schluss hin immer mehr beeindruckt. Insgesamt keine leichte Geschichte, die ich jedoch als lesenswert empfehlen kann.

Bewertung vom 03.08.2023
Wo du mich findest
Barns, Anne

Wo du mich findest


ausgezeichnet

Nachdem Sophie innerhalb kurzer Zeit sowohl ihren Vater als auch ihre beste Freundin verloren hat, nimmt sie sich eine kurze Auszeit auf Rügen, wo sie versehentlich einem Fremden das Hemd mit Kaffee beschmutzt. Wieder daheim, verfolgt Sophie diese kurze, vermeintlich unbedeutende Begegnung durch ihren Tagesverlauf und lässt sie nachts nicht mehr schlafen. Der Fremde wird Bestandteil ihrer Träume, der Übergang zwischen Fiktion und Wirklichkeit erscheint ihr fließend, für das Leben mit ihrem Ehemann hat sie keine Antennen mehr, da die Beziehung vorher schon sehr eingefahren war. Kann sie bei einer Rückkehr nach Rügen den Fremden vielleicht ausfindig machen?

Bisher kannte und mochte ich die schönen Sommer-Wohlfühlromane von Anne Barns sehr. Dieses Buch hat mich im positiven Sinne zusätzlich überrascht. Auch wenn hier Liebesbeziehungen und Freundschaften im Vordergrund stehen, tolle Landschaftsbeschreibungen gleich wieder das Fernweh in einem wecken, hat dieses Buch doch so viel mehr. Große tiefgehende Gefühle, das Zulassen oder auch Ablehnen von Nähe, Freundschaften, die auch über den Tod hinaus bestehen oder erst in späten Jahren neu und dennoch intensiv sich bilden, all dies hat mich in dem tollen Roman sehr berührt und teilweise nachdenklich hinterlassen. Der eingängige Schreibstil der Autorin brachte mir die Gefühle der Protagonistin, die in Ich-Form bzw. auch in persönliche Ansprache agiert, sehr nah. Leider war dieses Buch viel zu schnell ausgelesen, die Gedanken werden noch einige Zeit in mir nachhallen.

Bewertung vom 31.07.2023
Perlenbach
Caspari, Anna-Maria

Perlenbach


ausgezeichnet

Das Buch spielt Ende des 19. Jahrhunderts und führt uns in die Eifel in die Ortschaften Montjoie (späteres Monschau) und Wollseifen. Hier begegnen sich schon als Kinder die drei Protagonisten Luise, Jacob und Wilhelm, die alle so ihre mit Schwierigkeiten verbunden Lebensziele verfolgen. Wie und ob sie diese erreichen, davon erzählt uns dieser einfühlsame und spannende Roman.

Wie der Vorgängerband Ginsterhöhe, der zeitlich jedoch nach "Perlenbach" spielt, habe ich auch dieses Buch mit großer Begeisterung gelesen. Mit klarem Sprachstil bringt uns die Autorin schwierige Zeiten zwischen Arm und Reich, Mann und Frau sowie Stadt und Land eindrucksvoll nah. Was bedeuten Freundschaften, auch wenn sie auf schwere Belastungsproben gestellt werden?

Auch hier werden wieder durch eingestreute Tagebuchaufzeichnungen (diesmal von Luises Gouvernante) Gedanken zur Zeitgeschichte eindrucksvoll in die Handlung eingewoben, der Leser erhält somit tolle Informationen zu diversen historischen Fakten, die ich so nicht mehr präsent hatte.

Eine wunderbare und tiefgründige Geschichte aus einer mir zwar unbekannten Zeit, aber aus der Gegenwart bekannten Gegend, die ich sehr gerne gelesen habe und jedem ans Herz legen kann. Kenntnisse aus dem Vorband sind nicht notwendig, der Zusammenhang erschließt sich erst ganz zum Schluss und auch nur am Rande.

Bewertung vom 31.07.2023
Die Spur der Aale / Ein Fall für Greta Vogelsang Bd.1
Wacker, Florian

Die Spur der Aale / Ein Fall für Greta Vogelsang Bd.1


sehr gut

Es handelt sich um den ersten Band einer neuen Reihe rund um die Frankfurter Staatsanwältin Greta Vogelsang, die für Umwelt- und Artenschutzdelikte zuständig ist. Während ihres Bereitschaftsdienstes wird die Leiche des Zollfahnders Mathissen im Main gefunden, Unfall oder Mord? Haben Mathissen letzte Ermittlungen etwas mit seinem Tod zu tun und welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang ein chinesisches Restaurant samt Mitarbeitern sowie zwei junge französische Kurierfahrer?
Dieser Wirtschaftskrimi hat mich sehr gut unterhalten. Eine Staatsanwältin als Hauptermittlerin war für mich bisher neu, das Gerangel um Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Abteilungen des Polizei- und Justizapparates sehr aufschlussreich. Wenn auch die Ermittlungsarbeit eher etwas schleppend und oberflächlich anläuft, fand ich den Fall bis zum Ende, in dem sich die verschiedenen Handlungsstränge gut zusammenfügten, doch sehr spannend, das eigentliche Thema, in dem sich der Titel der Geschichte widerspiegelt, äußerst interessant. Zusätzliche Einblendungen in das nicht immer einfache Privatleben von Greta haben mich sehr berührt und zeigten ihre menschliche Seite.
Insgesamt ein solider Start in eine neue Reihe, ein (kleiner) Cliffhanger am Ende macht mich neugierig auf den Folgeband.

Bewertung vom 24.07.2023
Wir träumten vom Sommer
Rehn, Heidi

Wir träumten vom Sommer


gut

Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht die junge Studentin Amrei, die aus der Pfalz stammt, während des Studiums aber bei ihrer Tante Annamirl in München lebt.
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: In den Jahren 1967/1968 werden der Beginn von Amreis Studium und ihr Leben während der Studentenunruhen beschrieben. Sie steht zwischen zwei Männern: einem Kunststudenten und einem Polizisten, der Gegensatz könnte zu dieser Zeit fast nicht größer sein. 1972 kehrt sie nach einem Auslandsaufenthalt wegen eines Hostessen-Jobs bei der Olympiade zurück.
Die Beschreibungen der Unruhen sowie die Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Polizeiapparat fand ich sehr interessant, ebenso das erfreulich kurz, aber doch aus der Sicht der Studenten und der Hostess Amrei beschriebene Attentat auf die israelische Mannschaft, eine mal ganz andere Betrachtungsweise.
Insgesamt hatte das Buch jedoch für mich im Hinblick auf das Studentenleben einige unnötige Längen, in denen für mich nichts wirklich Neues passierte. Zu den Charakteren fand ich durchgehend keinen Zugang, sympathisch war mir hier allenfalls die sehr positiv modern wirkende Tante. Ebenso haben sich mir die beiden Zeitebenen, zwischen denen regelmäßig gewechselt wurde, nicht wirklich erschlossen, manchmal habe ich den Wechsel anhand des Inhaltes nicht mal richtig bemerkt.
Eine solide Arbeit, leider nicht mehr.