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Sikal
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Österreich

Bewertungen

Insgesamt 1155 Bewertungen
Bewertung vom 05.07.2019
Warum die Welt einfach nicht untergeht
Easterbrook, Gregg

Warum die Welt einfach nicht untergeht


gut

Wir werden überleben – auch wenn wir nicht genau wissen warum

Gregg Easterbrook greift in seinem Buch die wohl am meisten diskutierten Möglichkeiten auf wie wir die Menschheit auslöschen können oder zumindest den Zusammenbruch unseres Systems heraufbeschwören könnten.
Könnten – nämlich dann, wenn wir genau so weitermachen würden, wie wir so manchen Weg begonnen haben.

Und gleich vorweg: wir haben noch nie so weitergemacht wie wir begonnen haben – immer traten bisher unvorhergesehene Ereignisse auf, die uns dazu gezwungen haben, den eingeschlagenen Weg zu ändern. Somit sind wir bisher jedem möglichen - und von Philosophen und Wissenschaftlern erdachten - Weltuntergangsszenario entgangen.

Wer aber sagt, dass es genauso bleibt? Kann es nicht sein, dass wir vor der nächsten Katastrophe stehen und wir den vorgezeichneten Weg des Untergangs weiter beschreiten?

Warum das bisher nicht so gewesen ist und warum es auch in den sieben beschriebenen Szenarien nicht so sein wird, versucht der Autor zu beschreiben. Vom wirtschaftlichen Zusammenbruch, über politische Wege die Welt zu zerstören, bis zum Klimawandel oder dem Verhungern der gesamten Menschheit spannt Easterbrook den Bogen.

Warum die Welt sich weigert unterzugehen?

Weil die Menschheit immer wieder Mittel und Wege gefunden hat, um den drohenden Katastrophen auszuweichen – so oder so ähnlich, könnte das Conclusio der ersten dreihundert Seiten lauten. Warum genau die gewählten Beispiele nicht eintreten werden, erklärt uns der Autor allerdings nicht näher.

Auch muten die Ausführungen für europäische Verhältnisse teilweise sehr seltsam an – was am Autor oder auch an der Übersetzung liegen mag – oder vielleicht doch an einer etwas anderen Sozialisation in Amerika.

Bei jedem Kapitel bleibt aber immer ein leicht fader Nachgeschmack – was will uns der Autor wirklich sagen – worauf will er hinaus?

Bleibt die Hoffnung auf den zweiten Teil des Buches: Eine bessere Welt ist näher, als es scheint.
Zuerst geht man als Leser hoffnungsvoll in den nächsten Teil um relativ schnell zu merken, auch hier gibt es keine Erklärung dafür, was wir als Menschheit genau machen um weiter bestehen zu können. Es gibt viele Beispiele dafür, was wir bisher gemacht haben – ob bewusst wie beim Ozonloch oder unbewusst nur um uns wirtschaftlich zu bereichern. Es gibt aber kaum Anregungen wie wir mit unserer Umwelt umgehen sollen, um die im ersten Teil beschriebenen Szenarien abwenden zu können.

Genau genommen bekommt man das Gefühl, dass die bessere Welt, die der Autor im zweiten Teil heraufbeschwören will sehr, sehr weit entfernt von uns allen ist.
Leider hat das Buch meine Erwartungen nicht erfüllt, wenngleich manche Ideen und Ansätze doch zum Denken anregen, auch wenn man vom Autor doch eher im Regen stehen gelassen wird.
3 Sterne

Bewertung vom 04.07.2019
Clara Schumann
Knechtges-Obrecht, Irmgard

Clara Schumann


sehr gut

Ein Leben für die Musik

Clara Schumann (1819 – 1896) war nicht nur Ehefrau des bekannten Komponisten Robert Schumann und Mutter von acht Kindern. Sie war vor allem eine wunderbare Pianistin und wurde bereits in frühen Jahren als „Wunderkind“ gehandelt.

Vor allem ihr Vater hat Clara in eine Rolle gedrängt, die für sie schwierig zu erfüllen war. Bereits mit 9 Jahren begann ihre Karriere, der tyrannische Vater verlangte ihr einiges ab und so war an Freunde und spielen mit anderen Kindern nicht zu denken. Disziplin, Konzentration, Erfolg – das waren die Pfeiler, auf denen Claras Kindheit und Jugend gebaut wurde. Erschreckend fand ich, dass er sogar ihr Tagebuch schrieb und Eintragungen, die von Clara selbst gemacht wurden, zumindest ergänzte und kontrollierte. Mit 19 kann sich Clara endlich behaupten, sie heiratet Robert Schumann und kann endlich ihren eigenen Weg gehen.

Die Autorin Knechtges-Obrecht zeichnet ein sehr positives Bild von Clara Schumann. Sie spannt den Bogen über die frühe Kindheit, ihre Heirat, ihre frühe Witwenschaft, ihr Leben als Künstlerin und alleinerziehende Mutter, bis hin zu ihrem Bühnenabschied und dem künstlerischen Vermächtnis.
Clara Schumann musste früh sich der Herausforderung stellen, ihr Künstlerleben, ihre Tourneen und die Familienbande unter einen Hut zu bringen. Hierbei hat sie sich häufig entgegen der gesellschaftlichen Konventionen gestellt.

Die Biographie liest sich angenehm flüssig. Da die Kapitel immer nur wenige Jahre umfassen, sind diese auch überschaubar. Aufgrund der Kürze des Buches (ca. 200 Seiten) ist es natürlich nicht möglich, einen tiefgehenden Einblick in die Familie Schumann zu erhalten. Als Einstiegslektüre finde ich das Buch jedoch gut geeignet.

Von mir gibt es für das interessante Porträt dieser faszinierenden Frau auf jeden Fall 4 Sterne.

Bewertung vom 25.06.2019
Die Macht der Demografie
Morland, Paul

Die Macht der Demografie


sehr gut

Spannende Fakten, spannende Geschichten

Einer der wichtigsten Aspekte des menschlichen Zusammenlebens ist die Demografie und deren Auswirkung auf Wirtschaft, Umwelt und natürlich den Menschen. Der Autor Paul Morland nimmt die Demografie als Ausgangspunkt um eine spannende Geschichte rund um den Menschen zu erzählen.

Zuallererst, muss angemerkt werden, dass es dem Autor sehr gut gelingt, seine eigenen Ansichten – sowohl politischer als auch wirtschaftlicher Natur – in den Hintergrund zu stellen. Nur ab und an auf den letzten Seiten, bemerkt der Leser welcher politischen Gesinnung der Autor anhängt.

Diese Trennung der eigenen Meinung von den tatsächlichen Fakten, macht dieses Buch zu etwas Besonderem. Zahlen und Fakten bestimmen den Inhalt – nicht Meinung und Stimmungen.

Dennoch fesselt dieses Buch und erklärt wie die Welt in den letzten Jahrhunderten zu dem wurde, wie wir sie kennen und wie eine Gesellschaft im Wandel damit umgehen kann oder muss.

Der Vergleich einzelner Regionen der Welt mittels demografischer Zahlen gibt dem Leser schnell einen Überblick wie sich die Welt entwickelt hat und wohin der Weg weiterführt – wenn nicht Faktoren zu tragen kommen, welche auch schon früher für drastische Änderungen der Entwicklung gesorgt haben.

Welche Faktoren das sein können, darüber hüllt sich auch der Autor selbst in Schweigen – ist es doch bisher noch niemandem gelungen, Bevölkerungszahlen und deren Entwicklung wirklich präzise vorherzusehen. Und Paul Morland macht auch klar, dass dies nicht der Anspruch dieses Buches ist.

Am Ende bleibt dem Leser sehr viel Spielraum, sich seine eigene Meinung zu bilden oder sich tiefer in die Materie zu begeben.

Dies ist sicher kein Buch, welches dem Leser Aufgaben vorgibt, um auf den nächsten Seiten die Lösungen zu präsentieren. Lösungen – sofern es überhaupt ein Problem gibt – gibt es so viele wie Menschen auf diesem Planeten – und das kommt auch immer wieder zu tragen in den einzelnen Kapiteln. Wo haben wir Probleme, welche Arten von Problemen haben wir bezüglich unseres Zusammenlebens oder ist das, was wir als Problem sehen, überhaupt eines?
Wer sich informieren möchte, worum es bei der Demografischen Entwicklung auf unserem Planten geht, wie sich diese entwickelt hat und welche Auswirkungen diese mit sich bringt, ist dieses Buch sehr zu empfehlen und als äußerst lesenswert einzustufen.

Einzig die Erklärungen der Begrifflichkeiten oder sich wiederholende Fakten (in unterschiedlichen Weltregionen) werden vom Autor auch ebenso oft wiederholt. Hier hätten sich einige Seiten einsparen lassen und das Buch noch flüssiger gemacht.

Bewertung vom 24.06.2019
Pilgerwege in Österreich
Stadler, Roland

Pilgerwege in Österreich


ausgezeichnet

Ich geh dann mal …
Pilgern wird heute wieder modern, scheint es. Und dafür scheint es viele Gründe zu geben – Entschleunigung, spirituelle Gedanken, Abenteuer, Gesundheit, … Der Jakobsweg nach Santiago de Compostela ist in aller Munde. Doch warum nicht mal kleiner anfangen …

In Österreich (und bestimmt auch in anderen Ländern) gibt es viele Alternativen. Dieses Buch stellt 35 Pilgerwege vor, zwischen unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad und unterschiedlicher Dauer kann gewählt werden.

Der Autor Roland Stadler studierte katholische Theologie in Graz und ist derzeit Pilgerseelsorger. Er hat hier viele verschiedene Wege zusammengestellt und diese geclustert in: Marienpilgerwege, Jakobswege, Auf den Spuren großer Heiliger, Spirituelle Wanderwege.

Zu Beginn gibt es eine kurze Geschichte des Pilger- und Wallfahrtswesen, wird auch auf Vorbereitung, Aufbruch, Unterwegssein, Ankommen, Verweilen und Rückkehr eingegangen. Am Ende wird Pilgern einmal anders hervorgekehrt, beispielsweise wird der Donau-Alpen-Adria-Radpilgerweg vorgestellt.

Jeder Pilgerweg wird ausführlich beschrieben, die einzelnen Etappen werden genau aufgezeigt. In einem hervorgehobenen Kästchen findet man noch die wichtigsten Daten zusammengefasst (Wegstrecke, Länge, Höhenmeter, wie viele Etappen, …). Eine herausnehmbare Karte kann praktischerweise gleich mit auf den Weg genommen werden. Zusätzlich finden sich noch etliche Fotos in dem Buch.

Ein praxisorientierter Ratgeber für Pilger und solche die es vielleicht einfach mal ausprobieren wollen. 5 Sterne.

Bewertung vom 24.06.2019
Bunt, sozial, brutal. Architektur der 1970er Jahre in Österreich

Bunt, sozial, brutal. Architektur der 1970er Jahre in Österreich


ausgezeichnet

Eigenwillige Architektur der 70er Jahre

„…Wie der Architekturkritiker Friedrich Achleitner einmal behauptet hat, muss ein Bauwerk fünfzig Jahre überdauern, damit es kollektive Wertschätzung erfährt und eine Chance auf langfristige Erhaltung bekommt.“

Dieser Einstieg in das Buch zeigt, worauf es den Herausgebern ankommt – das Entstehen (und Wertschätzen) der österreichischen Architektur dieses Jahrzehntes. Vieles wurde ausprobiert, Soziales wurde hervorgekehrt, Freiräume sollten erschaffen werden.

Das Buch umfasst die Bereiche Soziales und partizipatives Wohnen, Privates Wohnen und Lifestyle, Kulturbauten, Bildungseinrichtungen und Kirchen, Bankgebäude, Bürogebäude und Rechenzentren, Exterritoriale Bauten, Technische Bauten und Verkehrsbauten, Bauen im Bestand.

Manches empfindet man als schrecklich, anderes wieder als vorausschauend. Auf jeden Fall erhält man einen großartigen Überblick über diese Zeit.

Man findet beispielsweise die UNO-City Vienna, das (nie in Betrieb genommene) Atomkraftwerk Zwentendorf, die Kölnbreinsperre, die Wotruba-Kirche und vieles mehr.

Ein interessanter Einblick in eine ganz andere Welt aus unserer heutigen Sicht. Gerne vergebe ich für diesen Ausflug in die Vergangenheit 5 Sterne.

Bewertung vom 15.06.2019
Selbstgenäht sind alle meine Kleider
Führer, Mia

Selbstgenäht sind alle meine Kleider


ausgezeichnet

Warum nicht mal ein Kleid nähen

Die Designerin Mia Führer stellt hier 15 Kleider vor. Bei dieser Auswahl kann wohl jeder etwas für sich entdecken. Gut gefällt mir, dass es sich zum Großteil um Grundschnitte handelt, die alle abgewandelt und kombiniert werden können: Länge, ob mit Ärmel oder ohne, Ausschnitt, usw. Mit geringen Grundkenntnissen kann man hier variieren und für sich die beste Möglichkeit wählen. Dafür werden auch am Ende noch Skizzen der Kleider angeboten, die man kopieren und auseinanderschneiden kann, um so ein persönliches Modell zu entwerfen.

Es gibt auch Tipps zur Passformänderung, denn nicht für jeden passt der übliche Konfektionsschnitt. Die Schwierigkeitsgrade werden ebenso aufgezeigt, wie auch Materialempfehlungen, Zuschneidepläne und zum Teil Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Viele Bilder zeigen wie man am besten so manche Hürde meistert.

Natürlich ist ein Schnittmusterbogen im Buch. Und so hat man letztendlich nur mehr die Qual der Wahl welches der Modelle man nun als erstes schneidern soll.

Ich bin ja keine perfekte Näherin, sondern versuche mich erst seit kurzer Zeit an diesem Hobby. Doch mit diesen Anleitungen komme ich locker zu recht. Also keine Scheu: Auf in den Näh-Kampf!
5 Sterne

Bewertung vom 15.06.2019
Am Tatort bleibt man ungern liegen / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.12
Maurer, Jörg

Am Tatort bleibt man ungern liegen / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.12


weniger gut

Was in einem Kurort so alles passieren kann

Jörg Maurer ist bekannt für seine Alpenkrimi-Reihe und kann nun einen weiteren Band dieser Reihe aufzeigen. Für mich war es das erste Buch dieser Reihe und ich muss gestehen – es wird vermutlich auch das letzte bleiben. Für meine Begriffe waren hier viel zu viele Handlungsstränge verwoben und dermaßen viele Personen hatten ihre eigene Geschichte, dass mich das Buch nicht so recht überzeugen konnte.

Ein Mann mit einem Panamahut stirbt plötzlich in einem Bistro, zuvor war er auf der KurBank und hat sein Schließfach geräumt. Den Inhalt hatte er in einen Plastiksack gepackt – doch wo war die geblieben?

Die Putzfrau Alina Rusche wird von einem alten Feuerrad in ihrem Garten erschlagen als sie gerade die Hühner füttern wollte. Auch sie war zuvor in der KurBank und entdecke einige Auffälligkeiten im Schließfachraum. Musste sie deshalb sterben oder weil sie bei einem ihrer Putzkunden etwas Brisantes gesehen hatte, was nicht für ihre Augen bestimmt war?

Swiff Muggenthaler ist ein absoluter Technikfreak, der sich auch verdächtig oft im Schließfachraum der Bank aufhält. Was hat er dort vor? Und was haben Sancho Pansa und Don Quichote mit in dieser ganzen Geschichte zu tun? Alles gut und schön – doch als der Tote aus dem Bistro plötzlich im Grab zu sprechen beginnt, das war mir eindeutig zu viel.

Die Sprünge des Autors zwischen Gegenwart und Vergangenheit finde ich gut gelungen, doch manches Mal bremsten diese meinen Lesefluss.

Für mich war dieser Krimi jetzt nicht unbedingt ein solches Highlight wie für die meisten anderen Rezensenten. Gut, über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten.

Von mir gibt es daher auch nur 2 Sterne, zu viel wirre Handlungen und zu viel Skurrilität bringen hier den Punkteabzug.

Bewertung vom 10.06.2019
The New York Hot Bread Kitchen Project
Waldmann Rodriguez, Jessamyn;Turshen, Julia

The New York Hot Bread Kitchen Project


ausgezeichnet

Brot verbindet

„… Es geht um deutlich mehr als nur ums Backen – es geht um den menschlichen Geist und um das, was uns wachsen lässt: das Essen, das wir miteinander teilen.“

Dieses Buch, das im Christian Verlag erschienen ist, stellt eine besondere Reise um die Welt dar: 20 Frauen aus 15 Nationen stellen 130 Rezepte vor. Für alle, die Brot lieben, eine Bereicherung. Eine Vielfalt wird hier vorgestellt, die ich sehr beeindruckend finde. Nicht nur Ursprüngliches, auch Exotisches, nicht nur Herzhaftes, auch Süßes, Gefülltes, Dunkles, Helles, …

In der Einleitung erfährt man einiges über das Hot-Bread-Kitchen-Project, wie es entstand und sich entwickelte, welche Beweggründe dahinter standen und einiges mehr. Im Anschluss daran erhält man einige Brotbacktipps, erfährt praktisches über Zubehör und Zutaten, bevor man in die Rezeptwelt eintauchen darf. Aber auch bei den einzelnen Rezepten liest man immer wieder über Tipps oder es wird in Schritt-für-Schritt-Anleitungen so manches erklärt. Also, das Buch ist nicht nur für Fortgeschrittene geeignet, auch Anfänger kommen auf ihre Kosten.

Die Rezepte sind in einzelnen Gruppen zusammengefasst: Ungesäuerte Fladenbrote, gesäuerte Fladenbrote, Tortillas, luftige Brote und Brötchen, angereicherte Brote und Brötchen, gefüllte Teige aus aller Welt, schnelle Brote und Feiertagsbrote.

Man findet darin Rezepte, wie beispielsweise Gorditas, Focaccia, Naan, chilenische Empanadas, Baguette, Toastbrot, und vieles mehr. Ergänzt durch Aufstriche, Salate oder ähnliches, die das Erlebnis „Brot“ ergänzen.

Ein tolles Buch, das sich sehr umfassend dem Brot und Gebäck widmet. 5 Sterne

Bewertung vom 10.06.2019
Die Konspirateure
Fittkau, Ludger;Werner, Marie-Christine

Die Konspirateure


ausgezeichnet

Ein wichtiges Stück Zeitgeschichte

Wer kennt sie nicht? Die Namen des Widerstands gegen Hitler, über die unzählige Bücher geschrieben wurden, Filme gedreht wurden, denen unsere Bewunderung gilt. Doch wie viele Menschen wirklich im Widerstand gegen dieses politische System waren, wie viele ein Rädchen im Netzwerk rund um Graf von Stauffenberg darstellten, war mir nicht bewusst. Klar kennt man Stauffenberg und bringt ihn mit dem Attentat gegen Hitler am 20. Juli 1944 in Verbindung. Doch es gab auch andere, unbekannte Namen, die tapfer ihr Leben hintan stellten, um einer großen wichtigen Sache zu dienen.

Dieses Buch will die Hintergründe des Attentats beleuchten – es geht um Zivilpersonen, die vieles riskierten um zu unterstützen, um heimliche Treffpunkte, um tarnen und täuschen. Es geht hier um das Netzwerk, um Widerstandsorganisationen, die im Falle des Falles – also, beim Gelingen des Attentats – parat gestanden wären. Diese Menschen hätten von heute auf morgen das politische Leben nach dem Umbruch übernehmen können, hätten Radiosender ebenso übernommen wie die öffentliche Verwaltung.

Interessant finde ich, dass es keine bestimmte Menschengruppe war, die sich hier gegen das System stellte. Sie agierten als Kaufleute, Händler, waren Polizisten, Lokalbetreiber oder sonstiges – möglichst unauffällig mussten sie reisen können oder zu Treffen erscheinen. Diese fanden oft an sehr unüblichen Orten statt, oft mitten in Menschenmengen oder auch im Hinterzimmer oder auf einem Berggipfel.

Sie verteilten Flugblätter, vernetzten sich über Grenzen hinweg, versteckten Juden oder verhalfen ihnen zur Flucht. Wenn man bedenkt, wie gefährlich ihr Tun war (und viele bezahlten mit ihrem Leben), muss man wirklich den Hut vor ihnen ziehen.

Die beiden Autoren Marie-Christine Werner, Redakteurin und Moderatorin beim SWR, und Ludger Fittkau, Journalist, haben hier eine beeindruckende Sammlung an Namen herausgebracht. Personen, die es verdienen, nicht in Vergessenheit zu geraten.

Ein wichtiges Stück Zeitgeschichte, das nicht in Vergessenheit geraten darf. Gerne vergebe ich dafür 5 Sterne.

Bewertung vom 10.06.2019
Leben, ins Feuer geworfen
Ryklin, Michail

Leben, ins Feuer geworfen


ausgezeichnet

Eine Familiengeschichte – aber nicht nur …

Klappentext: „Himmelsstürmer“ hießen die jungen Leute, die 1917 für die Oktoberrevolution brannten und sich dem radikalen Umbau der Gesellschaft verschrieben hatten. Viele endeten tragisch: Im Lager an der Kolyma oder in den Kellern der Lubjanka, dem berüchtigten Moskauer Geheimdienstgefängnis. Es waren die Schüler und Gefährten Lenins, die den Gewaltexzessen seines Nachfolgers Stalin zum Opfer fielen.

Michail Ryklin ist Philosoph und Autor zahlreicher Publikationen über Russland. Mit diesem Buch hat er sich einem Kapitel seiner Familiengeschichte gewidmet. Lenins einstige Schüler wurden später zu Stalins Opfern – wie tragisch und prekär dieser Teil der russischen Geschichte ist, wird hier von Ryklin mit viel ohne zu beschönigen erzählt.

Gleich zu Beginn fragt sich der Autor, warum er sich diesem Kapitel seiner Geschichte nicht schon früher angenommen hat. Damals, als die noch am Leben waren, die ein Teil der Oktoberrevolution waren. Doch vermutlich brauchte auch dieses Thema seine Zeit um zu reifen.

Man liest über Opfer ohne Namen, über Täter, die neben den Opfern bestattet wurden, über Folter und Gewalt, die wie selbstverständlich erscheinen, über Helden und Verräter. Eine Tragödie, wie sich der Verlauf der Geschichte darstellt – die Vorfahren des Autors lebten für Lenins Idee, hatten sogar eine Führungsrolle in der Jugendorganisation Komsomol inne bevor sie dem Terror Stalins zum Opfer fielen.

Ryklin gelingt es beeindruckend, seine persönliche Geschichte mit der des russischen Volkes zu verweben. Er stützte sich auf Archivmaterial, auf gut gehütetes Quellenmaterial, welches erst nach dem Ende der Sowjetunion freigegeben wurde.

Diese Familiengeschichte sowie den Einblick in die politischen Umbrüche Russlands nach dem Ende der Zarenherrschaft finde ich ein wichtiges Stück Zeitgeschichte. Gerne vergebe ich dafür 5 Sterne.