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⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

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Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 14.04.2018
Totenweg / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.1
Fölck, Romy

Totenweg / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.1


ausgezeichnet

Die junge Polizistin Frida Paulsen strebt den höheren Dienstgrad an; der erfahrene Kriminalkommissar Bjarne Haverkorn nähert sich bereits der Pensionierung. Was sie verbindet ist ein ‘Cold Case’: ein ungeklärter Mordfall:

Frida war 13, als ihre beste Freundin Marit ermordet wurde – und sie war diejenige, die deren Leiche fand. Haverkorn, damals der leitende Ermittler, ahnte, dass Frida ihm etwas verschwieg, konnte den Fall jedoch letztendlich weder lösen noch loslassen.

Was sie wieder zusammenbringt ist ein Überfall auf Fridas Vater. Der liegt danach schwer verletzt im Koma, was Frida zwingt, zurückzukehren in heimatliche Gefilde: in die Elbmarsch.

| MEINE MEINUNG |

Eine der größten Stärken des Buches ist in meinen Augen die komplexe Dynamik zwischen Frida und Haverkorn…
…spürbar auch in Szenen, in denen sie nicht direkt interagieren. Zwiespältig, geprägt von gegenseitigem Misstrauen, aber auch von einer widerwilligen Verbundenheit: Marits Tod hat sie beide tief getroffen.

Fridas Fähigkeit, zu anderen Menschen tiefere emotionale Bindungen einzugehen, hat unter dem Trauma stark gelitten. Es ist bezeichnend, dass sie sich ausgerechnet für eine Karriere bei der Polizei entschieden hat – obwohl sie selber seit vielen Jahren Wissen über den Mord an ihrer Freundin verschweigt.

Auch Haverkorn hat dieser alte Fall unwiderruflich geprägt. Ein Mord an einem Kind lässt einen Ermittler nie kalt, aber aus persönlichen Gründen traf ihn Marits Tod bis ins Mark. Sein selbst empfundenes ‘Versagen’, den Mörder niemals gefunden zu haben, hat nicht nur seine berufliche Laufbahn beeinflusst.

Sie sind mitnichten perfekte Menschen. Beide haben gravierende Fehler begangen, sei es nun beruflich oder menschlich.
Aber für mich machte sie gerade das menschlich, ‘echt’ – und trotz aller Fehler sympathisch. Ihr Privatleben nimmt zwar relativ viel Raum ein, aber in meinen Augen lenkt das nicht von der Spannung des Falls ab.

Auch die anderen Charaktere sind sehr lebensecht und authentisch. Die Autorin zeichnet ein atmosphärisch dichtes Bild des Lebens der Menschen in der Elbmarsch, besonders dem der Apfelbauern, dabei hat sie ein feines Händchen für die zwischenmenschlichen Beziehungen.

Den Schreibstil fand ich sehr ansprechend. Er hat nicht nur einen angenehm flüssigen Sprachrhythmus, sondern vermittelt mit liebevollen und gut recherchierten Details auch viel regionales Flair.

Dennoch ist “Totenweg” für mich ein Krimi, der auch ohne das Etikett ‘Regionalkrimi’ überzeugen könnte.
Sehr gelungen fand ich, dass die Geschichte auf zwei Zeitebenen und aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt wird, sich aber alles nahtlos zusammenfügt. Die Handlung ist solide konstruiert, mit einigen interessanten unerwarteten Wendungen, die nicht nur neues Licht auf den Fall werfen, sondern auch im persönlichen Leben von Frida und Haverkorn einiges durcheinanderbringen. Besonders eine Enthüllung gegen Ende hat mich kalt erwischt – da hätte ich nie mit gerechnet, obwohl ich im Rückblick zugeben muss, dass es Anzeichen dafür gab.

Ich habe mich von Anfang bis Ende gut unterhalten gefühlt, auch wenn es einige eher ruhige Passagen gibt, die mehr von der Atmosphäre leben als von der Spannung.
Die Auflösung fand ich im großen und Ganzen sehr schlüssig und gut gelungen, nicht nur die Aufklärung des Falls, sondern auch die Frage, warum Frida all die Jahre geschwiegen hat. Schade fand ich, dass ihr Schweigen im Endeffekt weniger tatsächliche Auswirkungen hat, als man dem Klappentext nach vermuten könnte.

Ein klein wenig bemängeln könnte ich auch, dass eine hochspannende Entwicklung am Schluss nur im Rückblick erzählt wird statt unmittelbar und mittendrin im Geschehen – aber das wäre eines Erachtens Jammern auf hohem Niveau.

Bewertung vom 13.04.2018
Die bittere Gabe
Wiseman, Ellen Marie

Die bittere Gabe


weniger gut

Der wichtigste Schauplatz, ein Wanderzirkus in den 30er und 40er Jahren, und die kindliche Protagonistin, die an dessen ‘Freakshow’ verkauft wird, lassen erwarten, dass das Buch ein gleichermaßen sozialkritisches wie spannendes Thema aufgreift: das Leben von Menschen, die in dieser Zeit aufgrund ihrer empfundenen Andersartigkeit als Außenseiter gebrandmarkt wurden.

Die Handlung wird dabei auf zwei Zeitebenen erzählt: in einer davon folgt der Leser Lillys Werdegang im Zirkus, in der anderen den Erlebnissen von Julia, die zwei Jahrzehnte später Lillys Elternhaus erbt und deren außergewöhnliches Leben aus einem anderen Blickwinkel recherchiert. An sich die perfekte Grundlage für ein ebenso außergewöhnliches Buch!

Leider konnte es meine hohen Erwartungen dennoch nicht erfüllen.

Zum Teil liegt das meines Erachtens am Schreibstil – zwar werden einige der Zirkusszenen in bunten Details geschildert, der Stil wirkte auf mich über weite Strecken jedoch sehr einfach, flach und fast schon leblos.

Die ‘Freaks’ werden immer wieder mit ihren vollen Zirkustiteln genannt. Ich vermute, dass die Autorin damit zeigen möchte, wie sehr diese Menschen von der Gesellschaft auf ihre Andersartigkeit reduziert werden, aber stattdessen tut es genau das und verhindert, dass der Leser die Persönlichkeiten hinter den Klischees kennenlernt.

Ich hätte mir gewünscht, dass die Geschichte bewusst aus diesem sozialen ‘Käfig’ ausbricht.

Zitat:
“Dolly, die schönste dickste Frau der Welt, und Penelope, die singende Zwergenfrau, saßen in dem Waggon auf Holzkisten, lachten und wedelten sich mit Papierfächern Luft zu. Dina, die lebende halbe Frau, trug ein Stirnband, das mit Federn geschmückt war, sowie eine mit Pailletten besetzte Bluse und rauchte eine Zigarette, während sie auf einem umgedrehten Weinfass hockte und sich mit Spear, dem lebenden Skelett, unterhielt.”

Aber nicht nur die ‘Freaks’ bleiben dadurch eindimensional. Besonders die Widersacher zeigen beinahe ausschließlich ‘böse’ Eigenschaften. Aber auch Lilly und Julia selber konnten mich nicht gänzlich überzeugen.

Die Darstellung von Lilly fand ich geradezu bedenklich: es wird immer wieder betont, wie anders sie ist, gleichzeitig wird ihre Andersartigkeit geschönt, idealisiert, romantisiert, als wäre sie nur dann akzeptabel. Lillys Rolle in diesem Drama scheint sich darauf zu beschränken, zu leiden, zu leiden und noch mehr zu leiden – und dabei wunderschön auszusehen.

Sie ist auf absurd übertriebene Weise perfekt, und damit wird ihre Erkrankung zum bloßen Gimmick.

Zitat:
»Du undankbare Ausgeburt des Teufels!«, schrie Momma. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht an mir zweifeln sollst?«
»Es tut mir leid, Momma«, rief Lilly weinend.
Momma trat ihr mit dem Fuß in die Seite. »Was habe ich getan, dass ich mit dieser Plage gestraft bin?«, zischte sie. »Jetzt runter auf die Knie und beten!«
»Aber Momma…« Lilly schluchzte so heftig, dass sie nicht aufstehen konnte und kaum Luft bekam. Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht, während sie zum Bett kroch und sich daran hochzog.”

Ich habe mich gefragt, wie Lilly, die einen Großteil ihrer Kindheit isoliert und eingesperrt verbracht hat, ihre Sozialkompetenz entwickeln konnte. Wieso sie einen ganz normalen Wortschatz hat. Wie es kommt, dass sie offensichtlich vollkommen gesund ist, trotz Mangels an Sonnenschein, Bewegung und frischer Luft.

Julia hingegen ist in meinen Augen wenig überzeugend, weil sie sich benimmt wie eine junge Frau in der heutigen Zeit und dieses Verhalten auch weitgehend akzeptiert wird. Ich musste mir mehr als einmal in Erinnerung rufen, dass ihr Teil der Geschichte in den 50er Jahren spielt.

Mir fehlte das Gefühl, dass die Charaktere sich im Laufe der Geschichte wirklich weiterentwickeln – und dass es einen Handlungsbogen gibt, der über Leid und Unglück hinausgeht.

Das Ende war für mich nicht schlüssig oder glaubhaft, auf keiner der beiden Zeitebenen.

Bewertung vom 11.04.2018
Die Namen der Toten
Bailey, Sarah

Die Namen der Toten


sehr gut

Richard Vega ist ein Ermittler der etwas anderen Art: der ehemalige Militärpriester ist erst seit ein paar Jahren bei der Kripo, hat ein heroinabängiges Mädchen als Ziehtochter bei sich aufgenommen und führt eine quasi-Beziehung mit seiner Vorgesetzten. Zwar schleicht sich gegen Ende ein klitzekleines Krimi-Klischee ein…

Natürlich muss Vega an einem Punkt im Alleingang und gegen klar Anweisungen ermitteln, weil nur er den Fall klären kann!

…aber ansonsten ist er ein komplexer, interessanter Charakter.

Auch die anderen Charaktere fand ich überwiegend gut geschrieben und angenehm vielseitig; sogar die Widersacher und Kriminellen – ja, selbst der/die Mörder! – haben meist nachvollziehbare, wenn auch nicht unbedingt entschuldbare Motive.

Am schwersten tat ich mich mit Daria Rosen. Sie wird als starke Frau dargestellt – aber dann wiederum auch nicht, und überhaupt konnte ich ihr Handeln oft nicht nachvollziehen.

Obwohl mir das Buch an sich sehr gut gefiel, waren die vielen Passagen, in denen es um Darias Verhältnis zu Richard geht, für mich einfach zu zahlreich, und dabei entwickelte dieses zu wenig Dynamik, um interessant zu sein. In meinen Augen hätte das Buch diese fast-Liebesgeschichte nicht gebraucht. Sie ließ Daria in einem sehr schlechten Licht erscheinen: sie stößt Richard weg, lässt ihn aber nie wirklich gehen, kurz gesagt, sie lässt ihn am ausgestreckten Arm verhungern, und das war irgendwann nur noch ermüdend.

Dafür konnte mich mein Lieblingscharakter Zaid Khan wieder mit dem Buch versöhnen.

Den kann Richard am Anfang nicht ausstehen (er hält ihn für einen arroganten kleinen Schnösel), aber im Laufe des Buches zeigt Zaid nicht nur ungeahnte Talente, eine wache Intelligenz und die Fähigkeit, auch mal um die Ecke zu denken, sondern bringt auch Humor in die Geschichte. Außerdem fand ich die Freundschaft, die sich zwischen Richard und Zaid entwickelt (sehr wiederwillig von Richards Seite), um Längen interessanter als die ganze Geschichte mit Daria.

Richards Ziehtochter Cherry ist hingegen ein fast schon tragischer Charakter, der für mein Empfinden ein wenig zu kurz kam. Sie hätte Potential für mehr gehabt.

In diesem Buch geht es viel um zwischenmenschliche Dynamik in all ihren Spielarten.
Immer wieder spielen Machtstrukturen eine Rolle, ob nun innerhalb der Familie oder innerhalb einer kriminellen Organisation. Besonders die jugendlichen Charaktere werden auf ihre Art alle beeinflusst und verändert von diesen Strukturen, zum Teil mit tragischem Ausgang.

Genauso vielfältig sind die vielen Handlungsstränge, bei denen der Leser lange nicht weiß: was hängt zusammen, was ist eine falsche Fährte? Verschiedene Menschen haben hier große Schuld auf sich geladen, auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen.

Der Mord, mit dem die Geschichte anfängt, ist nur die Spitze des Eisbergs
Da spielen auf einmal auch Geschehnisse eine Rolle, die Missstände anprangern und zur Sozialkritik auffordern, dies aber nicht mit erhobenem Zeigefinger. Alles fügt sich nahtlos ein in die Ermittlungen, ohne dass es aufgesetzt wirkt, und macht trotz allem betroffen.

Mir hat diese Komplexität sehr gut gefallen; auch die letztendliche Auflösung fand ich schlüssig und dennoch konnte sie mich überraschen. Unser Krimi-Leserkreis war da allerdings gemischter Meinung: zwei der Teilnehmerinnen fanden die vielen Handlungsstränge etwas ermüdend – dennoch gefiel ihnen das Buch im Großen und Ganzen.

Auch angesprochen beim Treffen des Lesekreises wurden die Namen der Charakter. Diese werden nicht nur manchmal mit Vornamen, manchmal mit Nachnahmen genannt, sondern zum Teil auch mit mehreren Spitznamen. Mich persönlich hat es nicht gestört, ich möchte aber erwähnen, dass ein paar Teilnehmer es verwirrend fanden.

Der Schreibstil ist ansprechend, intelligent und eher ruhig, kann aber dennoch Spannung und Atmosphäre aufbauen.

Bewertung vom 05.04.2018
Bullet Journal
Meier-Soriat, Diana

Bullet Journal


ausgezeichnet

Da ich selber dem Bullet-Journal-Fieber verfallen bin, bin ich sehr angetan von der momentanen Welle des Interesses an diesem genialen Planersystem! Das Schöne daran ist, dass man immer wieder etwas Neues darüber lernen kann und der eigene Planer sich ständig verändert, erweitert und umstrukturiert, bis er perfekt auf seinen Besitzer zugeschnitten ist. Und das Tollste: das ist ganz einfach.

Diana Meier-Soriat gibt dem Leser alles an die Hand, was er braucht – dieses Praxisbuch ist wunderbar strukturiert und besonders (aber nicht nur!) für Anfänger eine wahre Goldgrube an Informationen.

Warum macht Bullet Journaling gerade in unserer digitalen Welt Sinn? Ist das System etwas für mich, und wie sieht sowas aus? Was erwartet den Leser in diesem Ratgeber?

Ein besonderes Highlight war für mich die Materialkunde im zweiten Kapitel.

Ich plane seit vielen, vielen Jahren und habe schon einiges durchprobiert. Und ich wünschte, ich hätte in meinen Anfangstagen voller Irrungen und Wirrungen einen Ratgeber wie diesen gehabt! Ihr wollt gar nicht wissen, wie viele angefangene Notizbücher und Planer hier herumliegen, weil sich dann doch herausstellte, dass sie für meine Zwecke nicht das Richtige waren...

Glaubt mir: die Wahl des richtigen Notizbuches und der richtigen Stifte kann wichtiger sein, als man vermuten würde!

Diana Meier-Soriat geht ins Detail: übliche Lineaturen, Papiergewicht/qualität – wann eignet sich glattes Papier besser, wann rauhes? –, verschiedene Einbandarten, verfügbare Größen usw. Sie stellt auch einige Marken vor, deren Notizbücher sich hervorragen fürs Bullet Journaling eignen, wie zum Beispiel das allseits beliebte Leuchtturm 1917, das japanische Hobonichi oder das eher unbekannte LemoMe.

Auch die verschiedensten Arten von Stiften werden vorgestellt, was für Anfänger sicher hilfreich ist – bei Finliner, Filzliner, Fasermaler, Textmarker, Brushpen und Textmarker kann man schon mal durcheinander kommen.

'Rapid Logging', 'Key Codes', 'Bullets', 'Future Log', was?!

Die Autorin erklärt diese Begriffe gut verständlich mit anschaulichen Beispielen. Auch die üblichen 'Bausteine' eines Bullet Journals werden von ihr ausführlich beschrieben: da gibt es den Index, der als Inhaltsverzeichnis des Journals dient, das 'Future Log', mit dem man zukünftige Termine planen kann, und wahlweise Monats-, Wochen- oder Tagesübersichten. Hier geht es nicht nur ums Optische, sondern auch darum: wie kann ich das nutzen, inwieweit hilft mir das?

Aber es gibt auch Fotos mit konkreten Beispielen, die man wunderbar als Vorlage oder Grundlage für das eigene Bullet Journal nehmen kann. Ich habe ein paar Ideen schon verwendet und werde in Zukunft sicher noch andere ausprobieren!

Über die grundlegendste Planung hinaus:

Natürlich kann man ein Bullet Journal ausschließlich als Kalender nutzen, aber die Möglichkeiten sind endlos. Einige davon stellt die Autorin im sechsten Kapitel vor, wie zum Beispiel den Habit-Tracker, mit dem man die eigenen Gewohnheiten beobachten und dadurch besser beeinflussen kann, den Bücher-Tracker, der das Leseverhalten dokumentiert, den Haushalts-Tracker (gegen den inneren Schweinehund), Einkaufslisten, Rezepte, Hochzeitsplanung, Social-Media-Planung, und, und, und...

In meinem eigenen Bullet Journal möchte ich einiges davon noch einbauen!

Zuguterletzt spricht Diana Meier-Soriat noch über die Nutzung des Bullet Journals als Tagebuch: als 'normales' Tagebuch, Reisetagebuch oder auch ganz kreativ mit Zeichnungen und Bildern. Die Verwendungsmöglichkeiten von Farben und Dekoelementen bleiben nicht unbeachtet, und auch Washi-Tape, Stempel und Schablonen dürfen nicht fehlen.

Social Media:

Ein nettes Schmankerl: einige schöne Instagram-Kanäle und Webseiten zum Thema werden zum krönenden Abschluss mit Beispielbildern aufgelistet.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.04.2018
Gestalte dein Journal mit der Bullet-Methode
Arensmeier, Jasmin

Gestalte dein Journal mit der Bullet-Methode


ausgezeichnet

Wer mich kennt, der weiß: ich liebe, liebe, LIEBE Planer.

Ob Haushalt, Hobby oder Gesundheit, mir helfen Planer dabei, produktiver zu sein und meine Zeit sinnvoller zu nutzen. Nun gibt es Planer ja in allen möglichen Ausführungen: als Ringbuch, Softcover, Hardcover, Traveler's Notebook, digital als App fürs Smartphone, und, und, und... Im Laufe der Jahre habe ich alle Spielarten ausprobiert, stellte aber schnell fest, dass fertig vorgedruckte Planer mit nicht genug Freiraum bieten.

Auftritt: Bullet Journal

Das Bullet Journal ist ein DIY-Planersystem, bei dem man sich seinen eigenen Planer exakt so gestaltet, wie man ihn haben möchte und braucht, und das kann von minimalistisch bis hochkünstlerisch einfach alles sein.

Das Buch von Jasmin Arensmeier stellt diese Methode vor, und das ist besonders (aber nicht nur) für Einsteiger interessant.

Im ersten Kapitel stellt sie in einem schönen Überblick die Grundlagen der Methode und ihren Erfinder, Ryder Carroll, vor. Dabei kommt zur Sprache: was brauche ich, wie wähle ich das richtige Notizbuch und die richtigen Stifte für mich aus, was gibt es sonst noch so an Zubehör (Schablonen, Sticker, Stempel)...

Im zweiten Kapitel geht es dann direkt ans Eingemachte.

Hier werden erstmal die üblichen Seiten vorgestellt, die fast jedes Bullet Journal hat: Inhaltsverzeichnis, Jahresübersicht, Monatsübersicht, Wochenübersicht, Tagesplanung. Dabei kann man natürlich nach Belieben auswählen, was man für sich wirklich braucht! So verwende ich in meinem Lesetagebuch zum Beispiel nur Jahres- und Monatsübersichten, in meinem Blogplaner jedoch hauptsächlich Wochenübersichten.

Die Autorin zeigt viele Beispiele aus ihrem eigenen Bullet Journal, sowohl sehr kreative als auch eher minimalistische Layouts. Sie betont, dass Bullet Journaling etwas sehr Subjektives ist und daher auch die unterschiedlichsten Herangehensweisen ihre Daseinsberechtigung haben. Als Anfänger kann man ihre Seiten erstmal als Vorlage nehmen, aber sie natürlich auch abwandeln und an den eigenen Geschmack anpassen.

In diesem Kapitel gibt es auch sehr interessante Informationen darüber, wie man seine Produktivität steigern kann, ohne sich zu überfordern. Da geht es zum Beispiel darum, auszuwählen, was wirklich dringend ist und was nicht, oder wie lange es dauert, bis ein neues Verhaltensmuster zur Gewohnheit wird.

Dazu passend zeigt Jasmin Arensmeier verschiedene Beispielseiten: Gewohnheitstracker, Quartalsziele, aber auch Dankbarkeitslisten oder Ausgaben.

Im dritten Kapitel geht es um Handlettering, Schmuckelemente zum Selberzeichnen und nützliche Tricks und Kniffe.

Hier sieht man wunderbar, welche kreativen Möglichkeiten man alleine mit Stift und Papier hat, und damit kommt die erste Reise durchs Land des Bullet Journaling auch fast schon zum Ende.

Das vierte Kapitel bietet ein paar Anleitungen für DIY-Projekte, und im letzten Kapitel dreht sich alles um das Thema Inspiration.

Wo finde ich Inspiration? Wo finde ich Gleichgesinnte? Was sind die besten Bullet-Journal-Hashtags? Außerdem: 99 Ideen fürs Bullet Journal, vom Putzplan über Lieblingszitate bis hin zu relevanten Öffnungszeiten.

Abschließend zeigt die Autorin ihre persönlichen Lieblingsseiten aus ihrem Bullet Journal.

Obwohl mir das Thema Bullet Journal nicht ganz neu war, fand ich das Buch dennoch sehr lohnend.

Es bietet einen sehr guten Gesamtüberblick und viele Anregungen, die man nach Lust und Laune umsetzen, umgestalten und erweitern kann. Als Anfänger findet man hier direkt alles, was man braucht, um loszulegen, und die schönen Beispielfotos machen auch wirklich Lust darauf, es mal auszuprobieren.

Bewertung vom 02.04.2018
Die Lügnerin
Ullmann, Linn

Die Lügnerin


weniger gut

"Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich; unglücklich ist jede Familie auf ihre eigene Art."
(Leo Tolstoi)

An dieses Zitat fühlte ich mich beim Lesen öfters erinnert, denn die Familie Blom ist ohne jeden Zweifel sowohl unglücklich als auch eine bunte Ansammlung starker und widersprüchlicher Persönlichkeiten. Ob das jetzt die stets zornige, genüsslich verbiesterte Tante Selma ist, die unwiderstehlich schöne Mutter/Schauspielerin Anni, die traurige Schwester Julie – oder eben Karin: die Ich-Erzählerin, die Lügnerin.

Diese hat als Kind schon den Unterschied gelernt zwischen Lügen, die sich lohnen, und solchen, die ihr nur Ärger einbringen, und seitdem lügt sie. Aus Langeweile, aus Geltungssucht, um etwas zu bekommen oder einfach aus Prinzip, jedenfalls unverfroren und ohne mit der Wimper zu zucken. Als Leser schwant einem schnell, dass man auch dem nicht bedingungslos Glauben schenken kann, was sie über ihre Familie erzählt.

Der Übergang zwischen Lüge und Fantasie ist dabei oft fließend. So beginnt Karin auf einer Hochzeit ein Gespräch mit dem Priester, das zunehmend unwahrscheinlicher klingt, bis man sich verunsichert fragt, ob Karin selber glaubt, was sie da erzählt. Vielleicht überreizt sie die Glaubwürdigkeit auch ganz bewusst, mit diebischer Freude, wie ein kleines Kind, dass die Grenzen austestet?

Im Verlaufe des Buches werden ihre Geschichten immer absurder – bis hin zu einer Episode mit einer Makrele, die an Kafkas "Die Verwandlung" erinnert, aber meines Erachtens nicht an dessen rohe Wucht heranreicht.

Karin wirkte auf mich wie eine unreife Person, die ein tiefes und unerklärliches Unglück mit sich trägt. In krassem Kontrast zu ihrer beinahe kindlichen Unreife steht, wie obsessiv und plakativ sie ihre Sexualität auslebt: sie sucht sich wahllos Männer, die sie aggressiv verführt, zum Teil in vollkommen unangemessenen Situationen. Oder sind auch das nur Fantasien?

Je bunter ihre Lügen werden, desto blasser erschienen mir indes die anderen Charaktere: degradiert zu bloßen Statisten.

Die Geschichte ist zweifellos originell, aber sie springt hin und her, mäandert über lange Strecken ohne roten Faden vor sich hin. Zwar ist das wahrscheinlich unvermeidlich bei einer Hauptfigur wie Karin, und normalerweise liebe ich unzuverlässige Erzählstimmen in der Literatur – hier konnte es mich jedoch zu meinem größten Bedauern nicht vollends überzeugen.

Die Spannung ging mir dadurch verloren, viele Passagen fand ich ermüdend langatmig und unbeholfen. Frustriert versuchte ich, dem Tiefgang nachzuspüren, der immer wieder anklingt: zwar kann man erahnen, was sich hinter diesem oder jenem Bild verbirgt, aber es bleibt bei der Ahnung.

"Pseudo-intellektuell" nennt das ein Leser auf Amazon. "Langweilig", "schwache Leistung" oder "vertane (Lese-)zeit" urteilen andere. Zum Zeitpunkt, da ich diese Rezension schreibe, haben stolze 37% (!!) der Bewertungen nur 1 Stern vergeben.

Ich zögere, das Buch so harsch zu beurteilen. Zwar sehe ich durchaus verschenktes Potential, aber nach dem Lesen hat mich die Frage nach der Bedeutung des Ganzen noch tagelang beschäftigt: was steckt wirklich hinter den frappantesten von Karins Lügen? Was bedeutet die Makrele? Was, dass die Mutter im wahrsten Sinn des Wortes das Gesicht verliert?

Die Geschichte hat einen Nachhall, den nur eine Geschichte mit Bedeutung haben kann. Dennoch: empfehlen würde ich das Buch eher nicht.

Ein paar abschließende Worte zum Schreibstil: er ist oft sehr schlicht und einfach, mit zahlreichen Wiederholungen, die jedoch sehr bewusst eingesetzt werden, mit einem beinahe lyrischen Klang. Viele der Metaphern und Bildern sind unglaublich stark, auch wenn sich ihr Sinn nicht immer erschließt.

Ich habe ein paar Seiten im norwegischen Original gelesen, und dort ergibt sich daraus ein sehr starker Sprachrhythmus, der sich nicht gänzlich ins Deutsche übertragen lässt (obwohl die Übersetzung sicher sehr gut ist).

Bewertung vom 23.03.2018
The Ascent - Der Aufstieg
Malfi, Ronald

The Ascent - Der Aufstieg


sehr gut

Es ist kein klassischer Thriller, kein reines Bergsteiger-Drama, mehr als nur eine psychologisch dichte Studie des menschlichen Verhaltens in Extremsituationen. Es ist von allem etwas, mit mehr als einem Hauch Mystery. (Eher schon eine steife Brise Mystery.) Aber vor allem ist es pure Atmosphäre.

Die Mischung entwickelt ihren ganz eigenen Sog, lässt sich dabei jedoch Zeit.

Erstmal lernt man den Extremsportler Tim kennen, der eine ganz üble Zeit hinter sich hat und droht, an seinen Dämonen zugrunde zu gehen. Nachdem seine letzte waghalsige Tour ihn (leider?) nur beinahe umgebracht hätte und auch der Alkohol keine Lösung mehr ist, erscheint es ihm als großartige Idee, sich einer Expedition an einen Ort anzuschließen, von dem noch nie jemand lebend zurückgekehrt ist. Und das mit Menschen, die ähnlich bedenkliche Einstellungen mitbringen.

Tim ist ein sympathischer Typ, der total aus der Bahn geworfen wurde, sich mit Schuldgefühlen quält und dabei in meinen Augen zu hart mit sich ins Gericht geht. Die meisten anderen Charaktere lassen sich zunächst nicht in die Karten schauen, so dass Tim (und mit ihm der Leser) nicht weiß, wem er trauen kann und welche Ziele die anderen Teilnehmer dieser wahnwitzigen Expedition verfolgen.

Trotz dieser Undurchsichtigkeit fand ich sie schnell sehr interessant und auch sehr überzeugend geschrieben. Nach und nach erfährt man mehr über ihre Motive und gewinnt ein Gespür für ihre jeweilige Persönlichkeit, und das trotz der Tatsache, dass man sie in einer Situation erlebt, sie alles andere als normal ist.

Meines Empfindens baut sich die Spannung erst nach dem ersten Drittel so richtig auf – dann zieht sie aber mehr und mehr die Daumenschrauben an.


Denn was die Teilnehmer dieser Expedition versuchen, ist kompletter Irrsinn, der Tod lauert immer und überall... Dazu kommt, dass Tim sich bald schon die Frage stellen muss, ob sie sich nur mit Extremtemperaturen und möglicherweise unzureichender Ausrüstung herumschlagen müssen, oder ob im Hintergrund jemand agiert, der ein Interesse daran hat, die Expedition scheitern zu lassen.

Dennoch ist es nicht die Art von Spannung, die man zum Beispiel von einem Actionfilm erwarten würde. Viel von der Spannung ergibt sich aus den persönlichen Konflikten und der inneren Zerrissenheit der Protagonisten. Tim zum Beispiel ist sich selbst ein größerer Feind, als die feindliche Natur es je sein könnte.

Die Auflösung fand ich überraschend, originell, clever konstruiert und überwiegend schlüssig.

Nur ganz am Schluss überreizt sie die Glaubwürdigkeit meiner Meinung nach doch ziemlich, da wäre weniger vielleicht doch mehr gewesen.

Auch im Laufe der Handlung gibt es die ein oder andere Szene, wo ich mich fragte: wäre das wirklich möglich? Das geht an die Grenzen der Belastbarkeit von Mensch und Material, oder eher darüber hinaus. Aber der Autor schaffte es mit seinem bildhaften, atmosphärischen Schreibstil immer wieder , mich so in die Geschichte hineinzuziehen, dass diese Zweifel keine Rolle spielten und ich einfach nur weiterlesen wollte.

Die deutsche Übersetzung liest sich zum Teil etwas holprig: so wird das englische Verb "wink", um nur ein Beispiel zu nennen, durchgehend mit "winken" übersetzt – statt mit "zwinkern", wie es korrekt wäre. (Ich habe ein paar Passagen mit dem englischen Original verglichen.)

Bewertung vom 16.03.2018
Drei Tropfen Dunkelheit

Drei Tropfen Dunkelheit


ausgezeichnet

Im Juni 2014 las ich "Der Baeldin-Mord", den ersten Band der Reihe "Vollstrecker der Königin". Mit 117 Seiten handelt es sich dabei um ein eher schmächtiges Büchlein, das mich dennoch schwer beeindruckte:

Aus meiner Rezension:
"Als ich die letzte Seite dieses Buchs gelesen hatte - mit einem Gefühl bibliophilen Glücks! -, kam mir beinahe unglaublich vor, dass es tatsächlich nur 117 Seiten hat. Nicht, weil es sich gezogen hätte, das überhaupt nicht! Ich hatte es sehr schnell durch. Aber es passiert wahnsinnig viel auf diesen 117 Seiten, und die Autorin schafft es, dem Leser eine ganz eigene, komplexe, glaubhafte Welt nahezubringen. Da ist einfach alles stimmig: die Gesellschaft, das politische System, die verschiedenen Völker, die Magie..."

Ich war damals besonders angetan von der umfangreichen Fantasywelt, die nicht nur ihre eigene Flora und Fauna mitbringt, sondern auch ein komplexes Magie- und Adelssystem, eigene Traditionen, Berufe, Titel, Mythen... Und – nicht zuletzt! – eine innovative Art der magischen Strafverfolgung. Der originelle Genremix aus Fantasy und Krimi überzeugt mich binnen weniger Seiten, und so stand für mich direkt fest, dass ich diese Reihe unbedingt weiter verfolgen musste.

Noch im gleichen Monat las ich "Das grüne Tuch", einen Band mit Kurzgeschichten, in denen der Leser mehr über die Welt, Caitlynns Jugend und ihren beruflichen Werdegang erfährt. Auch dieses Buch konnte mich voll und ganz überzeugen (obwohl ich sonst kein großer Freund von Kurzgeschichten bin):

Aus meiner Rezension:
"Bei allen originellen Ideen - und davon hat die Autorin viele! - bleibt doch immer alles glaubhaft und in sich schlüssig. Die Puzzleteilchen passen lückenlos zusammen, und so entwickelt sich ein facettenreiches, buntes, detailliertes Gesamtbild. Ich hatte immer wieder das Gefühl, als würde ich keine Geschichte lesen, sondern einen Blick werfen in ein anderes Land, das eben zufälllig sehr exotisch und voller Magie ist..."

Nach ein paar Seiten war ich wieder mitten drin in dieser Welt, die von Angelika Diem erneut mit unzähligen liebevollen Details geschildert wird. Da stimmt einfach alles, jede Kleinigkeit passt ins Gesamtbild... Wir befinden uns hier in einer klassischen 'High Fantasy' – was mitnichten dadurch geschmälert wird, dass Caitlynn natürlich auch in diesem Band einen Mordfall aufklären muss. Das ist in meinen Augen ja gerade das Reizvollste an dieser Reihe: Caitlynn ist eine intelligente, entschlossene, emanzipierte Frau, die sich der Mittel bedient, die ihr zur Verfügung stehen.

Nur sind das eben nicht Fingerabdruckpulver, Walther PPK, kriminologisches Profiling oder Falldatenbanken, sondern 'Charisma', umfangreiches Wissen über Kräuter und fragwürdige Methoden der magischen Fortbewegung. Dennoch sind Caitlynns Ermittlungen logisch und geprägt von ihrem scharfem Verstand; man kann sich vorstellen, dass sie auch in unserer Welt bei der Mordkommission arbeiten würde.

Ich fand Caitlynns neusten Fall wieder sehr spannend! Gesteigert wird die Spannung dieses Mal noch dadurch, dass sie einem sehr unangenehmen Vorgesetzten unterstellt wird, der mit wesentlich weniger gesundem Menschenverstand an die Dinge herangeht und vernünftige Gegenvorschläge als Befehlsverweigerung versteht... Ich hatte den Eindruck, dass sich Caitlynn als Charakter seit dem letzten Band weiterentwickelt hat, sowohl von ihren Fähigkeiten her als auch menschlich.

Der Schreibstil gefällt mir immer sehr gut, und Angelika Diem hat ein feines Gespür für ihre Charaktere. Allerdings hätte ich mir für Albin eine größere Rolle gewünscht, Caitlynn und er haben eine tolle Chemie.

Bewertung vom 15.03.2018
Leinsee
Reinecke, Anne

Leinsee


ausgezeichnet

Das Buch lässt sich in keine Schublade stecken: mal ist es im allerbesten Sinne unbequem und schwer zu fassen, dann wieder locker-leicht und unterhaltsam, sogar lustig. Diese Ambivalenz macht für mich einen großen Teil des Reizes aus. Hier kann viel Widersprüchliches nebeneinander existieren, denn man nimmt die Geschichte aus Sicht eines Protagonisten wahr, der im Wandel begriffen ist – ob er das selber will und wahrnimmt oder nicht.

Karl ist kein Mensch, der sich über harte Fakten definieren lässt. Er ist Künstler, und damit fängt die Ambivalenz schon an:

Mit ungläubigem Staunen nimmt er zur Kenntnis, dass er sich mit seinen Werken einen Namen in der Kunstszene gemacht hat. Seine Selbstwahrnehmung ist geprägt von einem Gefühl der Unzulänglichkeit, gleichzeitig verraten seine Gedanken ein sehr feines Gespür für Formen und Farben.

Seine Eltern sind ebenfalls Künstler. Aber August und Ada Stiegenhauer sind nicht einfach erfolgreich, sie sind Kult. Ihre Liebe ist legendär: August gibt es nicht ohne Ada, Ada gibt es nicht ohne August. Sonst brauchen und wollen sie nichts von der Welt – und das schließt ihren Sohn mit ein, der im Alter von 10 Jahren ins Internat abgeschoben wurde.

"Kinder muss man loslassen!" – dazu sollte man sie erstmal festgehalten haben, aber in der Zweisamkeit seiner Eltern war kein Platz für Karl.

Das Buch beginnt mit dem totalen Zusammenbruch des Status Quo.

Ada hat einen Hirntumor, ihre Überlebenschancen sind gering. August will nicht leben in einer Welt ohne Ada und bringt sich um. Und Karl kehrt zurück nach Leinsee, den Ort seiner Kindheit, um die Angelegenheiten seiner Eltern zu klären.

Überhaupt ist Rückkehr ein zentrales Thema des Buches, in vielerlei Hinsicht: Rückkehr in die Heimat, Rückkehr in die Kindheit, Rückkehr in alte Verhaltensmuster. Doch die Rückkehr bietet für Karl zunächst nur wenig Tröstliches oder Heilsames. Für vieles ist es zu spät, anderes erweist sich als Selbstbetrug.

Die Autorin findet viele Bilder für das, was in Karl vorgeht. Oft ist die Verbindung so offensichtlich, dass sie plump wirken könnte – wäre Karl sich dessen nicht zumindest ansatzweise bewusst. Letztendlich findet er darüber eine Brücke zurück zu seiner eigenen Kunst, die er erst.selber zu begreifen lernt.

Für mich ist einer der interessantesten Aspekte des Buches, wie viel ihre Kunst über Karl und seine Eltern aussagt – aber das sollte jeder Leser für sich entdecken und interpretieren, deswegen möchte ich das so stehen lassen.

Aber ich kann nicht über dieses Buch sprechen, ohne über Tanja zu sprechen.

Karl fühlt sich verständlicherweise um seine Kindheit betrogen. In trotzigem Aufbegehren gegen diesen Verlust baut er sich ein Nest in seinem alten Zimmer und versucht, wieder die Rolle eines kleinen Kindes einzunehmen.

Als die 8-jährige Tanja eines Tages in seinem Kirschbaum sitzt, fühlt Karl sich daher unweigerlich von ihr angezogen und beginnt eine Freundschaft, die sich zunehmend intensiv über Jahre erstreckt. Nach meinem Empfinden bewegen sich die beiden dabei aufeinander zu, was ihre emotionale Reife betrifft:

Tanja wird zunehmend erwachsener und reifer, Karl jedoch will seine Kindheit nachholen. und das geht zwangsläufig mit einer gewissen emotionalen Rückentwicklung einher. Schließlich erreichen sie einen Punkt, irgendwo im Niemandsland zwischen Kindheit und Erwachsensein, an dem sie fast auf Augenhöhe sind.

Dennoch ist diese Freundschaft nicht ohne Spannungen, und es wird immer fragwürdiger, wo die Grenzen verlaufen – oder verlaufen sollten.

Abschließend noch ein paar Worte zum Schreibstil: er ist mal locker und leicht, dann wieder beinahe poetisch, oft voller interessanter Bilder, aber nie belanglos. Die Autorin verleiht Karl eine sehr starke, einzigartige Stimme, wobei er oft einen überraschenden Humor zeigt.