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Benutzername: 
Barbara
Wohnort: 
Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 161 Bewertungen
Bewertung vom 01.06.2023
Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)
Boyle, T. C.

Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)


ausgezeichnet

Am Beispiel einer amerikanischen Familie beschreibt T.C.Boyle den Klimawandel in Amerika auf seine ihm eigene satirische, bitterböse, zynische und zugleich spannende Art und Weise.
Ottilie und ihr Mann Frank leben in Kalifornien, wo es nur noch Dürre, Steppen und Waldbrände gibt und Wasser zum Luxusgut wird. Ihr Sohn Cooper forscht mit Insekten, sieht für die Menschen eine düstere Zukunft voraus und muss sich einer dramatischen gesundheitlichen Einschränkung stellen. Tochter Cat lebt in Florida, wo stattdessen Überschwemmungen und Dauerregen Häuser und Menschen bedrohen.
Boyle beschreibt alltägliche Dramen der einzelnen Familienmitglieder, immer vor dem Hintergrund der Bedrohung durch die Natur und die Umwelt. Vor allem Cat kommt in ihrer Gedankenlosigkeit, Oberflächlichkeit und manchmal an Dummheit grenzender Naivität besonders schlecht weg. Und eines haben sie alle gemeinsam: bei Frust greift man erst mal zum Alkohol, das mildert alles Unangenehme, lässt vergessen oder wenigstens verdrängen.
Und immer wieder sind es die Tiere, die sich ihre Instinkte bewahren und versuchen, ihren Lebensraum zu erhalten. Ihnen kommt in diesem Roman eine tiefe Bedeutung zu, egal ob Schlangen, Insekten, Meerestieren oder Haustieren.
Dieser Roman ist eine Dystopie aber auf erstaunliche Weise sehr gut unterhaltend. Obwohl mich die Geschichte immer wieder fassungslos gemacht hat, knallhart ist und oft zutiefst böse. Die Mischung aus Tragödie und Satire regt sehr zum Nachdenken an und zeigt ein schreckliches Szenario des Klimawandels auf.
T.C.Boyle ist es einmal mehr gelungen, den Menschen vor seinem Umgang mit der Natur zu warnen. Eine absolute Leseempfehlung für jedes Geschlecht und jedes Alter.

Bewertung vom 23.05.2023
Zwischen Himmel und Erde
Rodrigues Fowler, Yara

Zwischen Himmel und Erde


weniger gut

Catarina und Melissa treffen sich in einer Studenten-WG in London. Die beiden jungen Frauen freunden sich an, obwohl sie sehr unterschiedlich sind. In Rückblicken erfährt man die Lebensgeschichte der beiden, von Melissas Aufwachsen bei ihrer Mutter in London und Catarina in einer großen Familie in Brasilien. Dabei kommen auch viele politische Themen zur Sprache, wie zum Beispiel der Brexit in Großbritannien und die Revolution in Brasilien.
Leider habe ich zu diesem Buch keinen wirklichen Zugang gefunden. Das Cover ist wunderschön und auch die Leseprobe hatte mir zunächst ganz gut gefallen. Aber im Laufe des Romans bin ich nie wirklich in die Geschichte hinein gekommen und habe zu beiden Protagonistinnen auch keine Beziehung aufbauen können. Der Schreibstil ist sehr ungewöhnlich auf eine Art, die meinen Lesefluss immer wieder unterbrochen hat. Das kommt unter anderem von der fehlenden Anzeige der wörtlichen Rede. Das ist in Romanen nicht schlimm, wenn wenig gesprochen wird. Aber hier geht es viel um Gespräche und diese lesen sich schwierig - mehrfach musste ich versuchen, eine Aussage der jeweiligen Person zuzuordnen. Der Schreibstil wechselt stark, manchmal Prosa, manchmal Lyrik, manchmal für mich sinnlose Wiederholungen ( "plek plek plekplek").
Definitiv nicht mein Buch, die gut 500 Seiten waren ab der Hälfte quälend.
Ein ausgefallenes und modernes Buch, aber nicht für den durchschnittlichen Leser geeignet.

Bewertung vom 01.05.2023
Weniger ist Meer
Neder, Christine

Weniger ist Meer


sehr gut

Christine Neder ist erfolgreiche Influencerin, Reisejournalistin und Bloggerin, bis sie merkt, dass dieses Leben auf der Überholspur und in allen fernen Ländern sie nicht mehr wirklich glücklich macht. In ihrem Buch beschreibt sie die Entscheidung, mit Mann, Kind und Hund nach Portugal auszuwandern. Viele Höhen aber auch einige Tiefen werden hier angesprochen, liebevolle Beschreibungen der portugiesischen Landschaft und Eigenheiten von Land und Leuten machen Lust auf Urlaub. Doch auch einige sehr persönliche und traurige Erlebnisse werden von Neder beschrieben, so dass dieses Buch mehr als nur ein Sachbuch ist. Wer einen Ratgeber für Auswanderer erwartet ist hier sowieso falsch, zu wichtig sind der Autorin auch Themen wie Minimalismus und Nachhaltigkeit. Es ist sehr unterhaltsam zu lesen, wie der Hausstand von einer 120 qm großen Wohnung in Berlin auf ein 60 qm großes Tinyhouse reduziert werden muss. Immer wieder Thema ist die große Liebe zum Meer und zum Surfen, so sind auch die meisten der bezaubernden Fotos im Mittelteil am Strand entstanden.
Gerne hätte ich auch etwas aus der Sicht von Paul zu all den angesprochenen Themen erfahren, der hier nur als großer Unterstützer im Hintergrund erscheint.
Am meisten fasziniert hat mich, mit wie wenig weltlichem Besitz und mit wie viel Liebe zur Natur das Paar die Tochter Alma aufzieht. Das klingt in Zeiten der absoluten Reizüberflutung in allen Bereichen bei schon ganz kleinen Kindern sehr erstrebenswert.
Ein unterhaltsames Buch für Portugalfreunde und für Gestresste, die viele Möglichkeiten zum Entschleunigen aufgezeigt bekommen.

Bewertung vom 30.04.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


ausgezeichnet

Das wunderbare Cover lässt zunächst einen netten Sommerroman vermuten, doch der Titel lässt schon Anderes erahnen. Daniel Glattauer zeichnet hier am Beispiel von zwei befreundeten Ehepaaren eine Geschichte auf, die ein trauriges Abbild unserer Gesellschaft im Umgang mit Asylanten beschreibt.
Dabei tritt die eigentliche Hauptperson, nämlich Aayana, ebenso wie ihre Familie komplett in den Hintergrund. Stattdessen erleben wir den Umgang der beiden Familien mit der Tragödie, die eigentlich einen entspannten Urlaub in der Toskana verbringen wollten. Allen voran Elisa, gestresste Politikerin, unglücklich in ihrer Ehe. Sie kann kaum mit ihrer Schuld leben, sieht aber ihre Karriere und ihr Seelenheil in Gefahr. Ihr Mann Oskar, ein dominanter Besserwisser und Unsympath, sieht sich als unschuldiges Opfer und Unbeteiligter. Die Tochter Sophie Luise bricht völlig zusammen unter der Last der Schuld, dabei unbesehen von ihren Eltern oder Lehrern. Nur Melanie, die mitgereiste Freundin, möchte die Wahrheit sagen und sich nicht irgendwie aus der ganzen Sache herauswinden.
Was zunächst in lockerem und fast fröhlichem Text beginnt steigert sich im Laufe der Geschichte immer mehr in einen zynischen Ton. Indem der Autor immer wieder Zeitungsberichte und Kommentare von Lesern einstreut stellt er ein schreckliches Abbild der Gesellschaft gegenüber Asylanten auf. Und die Anonymität des Internet lässt alle Meinungen zu, auch wenn sie unsachlich, übergriffig und radikal sind. Die Gefahren des Internet für Teenager werden hier auch ganz deutlich aufgezeigt, von Mobbing bis Identitätsverschleierung.
Zum Ende hin steigert sich das Tempo noch einmal ordentlich, ich konnte dieses Buch bis zum Schluß nicht aus der Hand legen.
Ein toller Roman mit einem zutiefst traurigen Thema, der zum Nachdenken anregt. Unbedingt empfehlenswert, für junge und alte jeden Geschlechts.

Bewertung vom 25.04.2023
Mit dem Mut zur Liebe
Lind, Hera

Mit dem Mut zur Liebe


gut

Das Leben von Dieto Kretzschmar ist geprägt durch viele Höhen und Tiefen. Die spektakulär Flucht aus Dresden im Bombenhagel überlebt er zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nur mit viel Glück. Die bitterliche Armut der Kriegsjahre und das Leben in der DDR prägen den jungen Mann, der von einer Karriere als Artist träumt. Mit einer abenteuerlichen Idee gelingt es ihm, zusammen mit seiner großen Liebe Jo in den Westen zu fliehen.
Hera Lind hat diesen Roman nach der wahren Geschichte von Diego geschrieben, die "eine Botschaft für Gerechtigkeit, Freiheit und ausdrücklich gegen Krieg, Unterdrückung und Missachtung der Menschenrechte" sein soll. Außerdem setzt er damit seiner Mutter und den vielen starken Frauen ein Denkmal, die in der schweren Zeit nach dem Krieg viele Opfer aus Liebe gebracht haben. Und ebenso seiner großen Liebe Jo, die ihm alles bedeutet und der Inhalt seines Lebens geworden ist.
Die schreckliche Beschreibung der Kriegszeit, der Verfolgung und der Armut liest sich eindringlich und grausam, da merkt man, dass die Erfahrung eines Zeitzeugen geschildert werden. Und die Flucht aus der DDR ist spannend und auch ein bisschen verrückt, geprägt durch die Hilfsbereitschaft völlig fremder Menschen und einer riesigen Portion Glück.
Für meinen Geschmack hat Hera Lind die Geschichte mit ein wenig zu viel Pathos erzählt, ihr Schreibstil gefällt mir hier nicht so gut wie in ihren letzten ernsthaften Büchern. Außerdem gefällt mir der Titel für dieses Buch nicht wirklich. In meinen Augen geht es hier nicht nur um den Mut zur Liebe sondern mehr um den Mut zum Leben. Zudem finde ich den Klappentext zu ausführlich, hier hätte ich mir etwas weniger Spoiler und mehr Überraschung über den Inhalt gewünscht.
Ein historischer Roman, der die Gräuel des 2. Weltkrieges mit einer abenteuerlichen Fluchtgeschichte verbindet und sich spannend liest.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.04.2023
Solange wir leben
Safier, David

Solange wir leben


ausgezeichnet

David Safier erzählt die Geschichte seiner Eltern, ihr jeweiliges Schicksal und ihr gemeinsamer Lebensweg.
Man erfährt parallel die Lebensgeschichte von Waltraud, die in einfachen Verhältnissen in Bremen aufwächst und dem 20 Jahre älteren Joshi, der als Jude 1937 Wien verlässt und nach Israel flüchtet. Bis die beiden sich treffen und verlieben haben sie schon eine bewegte Vergangenheit, geprägt durch den Krieg, viele Entbehrungen und die Liebe. Doch auch ihr gemeinsamer Lebensweg ist reich an Schicksalsschlägen und stellt ihre Liebe immer wieder vor große Herausforderungen.
Safier ist es gelungen, eine dramatische Lebens- und Liebesgeschichte in Kombination mit einem Stück deutscher Zeitgeschichte zu kombinieren. Als Leser*in leidet man mit Waltraud im entbehrungsreichen Krieg, unter der strengen Lehrerin in der Schule, dem Leben als alleinerziehende Witwe und erlebt ihre Kraft, ihre Kämpfe und ihr Pflichtbewusstsein als Tochter, Ehefrau, Mutter und Schwiegermutter. Auch die Geschichte Joshis, der fast seine gesamte Familie im Holocaust verliert, seine Bestimmung im Leben sucht, sich im Alkohol verliert, zu tiefer und bedingungsloser Liebe fähig ist und mit dem Leben im Land der Mörder hadert, zieht einen schnell in ihren Bann.
Trotz der dramatischen und oft auch traurigen Erlebnisse gelingt es dem Autor, durch seinen angenehmen und manchmal auch humorigen Schreibstil die Geschichte leicht und spannend zu erzählen. Und so bleibe ich am Ende nicht bedrückt zurück sondern voller Bewunderung für diese zwei Menschen und den Autor, der seinen Eltern ein großartiges Denkmal gesetzt hat. Dabei hält er seine eigene Geschichte und seine Ansichten komplett aus dem Buch heraus, tritt nur ganz am Rande in Erscheinung.
Faszinierend finde ich den Genre-Wechsel, den Safier bewerkstelligt hat: nach seinen Erfolgen mit lustigen Büchern ( Wer kennt "Mieses Karma" nicht?! )ist ihm nun schon zum zweiten Mal ein sehr gutes zeitgeschichtliches Buch gelungen.
Das schlichte Cover mit den beiden schwarz-weiß-Fotos seiner Eltern passt hervorragend zum Inhalt des Buches, die mit Fotos seiner Familie bedruckten Innendeckel ebenfalls.
Eine unbedingte Leseempfehlung für jung und alt, Männer und Frauen.

Bewertung vom 24.03.2023
Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
George, Nina

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu


sehr gut

Monsieur Perdu macht sich wieder auf die Reise, mit seinem Bücherschiff und einem guten Freund. Auch hier versteht es Nina George wieder hervorragend, Literatur und Philosophie miteinander zu verbinden. In ihrem unnachahmlichen Schreibstil, der manchmal blumig, manchmal zärtlich, manchmal humorig ist, beschreibt sie eine tiefe Liebe zur Literatur. Für Monsieur Perdu sind Bücher so wichtig wie die Luft zum Atmen, sie haben magische Kräfte, können beraten, heilen und manchmal einfach unterhalten.
Es ist schon ein ganz eigenes Trüppchen aus liebenswerten Sonderlingen, das sich um den Buch-Apotheker gebildet hat. Männer und Frauen, alt und jung, Italiener, Basken, Franzosen, Künstler, Köche, Bauern und jede Menge Katzen. Hier geht es um Freundschaften und Liebe, um Zusammenhalt, Hilfe und letztlich Vertrauen. Auch die Angst vor Neuem kann man mit guten Freunden und den richtigen Büchern heilen.
Die "Große Enzyklopädie der kleinen Gefühle" am Ende jeden Kapitels ist ein philosophischer Ausflug durch das Leben. Oft findet man sich selber in diesen Weisheiten wieder. Und die wunderbaren Beschreibungen der Gerichte des Kochs Salvo Cuneo lassen einem das Wasser im Mund zusammen laufen. Fast scheint man die Kräuter der Provence auf der Zunge zu schmecken.
Ein besonderes Roman für alle, denen Bücher wichtig sind und die sich ein Leben ohne Literatur nicht vorstellen können. Ich würde empfehlen, "Das Levendelzimmer" vorher zu lesen, da es beim Bücherschiff des Monsieur Perdu viele Bezüge dazu gibt und auch viele Charaktere dort vorgestellt werden.

Bewertung vom 22.03.2023
Keine gute Geschichte (eBook, ePUB)
Roy, Lisa

Keine gute Geschichte (eBook, ePUB)


sehr gut

Arielle hat es geschafft: sie ist entkommen aus ihrer armen und assigen Heimat Essen-Katernberg, hat ihrer multikulturellen Nachbarschaft und den Freunden aus Kindertagen den Rücken gekehrt. Doch trotz Karriere in Düsseldorf in der Werbebranche, Designer-Klamotten und gut aussehenden Freunden kann sie ihre Vergangenheit nicht hinter sich lassen. Ein Burnout zwingt sie zurück zu ihrer Großmutter, bei der sie aufgewachsen ist, wo sie sich mit ihrer Vergangenheit und dem Verschwinden ihrer Mutter auseinandersetzen muss.
Sie ist nicht wirklich eine sympathische Person diese Arielle. Sie raucht und trinkt, nutzt Sex als Ablenkung, verachtet ihre alte Umgebung und mit ihr die Menschen, die es dort nicht heraus geschafft haben. Bei aller Herablassung merkt man, dass sie immer noch an der Unsicherheit darüber leidet, was mit ihrer Mutter passiert ist und an der Lieblosigkeit ihrer Großmutter. Alles Austeilen, Niedermachen, Schimpfen, ist ein Hilferuf.
Intensiv und schonungslos beschreibt Lisa Roy hier einen Menschen, der zutiefst hilfebedürftig ist. Dabei benutzt sie eine Sprache, die zwischen vulgär und humorvoll schwankt, beschreibt die Düsseldorfer Schickeria mit vielen Anglizismen aus der Influenzer-Branche und die Essener Assis mit schonungslosem Jargon.
Es ist keine gute Geschichte, die die Autorin hier zu erzählen hat. Sie ist traurig und hart, grausam und bedrückend. Aber sie zieht die Leser in ihren Bann, verbindet einen Krimi mit dem Schicksal einer jungen Frau, Arm mit Reich. Gut gefällt mir, dass die Protagonistin sich aus ihrer Sicht an die so schmerzlich seit vielen Jahren vermisste Mutter wendet. Und zum Glück bleiben am Ende nicht viele Fragen offen.
Ein modernes Buch, eine ungewöhnliche Sprache, nichts für zart besaitete Leser*innen.

Bewertung vom 20.03.2023
Straßenmusik
Behr, Markus

Straßenmusik


gut

Jonas und Chiara treffen sich erst im Zug nach Amsterdam, später auf der Strasse wieder. Beide sind begeisterte Musiker, spielen E-Bass und Gitarre, sind gerade dabei, ihr bisheriges Leben zu überdenken. Durch Zufall haben sie einen gemeinsamen Auftritt, aus dem vielleicht mehr werden könnte.
Ich würde diesen Roman eher unter dem Genre Judendliteratur einordnen. Der Schreibstil ist nicht besonders anspruchsvoll, es überwiegen eher kurze Sätze. Die Probleme der beiden jungen Leute sind auch eher jugendrelevant: der unsichere Jonas, den manchmal noch Anfälle von Stottern überkommt, der sich zu viel gefallen lässt, der sich nicht wehrt. Chiara ist eher das Gegenteil, oft zornig, neigt zu Wutausbrüchen, stößt die Leute gerne vor den Kopf. Die Schwierigkeiten beider mit ihren Eltern, die wenig Verständnis für die musikalischen Ambitionen ihrer Sprösslinge haben. Immer dabei das Thema Berufswahl, bekomme ich den gewünschten Studienplatz, ist das überhaupt für mich der richtige Beruf? Und natürlich wichtig die sexuelle Orientierung, hier wird alles geboten.
Gut gefällt mir, dass viele Erlebnisse aus der Sicht von Chiara und Jonas erzählt werden, so dass man erfährt, wie ein und die selbe Szene unterschiedlich erlebt wird.
Für junge Leute sicher ein interessantes Buch, mir war es ein bisschen zu oberflächlich und tatsächlich langweilig.

Bewertung vom 15.03.2023
Der weiße Fels
Hope, Anna

Der weiße Fels


ausgezeichnet

In diesem Roman verbindet Anna Hope das Schicksal von vier Menschen mit dem Weissen Fels in Mexiko, der von den einheimischen Wixàrika als heiliger Ort verehrt wird.
Beginnend bei einer Schriftstellerin, die im Jahr 2020 mit Mann und Kind aus Europa angereist ist, um den Felsen für die Geburt ihrer Tochter zu danken. Weiter zurück geht die Geschichte ins Jahr 1969, wo ein Sänger vollgepumpt mit Drogen auf der Flucht vor dem Ruhm Erleuchtung sucht.
1907 werden zwei Mädchen der Yoemem von Soldaten als Sklavinnen verschleppt, sie suchen Zuversicht im Angesicht des Felsens. Und zuletzt bittet ein spanischer Leutnant der Marine 1775 den Fels um Verzeihung für die Kolonialisierung durch ihn und seine Kameraden.
Unerschütterlich steht der weisse Fels in ihrer Mitte, verehrt als Ursprung allen Lebens. Und egal ob 2020 oder 1775 oder irgendwo dazwischen, immer wieder suchen Menschen diesen heiligen, übersinnlichen, magischen Ort auf. Um Antworten zu finden auf ihre Probleme, um Mut zu schöpfen, um Sinn zu suchen oder als Pilgerfahrt.
Obwohl die Schicksale auf wahre Ereignisse beruhen vermeidet Anna Hope die Namen der vier Protagonisten. Trotzdem kommt man den Charakteren als Leser*in extrem nahe, was sicher auch am intensiven Schreibstil liegt. Außerdem ist der ungewöhnliche Aufbau des Romans mitreissend, hier werden alle vier Schicksale erst in der Geschichte rückwärts erzählt, um dann in umgekehrter Reihenfolge zu Ende gebracht zu werden.
Ein außergewöhnlicher Roman über vier Schicksale in verschiedenen Zeiten, über den ruhenden Pol der Natur, die dem Menschen trotzt. Egal, ob im Jahr 2020, wo der Mensch scheinbar die Natur beherrscht, ob am Beispiel eines selbstzerstörerischen Musikers 1969, ob 1907 als Mutmacher für ein indigenes Mädchen in einer scheinbar ausweglosen Situation oder im Angesicht der Schuldgefühle eines Soldaten. Am Ende steht nicht der fehlbare Mensch im Mittelpunkt, sondern die Natur.