Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
JDaizy
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 63 Bewertungen
Bewertung vom 26.07.2016
Niemand sieht mich kommen
Scottoline, Lisa

Niemand sieht mich kommen


sehr gut

""Eine Therapie ist ein Prozess, der Zeit braucht, und ein Prozess, der dir hilft, deinen Gedanken Aufmerksamkeit zu schenken, sie sogar zu durchleuchten. Es hilft dir, dich für dich selbst zu öffnen und zu erforschen, wer du tief drinnen bist. Es ist, als wären wir zusammen in einer Höhle, die du mit einer Taschenlampe erkundest. Ich bin hier bei dir und halte deine Hand." /.../ Eric spürte, wie Max reagierte, zu ihm eine Beziehung aufbaute, was eine gute Sache war. "Nun, lass uns zu deinen Gedanken zurückkehren, aber versuch daran zu denken, dir nicht vorzuwerfen, dass du sie hast. Erzähl mir davon. Und vergiss nie, es sind nur Gedanken.""

Dr. Eric Parrish ist Leiter der psychiatrischen Abteilung und beliebt bei seinen Kollegen und Patienten. Er ist ein Arzt mit Herz und Verstand, einer der besten in seinem Fach. Doch sein Leben gerät aus den Fugen als sich seine Frau Caitlin von ihm trennen will und ihm droht, ihm das Sorgerecht für seine Tochter Hannah zu entziehen. Neben seinem stressigen Berufsalltag bittet ihn eine Patientin auf dem Sterbebett sich um ihren Enkel Max zu kümmern, der akut suizidgefährdet ist und plötzlich verschwindet. Zeitgleich zeigt ihn eine seiner Studentinnen wegen sexueller Belästigung an, als er ihre Annäherungsversuche abweist und auch die Frau eines Patienten droht ihm mit einer Klage wegen Körperverletzung. Doch damit nicht genug. Plötzlich passiert ein Mord und alles deutet auf Eric als Täter hin. Ein unglücklicher Zufall oder kalkulierte Absicht? Hat es jemand auf Eric abgesehen? Und wird Eric rechtzeitig erkennen, wer ein falsches Spiel mit ihm spielt. Freund oder Feind - das ist hier die Frage!
"Niemand sieht mich kommen" ist mein erstes Buch der amerikanischen Autorin Lisa Scottoline, die bereits auf zahlreiche Veröffentlichungen zurückblicken kann. Sie wird als "Meisterin des Thrillers" angepriesen und entsprechend groß waren meine Erwartungen.
Sehr schnell war ich in der verstörenden Geschichte gefangen und konnte das Buch nur schwer aus der Hand legen. Obwohl die verschiedenen Handlungsstränge für mich durchaus über- und teilweise auch (durch-)schaubar waren, hat mich die Handlung mit ihren zahlreichen Wendungen gefesselt und gut unterhalten.
Immer wieder tauchen in der Geschichte Einblicke in die Gedankenwelt eines Soziopathen auf.
Man sieht aus seinen Augen, das er konsequent (s)ein Ziel verfolgt und ich war erschrocken über die Hartnäckigkeit und die Tiefe seiner Gedanken. Immer wieder habe ich Vermutungen aufgestellt, wer hier mit gezinkten Karten spielt, sie dann wieder verworfen oder zu einem späteren Zeitpunkt doch wieder in Erwägung gezogen. Die Autorin spielt lange und erfolgreich mit offenen -verdeckten Karten.
Das Finale hat mich dann wirklich noch einmal überrascht, auch wenn es mich nicht vollkommen befriedigt zurückgelassen hat.
Das Buch wurde 2016 als Taschenbuch im Verlag Rütten & Loening (einer Marke der Aufbau Verlag GmbH) veröffentlicht. Im Original stammt es aus dem Amerikanischen und heißt dort "Every Fifteen Minutes". Diesen Titel hätte ich mir auch gut für die deutsche Ausgabe vorstellen können, weil er perfekt in die Geschichte passt. Aber auch der deutsche Titel "Niemand sieht mich kommen" ist gelungen. Beim Cover bin ich zwiegespalten. Es gefällt mir, weil es Spannung und psychologische Tiefe suggeriert. Es hat mich so ein bisschen an diese Tests bei Psychiatern erinnert, die man immer im Fernsehen sieht. "An was denken sie, wenn sie dieses Bild sehen?". Bis zum Ende habe ich mich gefragt, WER sind diese zwei Personen auf dem Cover? Und ich habe nach dem Finale eine Vermutung. Sicher bin ich mir jedoch nicht.
Das Buch selbst ist hochwertig verarbeitet, hat eine angenehme Kapitellänge und ein gut lesbares Schriftbild. So macht Lesen Spaß.

Fazit:
Ein guter psychologischer Thriller mit authentischen Charakteren, vielen Wendungen und trotz seiner 410 Seiten schnell weggelesen. Spannend bis zur letzten Seite. Definitiv lesenswert.

Bewertung vom 18.07.2016
Totenvogel
Vertacnik, Hans-Peter

Totenvogel


sehr gut

Ein Mord erschüttert das beschauliche Wien. Innenminister Liebermann wurde ermordet und nicht nur die Polizei stellt sich die Frage: Warum? War er ein Zufallsopfer? War er in skrupellose Machenschaften verstrickt? Oder wurde ihm seine Vorliebe für verheiratete Frauen zum Verhängnis? Oberst Kubica beginnt zu ermitteln und stößt dabei schnell auf zahlreiche Ungereimtheiten und gut gehütete Geheimnisse. Doch warum soll er trotz klarer Indizien plötzlich vom Fall abgezogen werden? Ist Kubica nach seinem "Unfall" tatsächlich noch nicht wieder fit genug für den Polizeidienst oder hat er einfach an den falschen Stellen, zu tief gegraben?

Mit "Totenvogel" setzt der Autor Hans-Peter Vertacnik die Geschichte um den sympathischen, urigen Kriminalkommisar Kubica fort. Man kann das Buch aber auch sehr gut eigenständig lesen, ohne den Vorgänger "Donauwölfe" zu kennen, da es in sich abgeschlossen ist. Auch für mich war es der erste Kriminalroman des Autors.
Am Anfang musste ich mich erst in die vielen Charaktere einlesen und musste durch die, für mich, ungewöhnlichen Berufsbezeichnungen (das Buch spielt in Österreich) etwas "sortieren". Das die Personen einmal mit dem Vornamen, dann wieder mit dem Nachnamen und dann wieder nur mit der Berufsbezeichnung angesprochen werden, macht es nicht einfacher. Wenn das "im Kopf Sortieren" aber einmal gelungen ist, findet man sich gut in der Geschichte zurecht.
Schnell war ich gefangen in dem Netz aus mysteriösen Geldgeschäften, politischer Korruption, Erpressung, Eifersucht und persönlichen Intrigen.

Hans-Peter Vertacnik war selbst ehemaliger leitender Polizeibeamter und wenn man aufmerksam liest, findet man interessante Details und Einblicke in die kriminalistische Arbeit. Er zeichnet Figuren mit hohem Wiedererkennungswert. Ich habe besonders Kubica in mein Herz geschlossen - auch wenn er mich mit seinen Ecken, Kanten und seinen Macken, vor allem mit seinem Trennungsschmerz um seine Ex-Frau manchmal etwas "genervt" hat. Aber sind es nicht gerade die kleinen Macken, die uns unverkennbar und liebenswert machen?! Sehr berührt hat mich auch die Geschichte um seinen Sohn Oscar und seine Freundschaft zu Wozzek. Ich hoffe wirklich, dass die Geschichte weitergeht und Kubica nicht in Pension geschickt wird. Denn dann würden mir "nur" noch die "Donauwölfe" bleiben - denn dieses Buch werde ich mir defintiv kaufen. Auch wenn ich damit die Geschichte wohl von hinten aufrolle.

"Totenvogel" ist 2016 als Taschenbuch im emons-Verlag erschienen. Das Cover und auch der Titel sind für mich leider nicht sehr aussagekräftig. Vielleicht, weil ich die örtlichen Gegebenheiten in Wien nicht kenne. Ich vermute, dass es sich bei der Abbildung um das Dach einer bekannten Sehenswürdigkeit handelt, denn der Autor beschreibt im Buch immer wieder anschaulich die Plätze, in denen die Geschichte spielt. Das macht defintiv Lust auf Wien und vielleicht begebe ich mich irgendwann einmal auf Kubicas Spurensuche.
Der Kriminalroman selbst ist in drei Abschnitte mit hundertvierunddreißig Kapiteln (auf zeihundertsechsundachtzig Seiten) eingeteilt. Er hat eine angenehme Schriftgröße, kurze Kapitel und ist hochwertig verarbeitet. So wie man es vom emons-Verlag gewohnt ist.
Der Schreibstil des Autors lässt sich am besten mit den Worten: "flüssig, düster, direkt und männlich" beschreiben. Man findet sich schnell in die Geschichte und sie lässt einen nur schwer los, weil man auf die Auflösung hinfiebert.
Meine Lieblingsstelle, die mir wohl immer im Gedächtnis bleiben wird, ist die, mit dem Lindenblütentee im Urinbecher im Krankenhaus. Darüber muss ich jetzt noch schmunzeln und deshalb darf sie nicht unerwähnt bleiben.

Fazit:
Ein kurzweiliger, aber anspruchsvoller, spannungsgeladener Regionalkrimi, der eindrucksvoll mit den dunklen menschlichen Seiten, um Macht, Kontrolle und Gier spielt. Mit komplexen Handlungssträngen, die erst am Ende zusammenlaufen und auf deren Auflösung ich wirklich hingefiebert habe.