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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 02.04.2018
Summ, wenn du das Lied nicht kennst
Marais, Bianca

Summ, wenn du das Lied nicht kennst


sehr gut

Johannesburg 1976, eine unruhige Zeit: die Apartheid steht für Unterdrückung der farbigen Bevölkerung. Aber es rumort immer mehr. Die jungen Südafrikaner wollen nicht länger das Regime hinnehmen, die Aufstände in Townships nehmen zu und Soweto wird das Sinnbild für die Unruhen werden.

Robin wächst mit ihren Eltern in Wohlstand auf, sie gehören zur englischsprachigen weißen Bevölkerung, das schwarze Hausmädchen Mabel ist ihre Bezugsperson und Vertraute. Robin wird aus jäh aus ihrer Welt gerissen, als die Eltern bei einem Aufstand ums Leben kommen und automatisch das Hausmädchen mit beschuldigt und in der Haft gefoltert wird. Die Tante Edith nimmt Robin auf, kann sich aber nicht um ihre kindlichen Nöte kümmern und ist mit dem traumatisierten Mädchen völlig überfordert.

Beauty Mbali hat ihr Homeland verlassen um ihre 17jährige Tochter Nomsa zu suchen. Sie gehört zu den Schülern, die Demonstrationen gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit organisieren. Nomsa ist in Gefahr und ihre Mutter verzweifelt. Hilfe erfährt sie von Maggie, einer weißen Gegnerin der Apartheid. Sie vermittelt Beauty eine Stelle als Hausmädchen bei Edith, denn ohne Arbeit darf sich keine schwarze Frau außerhalb der Townships aufhalten. So treffen Robin und Beauty in ihrem Schmerz aufeinander.

Die Schüleraufstände von Soweto markieren den Anfang vom Ende der Apartheid. Die Weltöffentlichkeit schaut auf die sinnlose Gewalt gegen Jugendliche. Diese aufgeheizte Zeit ist der Hintergrund für den Roman „Summ, wenn du das Lied nicht kennst“. Mit diesem Roman lässt mich die Autorin an dieser zeitgeschichtlichen Begebenheit teilnehmen und ruft sie mir, jenseits der wenigen Schlagzeilen, die mir noch in Erinnerung sind, ins Bewusstsein zurück. In dem sie zwei Protagonisten in den Mittelpunkt rückt, die jeweils für eine Seite stehen und sie zueinander finden lässt, wird die Sinnlosigkeit der Apartheid noch deutlicher. Der Roman ist sehr bildhaft geschrieben, die lebendige Sprache zieht mich unmittelbar ins Geschehen. Den Emotionen kann ich mich nicht entziehen. Das liegt auch an Erzählweise, die abwechselnd Robin und Beauty zu Wort kommen lässt und ihre Ängste und Hoffnungen thematisiert.

Es gibt Bücher, die ziehen mich gleich nach einigen Seiten völlig in den Bann und lassen mich in die Welt der Protagonisten abtauchen. „Summ, wenn du das Lied nicht kennst“ ist genau so ein Buch. Ein sehr trauriger und anrührender Roman, der Zeitgeschichte lebendig macht, in dem er die Auswirkungen auf die Menschen zeigt, ganz unabhängig von den politischen Hintergründen.

Bewertung vom 01.04.2018
Die Eifelhexe
Kleiber, Katja

Die Eifelhexe


ausgezeichnet

Ein Burn-out hat Ella Dorn dünnhäutig werden lassen. Sie lebt nun in einer idyllischen Umgebung in der Eifel, versucht ihren Tagesablauf mit der Beschäftigung in der Natur und mit Kräuterkunde zu strukturieren. Es scheint, sie ist auf einem guten Weg wieder Ruhe zu finden.
Doch das jäh zu Ende, als ein Politiker aus Adenau vergiftet wurde. Ella war die letzte Person, die ihn gesehen hat, leugnet aber ein Treffen um Gerede zu entgehen. Da sie von Zeugen gesehen wurde, gerät sie natürlich in den Focus der Polizei und als Zugezogene ist sie per se verdächtig.

Aber Ella war nicht umsonst jahrelang Unternehmensberaterin, die strukturiertes Arbeiten und Analysieren verinnerlicht hat. Sie beginnt ihre Fühler auszustrecken und kann bald einiges im Umfeld des Opfers entdecken, dass ihr nicht ganz logisch erscheint.

„Die Eifelhexe“ ist ein Krimi, der mich ausgesprochen gut unterhalten hat. Besonders die Landschaft und die Eifler Typen haben viel dazu beigetragen. Die sind bodenständig, mitunter wortkarg und kantig, aber Ella findet einen Weg, heimisch zu werden. Die Motive ergeben sich aus dem Zusammenprall von Tierschutz und Jagd, von Naturschutz und Landwirtschaft. Das passt sehr gut zur Umgebung und der Krimi wird dadurch realistisch. Die Spannung ist gut aufgebaut, sie steigert sich bis zum Finale. Auch wenn ich persönlich schon früh für mich einen Verdächtigen ausgemacht hatte, gab es keinen Bruch. Der Wechsel von Polizeiermittlungen – wobei sich der örtliche Polizist immer mehr Sympathiepunkte erarbeitet hat – und Ellas eigenen Nachforschungen, haben mir gefallen. Immer wieder werden dadurch die unterschiedlichen Sichtweisen einbezogen.

Mit Ella Dorn könnte ich mir sehr gut weitere „Fälle“ vorstellen, die Figur bietet viel Potential und die Eifel hat ja schon viele Krimiautoren inspiriert.

Bewertung vom 31.03.2018
Das Leben ist ein Seidenkleid
Wekwerth, Tanja

Das Leben ist ein Seidenkleid


sehr gut

Maja ist eine liebenswerte, aber einsame junge Frau. Sie arbeitet in einem Kaufhaus und leidet, wenn sie sieht, wie ihre Chefin, die nur auf Provisionen aus ist, den Frauen unpassende Kleidungsstücke aufschwatzt. In ihren Träumen sieht sie sich umgeben von Stoffen und Schnitten und zaubert daraus die schönsten Stücke für ihr eigenes Geschäft. Aber es scheint beim Träumen zu bleiben, nur für sich selbst näht sie, der Mut sich zu verwirklichen, fehlt ihr.
Um ihr Verkäuferinnengehalt etwas aufzustocken, fährt sie für einen Bekannten „Essen auf Rädern“ aus. Die Seniorinnen und Senioren schließt sie gleich in ihr großes Herz, hilft bei kleinen Erledigungen und hat immer Zeit für einen kleinen Plausch. So lernt sie auch Leo kennen, der ihr ein großväterlicher Freund wird. Außerdem trifft sie auch seinen Enkel, der – ganz gegen ihren Willen – ihr Herz zum Stolpern bringt. Leos verstorbene Frau war auch eine begnadete Schneiderin und er hat jedes ihrer Kleider und jedes Schnittmuster aufgehoben. Diesen Schatz zeigt er Maja…..
Tanja Wekwerth hat ein modernes Großstadtmärchen geschrieben. Das Buch zielt unmittelbar auf die Emotionen der Leserinnen. Es ist ein Roman, der für einige Stunden Zeit und Raum vergessen lässt. Mir ist es jedenfalls so gegangen. Mit Maja hat sie eine Protagonistin gefunden, die man sofort ins Herz schließen muss. Es ist eine ganz zeitlose Geschichte, die Gegenwart muss draußen bleiben. Ihre Figuren sind nicht unbedingt lebensecht und lebensfähig. Es gibt die Guten und Bösen und die Trennlinie verläuft ganz klar. Aber so ist das eben in Märchen.
Wekwerth schreibt unterhaltsam und locker, viele Szenen sind rührend, andere wieder ganz witzig. Auch wenn „ Das Leben ist ein Seidenkleid“ was Charme und Esprit angeht, nicht ganz an den Vorgängerband anknüpfen kann, ist das Lesen ein Vergnügen. Wer sich von Mode zum Träumen verführen lassen kann und bei alten Hepburn-Filmen zuerst auf die Garderobe schaut, ist hier genau richtig.

Bewertung vom 29.03.2018
Das Glück kurz hinter Graceland
Wright, Kim

Das Glück kurz hinter Graceland


ausgezeichnet

Cory Beth weiß schon lange dass Bradley Ainsworth nicht ihr leiblicher Vater ist. Ein Sieben-Monatskind von 9 Pfund wäre schon mehr als ungewöhnlich. Nach dem Tod ihrer Mutter Honey findet sie im Schuppen gut unter dicken Schichten von Plastikfolie verpackt einen schwarzen Stutz Blackhawk. Corys Mutter hatte ein Jahr in Memphis als Backround Sängerin von Elvis verbracht und dies ist das Auto, das er kurz vor seinem Tod gefahren hat. Cory möchte mit diesem Auto die Route nach Memphis fahren, die ihre Mutter genommen hat, als sie schwanger zurück in ihren Heimatort kam. Sie hofft, damit das Geheimnis ihrer Herkunft zu lüften.
Die Fahrt zurück ist wie eine Zeitreise, sie begegnet Menschen, die ihre Mutter kannten und ihr nahestanden und lernt eine ganz fremde Frau kennen, die ihr mehr ähnelt, als Cory je dachte.
Im Wechsel zu Cory Erlebnissen springt die Geschichte zurück zu Honey. Sie berichtet in der Ich-Form von ihrer Zeit in Memphis und ihre Erlebnisse mit Elvis. Damit sind wir Cory voraus, denn sie kann nur aus den Berichten zusammensetzen, wie ihre Mutter war.
Ein Road Trip in die Vergangenheit. Ich hatte Schwierigkeiten mit dieser Geschichte. Sicher liegt es auch daran, dass mich der Elvis Hype nicht sonderlich anspricht. Aber das allein war es nicht. Auch Corys und Honeys Geschichte hat mich nicht recht gepackt. Vielleicht muss man wirklich allein bei dem Wort „Graceland“ glänzende Augen bekommen, um diese zwei Frauen richtig zu verstehen. Mir fehlte auch jede Identifikation mit den beiden Hauptpersonen. Sie bleiben mir einfach fremd.
Die Handlung des Romans war für mich einfach zu vorsehbar und damit wurde mir die Geschichte auch ein wenig langweilig. Ein schönes Ende versöhnte ich mich etwas.

Bewertung vom 28.03.2018
Pannfisch für den Paten / Thies Detlefsen Bd.6
Koch, Krischan

Pannfisch für den Paten / Thies Detlefsen Bd.6


ausgezeichnet

Fredenbüll ist ein ganz eigener Kosmos und sein Zentrum ist Antjes Imbiss „ De hidde Kist“ Hier treffen sich alle und kommentieren den Lauf der Welt und ihre Auswirkung auf Fredenbüll. WinWind will das Deichvorland mit Windrotoren verspargeln und die Initiative ,Sei (k)ein Frosch‘ kämpft für das Überleben der Rotbauchunke. Der Riss geht durch Familien. Dann gibt es noch neue Bewohner hinterm Deich. Der überaus charmante Tony ist mit seiner Familie aus New York zugezogen. Ist er nun Italiener oder New Yorker? Das weiß niemand so recht, aber seltsame Besucher zieht er an. In Renates Pension hat sich schon einer eingemietet mit sonderbar geformtem Gepäckstück.

Nach dem 6. Krimi aus Fredenbüll bin ich mit seiner Bewohner schon fast auf Du und Du. Es unterhaltsam und witzig, was sich Krischan Koch wieder ausgedacht hat. Seine Küstenkrimis machen einfach nur Spaß und versetzen mich in nachhaltig gute Laune. Der trockene Humor der Friesen, den Koch bestens inszeniert und vor allem das Panoptikum an schrägen Figuren, die das Dörfchen hinterm Deich bevölkern, machen den Krimi so gelungen. Der Wortwitz und das Timing ist unschlagbar.

Dabei ist der Krimi ganz und gar realistisch, wie immer wenn es ums Geld und Investitionen geht, von denen jeder gern etwas abhaben möchte. Aber wie Koch seinen Krimi in eine frische Friesenkomödie verpackt, ist eben ganz besonders.

Wie sagte schon Al Capone: Mit einem netten Wort und einer Pistole erreicht man mehr, als mit einem netten Wort allein.

Bewertung vom 27.03.2018
Eiskalter Hund / Fellinger Bd.1
Kern, Oliver

Eiskalter Hund / Fellinger Bd.1


ausgezeichnet

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Als Lebensmittelkontrolleur ist der Fellinger nicht wirklich beliebt. Er nimmt sein Beruf ernst, als Beamter hat er „im Dienst keine Freunde und keine Freude“. Er liebt es, allein durch sein Auftauchen den Wirten den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben, denn er findet immer was. Da schickt ihn eine anonyme Anzeige zum Chinesen. Mit der „Schwarzen Soße“ soll etwas nicht stimmen. Aber was er findet, hängt im Kühlraum, perfekt enthäutet und ausgeweidet hängt da ein Hund. Beaver ist es, wie er dem sichergestellten Halsband entnimmt. Doch Beavers Frauchen, die vermögende Witwe Poschinger ist verschwunden.

Da die Polizei ihn überhaupt nicht ernst nimmt, muss Fellinger eben selbst ermitteln. Er wäre ja selbst gern zur Polizei gegangen, lediglich sein Knie, das immer mal „rausspringt“, hat das verhindert. Aber seine Nase und das spezielle Jucken, wenn was nicht stimmt, ist ihm geblieben.

Niederbayern mit seinen kantigen und urigen Typen ist die ideale Gegend für einen Mann wie Fellinger. Er hat sein festgefügtes Weltbild und lässt sich weder beirren noch bremsen. So richtige Freunde hat er nicht, auch mit den Frauen ist es schwierig, aber mir scheint, Fellinger taugt sein Lebensstil.

Oliver Kern hat mit seinem ersten – und hoffentlich nicht letzten – Krimi eine Figur kreiert, die richtig Spaß macht. Der Typ ist überzeichnet, aber auf eine Weise, die mir richtig gut gefällt. Er teilt aus, kann aber auch einstecken. Aber nicht nur der Hauptprotagonist ist gelungen, alle Figuren sind klasse gezeichnet. Alle granteln ein wenig, manche sind auch recht hinterfotzig, aber es passt! Der Humor ist hintersinnig, urig und mit reichlich Lokalkolorit und Dialekt gewürzt. Für Leser, die das womöglich nicht verstehen, gibt es auch noch ein schönes Glossar am Ende des Buches. Die Sprache ist knapp und lakonisch, mit viel Wortwitz. Besonders witzig fand ich die Kapitelüberschriften. Die Krimihandlung ist dabei recht verzwickt, aber vielleicht liegt es auch an den unorthodoxen Ermittlungsmethoden des Fellinger, dessen Interpretationen der Vorgänge manchmal recht eigenwillig sind.

Ich habe mich köstlich amüsiert – auf in den Bayerischen Wald !

Bewertung vom 26.03.2018
K.O. durch Meister
Grulich, Susanne

K.O. durch Meister


sehr gut

Eine Karriere als Rockmusiker ist Magnus Meister nicht vergönnt gewesen, so spielt er Gigs auf Hochzeiten und anderen Veranstaltungen. Und wenn es finanziell mal besonders knapp wird, nimmt er auch schon mal Aufträge seines Kumpels an, der als Privatdetektiv arbeitet.
Die Baustellen der Bestkauf AG werden regelmäßig sabotiert, mal verschwindet wertvolles Baumaterial, mal wird die Baustelle unter Wasser gesetzt. Die junge Geschäftsführerin hat einen schweren Stand, sie wurde all den altgedienten Männern vor die Nase gesetzt und fürchtet nun um ihren Ruf und ihre Stelle. Deshalb beauftragt sie die Detektei den Vorfällen auf den Grund zu gehen und Magnus Meister beginnt zu suchen.
Die Reihe der Verdächtigen ist lang, unter der nur oberflächlichen Harmonie der Firma brodelt es gewaltig und Magnus hat alle Hände voll zu tun, die Alibis und Motive abzuklopfen. Und das alles vor einem wichtigen Gig, der der Band endlich mal etwas Geld einbringen soll.
Die Autorin Susanne Grulich hat mit ihrem Debüt gleich eine Marke gesetzt. Der Roman ist flott geschrieben und fängt wunderbar die Kölner Stimmung ein. Nicht nur was die Schauplätze betrifft, sondern auch ihre Hauptfigur ist authentisch und wirkt wirklich wie vom Tanzbrunnen weg engagiert. Er hat immer einen guten Spruch parat und lässt sich durch keinen Misserfolg entmutigen. Das macht Magnus sympathisch. Mit seinen Ecken und Kanten trägt er den Krimi. Allerdings hätte es nach meinem Geschmack bei manchen Nebenfiguren etwas weniger Klischee sein dürfen, aber das schmälert die Spannung nicht.
Magnus ist gar nicht untalentiert, weder als Musiker, noch als Schnüffler, deshalb kann man auf weitere Bände und die Entwicklung der Autorin nur gespannt sein.

Bewertung vom 26.03.2018
Abgefahren
Pope, Dirk

Abgefahren


sehr gut

17 Jahre alt, fett, ohne Freunde oder Vertraute. Was macht so ein Junge, wenn die Mutter stirbt?

Viorel packt seine Mutter in einen alten Schlafsack und will ihren letzten Wunsch erfüllen. Sie möchte in ihrer Heimat Rumänien beerdigt werden. Für Viorel eine fremde Welt, er war nie dort, weiß nicht einmal, woher die Mutter stammte und spricht kein einziges Wort Rumänisch. Zwar hat er keinen Führerschein, aber fahren kann er und so geht es einfach los.
Unterwegs gabelt er noch einen merkwürdigen Anhalter auf, bleich und wortkarg, aber kein unangenehmer Begleiter, nur dass er unterwegs bei einem Unfall stirbt und Viorel jetzt zwei Leichen im Auto transportiert.

„Abgefahren“ heißt dieses Buch und abgefahren ist es auch. Es ist ein wirklich schräger Roman, der meine Lesegewohnheiten richtig durchgerüttelt hat. Mit Logik bin ich nicht recht weiter gekommen, aber die Sprache, Viorels Gedankenmonologe in den langen Stunden der nächtlichen Fahrt (es ist fast immer Nacht, denn es ist Ende Dezember und auch tagsüber beherrscht trübes, graues Licht die Szene) haben mich fasziniert. Es ist ein Mix aus Mythen, Ängsten und seltsamen Begegnungen. Viorel, der bisher antriebslos und lethargisch das Leben über sich ergehen ließ, muss plötzlich agieren, sich auf Situationen einstellen, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Ein erstaunlicher Protagonist, dieser Junge, der auf Anhieb nicht sonderlich sympathisch wirkt, eher ein diffuses Mitleid erweckt, aber sich im Lauf der Geschichte verändert. Wohin – das bleibt offen. Wie auch das Ende des Roadtrips offen ist.

Auch die Ausstattung der Klappenbroschur hat mir gefallen. Die Karte, auf der man Viorels Reiseweg verfolgen kann, hat mir gut gefallen. Sie gibt der Fahrt einen handfesten Bezug, an der ich mich orientieren konnte.

Bewertung vom 24.03.2018
Schweigegelübde / Emma Vaughan Bd.2
Bierach, Barbara

Schweigegelübde / Emma Vaughan Bd.2


sehr gut

Die Irin Emma Vaughan ist in den USA aufgewachsen, arbeitet nun schon seit Jahren bei der Polizei in Sligo. Sie hat es nicht leicht in der männerdominierten Gesellschaft. Von ihrem Mann hat sie sich getrennt, seine Gewaltausbrüche und seine Schläge hat sie nicht länger hinnehmen wollen. Nun ist ihr Ex als IRA Terrorist angeklagt und nur um ihrem Sohn sein Vaterbild zu erhalten, engagiert sie einen teuren Anwalt zu seiner Verteidigung.

Auch beruflich läuft es nicht rund. Erst kürzlich wurde sie aus der Mordkommission zum Abteilung Häusliche Gewalt versetzt, eine deutliche Degradierung für sie und ein Hinweis ihrer Vorgesetzten endlich ihre Tablettensucht in Griff zu bekommen. Nach einem Unfall leidet sie unter Dauerschmerzen und der Griff zu Opiaten ist viel zu selbstverständlich für sie geworden. Kurz, Emma hat mehr Probleme als sie bewältigen kann. In der Klinik von Sligo, die sie eigentlich aufsuchte, weil sie zu einem Drogenscreening verdonnert wurde, wird sie von Stationsarzt auf einen unerklärlichen Anstieg von Todesfällen angesprochen. Patienten, die auf dem Weg der Besserung waren, verstarben plötzlich an Herzversagen. Der Arzt ist nicht nur der Ehemann ihrer Freundin, er hat ihr schon das eine oder andere Rezept für ihre Opiate ausgestellt und erhofft sich im Gegenzug unauffällige Ermittlungen.
Damit ist Emma wieder beruflich gefordert, ein Todesengel in einem Krankenhaus – ein Fall, der schnell auch für Wirbel in der Presse sorgt.

Der Krimi spielt im Jahre 2005, der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten ist noch sehr gegenwärtig. Die Machenschaften der katholischen Kirche und ihrer gefürchteten Kinderheime sind grade ans Licht gekommen und auch die Auseinandersetzung mit IRA ist noch Alltag. All diese irischen Konflikte vereinen sich in diesem Krimi und sorgen für einen spannenden, auch gesellschaftlich relevanten Hintergrund. Emma ist als sympathische Frau geschildert, die trotz ihrer persönlichen und beruflichen Überlastung sich ihre Empathie bewahrt hat.

Obwohl ich schon sehr früh einen Täter für die Krankenhausmorde im Blick hatte und ich Handlung auch etwas vorhersehbar fand, hat mich dieser Irlandkrimi gefesselt. Es liegt sicher daran, dass es der Autorin gelungen ist, den zeitgeschichtlichen Hintergrund perfekt in den Krimi einzubauen und damit die ganz besondere Atmosphäre Irlands einzufangen. Die Autorin hat einen sehr flüssigen, bildhaften Erzählstil, der mir ganz gut gefallen hat. Durch die Rückblicke, die immer wieder auf den Vorgängerband verweisen, kann man der Handlung gut folgen, auch ohne das erste Buch zu kennen.
Der Hauptfigur Emma stehe ich etwas gespalten gegenüber. Obwohl sie mir als Figur nicht unsympathisch ist, sind mir ihre Handlungsweisen manchmal nicht nachvollziehbar.

Insgesamt ein spannender Krimi, der mich gut unterhalten hat.

Bewertung vom 23.03.2018
Bis zum Himmel und zurück
Junk, Catharina

Bis zum Himmel und zurück


ausgezeichnet

Als Drehbuchautorin ist Katja recht erfolgreich. Aber eine Familienserie schreiben – wo sich doch bei dem Wort Familie ihre Nackenhaare aufstellen. Ihre eigene Familie ist eine Katastrophe und die Trümmer schleppt sie schon lange mit sich. Seit bei einem Unfall ihre jüngere Schwester starb und sie sich die Schuld daran gab, ist nichts mehr in ihrem Leben heil. Der Vater hat sich bald aus dem Staub gemacht und die Mutter versank in Alkohol und Trauer – nur für Katja gab es keinen Trost.
Wie ein Blitz schlägt die Nachricht der Mutter ein, dass der Vater einen Schlaganfall hatte. Alles sträubt sich in Katja ihren Vater zu sehen. Sie fühlt sich verraten und hat seinen Weggang nie verarbeitet, all die Liebe und das Vertrauen, das sie ihm entgegenbrachte, hat er zerstört.
Doch dann steht eine kesse 12jährige vor der Tür, ihre Halbschwester, die sich nicht abwimmeln lässt und Katja zu einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zwingt.
Ein Buch zwischen Lachen und Weinen. Lachen, weil es wirklich urkomisch ist, was auf Katja hereinprasselt, den Ärger mit ihren Drehbüchern, Schauspielerinnen und Filmgesellschaften und nicht zuletzt mit Gelegenheitsfreund Ratko. Zum Weinen, weil es mich tief berührt hat, wie Katja sich ihrer Geschichte stellen muss, ihre Ängste und ihre seelische Not.
Catharina Junk hat mit Katja eine Figur geschaffen, die mir sehr nahe gekommen ist, ihre Verletzlichkeit hat mich tief berührt. Wenn Katja erzählt, wie sie sich ritzen muss, um den Schmerz und den Druck auf ihrer Seele abfließen zu lassen, war ich ganz bei ihr. Einfühlsam und dabei ganz unaufdringlich entwickelt sich die Geschichte und dieser Reifeprozess hat mich nicht kaltgelassen. Aber nie versinkt der Roman in Schwere oder Mitleid, dazu ist Katja und vor allem auch die neue Halbschwester viel zu lebendig.
Einmal angefangen, konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen, es hat einfach alles, was ich bei einem Roman schätze: Emotionen und Spannung, Leidenschaft und Enttäuschungen, Verzweiflung und Hoffnung. Dabei ist die Geschichte mit einer Leichtigkeit erzählt, die mir gut gefallen hat. Auch wenn ich ab und an Tränen in den Augen hatte – ich habe halt nah am Wasser gebaut – das nächste Lachen war nicht weit entfernt.
Eine Leseempfehlung von mir.