Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
SimoneF

Bewertungen

Insgesamt 402 Bewertungen
Bewertung vom 02.09.2024
Die Gleichzeitigkeit der Dinge
Josten, Husch

Die Gleichzeitigkeit der Dinge


sehr gut

Bezüglich dieses Buches bin ich hin- und hergerissen. Husch Jostens Schreibstil ist faszinierend, sein Blick aufs Leben und den Tod, auf Freundschaft, Schuld und schicksalhafte Entscheidungen stimmte mich beim Lesen sehr nachdenklich. Und dennoch war ich in gewissem Sinne erleichtert, als ich am Ende angelangt war, da ich die allgegenwärtige Melancholie und die Omnipräsenz des Todes nur schwer aushielt. Hinzu kommt, dass mir die Hauptfigur, Emmanuel Sourie, von Anfang an sehr unsympathisch war, im wahren Leben wäre ich ihm aus dem Weg gegangen. Rückblickend ist „Die Gleichzeitigkeit der Dinge“ kein Buch für mich, da ich es als düster, beklemmend und schwermütig empfunden habe und mir heitere, auflockernde Gegenpole gefehlt haben. Wer sich jedoch nicht davor scheut, sich intensiv mit dem Thema der Sterblichkeit auseinanderzusetzen, findet hier eine tiefgründige und lesenswerte Lektüre.

Bewertung vom 02.09.2024
Das Ende von Eddy
Louis, Édouard

Das Ende von Eddy


ausgezeichnet

10 Jahre nach Erscheinen legt der Fischer Verlag „Das Ende von Eddy“ von Édouard Louis neu auf, das damals in Frankreich für einen Skandal sorgte und den Autor gleichzeitig zum Shootingstar der französischen Literatur und der linken französischen Intellektuellen machte.

In diesem autobiografischen Roman beschreibt der Autor das Aufwachsen als homosexueller Junge in der Arbeiterklasse in einem kleinen nordfranzösischen Dorf. Er selbst bezeichnet seine soziale Herkunftsschicht in Interviews immer wieder als „Lumpenproletariat“.

Schonungslos offen und gleichzeitig mit einer reflektierten Distanz schildert Louis die offenen Anfeindungen innerhalb der Familie, der Dorfgemeinschaft und unter Mitschülern, die Drangsalierungen und Gewalt, denen er als Homosexueller ausgesetzt war. Hierbei geht es ihm jedoch nicht um eine Abrechnung, sondern vielmehr darum, ein Bewusstsein für diese prekären Milieus des Proletariats zu erzeugen und ihnen eine Stimme zu geben. Das soziale Gefüge, die vorherrschenden Rollenbilder und die Vorstellungen von Männlichkeit, die dort herrschen und sich immer wieder selbst reproduzieren, sind seiner Ansicht nach eine direkte Folge der Klassengesellschaft.

Besonders gelungen fand ich die sprachliche Umsetzung, bei der Louis fliegend zwischen zwei Ebenen wechselt und die auch optisch voneinander abgesetzt sind. Eddys Schilderungen werden immer wieder verwoben mit kursiv gesetzten Einschüben in der Umgangssprache der jeweiligen Personen, so dass der Text sehr authentisch und eindrücklich wirkt.

Es hat mich sehr beeindruckt, dass ein derart ausgefeiltes und reflektiertes Werk einem gerade 20-Jährigen gelungen ist, der sich nur wenige Jahre zuvor schrittweise aus seinem Herkunftsmilieu lösen konnte. Sehr lesenwert!

Bewertung vom 02.09.2024
Prima, fein gemacht!
Brandl, Martina

Prima, fein gemacht!


gut

Bisher war mir der Name Martina Brandl kein Begriff, und ich bin eher zufällig auf dieses Buch aufmerksam geworden. In 45 Episoden greift die Kabarettistin die unterschiedlichsten Themen auf, von der Krux mit kneifenden Unterhosen über Politisches bis hin zu Krankheiten, über die man nicht so gerne spricht. Einen Schwerpunkt bilden die Hundekolumnen (aus "Das Magazin") sowie die "Interviews mit unmöglichen Gesprächspartnern" (aus der Wochenendbeilage der Frankfurter Rundschau). Auch wenn ich über einige Pointen gelacht habe, muss ich doch sagen, dass Frau Brandl insgesamt nicht meinen Humor traf und mir das meiste zu seicht und/oder übertrieben war. Zudem nahm mir der Hund mit einem Drittel der Themen im Programm zu viel Raum ein (angesichts des Titelbildes war ein gewisser Schwerpunkt vielleicht zu erwarten, doch das war mir dann doch zu dominant. Hundefans mögen das anders sehen.). Insgesamt hat mich Martina Brandl mit ihrem Buch leider nicht erreicht.

Bewertung vom 30.08.2024
Das Diamantenmädchen
Arenz, Ewald

Das Diamantenmädchen


ausgezeichnet

Berlin, Herbst 1926. Die Protagonistin Lilli Kornfeld, 27 Jahre alt und Journalistin bei der "Berliner Illustrirten" gerät unversehens in die Mordermittlungen um einen Toten, bei dem ein Rohdiamant gefunden wird. Welche Rolle spielt ihr Jugendfreund Paul, der Diamantenschleifer, und wieweit kann sie Kommissar Schambacher vertrauen?

Ewald Arenz erzählt abwechselnd aus den Perspektiven von Lilly und Dr. Schambacher. In Rückblenden erfahren die Leser/innen mehr über Lillis Jugendjahre. Der Schreibstil ist intensiv, bildhaft und lebendig, und ich kann sofort in die Atmosphäre der 20er Jahre eintauchen und sehe die mondänen Bars und Clubs, die Mode und Leuchtreklamen vor mir, auf den Straßen herrscht reges Treiben, Pferdefuhrwerke, Droschken und Automobile sind unterwegs. Politisch ist die Situation angespannt, die Niederlage des Ersten Weltkrieges und die Reparationszahlungen lasten schwer auf der jungen Republik, der Nationalsozialismus wirft seine Schatten voraus.

Ewald Arenz zeichnet ein stimmungsvolles Bild des herbstlich-regnerischen Berlin, in dem die durchbrechenden Sonnenstrahlen für faszinierende Lichtspiele sorgen - passend zum Funkeln der Diamanten, die das Licht tausendfach brechen und reflektieren.

Der Fall entwickelt sich spannend, und auch wenn ich bezüglich bestimmter Personen sehr schnell den richtigen Riecher hatte, hat mich die Geschichte bis zur letzten Seite gefesselt.

Ewald Arenz verwebt historische Figuren wie den berühmten Kriminalrat Ernst Gennat, Wegbereiter der modernen Kriminalistik, oder den Staatssekretär Carl von Schubert geschickt mit einem spannenden Mordfall. Auch die realen Ullstein Zeitungsverlage mit ihrem charakteristischen Auslieferungs-LKW und das berühmte "Mordauto" der Berliner Mordkommission sorgen für Authentizität.

Fazit: Ein äußerst spannender und stimmungsvoller Krimi über das fliegende Berlin der 20er Jahre - unbedingt lesenswert!

Bewertung vom 28.08.2024
Fenster ohne Aussicht
Mishani, Dror

Fenster ohne Aussicht


sehr gut

In "Fenster ohne Aussicht" beschreibt der israelische Schriftsteller Dror Mishani sein Leben unmittelbar nach dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 und dem ersten halben Jahr danach. Er lebt mit seiner Frau, seinem Sohn und seiner Tochter im Teenager-Alter in Tel Aviv. Sehr offen und ehrlich schildert er seine Gedanken, erzählt von Ängsten, von Diskussionen mit der Mutter, dem Bruder, der Ehefrau, den Kindern, die das Geschehen teils unterschiedlich wahrnehmen und darauf reagieren. Sein Hang zur Literatur wird spürbar, wenn er Trost in Schriften und Büchern sucht. So zitiert er immer wieder mit dem Buch Ezechiel aus der Heiligen Schrift, und auch Homers Ilias zieht er regelmäßig zu Rate. Mishani meldet sich freiwillig zum Ernteeinsatz nahe Gaza, besucht die Mahnwache am "Geiselplatz", und denkt intensiv darüber nach, wie die Spirale der Gewalt enden kann. Er gibt einen seltenen unmittelbaren unf bewegenden Einblick in das Leben mit einer ständigen existenziellen Bedrohung und verliert hierbei doch nie auch das Leid auf der anderen Seite aus dem Blick.

Ein hoch aktuelles und sehr lesenswertes Buch!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.08.2024
Eine große Freundschaft / Mats und Mathilde Bd.1
Wunderlich, Christian

Eine große Freundschaft / Mats und Mathilde Bd.1


sehr gut

Wir lieben die Dachs-Naseweis-Reihe von Christian Wunderlich, und so waren wir natürlich gespannt auf die Abenteuer von Mats und Mathilde.

Der vorwitzige, liebenswerte Schwatz Mats Pieps, halb Schwalbe,  halb Spatz, der unter Höhenangst leidet, und die herzensgute Vogelscheuche Mathilde bilden ein wunderbares Gespann, das sich zusammen auf eine abenteuerliche und fantastische Reise begibt.

Mats und Mathilde kommen hierbei an viele verschiedene fantastische Orte und lernen die unterschiedlichsten Wesen kennen. Sie halten stets fest zusammen und stehen füreinander ein, so dass sie spannende und auch gefährliche Abenteuer gemeinsam meistern können.

Die Geschichte  sprüht geradezu vor kreativer Einfälle. Ganz besonders schätze ich an Christian Wunderlich seinen Umgang mit Sprache und seine lautmalerischen Wortschöpfungen. Sein Stil ist so lebendig, wortgewandt und einfallsreich, dass es auch als Erwachsene großen Spaß macht, seine Bücher vorzulesen. Das ist in dieser Altersklasse leider nicht selbstverständlich.

Mit 250 Seiten ist das Buch für die Zielgruppe ab fünf Jahren ziemlich umfangreich, zumal es auch noch einen zweiten Teil geben wird, der die Geschichte fortsetzen wird (ab Frühjahr 2025). Insgesamt gefällt uns Dachs Naseweis noch etwas besser als "Mats und Mathilde", und das hat zwei Gründe: Zum einen hat "Mats und Mathilde" ein offenes Ende, das bei meinem jungen Zuhörer für viel Enttäuschung gesorgt hat. Nach einer so langen Geschichte erwartet ein kleines Kind eine Auflösung. Dass es Randthemen gibt, die im nächsten Band weiterverfolgt werden, ist kein Problem, aber für Kinder dieses Alters sollte der Kern der Geschichte abgeschlossen sein.

Zum zweiten habe ich den Eindruck, dass der Autor auch inhaltlich manchmal ein bisschen an der Zielgruppe vorbei geschrieben hat. Viele Wortspiele und Referenzen verstehen oft nur Erwachsene oder Jugendliche. So gibt es eine Figur mit dem etwas missglückten Namen "Der mit dem Wolf tanzt". Da diesen Film kein Kind kennt, mutet er sehr merkwürdig an (und trotz Filmkenntnis erschließt sich auch mir die Namenwahl nicht). Eine "Warsagerin" (ohne h!), die in die Vergangenheit sieht, wird mit "nicht nur perfekt, sondern auch Plusquamperfekt" beworben - ein augenzwinkernder Sprachwitz, der von den wenigsten Kindern verstanden werden dürfte. Dasselbe gilt für die Anspielung auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten durch die Großmutter-Intoleranz des kleinen Wolfes oder die Halbwissen verbreitende Vicky Pedia. In der Spielestadt wählt der Autor Spiele wie Monopoly oder Scrabble, die 5-Jährigen ebenfalls unbekannt sind. Stellenweise habe ich mich hier besser amüsiert als mein Kind. Insgesamt würde ich die Altersklasse eher mit 6-9 Jahren angeben und das Buch Kindern empfehlen, die sich schon gut konzentrieren können und die Ausdauer für eine lange Geschichte mitbringen.

Besonders hervorheben möchte ich die unglaublich tolle und reichhaltige Gestaltung des Covers und des  Buchinneren. Anne Hofmann hat viele wunderbare Bilder in warmen und leuchtenden Farben entworfen, die die Geschichte perfekt ergänzen. Alle Illustrationen sind doppelseitig, und die  Schriftfarbe ist passend hierzu gewählt. Das reinweiße Papier ist etwas dicker, und der Buchblock ist fadengeheftet - eine Seltenheit heutzutage im Kinderbuchbereich. Durch diese hochwertige Ausstattung ist das Buch ein echter Hingucker und eignet sich auch hervorragend als Geschenk.

Bewertung vom 27.08.2024
Nachtzugtage
Hyatt, Millay

Nachtzugtage


ausgezeichnet

In " Nachtzugtage" nimmt uns Millay Hyatt mit auf ihre zahlreichen Zugreisen quer durch Europa und bis nach Georgien, in die Türkei, nach Spanien, Paris, Bulgarien oder Schottland. Jede Reise besitzt ein eigenes Kapitel und kann unabhängig von den anderen gelesen werden. Vorangestellt ist jeweils eine kleine Streckenzeichnung der Reiseroute.

Kurzweilig und eindrücklich schildert Hyatt ihre Erlebnisse und Begegnungen, verbindet ihre Gedanken mit passenden Zitaten aus ihrer Reiselektüre.

Meine letzte Zugfernreise ist schon viele Jahre her, und mit dem Nachtzug war ich zuletzt vor 25 Jahren unterwegs. Umso gespannter war ich auf Hyatts Buch. Ich habe einiges über die Kuriositäten des europäischen Bahnverkehrs, Anschlussprobleme und die aberwitzigen Schwierigkeiten internationaler Zugbuchungen erfahren, die mich beim Lesen den Kopf schütteln ließen. Entschädigt wird der bzw. die Reisende im Nachtzug durch einzigartige Landschaften, die am Fenster in der Dämmerung oder im Morgengrauen vorüberziehen, und die man in einem Zwischenzustand aus Wachen und Schlaf wahrnimmt, und die unterschiedlichsten Menschen, mit denen man für einige Stunden eine Schicksalsgemeinschaft bildet. Bei der Lektüre wurden alte Erinnerungen wieder wach, und ich konnte mich gut in Hyatt hineinversetzen. Eine äußerst unterhaltsame Lektüre, die zur Einstimmung auf eine Zugreise oder als Reiselektüre ganz hervorragend geeignet ist - oder ganz gemütlich auf Balkonien, fernab von Reisetrubel und Buchungschaos.

Bewertung vom 25.08.2024
Nur nachts ist es hell
Taschler, Judith W.

Nur nachts ist es hell


sehr gut

Mit „Nur nachts ist es hell“ setzt Judith Taschler ihren Familienroman „Über Carl reden wir morgen“ fort. Der zweite Teil lässt sich jedoch problemlos auch eigenständig lesen; ich kenne Teil 1 selbst nicht.

Elisabeth, geboren 1895 im Mühlviertel, blickt in hohem Alter auf ihr wechselvolles Leben in unruhigen Zeiten zurück. In Briefform schreibt sie ihre Erinnerungen nieder, gerichtet an eine Person, deren Identität erst im Laufe des Romans klar wird. Auch der Strom der Erinnerungen mäandert durch die Zeiten: Immer wieder springt Elisabeth zwischen verschiedenen Jahrzehnten, Ereignissen und Personen hin und her. Dies erfordert beim Lesen eine gewisse Konzentration, zumal sie gelegentlich auf Ereignisse Bezug nimmt, die erst deutlich später erklärt werden. Dennoch macht gerade dieser nichtlineare Stil für mich den besonderen Reiz des Romans aus, da er sehr authentisch wirkt, gerade so, als ob man mit seiner Oma am Küchentisch sitzen und ihren Erzählungen lauschen würde. Nach und nach setzt sich so ein Puzzle zusammen, das die Lebens-, Familien- und Weltgeschichte miteinander vereint. Auch der eher nüchtern-distanzierte Schreibstil passt für mich gut ins Bild und zu einer Frau dieser Zeit.

Ein großes Thema des Romans ist auch die Rolle der Frau Anfang des 20 Jahrhunderts, die Repressionen und Ressentiments, denen Medizinstudentinnen (und sicher auch Studentinnen anderer Fachrichtungen, auch wenn diese hier nicht näher erwähnt werden) und praktizierende Ärztinnen ausgesetzt waren, sowie die prekäre Lage ungewollt Schwangerer, die Elisabeth als Allgemeinärztin und Fachärztin für Gynäkologie unmittelbar miterlebte. Diese Passagen sind sehr eindrücklich beschrieben.

Ein kleiner Kritikpunkt war für mich die Geschichte um die älteren Zwillingsbrüder Eugen und Carl – diese erschien mir doch etwas weit hergeholt und ein bisschen zu dick aufgetragen. Auch bei manchen Szenen hatte ich den Eindruck, dass sie nicht so recht zu der beschriebenen Zeit passten (etwa wenn 1919 Elisabeth einen jungen Mann aus angesehenem Hause, mit dem sie bis dahin keine Beziehung führt, in Gegenwart seiner Eltern ohne Bedenken auf den Mund küsst).

Fazit: Ein abwechslungsreicher, unterhaltsamer historischer Roman mit einem interessanten Erzählstil, den ich mit Spannung gelesen habe.

Bewertung vom 21.08.2024
Abenteuer-Express (Band 2) - Entführung im California Comet
Leonard, Maya G.;Sedgman, Sam

Abenteuer-Express (Band 2) - Entführung im California Comet


ausgezeichnet

Nachdem meinen Sohn (10) und mich der erste Band der Abenteuer-Express-Reihe so begeistert hat, konnten wir es kaum erwarten, Band 2 zu lesen. Diesmal reist Henry mit seinem Onkel Nat im California Comet quer durch Amerika und bekommt es mit einem aufsehenerregenden Entführungsfall an Bord zu tun: Marianne, die Tochter des Tech-Milliardärs August Reza, wurde gekidnappt. Zusammen mit den Geschwistern Hadley und Mason, mit denen er sich zu Beginn der Reise angefreundet hat, setzt Henry alles daran, den Fall aufzuklären. Da die Fälle in sich abgeschlossen sind, ist ein „Zustieg“ mit Band 2 problemlos möglich (aber Band 1 sollte man sich dennoch nicht entgehen lassen!).

Auch Band 2 ist ein wundervoller Kinderkrimi im Stil klassischer Detektivromane, und der Vergleich mit Agatha Christies „Mord im Orientexpress“ kommt einem sofort in den Sinn. Wer auf Action, moderne Gadgets und temporeichen Nervenkitzel steht, wird eher nicht fündig werden, doch alle Freunde verzwickter Fälle, die Spaß an kleinen Details haben und gerne konzentriert miträtseln, kommen hier voll auf ihre Kosten. Für uns passt das perfekt.

Der dreizehnjährige Henry ist sympathisch und offen, er findet schnell Freunde und zeichnet mit großer Begeisterung. Er ist verantwortungsbewusst, macht aber auch mal Fehler. Sehr gut gefällt mir in diesem Zusammenhang sein Onkel Nat, der verständnisvoll ist und jederzeit ein offenes Ohr für Henry hat. Das Autorenduo hat sich wieder ganz besonders vielfältige Passagiere ausgedacht, darunter einige skurrile Charaktere, die die Geschichte abwechslungsreich und geheimnisvoll machen. Wie schon in Band 1 darf auch ein ausgefallener tierischer Begleiter nicht fehlen. Hier ist es eine Bartagame, die von einem Fahrgast mit an Bord gebracht wird. Auch diesmal ist das Buch gespickt mit kleinen Besonderheiten über die Orte der Reiseroute – von Deep Dish Pizza (Chicago) über Elvis (Reno) bis zum Moffat-Tunnel (Colorado). Der Fall bleibt spannend bis zum Schluss und mein Sohn war mit Feuereifer am Rätseln.

Ein besonderes Highlight sind die wunderschönen s/w-Zeichnungen (Henrys Zeichnungen), die dank ihrer vielen Details dazu einladen, genau hinzusehen, und vielleicht auch einen Hinweis zur Lösung des Falles zu finden.

Uns hat auch Band 2 wieder sehr viel Spaß gemacht und mein Sohn wollte sofort wissen, wann den Band 3 erhältlich ist (im englischen Original gibt es bereits sechs teils preisgekrönte Bände, deren Kurzbeschreibung ich ihm gleich übersetzen sollte). Wir hoffen sehr, dass die Fortsetzungen zeitnah auf Deutsch erscheinen und freuen uns bereits jetzt, wieder mit Henry und Nat an Bord zu gehen!

Bewertung vom 20.08.2024
Bei aller Liebe
Campbell, Jane

Bei aller Liebe


gut

„Bei aller Liebe“ ist ein Buch, das mich sehr zwiespältig zurückgelassen hat. Nach der Kurzbeschreibung bin ich mit anderen Erwartungen an das Buch herangegangen. Hier ist von einer Vielzahl an Therapeuten auf der Hochzeit die Rede, und ich hatte mit einer psychologisch komplexen Situation, die auf der Hochzeitsfeier in Verwicklungen kulminiert, gerechnet. Dies war nach meinem Empfinden jedoch nicht so. Onkel Malcom ist entgegen der Kurzbeschreibung Theologe und kein Therapeut. Insgesamt befinden sich nur drei Therapeuten unter den Hochzeitsgästen (Molly, Joe und Charles, Benny wird nie erwähnt und ist offenbar nicht dabei), von denen jedoch nur Joe eine zentrale Rolle auf der Feier spielt.

Die Geschichte wird kapitelweise aus den Perspektiven von Onkel Malcom (Theologe), Joe Bradshaw (Psychoanalytiker) und Agnes (Philosophin) erzählt. Konnte mich Onkel Malcoms erstes Kapitel noch fesseln, fiel es mir ab Joe Bradshaws Part zunehmend schwer, Mitgefühl mit den Charakteren zu entwickeln. Beim Lesen ertappte ich mich dabei, dass ich bedauerte, nicht auch ein Kapitel aus der Sicht von Agnes‘ Tochter Elfie vorzufinden, die einen angenehm pragmatischen Gegenpart zu den vergeistigten und dabei allesamt sehr egoistisch wirkenden Figuren dargestellt hätte. Allen voran Joe Bradshaw empfand ich als äußerst unangenehmen, eitlen und selbstsüchtigen Menschen, doch auch Agnes und Malcom blieben mir in ihrem Wesen, ihren Lebensvorstellungen und ihren Entscheidungen fremd. Die Grundthematik an sich fand ich durchaus interessant, doch wurde mir hier der Ödipuskomplex stellenweise doch etwas überstrapaziert. Insgesamt entwickelte ich leider keinen tieferen Bezug zur Geschichte und sie konnte mich nicht berühren. Schade.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.