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SimoneF

Bewertungen

Insgesamt 492 Bewertungen
Bewertung vom 13.02.2025
Kinderfeste feiern
Schäflein, Annina;Merz, Lena

Kinderfeste feiern


ausgezeichnet

Bereits seit vielen Jahren ernähren wir uns als Familie zuckerreduziert und achten auf gesunde Snacks. Dieses Buch hat mich daher sofort neugierig gemacht.

Die Autorinnen zeigen, wie man mit überschaubarem Aufwand Leckeres zubereiten kann, das auch optisch bei den Kids für Begeisterung sorgen wird. So wird aus einem Blechkuchen (interessant: mit Apfelmark im Teig) durch bunte Schokolinsen und etwas Lebensmittelfarbe ein cooler Legokuchen. Diesen werde ich definitiv demnächst nachbacken. Neben Kuchen und Torten gibt es auch süße Rezepte für kleine Teilchen wie Cakepops, Muffins oder Eiskonfekt. Häufig wird Lebensmittelfarbe verwendet. Wir nutzen prinzipiell keine künstliche Farbe, aber die meisten Rezepte dürften auch mit veganer Pflanzenfarbe aus dem Biomarkt funktionieren, wenn man kleinere Abstriche in Intensität und Farbvielfalt in Kauf nimmt. Sehr lecker war die fruchtige Bowle, die mein Sohn gleich ausprobieren wollte.

Bei den herzhaften Snacks fiel mir gleich ein interessantes Rezept für Ketchup ins Auge: prima, da gekauftes Ketchup enorm viel Zucker enthält. Die ausgefallene Brottorte mit Avocado und Lachs steht auch schon auf unserer Liste, und der Gemüsezug ist eine tolle Idee! Ausprobiert haben wir die Käsekekse, die superschnell zubereitet waren, und die herzhaften Muffins, zu denen wir Salat gereicht haben. Bei den Muffins würden wir nächstes Mal etwas mehr Kräuter verwenden.

Sehr gut gefiel mir, dass die beiden Autorinnen nicht nur Zucker generell reduzieren, sondern auch Alternativen zum Industriezucker nutzen, etwa Agavendicksaft, Datteln oder Fruchtmus, teilweise auch Xylit. Besonders toll finde ich die Idee mit den natürlich gefärbten zuckerfreien Streuseln am Ende.

Ein sehr schönes, praxistaugliches Buch mit tollen Tipps nicht nur für gesunde Kinderfeste, sondern auch für leckere Naschereien und Snacks zu allen Gelegenheiten.

Bewertung vom 13.02.2025
Von hier aus weiter
Pásztor, Susann

Von hier aus weiter


sehr gut

In „Von hier aus weiter“ widmet sich Susann Pàsztor mit großer sprachlicher Leichtigkeit einem schwierigen Thema, das sich in seiner ganzen Tragweite erst im Laufe des Romans erschließt. Marlenes lakonische, trockene Art ließ mich trotz der düsteren Ausgangssituation nach dem Tod ihres Mannes Rolf immer wieder schmunzeln, und auch die anderen Figuren begegnen Marlene erfrischend direkt und unerschrocken. Meistens ziehen sich ja viele Freunde und Bekannte eher zurück, aus Unsicherheit darüber, wie sie mit jemandem umgehen sollen, der gerade seinen Partner oder seine Partnerin verloren hat. Insofern zeigt die Autorin auch, wie heilsam es für die Hinterbliebenen mitunter sein kann, wenn man ihnen weiterhin offen und empathisch, aber ohne Beklemmung begegnet – was sicherlich leichter gesagt als getan ist.

Sehr positiv fand ich, dass die Autorin für Marlenes Situation keine einfache Lösung anbietet, sondern bewusst vieles offen lässt und eher beobachtend schildert. Sicherlich wirkt die Handlung mit Jack, Marlenes ehemaligem Schüler, der spontan bei ihr einzieht und sich in Ida, Rolfs Hausärztin, verliebt, etwas konstruiert, das empfand aber nicht als störend. Im Gegensatz zu den immer wiederkehrenden übersinnlichen Elementen, die ein Eingreifen Rolfs aus dem Jenseits nahelegen. Da ich mit Übersinnlichem absolut nichts anfangen kann, haben diese für mich völlig unnötigen Begebenheiten meinen Lesegenuss leider deutlich geschmälert und führen auch dazu, dass ich leider einen Stern abziehen muss.

Für alle, die sich daran nicht stören, ein sehr lesenswerter Roman.

Bewertung vom 13.02.2025
Die Allee
Anders, Florentine

Die Allee


ausgezeichnet

Florentine Anders, Enkelin des berühmten Bauhaus-Architekten Hermann Henselmann, gibt mit diesem Roman einen äußerst spannenden und interessanten Einblick in ihre Familie. Sie erzählt vor allem aus der Perspektive ihrer Großmutter Irene „Isi“ und ihrer Mutter Isa. Erstere war selbst eine vielversprechende Architektin, stand jedoch immer im Schatten ihres Mannes und war zudem als achtfache Mutter gefordert. Durch Isis und Isas Blick zeichnet die Autorin auch ein detailliertes Bild von Hermann Henselmann, einem hochbegabten, aber für das DDR-Regime unbequemen Architekten, der die Umstände geschickt für sich zu nutzen wusste und bei seinen Projekten gerne hoch pokerte. So modern und einnehmend Henselmanns Entwürfe auch waren – er selbst wirkt auf mich zutiefst unsympathisch: Ein Choleriker, der seine Frau offen und bei jeder Gelegenheit betrog, ein patriarchaler Herrscher, extrem von sich selbst eingenommen, mit enormem Geltungsdrang. Als Quellen dienten Florentine Anders neben ihrer Mutter Isa die Memoiren ihrer Großeltern, Literatur über Hermann Henselmann und Gespräche mit ihrem Großonkel Raimund, dem Bruder von Isi.

Das Buch ist sehr unterhaltsam und lebendig geschrieben, und gibt tiefe Einblicke in das, was für die Privilegierten in der „klassenlosen Gesellschaft“ der DDR möglich war: Wohneigentum, Auslandsreisen, exotische Speisen usw. Zudem zeigt es, dass, aller Staatspropaganda zu Trotz, auch in der DDR die alten Rollenklischees nicht überwunden waren und Kinder und Haushalt weiterhin Frauensache blieben.

Da ich als Bayerin nicht mit der Ostberliner Architektur vertraut bin, waren für mich besonders die Details zur Entstehung der Bebauung an der Karl-Marx-Allee interessant und der lange Weg von der Idee bis zum Bau des Fernsehturms. Auch das ständige Hin und Her, was nun unter „sozialistischer“ Bauweise zu verstehen sein sollte, wurde eindrücklich beschrieben. Während des Lesens hielt ich immer wieder inne und betrachtete mir im Internet Bilder der im Buch erwähnten Bauwerke. Nach diesem Roman werde ich bei einem Besuch sicher mit anderen Augen durch Berlin laufen. Ein sehr lesenswerter Roman über ein bedeutendes Kapitel Ostberliner Baugeschichte.

Bewertung vom 13.02.2025
Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste
Hein, Jakob

Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste


ausgezeichnet

Mit viel hintergründigem Humor und einer herrlich grotesken Idee entwirft Jakob Hein eine geniale Geschichte, die zu innerdeutschen Verwicklungen zwischen der DDR und BRD auf höchster Ebene führt. Das ist urkomisch und für mich schon jetzt ein Highlight im Frühjahrsprogramm 2025. Die politischen und administrativen Instanzen auf beiden Seiten der Grenze werden gleichermaßen aufs Korn genommen, und ich hatte beim Lesen ein Dauergrinsen im Gesicht. Es gelingt Hein sogar, reale historische Ereignisse mit einzuflechten und diese in einem ganz anderen Licht darzustellen. Dieses Buch hat echtes Kultpotential, und ich könnte mir auch eine Verfilmung ähnlich „Good Bye, Lenin“ sehr gut vorstellen.

Ganz klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 11.02.2025
Tinte, Staub und Schatten: Das Buch der Verlorenen
Metz, Alina

Tinte, Staub und Schatten: Das Buch der Verlorenen


ausgezeichnet

Minna ist sechzehn Jahre alt und hat gerade die Realschule abgeschlossen. Seit elf Jahren hat sie nur einen Wunsch: Sie will Büchersucherin werden wie ihre Mutter. Diese verschwand damals im geheimnisvollen Bücherlabyrinth, und Minna setzt alles daran, das Verschwinden ihrer Mutter aufzuklären.

In ihrem Debüt „Tinte, Staub und Schatten“ entwirft Alina Metz eine spannende und faszinierende Welt voller Magie: In einem gigantischen unterirdischen Bücherlabyrinth lauern geheimnisvolle Staubwesen, und jeder, der das Labyrinth betritt, läuft Gefahr, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Die Alexandrinische Gesellschaft als zentrales Verwaltungsorgan wacht über das Labyrinth, und die Büchersucher sind darin ausgebildet, sich mittels Staubmechaniken im Labyrinth zu orientieren und gegen drohende Gefahren zu verteidigen.

Die Autorin stellt Minna interessante Charaktere zur Seite: Da sind unter anderem die unkonventionelle Staubmechanikerin Litotes, Minnas grummeliger Lehrherr Raban Krull, sein tollpatschiger Sohn Gulliver und Jascha. Gulliver und Jascha sind ebenfalls Büchersucherlehrlinge. Jascha wird zudem als androgyne, queere Person dargestellt. Hier fand ich besonders gelungen, dass Jascha damit völlig selbstverständlich umgeht und das selbst auch gar nicht groß thematisiert, jedoch immer wieder mit entsprechenden Zuschreibungen und Klischees von außen konfrontiert wird und hierdurch auch genervt ist. Das wirkt auf mich sehr realitätsnah.

Das Bücherlabyrinth mit all seinen Facetten bietet sehr viel erzählerisches Potential und erinnert darin an Genre-Klassiker wie Cornelia Funkes Tintenwelt. „Tinte, Staub und Schatten“ ist als Dilogie konzipiert, und zwei Bände wirken fast ein wenig knapp bemessen, um dieses Potential komplett auszuschöpfen. So kommt die Ausbildung der Büchersucherlehrlinge durch Raban für mich im ersten Band etwas zu kurz. Bereits nach wenigen Tagen kann Minna die Staubmechaniken kontrollieren, und Lehreinheiten finden quasi nicht statt. Von den drei geisterhaften Patronen des Labyrinths kommt in Band 1 bisher nur einer nennenswert vor. Hier bin ich gespannt, ob in Band 2 die beiden anderen noch eine größere Rolle spielen dürfen.

Ich habe das Buch zusammen mit meinem knapp elfjährigen Sohn gelesen. Von Beginn an hat uns der lebendige und auch humorvolle Schreibstil richtig gut gefallen. Ich konnte mich sofort in Minna hineinversetzen und mir auch die weiteren Charaktere lebhaft vorstellen. Die Handlung ist bis zur letzten Seite voller spannender Wendungen und Abenteuer, so dass wir das Buch regelrecht verschlungen haben. Wir freuen uns schon sehr auf den zweiten Band und können es kaum erwarten zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht!

Bewertung vom 09.02.2025
Trocken
Wagner, Daniel

Trocken


ausgezeichnet

Ein schonungslos ehrliches Buch, das zeigt, wie leicht es ist, in die Alkoholabhängigkeit zu rutschen, und wie viel Kraft es kostet, sich diesem Dämon zu stellen. Während andere Drogen gesellschaftlich stigmatisiert werden, gehört Alkoholkonsum ganz selbstverständlich dazu, und wer nicht mittrinkt, steht unter Rechtfertigungsdruck oder kassiert einen dummen Spruch. Da ich selbst keinen Alkohol trinke (mein Großvater war Alkoholiker, und ich habe daher von klein auf eine starke Abneigung gegen Alkohol), kenne ich das selbst zur Genüge. Ich habe sehr großen Respekt vor dem Autor Daniel Wagner, der seine Alkoholsucht und seinen Weg zum trockenen Alkoholiker offen und sehr reflektiert beschreibt. Ich möchte dieses Buch jedem ans Herz legen, und hoffe, dass es zu einem Umdenken in Bezug auf den Umgang mit Alkohol in unserer Gesellschaft beitragen kann.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.02.2025
Das verfluchte Medaillon / Die magische Bibliothek der Buks Bd.2
George, Nina;Kramer, Jens J.

Das verfluchte Medaillon / Die magische Bibliothek der Buks Bd.2


ausgezeichnet

Der erste Teil von „Die magische Bibliothek der Buks“ war letztes Jahr ein echtes Lese-Highlight für meinen Sohn (11) und mich und wir konnten es kaum abwarten zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht – zumal Band 1 mit einem großen Cliffhanger endet. Band 2 setzt nahtlos dort an, so dass man Teil 1 unbedingt zuvor gelesen haben sollte.

Die Erzählperspektive wechselt zwischen Finn, Nola, Geraldine, den Buks, Thommy und Mira, die sich alle an verschiedenen Schauplätzen der Handlung befinden. Dies hält die ohnehin schon enorme Spannung besonders hoch und sorgt für viel Tempo und Abwechslung. Die Kinder halten fest zusammen, und auch wenn sie immer wieder unsicher sind und Angst haben, überwinden sie sich und stellen sich mutig den Herausforderungen. Und auch die Buks lassen sich vom Mut der Kinder mitreißen und wachsen über sich hinaus.

Wie schon im ersten Band ist die Geschichte gespickt mit Anspielungen auf bekannte Kinder- und Jugendbücher von den „Fünf Freunden“ über die „Unendliche Geschichte“ und „Die Chroniken von Narnia“ bis zum „Herrn der Ringe“. Der dystopische Charakter tritt jedoch zugunsten der Fantasy etwas in den Hintergrund. Die Geschichte bleibt bis zum Schluss hochspannend, und wir hätten am liebsten noch länger weitergelesen. Verglichen mit dem ausführlichen Mittelteil ist das Ende relativ knapp erzählt, und manches ging uns ein bisschen zu schnell. Das ist jedoch allenfalls ein minimaler Kritikpunkt.

Besonders gut gefällt uns, wie sprachgewandt, bildhaft und lebendig die Geschichte erzählt ist. Auch die Dialoge sind richtig lebensnah und humorvoll. Wir freuten uns immer sehr auf die Abschnitte mit den Buks, deren sprechende Namen wie Sherlokko, Attila, Reimling, Ooht-Kwisien wunderbar zu den kleinen Buchschutzgeistern passen und die für viel Auflockerung und witzige Szenen sorgen. Einfach großartig war auch der Auftritt von Lagerfeldi Buk, auch wenn ich meinem Sohn erst einmal erklären musste, wer dessen berühmter Namensvetter war. Wie bei Lagerfeld gibt es immer wieder Anspielungen auf Personen oder Bücher, die die jungen Leserinnen und Leser nicht kennen, und die so zu Nachschlagen oder Nachfragen einladen, oder Lust darauf machen, gleich die nächste Lektüre zu entdecken. Das gefällt mir sehr, da das Buch so ganz nebenbei auch Wissen vermittelt. Und was könnte passender sein als ein Buch über die Kraft der Phantasie und die Magie der Bücher, das gleich Lust auf weitere Leseabenteuer macht?

Eine rundum empfehlenswerte Dilogie, die dank einiger kleiner Hintertürchen große Hoffnungen auf eine Fortsetzung mit einem dritten Band macht. Wir wären sofort dabei!

Bewertung vom 05.02.2025
Shanghai Story
Min, Juli

Shanghai Story


weniger gut

Ich war sehr gespannt auf „Shanghai Story“, insbesondere, da Juli Min die Geschichte rückwärts erzählt, ähnlich wie Iris Wolff in „Lichtungen“.

Leider scheitert Juli Min meiner Meinung an der Umsetzung dieser literarisch anspruchsvollen Erzählform. Ich hatte erwartet, dass die Ereignisse in der Zukunft im Laufe des Buches einen tieferen Sinn ergeben, sich durch Geschehnisse aus der Vergangenheit erklären und in irgendeiner Form eine innere logische Erzählstruktur und ein roter Faden erkennbar sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Geschichte besteht vielmehr aus zusammenhanglosen einzelnen Episoden. Sämtliche Personen außerhalb der Kernfamilie spielen lediglich auf jeweils einer einzigen Zeitebene eine Rolle, und auch bei den Familienmitgliedern ist kein echter Zusammenhang zwischen den einzelnen Zeitstufen erkennbar.
Der Roman beginnt im Jahr 2040 und ist erstaunlich nah an der jetzigen Realität. Abgesehen von selbstfahrenden Autos lässt sich kein Unterschied zu heute erkennen. Da hätte ich doch etwas mehr erwartet. Sprachlich klingt der Roman zuweilen etwas holprig und weist einige Ungereimtheiten auf. Inwieweit dies der Übersetzung geschuldet ist, lässt sich nicht sagen.

Die Charaktere blieben mir während des gesamten Buches fremd. Besonders ärgerlich fand ich, dass sich sämtliche weibliche Personen vor allem über ihr Äußeres definieren. Alle drei Schwestern wirken ziemlich unsympathisch und verwöhnt, am ehesten konnte ich mich noch in die mathematikbegeisterte Yoko hineinversetzen. Leider wird bei Yoko völlig unnötig das Klischee einer latent autistischen Veranlagung bedient - als ob jede Mathematikbegabung automatisch mit Neurodiversität einherginge.

Die einzige Passage, die mich emotional berühren konnte, betrifft das Kindermädchen der Familie im Jahr 2020. Warum die Autorin die Nanny nicht auch auf weiteren Zeitstufen eingearbeitet hat, erschließt sich mir nicht. Da sie sehr nah an der Familie dran ist, aber dennoch einen Blick von außen einnimmt, wäre das eine sehr interessante Perspektive gewesen.

Ich hatte mir deutlich mehr von diesem Roman erwartet, insbesondere ein schlüssiges Gesamtkonzept innerhalb der rückwärts erzählten Geschichte. Insgesamt bin ich leider enttäuscht.

Bewertung vom 02.02.2025
Im Schnee (MP3-Download)
Goerz, Tommie

Im Schnee (MP3-Download)


ausgezeichnet

Letztes Jahr war „Im Tal“ von Tommie Goertz eines meiner absoluten Lesehighlights, und so konnte ich sein neuestes Werk „Im Schnee“ kaum erwarten.
Max ist über 80 Jahre alt und wohnt im (fiktiven) kleinen fränkischen Dorf Austhal. Es ist Winter, Max sieht aus dem Fenster und denkt über das Leben nach. Gerade haben die Totenglocken geläutet, sein bester Freund Schorsch, den er sein Leben lang wie einen Bruder kannte, ist gestorben. Max macht sich auf zur Totenwacht: Abends wachen die Männer, von Mitternacht bis in den Morgen die Frauen. Max bleibt die ganze Nacht, so wie er auch mit Schorsch viel Zeit mit den Frauen des Dorfes verbracht hat, ob beim Besenbinden, Fertigen von Kräutersträußen oder Backen. Tief in Gedanken hängt er seinen Erinnerungen nach an eine Zeit, die nur noch in den Gedanken der Alten lebendig ist, Erinnerungen, die mit ihnen aussterben werden, genauso wie das Dorfleben. Denn das Dorflädchen, den Bäcker, den Schuster, den Metzger und all die anderen alten Gewerke gibt es schon lange nicht mehr. Doch Tommie Goertz verklärt das Dorfleben nicht, die vermeintliche Idylle, die keine ist und nie eine war: „Dieses Dorf (…) ist wie jedes Dorf. Da wohnen Leute, und da gibt es Misthaufen. Und je näher man herankommt, desto mehr stinkt es.“
Wie schon bei „Im Tal“ gelingt es Tommie Goertz auch hier auf unvergleichliche Weise, das Innenleben der Hauptfigur spürbar zu machen und in ihrer Tiefe auszuloten. Wieder ist die Hauptfigur ein stiller, wortkarger Mensch, der seine Gefühle nicht nach außen trägt, aber dennoch tief empfindet. Und in seinen Erinnerungen wird die alte Zeit wieder lebendig, so klar, dass man beim Lesen das Gefühl hat, unmittelbar dabei zu sein. Da ist die eingeschworene Dorfgemeinschaft der Alteingesessenen, die sich gegenseitig hilft. Wenn es etwas zu reparieren gibt, ist immer jemand zur Stelle, man feiert gemeinsam, trifft sich im Wirtshaus, kennt sich von Kindesbeinen an. Der Tee wird aus selbst gesammelten Wildkräutern bereitet, geschlachtet wird auf dem Hof, man ist autark als Gemeinschaft, aber auch hermetisch abgeschlossen ist gegen alles Neue. Die Zugezogenen aus dem Neubaugebiet gehören auch nach 40 Jahren nicht dazu, man bleibt beim „Sie“, lässt sie spüren, dass sie niemals dazugehören werden. Ganz zu schweigen gar von Geflüchteten – da wird lieber über Nacht ein Haus abgerissen, als zu riskieren, dass dort Afrikaner einquartiert werden. Die gegenseitige soziale Kontrolle ist hoch, jeder sieht alles, doch alle sehen auch gerne weg, wenn etwas nicht gesehen werden soll. Misshandlungen, cholerische Patriarchen – da mischt man sich lieber nicht ein. Und über Gefühle spricht man schon gar nicht. Beim Lesen bzw. Hören war die Enge für mich stellenweise geradezu körperlich spürbar.
Thomas Loibl liest „Im Schnee“ wunderbar nachdenklich ein und verleiht diesem leisen Roman genau den richtigen Ton.
Dieses Buch ist ein echtes Juwel, das ich unbedingt weiterempfehlen möchte, ebenso wie „Im Tal“. Sehr, sehr lesens- und hörenswert.

Bewertung vom 02.02.2025
They Are Everywhere: Ein Near-Future-Thriller mit Sogfaktor!
Langer, Andreas

They Are Everywhere: Ein Near-Future-Thriller mit Sogfaktor!


sehr gut

Wir befinden uns im Jahr 2055. Die 16-jährige Hannah aus Deutschland lebt zunehmend in der Onlinewelt Metaverse, in der Realität fühlt sich der unsichere Teenager zunehmend unwohl. Ihre Eltern schicken sie daher in den Ferien auf Digital-Entzug auf eine Farm in Ohio. Dort lernt sie Jarrett kennen, der auch mit ihr auf der Farm leben wird. Kaum angekommen, spielen alle Maschinen verrückt – Hausroboter, Fahrzeuge und Drohnen wenden sich plötzlich gegen die Menschen, und eine tödliche Jagd beginnt…

Nachdem ich vom Autor Andreas Langer bereits „Schneekinder“ gelesen hatte, war ich sehr gespannt auf seinen neuen Roman. Auf den ersten Blick ein ganz anderes Setting, aber auch hier liegt der Fokus wieder auf der Entwicklung der Charaktere angesichts einer Extremsituation. Wie verhalten sich Hannah und Jarrett in dieser Apokalypse, welche Entwicklung machen sie, einzeln für sich und zusammen, durch?

Die technischen Aspekte der Cyber-Katastrophe stehen hingegen im Hintergrund. An manchen Stellen treffen für mich recht viele Zufälle aufeinander, und die Auflösung geht mir etwas zu schnell. Dennoch bleibt die Handlung bis zum Schluss hochspannend, und dank des flüssigen und sehr lebendigen Schreibstils möchte man das Buch gar nicht aus der Hand legen. Für mich punktet die Geschichte ganz besonders in der Figurenzeichnung, und gerade in Hannah konnte ich mich von Anfang an besonders gut hineinversetzen. Die Ängste, Sorgen und Unsicherheiten von Hannah und Jarrett gleichen denen heutiger Jugendlicher, die sich auf der Suche nach ihrer Identität befinden, und die Zielgruppe ab 14 Jahren wird sich sicherlich in den beiden wiederfinden.

Die Altersempfehlung finde ich aufgrund einiger blutiger Szenen als sehr passend und würde sie nicht unterschreiten.
Fazit: Ein actionreicher, aber auch nachdenklich stimmender Thriller, den ich gerne weiterempfehle.