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ein.lesewesen
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ZW

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Insgesamt 117 Bewertungen
Bewertung vom 09.10.2023
Schaurige Nächte
Collins, Bridget;Gowar, Imogen Hermes;Hargrave, Kiran Millwood

Schaurige Nächte


gut

Wenn die Tage kürzer werden und wir uns abends gemütlich in eine Decke kuscheln, dann wird es Zeit für gruselige Geschichten. Wer kennt sie nicht die Klassiker von Charles Dickens oder Oscar Wilde. Ebenezer Scrooge und der Geist der Weihnacht, aber auch das Gespenst von Canterville werden mir wohl ewig im Gedächtnis bleiben, genau wie das Gefühl des Unheimlichen, das von ihnen ausgeht.
Mit »Schaurige Nächte«, im Original »The Haunting Season« hat es vor zwei Jahren ein Kurzgeschichtenband zum Sunday-Times-Bestseller geschafft. Ob die Geschichten mit den Klassikern mithalten konnten?

Ich muss sagen, dass ich außer Jess Kidd keine/n der Autor*innen kannte, aber das muss ja nichts heißen. Gleich die erste Geschichte von Bridget Collins »Studie in Schwarzweiß« konnte mich mit ihrer Atmosphäre einfangen. Gespenstige Koniferen, die Schachfiguren nachempfunden sind, verführen einen Mann, das leerstehende Haus zu kaufen, um das die Einheimischen lieber einen großen Bogen machen. Allerdings verpufft der erste Eindruck mit Fortschreiten der Geschichte, da sie sich weder steigerte, noch irgendeine gruselige Wirkung entfaltete.
Genau den Eindruck hatte ich auch von einigen anderen Geschichten. Man setzt hier in den meisten Fällen auf das altbewährte Konzept viktorianischer Geistergeschichten, das aber vorhersehbar bleibt, keine überraschenden Momente bietet und kaum über einen atmosphärischen Grundtenor hinauskommt. Einsame Häuser zu Zeiten, als es noch Kutschen gab und keine Telefone, der Rollstuhl eines Verstorbenen, der noch eine Rechnung mit den Lebenden offen hat. Die Grundidee oft sehr gut, die Ausarbeitung wenig schaurig.

Jess Kidd schreibt über einen Gedenk-Fotograf, der in seinen Bildern das Leben der Verstorbenen festhalten will und sich prompt in eine Tote verliebt. Mit typischer Kidd-Handschrift schildert die Autorin Skurilles und löst sich vom üblichen Geisterschema.
Ich denke, wer Geistergeschichten mag, sollte sich hier selbst ein Bild machen. Bei mir hat es weder ein unheimliches Gefühl ausgelöst noch eine Gänsehaut. Es waren durchweg leicht zu lesende Geschichten, die interessant waren, aber mehr leider auch nicht. Am Ende des Buchs hatte ich tatsächlich den Ausgang der ersten Geschichten schon wieder vergessen.
Bleibt die Frage: Gibt es sie, die moderne Gruselgeschichte? Eine, die auch in der heutigen Zeit funktioniert und sich von dem allseits bekannten Muster lösen kann?
Es mag sein, dass ich hier die falsche Zielgruppe bin, da ich jeden Thriller wesentlich spannender und fesselnder finde. Und wenn ich mir die nachhaltige Wirkung von Oscar Wilde und Charles Dickens ins Gedächtnis rufe, bleibe ich dann wohl eher bei den Klassikern.

Bewertung vom 05.10.2023
Groll
Carofiglio, Gianrico

Groll


gut

Die frühere Staatsanwältin Penelope Spada arbeitet heute unfreiwillig als Privatdetektivin ohne Lizenz. Marina Leonardi bittet sie, den Tod ihres Vaters unter die Lupe zu nehmen. Offiziell starb der bekannte Chirurg an einem Herzinfarkt, doch er hat sein Testament zugunsten seiner jungen Ehefrau geändert. Spada übernimmt zwar den Fall, macht Marina aber wenig Hoffnung, zumal die Leiche ihres Vaters bereits seit zwei Jahren eingeäschert ist. Gäbe es da nicht einen Hinweis, dass Vittorio Leonardi die Absicht hatte, sein Testament erneut zu ändern. Doch Marina scheint lediglich wütend auf ihren Vater zu sein, zu dem sie nie eine herzliche Beziehung hatte.

Soweit zu der Kriminalhandlung, die aber weder im Vordergrund steht noch genügend Spannung aufweist, um mich dauerhaft bei der Stange zu halten. Sie ist lediglich der Aufhänger für Spadas innere Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit, die zunächst angedeutet wird. Die Ermittlungen plätschern vor sich hin, mehr vom Zufall bestimmt, da es ja eigentlich nichts mehr zu ermitteln gibt, und Spadas Unlust ist fast spürbar.
Ziemlich schnell fand ich heraus, dass es bereits das zweite Buch über die Privatdetektivin ist, das erste wurde nie übersetzt. Das störte mich immer wieder, weil bereits zu Beginn angedeutet wird, dass etwas Entscheidendes vor fünf Jahren passiert sein muss und nun im Zusammenhang mit dem Fall in Spada mächtig arbeitet. Ständig hatte ich das Gefühl, mir würde Hintergrundwissen fehlen. Ob dem tatsächlich so ist, kann ich nicht sagen, zum Glück wird aber die damalige Begebenheit rückblickend aufgearbeitet. Dennoch war es lange Zeit für mich verwirrend.

Hinzu kommt, dass Spada ein ziemlich sperriger Charakter ist. Sie ist von Schuldgefühlen und Selbsthass geplagt, betäubt sie mit Alkohol Zigaretten und One-Night-Stands. Die ehemalige Stabhochspringerin betreibt fast exzessiv ihre Sporteinheiten, gern auch im Park, wenn sie mit ihrer Bulldogge Olivia unterwegs ist. In einer gleichrangigen Nebenhandlung lernt sie dort Alessandro kennen. Im Laufe der Geschichte werden sie sich, vor allem auf intellektueller Ebene, näher kommen. Aber so richtig zünden wollte das bei mir auch nicht. Hier ist wohl auch alles auf eine Serie angelegt.
Hauptsächlich geht es um die innere Auseinandersetzung Spadas mit sich selbst, denn seit ihrem Fehler vor fünf Jahren hadert sie mit sich selbst und kann sich nicht verzeihen.
Sie ist nicht in der Lage anderen zu vertrauen, ständig ist sie auf der Suche nach dem Haken am anderen. Das ist psychologisch gut herausgearbeitet und nachvollziehbar – macht Spada aber nicht sonderlich sympathisch. Ein Konflikt tut sich auf, als sich Spada der jungen Witwe Lisa anfreundet. Hier liegt sicher auch Carofiglios Stärke, die moralischen Untiefen auszuloten. Er selbst war viele Jahre Antimafia-Staatsanwalt und hinterfragt hier die ethischen Aspekte der Aufklärungs- und Ermittlungsarbeit. Darf man auf der Suche nach der Wahrheit Grenzen überschreiten?
Interessant wurde dann ihr alter Fall doch noch, der uns ein wenig in die italienische Welt der Geheimgesellschaften einführt. Allerdings auch nur ein wenig, denn hier hätte das Spannungspotenzial gelegen.

Dass mir der ganze Roman eher nüchtern und verhalten erschien, liegt letztlich wohl an der spröden Protagonistin. Vielleicht hatte ich tatsächlich einen Krimi erwartet und war deshalb so gespalten in einem Eindruck. Hätte ich den Fokus eher auf die psychologische Komponente gelegt, vielleicht hätte es mich mehr erreicht.
Also alles in allem ein durchwachsenes Leseerlebnis, das mich aber nicht davon abhält, mehr von dem Autor zu lesen.

Bewertung vom 03.10.2023
Am Tisch sitzt ein Soldat
Schmidt, Joachim B.

Am Tisch sitzt ein Soldat


ausgezeichnet

»Diese Insel weist die Menschen ab, gönnt nur Seevögeln und Fischen ein behagliches Leben. Die Isländer mit ihren Schafen und Pferden, ihren Gummistiefeln und Kaffeemühlen; sie haben hier eigentlich gar nichts verloren.« S.44

Genauso fühlte sich Island für mich an, als ich das Buch las, das bereits 2014 erschien und nun bei Diogenes neu aufgelegt wurde. Kalt, wenig einladend und trotzdem hatte es eine gewisse Faszination.

Jón ist mittlerweile von der Insel geflüchtet und studiert in Hamburg Medizin. Als er einen Brief erhält, dass seine Mutter im Sterben liegt, macht er sich auf die Heimreise. Viele ermüdende Kilometer muss er am Ende zu Fuß nach Mývatnsveit laufen. Über die Menschen, die Jón dort erwarten, schreibt Schmidt:

»Die Bauern in der Mývatnsveit … sind kauzige Menschen. Da gibt es ziemlich missratene Geschöpfe, die wohl nur am äußersten Ende der Welt geduldet werden.« S.14

Und Jóns Familie, Nachbarn und Freunde gehören zu den Eigenbrötlern, die diesem kargen Landstrich das Lebensnotwendigste abringen.
Wir schreiben das Jahr 1967, auf dem elterlichen Hof erwarten ihn nur noch seine herrische Tante Rósa und sein geistig behinderter Bruder Palli. Und während sie darauf warten, dass die Mutter stirbt, gleiten Jóns Gedanken immer wieder zurück in seine Kindheit. Sein Vater starb beim Schafabtrieb im Gletscherfluss, als Jón 2 Jahre alt war. Das weiß jeder in der Gegend. Und noch etwas geschah im 2. Weltkrieg, von dem Island nur marginal betroffen war, ein deutsches Militärflugzeug stürzt in der Nähe des Hofes ab. Den Soldaten kann man retten, er wird allerdings kurz darauf festgenommen und sein Flugzeug liegt noch heute an Ort und Stelle. An viel kann sich Jón nicht mehr erinnern. Aber stimmt es auch, was man sich hier erzählt?

Wieder einmal überrascht mich Schmidt mit einer Geschichte, die sich ganz langsam dreht und zu einem Krimi wird. Denn das Leben der Familie wird von einer großen Tragödie überschattet, über die man schweigt.

Ich mag Schmidts einfühlsame Art zu schreiben, seinen Tiefgang aber auch seinen leisen Humor. Sein ungeschönter Blick auf die einfach Menschen, die in diesem abgeschiedenen Teil der Welt leben, die einsilbig sind, sich die Einsamkeit erträglich trinken, die irgendwie vergessen wurden vom Rest der Welt und sich nicht immer um Recht und Gesetz scheren.

Beim Lesen hat man eigentlich nur das Bedürfnis, einen heißen Tee zu trinken und sich in eine Decke zu kuscheln. Definitiv wird die Geschichte noch lange in mir nachhallen, denn bisher hat mich kein Buch über Island atmosphärisch so eingefangen, dass es bleibenden Eindruck hinterlassen hätte. Auch wenn sich meine Sympathie für die meisten Figuren in Grenzen hielt, hab ich sie am Ende etwas bedauert, dass sie dort am Ende der Welt zurückbleiben mussten.
Ich denke, das Buch ist ein Muss für alle Schmidt-Fans. Hin und wieder blitzt auch der leicht schwarze Humor des Autors durch, den er in seinen Kalmann-Büchern perfektioniert hat.

»Vielleicht ist es der Zauber des Nordens, der seine Bewohner im festen Griff hält. Wird man nämlich von solch dunklen Gedanken geplagt und entschließt sich vielleicht, der Insel den Rücken zu kehren, lässt die Sonne unverhofft ihr goldenes Licht durch die Wolken strahlen, und die Millionen Schneeflocken verwandeln sich in Kristalle, die sich sanft auf die Auen legen und das Land in eine zauberhafte Märchenwelt verwandeln, sodass das mürbe Islandherz voller Stolz zu schlagen beginnt. Und die Frage, wie man es hier in dieser Einöde nur aushalten soll, ist plötzlich vom Tisch.« S.124

Bewertung vom 28.09.2023
Einmal noch sterben
Bottini, Oliver

Einmal noch sterben


ausgezeichnet

Letztes Jahr bekam ich für den Autor eine große Empfehlung und habe mich nach über 20 Jahren mal wieder an einen Politikroman getraut. Ja, Bottini nennt es einen Roman, auch wenn die Spannung an vielen Stellen mit einem Thriller mithalten kann.

Nun ist es nicht gerade mein Wohlfühlgenre, aber schon nach ein paar Seiten fühlte es sich für mich an, als lese ich einen Carré.

Worum gehts?
2003 präsentiert der US-amerikanische Außenminister Powell angebliche Beweise für Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen. Seine Quelle ist »Curveball«, ein fragwürdiger Informant des BND. Obwohl berechtigte Zweifel an dessen Aussage existieren, nutzt die Bush-Regierung sie als Legitimation für den Krieg gegen den Irak. Deutschland unter der Schröder-Regierung wird sich nicht daran beteiligen. So viel zu den Fakten. Im Roman gibt es eine irakische Regierungsgegnerin, die beweisen kann, dass Curveball lügt. Der Krieg könnte also noch abgewendet werden. Doch nun beginnt ein fieses Intrigenspiel. Frank Jaromin, Agent beim BND, wird nach Bagdad geschickt, um die Übergabe der Gegenbeweise zu sichern, doch schon seine Reise verläuft nicht wie gewünscht. Seine Mission läuft gründlich schief.
Gleichzeitig versucht die BKA-Sonderermittlerin Hanne Lay, die Identität Curveballs zu überprüfen, auch ihr werden von verschiedenen Seiten Steine in den Weg gelegt.
Schnell wird klar, dass beiden ein Gegner aus den eigenen Reihen gegenübersteht, eine Seilschaft, die im Gegensatz zur deutschen Regierung Interesse an dem Krieg hat.
Bottini hält sich natürlich an den Lauf der Geschichte, aber er stellt die Frage, ob der Krieg nicht frühzeitig hätte verhindert werden können. Was wäre gewesen, wenn? Und so konstruiert er einen vielschichtigen Plot, in dem es um Loyalität und Vertrauen, Verrat und verborgene Wahrheit geht.

Denn auch wenn man im Nachhinein festgestellt hat, dass Curveball gelogen hat, so bleiben doch einige Fragezeichen – wie das immer so ist, wenn Geheimdienste ihre Finger im Spiel haben. Bottini nutzt die Lücken, um seine Fiktion anzusiedeln und neue Fragen aufzuwerfen. Wie weit kann man staatlichen Institutionen trauen? Inwieweit war Deutschland tatsächlich am Krieg beteiligt? Dabei driftet Bottini aber nie ins Reich der Verschwörungstheorien ab.
Aber auch seine Figuren widmet er eine tiefe Charakterzeichnung. Was macht es mit einem, wenn man jahrelang als Agent arbeitet, seine Familie, die nichts davon wissen darf, daran zerbricht?
Bottins Politthriller ist ein absolut lesenswertes Buch, hochkomplex und rasant geschrieben. Schauplätze und Kapitel lösen sich in rascher Folge ab, und ganz allmählich verknüpfen sich alle Handlungsfäden. Köpfe rollen, Fäden werden gesponnen, Kollateralschäden in Kauf genommen. Die Welt ist und bleibt ein Wirrwarr aus Machtinteressen, die wir wohl nie durchschauen werden.
Erst dachte ich ja, dass ich an dem Genre scheitere, aber dem war nicht so. Ich habe mich zwar kurz in den historischen Hintergrund eingelesen, aber mit seiner Geschichte hat er mich restlos gefesselt.
Absolut verdienter 2. Platz beim Deutschen Krimipreis 2022.

Bewertung vom 26.09.2023
Andy Africa
Buoro, Stephen

Andy Africa


sehr gut

Andrew Aziza, den alle Andy Africa nennen, lebt mit seiner Mutter im Norden Nigerias. Er liebt sie, aber innerlich schämt er sich für sie, weil sie ungebildet und arm ist. Über seinen Vater schweigt sich die Mutter aus. Nachts träumt er von blonden Mädchen, auch wenn er die nur aus dem Fernsehen und von den Raubkopien westlicher Filme kennt. Doch dann begegnet ihm Eileen, die Nichte des örtlichen Pfarrers, die platinblonde Frau seiner Träume. Während er sich beim örtlichen Kirchenfest in sie verliebt, rast ein auf Rache sinnender muslimischer Mob auf die Kirche zu und verändert sein Leben dramatisch.
Dank eines kirchlichen Stipendiums kann Andy eine Privatschule besuchen – doch seine Mutter kann sich kein Fleisch leisten. Andy schreibt Gedichte, die hier immer wieder einfließen, – doch seine Stadt mit über 100.000 Einwohnern hat nicht mal eine Bibliothek. In seiner Heimatstadt Kontagora fliegen Müll und Plastiktüten durch die Straßen – die Hauptstadt dagegen sieht aus wie geleckt. Das ganze Buch strotzt von Gegensätzen, dass mir beim Lesen schnell klar wurde, in welcher inneren Spirale Andy feststecken muss.

Ein eindrücklicher Coming of Age Roman über die Zerrissenheit der Jugend in Buoros Heimatland, der mich schwer beeindruckt hat. Er zeigt, wie junge Afrikaner sich fühlen müssen, die einerseits nach alten Traditionen erzogen werden, aber von westlichen Medien und Vorstellungen überschüttet werden, die die Folgen der Kolonialisierung tragen, denen Religionen aufgezwungen wurden, die aber auf der Suche nach ihren Wurzeln, ihrer Identität sind. Und wie sich das anfühlt, wenn man zwischen den Stühlen sitzt, politisch instabile Machtverhältnisse Landstriche in die Armut stürzen, das Leben perspektivlos ist, all das zeigt Buoro sehr eindringlich, sehr facettenreich. Was also ist das Schicksal Afrikas? Die Flucht oder ein Ausharren »wie in einem langen Gebet«?

Dieses Buch ist in einem wahnsinnigen Tempo geschrieben, denn die Ereignisse überschlagen sich ab einem gewissen Punkt und bestärken Andy darin, dieses Land, »diesen ganzen beschissenen Kontinent« zu verlassen. Die Liebesgeschichte mit Eileen steht also nicht im Fokus, sondern erscheint Andy als einzige Lösung der Misere. Könnte er durch sie seinen Hass auf seine Hautfarbe überwinden?
Andy ist ein lustiger, intelligenter Kerl, der als Erzähler seine Leserschaft mit viel Charme, Bissigkeit und Selbstironie einfängt. Doch so lustig einige Teenager-Episoden daherkommen, so traurig und dramatisch sind andere Ereignisse, die in den wenigen Wochen nicht nur sein Leben für immer verändern.
Es fällt mir echt schwer, dem Buch annähernd gerecht zu werden, da es so überaus komplex ist, dass sich viele Themen erst nach und nach erschließen. Da hilft wirklich nur, es selbst zu lesen.

Einen Kritikpunkt habe ich, der aber nicht in meine Bewertung einfließt. Wenn ich etwas nicht verstehe, dann mache ich mich parallel zum Lesen gern schlau und hier habe ich sehr viel gegoogelt. Allerdings haben mich die ganzen Ausführungen zu Permutation, Animismus und Anifuturismus komplett überfordert. Aber wie gesagt, das ist mein Ding und hat dem Verständnis der Geschichte keinen Abbruch getan.

Über das Ende habe ich lange nachdenken müssen, denn ich hätte mir gern ein besseres, schöneres gewünscht. Aber nun glaube ich, dass es tatsächlich nur dieses eine Ende geben konnte. Im Original heißt das Buch »The Five Sorrowful Mysteries of Andy Africa«, was sich auf den Kreuzweg von Jesus bezieht, und sich in den Kapitelüberschriften widerfindet, und somit das Ende erklärt. Buoro hat hier ein richtig gutes, opulentes literarisches Debüt abgeliefert, das mich nachhaltig beeindruckt hat.

Bewertung vom 23.09.2023
Sinkende Sterne
Hettche, Thomas

Sinkende Sterne


weniger gut

Der namensgleiche Protagonist in Thomas Hettches neuem Buch hat seinen Job als Hochschullehrer verloren und macht sich auf ins Wallis, wo das Haus seiner Kindheit steht. Erinnerungen und Vergänglichkeit erwarten ihn im Chalet seiner verstorbenen Eltern. Doch im Ort ist man ihm nicht wohlgesonnen. Als Deutscher habe er kein Bleiberecht mehr, sein Haus würde in einer Kürze versteigert und er müsse das Land verlassen.
Irgendwie ist alles noch so, wie es war, aber eigentlich ist doch nichts mehr so. Vor einiger Zeit hat es einen massiven Bergrutsch gegeben, der die Rhone zu einem See angestaut hat und dabei etliche Dörfer versenkt hat. Alte Machtstrukturen haben sich wieder etabliert, nachdem sich das deutschsprachige Wallis vom französischsprachigen separiert hat.
Doch Hettche bleibt. Vielleicht ist auch seine alte Jugendliebe Marietta der Grund. Eine der wenigen, die geblieben ist, und nun in alter Tradition das Vieh im Sommer in die Berge treibt. Ihr folgt er für ein paar Wochen in die karge Welt der Hochalpen, wo er ihr wieder näherkommt, bei der Käserei hilft und Serafine, Mariettas Tochter, ihm Mythen der Berge erzählt.

Hettche hat mich mit seiner bildgewaltigen Sprache und kraftvollen Naturbeschreibungen durch die erste Hälfte des Buches getragen. Auch seine Erinnerungen an seine Gespräche mit seinem letzten Studenten Dschamil über die Odyssee und Sindbad mochte ich gern folgen. Etwas abgefahrener war da schon das Treffen mit einer etwas seltsamen Bischöfin. Aber dann hat er mich langsam verloren.

Auch wenn ich der Suche und dem Irren des Protagonisten oft folgen konnte, seine Zweifel an der immer schneller werdenden Zeit, die alles infrage stellt, verstehen konnte, verlor sich seine anfängliche Handlung in ausschweifenden, essayartigen Reflexionen. Immer wieder bezugnehmend auf Literatur und Kunst hätte ich wahrscheinlich unzählige Werke lesen müssen, um die Essenz dahinter zu verstehen. Ich fand es äußerst mühsam, seinen Gedanken und Ausführungen zu folgen, und habe gleichzeitig auf den Fortgang der Handlung gehofft. Doch anfänglich aufgeworfene Konflikte versanden, der Protagonist versinkt in einem Fieberwahn und schreibt lieber über Rilke.
Ich bin halt nur eine Durchschnittsleserin, und mich interessiert keine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Schreibprozess oder wenn er über Wittgenstein, Proust oder Lukrez doziert. Sollen sich die Literaturkritiker daran erfreuen, ich bin raus. So wurde nach anfänglicher Freude das Buch für mich leider zur Enttäuschung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.09.2023
Die Asche des Tages
Ó Cadhain, Máirtín

Die Asche des Tages


sehr gut

Wer kennt das nicht, wenn eine unangenehme Aufgabe vor einem liegt, schiebt man sie gern vor sich her.
Es ist Samstagmorgen und N.s Frau ist gerade nach langer Krankheit gestorben, doch N. hat etliche Fehlstunden und geht zunächst ins Büro, obwohl er sich um eine Grabstätte, einen Sarg und die Trauerfeier kümmern müsste.
Schon am missbilligenden Ton seiner Schwägerin, die ihn per Telefon antreibt, spürt man, dass N. es ihr wahrscheinlich nicht recht machen kann – egal, was er tut. Und so folgen wir Leser*innen ihm nicht nur seinen abwägenden Gedanken, sondern in die nächste Kneipe, wo ihm sein Bekannter Simón helfen soll, einen günstigen Sarg aufzutreiben. Doch allein die Kosten des Whiskeys sind N. zu hoch und er überlegt, wo er ihn günstiger bekommt. Er könnte ja noch schnell einen mit Tomás trinken, und dabei fällt ihm ein, dass der Leichnam seiner Frau auch noch aufgebahrt werden muss. Ob das nicht die Kleinen Schwestern der Armen für lau machen könnten?

»Und dann fielen ihm die Kirche und der Priester ein. Es gab so viel zu tun. Es war ein einziger Spießrutenlauf, und jede ausgestreckte Hand musste mit Geld geschmiert werden.« S.11

Doch Geld hat er bald keins mehr, denn ihm wird die Brieftasche gestohlen und die letzten Pence verliert er auf der Rennbahn. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf, denn mit jeder Stunde, die vergeht, wird es schwieriger, nach Hause zurückzukehren – wenn nicht sogar unmöglich.

Jetzt stellt sich die Frage: Was macht es für Lesende interessant, einem Menschen beim Prokrastinieren zuzusehen? Denn Handlung wird man in dieser Geschichte fast vergeblich suchen. Und ich habe mich ehrlich gesagt auch etwas schwergetan, brauchte mehrere Anläufe, um das Buch zu beenden. Aber Ó Cadhain hat es immer wieder geschafft, mich zurückzuziehen.

Und hier lag wohl auch die Kunst – es ist eine so anschauliche, zuweilen traurige Charakterstudie auf hohem Niveau. Ganz im melancholisch humorvollen Tenor, der der irischen Literatur eigen ist, vermittelt der Autor einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt eines einfachen Mannes, den nichts anderes plagt, als auch uns in manchen Stunden. Ist es nicht allzu menschlich, sich nicht mit dem Thema Tod und Trauer beschäftigen zu wollen?
Ich schwankte oft zwischen dem Wunsch, ihn zu schütteln und zu sagen: »Jetzt mach doch endlich mal« und tiefem Verständnis für seine Situation, die durch seine Mitmenschen angefacht und befeuert wird. Auch mir waren seine Ausreden, seine Gedanken nicht fremd, die ihn immer wieder die Dinge verzögern ließen. Nun ja, da wäre ja noch das Thema mit dem »freien Willen«.

Ich denke, dass es kein Werk für jedermann ist, man sollte schon bereit sein, wirren, abstrusen Gedankengängen zu folgen. Aber dafür wird mit auch mit der Auflösung belohnt, ob N. seine Frau unter die Erde bekommt oder nicht.

Bewertung vom 15.09.2023
Dich zu verlieren oder mich
Qaderi, Homeira

Dich zu verlieren oder mich


ausgezeichnet

»Meine Großmutter war der Überzeugung, dass der Allmächtige einem Menschen kaum eine schwerere Prüfung auferlegen könne, als ein Mädchen in Afghanistan zu sein. Als Kind wollte ich kein Mädchen sein. Ich wollte nicht einmal, dass meine Puppen weiblich waren.« S.11

Das, was wir hier lesen, ist kein Roman! Ist ist die traurige, erschütternde aber auch hoffnungsvolle Lebensgeschichte einer afghanischen Frau und Mutter, die ergreifend und mutig schildert, was für uns Frauen hier in Deutschland unvorstellbar ist. Eine Geschichte, die unter die Haut geht. Unterbrochen werden die Kapitel von Briefen an ihren Sohn Siawash, der ihr mit nur 19 Monaten weggenommen wurde. Ihm versucht sie ihr Leben zu erzählen, damit er versteht, wie tief ihre Liebe zu ihm ist, und um Tausenden hilflosen afghanischen Frauen Mut zu machen.
Qaderi wächst in Herat, einer Großstadt im Westen Afghanistans auf. Schon früh wird für Qaderi deutlich, dass man ihrem Bruder andere Geschichten erzählt, Geschichten von Dschinns, von Wünschen, die in seinem Leben wahr werden können. Ihr machte vor allem ihre Großmutter, Nanah-jan, immer wieder deutlich, wo ihr Platz ist und was man von ihr erwartet.

»Meine Nanah-jan sagte immer: »In den Augen eines Mädchens sollte man Angst erkennen.«« S. 14

Unter der Herrschaft der Taliban wächst sie zur Frau heran und muss miterleben, wie den Frauen alle Rechte aberkannt werden. Sie dürfen nicht ohne männliche Begleitung auf die Straße gehen, sie dürfen nicht mehr lernen, keinen Beruf ausüben. Verstöße werden mit Auspeitschungen bestraft, schlimmstenfalls droht ihnen die Enthauptung. Doch Qaderi ist willensstark, mutig und rebellisch, findet immer wieder Wege, sich zu widersetzen und anderen Mädchen in ihrem Ort Mut zu machen.

Mit der Unterstützung ihrer Eltern gründet sie mit 13 Jahren eine Mädchenschule, offiziell, um den Koran zu studieren– das einzige Buch, das überhaupt noch gelesen werden darf. Aber sie bringt den Kindern Lesen und Schreiben bei, begleitet von der ständigen Angst, erwischt zu werden, denn es könnte für sie die Todesstrafe bedeuten. Doch das Leben wird sie noch vor eine Entscheidung stellen, deren Konsequenzen für jede Mutter unerträglich wären.

Dieses Buch hat mich immer wieder zu Tränen gerührt, manchmal war ich sprachlos, manchmal musste ich es zur Seite legen, weil es schier nicht zu verkraften war. Von Beginn an hat Qaderi mich mit ihren starken, poetischen und berührenden Worten gefesselt. Wie viel Mut es braucht, sich den Regeln und Gesetzen einer zutiefst konservativen patriarchischen Gesellschaft zu widersetzen, wenn klar ist, welche Konsequenzen zu befürchten sind. Ob russische Intervention, Bürgerkrieg oder Talibanherrschaft, das Land kennt keinen Frieden und keine Freiheit. Frauen werden zu Objekten degradiert, sind Vergewaltigungen, Zwangsheiraten und Polygamie ausgeliefert. Wie kostbar dagegen die kleinen Siege sind, die immer wieder errungen hat.

In einem sehr bewegenden Nachwort schreibt sie:
»Ich konnte es nicht fassen, dass ich eines Tages wieder gezwungen sein sollte, gegen die Taliban zu kämpfen. Aber die Wirklichkeit wurde zur Fratze, und die Weltgemeinschaft zeigte ihr wahres Gesicht, indem sie uns im Stich ließ.« S.233

Vielleicht erinnert ihr euch an die Bilder, als 2021 deutsche und US-amerikanische Truppen das Land verlassen, an die Menschen, die mit ihrer Verzweiflung und den neuen alten Talibanherrschern zurückgelassen wurden.
Bitte lest dieses Buch und vergesst nicht die Frauen in Afghanistan und all den anderen Ländern, die die Menschenrechte mit Füßen treten. Dieses Buch wird immer einen Platz in meinem Herzen haben.

Bewertung vom 14.09.2023
Blinde Tunnel
Alsterdal, Tove

Blinde Tunnel


ausgezeichnet

Als das schwedische Paar Sonja und Daniel sich in Böhmen einen Weinberg kaufen, sollte es für beide ein Neuanfang werden. Die Kinder sind aus dem Haus, um ihr Ehe steht es nicht zum Besten, und Sonja fragt sich mehr als einmal, warum es ausgerechnet Tschechien sein musste und nicht Portugal oder Spanien.
Das dazugehörige Haus ist ziemlich marode und als Daniel eine Mauer im Keller einreißt, entdecken sie dahinter nicht nur staubige Weinflaschen, sondern ein altes Tunnelsystem. Doch in dem Kellergewölbe finden sie auch die mumifizierte Leiche eines Jungen, der eine weiße Armbinde trägt. Die Polizei scheint sich nicht für die Identität des Jungen zu interessieren. Sie werden sogar aufgefordert, nicht darüber zu reden.
Zur gleichen Zeit lernen sie Anna kennen, eine englische Anwältin mit ostdeutschen Wurzeln. Kurz darauf wird sie tot auf dem Weinberg gefunden und Daniel als Verdächtiger verhaftet. Was hat Anna, die angeblich als Touristin unterwegs war, früh morgens auf ihrem Grundstück zu suchen?

Der Tod des Kindes ist der Auslöser für Sonjas Recherche, die sie in einn dunkles Kapitel der deutsch-tschechischen Geschichte führt. Alsterdal konzentriert sich zunächst darauf, die angespannte Stimmung in dem kleinen Ort zu zeichnen. Denn sobald die Sprache auf die Vergangenheit kommt, zeigen sich die meisten ziemlich zugeknöpft oder äußern unverhohlen ihre Meinung über die Sudetendeutschen von damals. Sonja findet bei Marta in der einzigen Buchhandlung im Ort erste Antworten, die Grausames offenbaren. Sonja ist schockiert, auch ihr Weingut hatte ehemals einer deutschen Familie gehört.

Die Geschichte der Sudetendeutschen reicht bis ins Mittelalter zurück und endete mit der grausamen Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg. Menschen wurden verprügelt, gefoltert, getötet, mussten ihr Hab und Gut aufgeben und wurden aus dem Land getrieben.

Es war mein erstes Buch der schwedischen Krimiautorin und ich hatte einen soliden Krimi erwartet – bekommen habe ich einen spannenden, tiefgründigen und gut recherchierten Kriminalroman, der bis in den Zweiten Weltkrieg zurückreicht. Obwohl mir viele der historischen Fakten bekannt waren, konnte sie mich mit einigen neuen überraschen, denn die grausame Vertreibung hinterließ ihre Spuren auch in der Gegenwart.

Mir gefällt Alsterdals unaufgeregte, ruhige Art des Erzählens. Wer einen rasanten Krimi vermutet, liegt hier falsch und wird enttäuscht sein. Wer sich aber für das Thema der Sudetendeutschen interessiert, findet eine fundierte, gut recherchierte Story wieder. Das damals brutale, grausame Vorgehen der Tschechen wird ungeschönt geschildert, dass ich manchmal echt schlucken musste. Aber auch alle Folgen, die daraus erwachsen sind, der heutige Umgang damit haben mich stellenweise echt erschüttert.
Es geht um Vergangenheitsbewältigung und den daraus entstandenen Traumata, Wegschauen und Schweigen, Herkunft und Heimatlosigkeit.
Gegen Ende des Buches zieht sie das Tempo noch mal merklich an und bringt meine ganzen Vermutungen ins Wanken. Für mich war es eine sehr gelungene, überraschende Lektüre, die ich allen gern empfehle, die tiefgründige Geschichten mögen und keinen Pageturner suchen.

Bewertung vom 10.09.2023
Von den fünf Schwestern, die auszogen, ihren Vater zu ermorden
Mvogdobo, Melara

Von den fünf Schwestern, die auszogen, ihren Vater zu ermorden


ausgezeichnet

Ehrlich, hattet ihr auch schon mal böse Fantasien, als ihr von sexuellen Missbrauch, vor allem von Kindern, gehört habt? Die Autorin Mvogdobo geht noch einen Schritt weiter und erzählt von den Mordfantasien der fünf Schwestern, die von ihrem Vater missbraucht wurden.

»Ich werde meinen Vater umbringen. Ich werde ihn töten, auslöschen, hinrichten, eliminieren, ins Gras beißen lassen, ihn über den Jordan schicken, das letzte Stündlein für ihn schlagen lassen. Ich werde mit ihm abrechnen und mich dabei endlich selbst befreien.« S.13

... denkt sich die schwangere Céleste und ersinnt mit ihrer Schwester Sheshe und ihren Halbschwestern Lea und Marion äußerst kreative Tötungsarten, die sehr detailliert geschildert werden.
Nach vielen Jahren in der Schweiz – und nach vielen Frauen – kehrt der Vater im Alter in sein Heimatland Kamerun zurück, wo er von der ältesten Tochter Séraphine pflichtbewusst umsorgt wird. Die vier Schwestern planen also ihre Reise nach Kamerun und wollen Séraphine ins Boot holen, die Afrika nie verlassen hat und in einem traditionellen Rollenbild verhaftet ist. Doch den Alten umzubringen, gestaltet sich dann doch schwieriger als gedacht.

Mvogdobo lässt alle Frauen, einschließlich der Mütter zu Wort kommen. Und während ich mich noch über den »Klitoriszertrümmerer« und den Wunsch nach »mit Zähnen bewehrten Schamlippen« amüsiere, wird der Ton zunehmend ernster. Jede der Schwestern hat mit den Folgen des Missbrauchs durch den Vater zu kämpfen und will sich nun endlich aus der Selbstzerstörung befreien. Der Autorin sind hier wunderbare, tiefgründige Figuren gelungen, die nicht in die Opferrolle fallen, sondern durch das geplante Ereignis Kraft schöpfen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Der Autorin ist hier ein sehr kontrastreiches Buch gelungen, das trotz des ernsten Themas mit vielen humorvollen Szenen aufgelockert und mit Sarkasmus angereichert ist, sodass sich auch einige schonungslos geschilderte Passagen gut verkraften lassen. Am Ende präsentiert sie uns noch eine Wendung, ganz eines guten Krimis würdig.
Sie wirft einen kritischen Blick auf die traditionelle Rollenverteilung, auf die seelischen Folgen von Missbrauch und den heilsamen Zusammenhalt der Schwestern, der ihnen Kraft und Mut gibt, sich aus ihren Dilemmata zu befreien. Sie spricht unverblümt über Gewalt und Betrug, spricht auch über Herkunft, Kultur und Aberglaube – und das alles auf 200 Seiten, ohne das ich das Gefühl hatte, etwas bliebe ungesagt oder angerissen.

Aber auch ihr Nachwort gibt mir zu denken. Sie schreibt, dass sie die Idee zum Roman bereits vor 20 Jahren hatte, ihr Manuskript aber immer abgelehnt wurde. Erst nach MeToo war die Verlagswelt scheinbar reif für diesen außergewöhnlichen Emanzipationsroman. Und bitte werft einen genaueren Blick auf das Cover, das übrigens von der Autorin selbst gestaltet wurde. Ich musste auch zwei Mal hinschauen.

Inhaltlich ebenso wie sprachlich konnte mich ihr Racheroman vollkommen begeistern. Und wer sich jetzt fragt, ob ernstes und makaberes nebeneinander funktioniert, dem kann ich nur sagen – ja, sogar wunderbar.