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Benutzername: 
dorli
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Berlin
Buchflüsterer: 

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Insgesamt 882 Bewertungen
Bewertung vom 18.02.2014
Die Australierin / Auswanderer-Epos Bd.1
Renk, Ulrike

Die Australierin / Auswanderer-Epos Bd.1


ausgezeichnet

Hamburg/Othmarschen 1842. Emilia Bregartner verlebt eine unbeschwerte Kindheit auf dem Gut der Familie in Othmarschen. Bis zu dem Tag, als der Große Brand große Teile Hamburgs zerstört und Emilias Tante Minna und ihr Onkel Hinrich vorübergehend auf dem Gut Unterschlupf finden. Minna mischt sich nicht nur in die Haushaltsführung, sondern auch in Emilias Erziehung ein und nimmt das Mädchen später mit nach Hamburg, als Emilias Eltern mit ihrem kleinen Bruder nach England gehen.
Im Hause des Werftbesitzers zu einer jungen Frau herangewachsen, soll Emilia für die Familie und das Geschäft vorteilhaft verheiratet werden. Doch sie verliebt sich in den Kapitän Carl Gotthold Lessing, heiratet ihn gegen den Willen ihrer Familie und geht mit ihm auf große Fahrt…

In ihrem historischen Roman „Die Australierin“ entführt Ulrike Renk den Leser ins 19. Jahrhundert und nimmt ihn mit auf eine abenteuerliche Reise von Hamburg zunächst nach Südamerika und später dann nach Australien.
Ich habe mich von der ersten Seite an ins 19. Jahrhundert zurückversetzt gefühlt. Ulrike Renk zeichnet ein umfassendes, vielschichtiges und vor allen Dingen für mich sehr glaubwürdiges Bild der damaligen Zeit. Die ausführlichen Beschreibungen der Schauplätze und die detaillierten Schilderungen von Emilias Erlebnissen haben mich ausnahmslos begeistert.
Es wird ganz wunderbar aus dem Alltagsleben der Bregartners und Lessings erzählt. Ich konnte mir sowohl das gutbürgerliche Leben in Hamburg wie auch das tägliche Leben auf einem Großsegler sehr gut vorstellen.
Besonders fasziniert hat mich die Zeit an Bord der „Lessing“, da ich als absolute Landratte überhaupt keine Ahnung von einem monatelangen Aufenthalt auf See habe. Schmunzeln musste ich, als es nach langer Zeit endlich regnete und die Besatzung hurtig alle zur Verfügung stehenden Eimer und Fässer an Deck schleppte, um Wasser zum Wäschewaschen aufzufangen, da Salzwasser dafür nicht sonderlich gut geeignet ist. Über solche Dinge habe ich mir noch nie Gedanken gemacht und fand diese Einblicke daher sehr aufschlussreich.

Die Akteure werden von Ulrike Renk lebendig und bildhaft dargestellt. Jeder Einzelne spielt die ihm zugedachte Rolle ausgezeichnet und auch die zahlreichen Nebenfiguren bereichern die Handlung außerordentlich.
Im Vordergrund steht natürlich Emilia. Dass ihre Eltern sie in Hamburg zurücklassen und nicht wie versprochen nach 2 Jahren zurückkehren, bzw. sie irgendwann zu sich holen, hat Emilia sehr schwer getroffen. Dennoch oder vielleicht auch gerade deswegen, macht sie eine tolle Entwicklung durch und wird zu einer selbstbewussten Frau, die genau weiß, was sie will und auch mutig genug ist, diesen Willen durchzusetzen.
Ich bin im Verlauf der Handlung ein großer Fan von Emilias Magd Rieke geworden. Rieke trägt das Herz am rechten Fleck und redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Durch den norddeutschen Dialekt, den Ulrike Renk sie sprechen lässt, bekommt die ganze Geschichte einen besonders munteren Touch – einfach herrlich!

Dieser Roman beruht auf wahren Begebenheiten. In einem sehr interessanten Nachwort erzählt die Autorin, wie es dazu kam, dass sie Emilias Geschichte aufgeschrieben hat.
Zu den Fakten (von denen ihr viele in Form von Dokumenten und Briefen von der Urenkelin Emilie Bregartners zur Verfügung gestellt wurden) gesellt sich natürlich eine Menge Fiktion, trotzdem bin ich davon überzeugt, dass sich vieles genau so abgespielt hat, wie Ulrike Renk es in diesem Buch schildert.
Es hat mir auf jeden Fall großen Spaß gemacht, die zahlreichen, sehr unterschiedlichen Menschen kennenzulernen und sie auf ihrem Weg durch diese spannende Geschichte zu begleiten und Glück und Freude, aber auch Kummer und Furcht mit ihnen zu teilen.

Einzig den Buchtitel finde ich vom Verlag unglücklich gewählt. Emilia geht zwar letztendlich nach Australien und verbringt dort auch die längste Zeit ihres Lebens, aber dieser Lebensabschnitt macht nur einen kleinen Teil in diesem Roman aus.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.02.2014
Der Spiegel des Schöpfers
Franke, Thomas

Der Spiegel des Schöpfers


ausgezeichnet

Die Chirurgin Leonie Brandstätter fährt angetrunken einen jungen Mann an. Um den zu erwartenden Konsequenzen aufgrund ihres Alkoholkonsums zu entgehen, benachrichtigt sie weder Polizei noch Notarzt, sondern nimmt den bewusstlosen Mann mit zu sich nach Hause. Am nächsten Morgen erlebt Leonie eine Überraschung: Aris Verletzungen sind nach wenigen Stunden fast verheilt. Er spricht eine Leonie völlig unbekannte Sprache, ist aber in kürzester Zeit in der Lage, einen neuen Wortschatz zu erlernen. Sein ganzes Verhalten ist ungewöhnlich. Und Ari wird verfolgt - von den Mitgliedern eines mächtigen uralten Ordens, die äußerst brutal vorgehen und nichts unversucht lassen, um Ari in ihre Gewalt zu bekommen…

„Der Spiegel des Schöpfers“ ist das erste Buch, das ich von Thomas Franke gelesen habe, und ich bin begeistert! Der Klappentext hat mir einen rasanten Roman versprochen, der mit dem Bösen dieser Welt konfrontiert. Und dieses Versprechen wurde durchweg gehalten. Es ist grandios, wie Thomas Franke erzählen kann. Die Geschichte ist flüssig zu lesen, von der ersten bis zur letzten Seite spannend, tempo- und actionreich und dazu mit einigen humorvollen Szenen gespickt. Quantenphysik und Genmanipulation spielen eine Rolle. Diese naturwissenschaftlichen Inhalte werden aber einleuchtend und nachvollziehbar erklärt, so dass auch ich als absoluter Laie dem Geschehen gut folgen konnte. Das Ganze wird kombiniert mit einigen religiösen Elementen und einer großzügigen Portion Fantasy.

Die zentrale Figur in dieser Geschichte ist Ch’arih, kurz: Ari. Ein faszinierender Charakter – Ari ist nicht nur für Leonie, sondern auch für den Leser über weite Strecken ein einziges Rätsel. Er besitzt eine außergewöhnliche Selbstheilung, erstaunliche Körperkräfte, ist ungemein intelligent, hat eine besondere Fähigkeit, mit Tieren umzugehen und wirkt dabei kindlich-naiv und unbekümmert. Zudem kennt er sich nicht mit den für uns normalen gesellschaftlichen Verhaltensweisen aus, selbst Kleidung ist ihm unbekannt.

Auch alle anderen Charaktere werden detailliert beschrieben und bekommen schnell ein Gesicht. Kleine Geheimnisse und Unvollkommenheiten machen die Akteure sympathisch und glaubwürdig. Auch die Guten haben ihre Ecken und Kanten. So schleppt zum Beispiel Ruben seit vielen Jahren eine schwere Last mit sich herum und hat sich deshalb von seiner Familie abgewandt und seinen Glauben an Gott verloren. Es hat mir sehr gut gefallen, das Thomas Franke diese Nebenhandlung nicht aus den Augen verliert, sondern ganz hervorragend mit dem Hauptgeschehen verwoben hat.
Und auch die Bösen erlebt man nicht nur böse. So wurde beispielsweise dem mir sehr unsympathischen Falk Hartmann manchmal von seinen eigenen Leuten derart zugesetzt, dass man ihm ab und an einen Funken Mitgefühl entgegenbringen konnte.

Die stets fesselnde Handlung und die ausdrucksstarken Figuren bieten ein großartiges Lesevergnügen und lassen zu keiner Zeit Langeweile aufkommen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.01.2014
Es wird keine Helden geben
Seidl, Anna

Es wird keine Helden geben


ausgezeichnet

Die 15-jährige Miriam sitzt wie an jedem anderen Tag auch in der Schule. Plötzlich fallen Schüsse. Miriam und ihre Freundin Joanne verstecken sich. Als Miriam einen Blick aus ihrem Schlupfwinkel wagt, sieht sie nicht nur ihren Freund Tobi verletzt am Boden liegen, sondern gerät auch selbst in das Visier des Amokschützen…

In ihrem Buch „Es wird keine Helden geben“ schildert Anna Seidl, welche Auswirkungen ein Amoklauf auf die Überlebenden haben kann.
Die Autorin stellt dabei die Gedanken, Gefühle, Erlebnisse und Erinnerungen der 15-jährigen Miriam in den Fokus und man begleitet das Mädchen Schritt für Schritt zurück in ein „normales“ Leben. Gleichzeitig macht Anna Seidl aber auch deutlich, dass die schrecklichen Ereignisse von den Überlebenden ganz unterschiedlich verarbeitet werden und dass es nicht jedem gelingt, in den Alltag zurückzufinden.

Es hat mich beeindruckt, dass es einer so jungen Autorin gelingt, die ganze Flut an unterschiedlichen Gefühlen, die über Miriam hereinbricht, nicht zu einem Wirrwarr für den Leser werden zu lassen. Ganz im Gegenteil, Anna Seidl beschreibt das Auf und Ab, das Miriam in den Tagen, Wochen und Monaten nach dem Amoklauf erlebt, durchweg verständlich und nachvollziehbar.

Auch zeigt Anna Seidl, dass Familienangehörige oft nicht wissen, wie sie dem Betroffenen helfen sollen bzw. nicht in der Lage sind, den Betroffenen zu unterstützen und ihm Halt zu geben. Mit teilweise verheerenden Folgen.

Im Fall von Miriam sind viele unterschiedliche Menschen an dem Prozess beteiligt, der sie wieder auf die Beine kommen lässt – Familie, Freunde, Psychologen und sogar ein völlig Fremder versuchen ihr zu vermitteln, dass es irgendwie weitergehen wird.
Miriam pendelt zwischen guten und schlechten Tagen – am Ende der Geschichte überwiegen für das Mädchen die guten Momente und sie kann hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

„Es wird keine Helden geben“ ist gelungenes Debüt mit einem bewegenden und nachdenklich machenden Thema.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.01.2014
Karfreitagsmord / Kommissarin Jo Weber Bd.2
Rauenthal, Bea

Karfreitagsmord / Kommissarin Jo Weber Bd.2


ausgezeichnet

Ebersheim. Ein ungewöhnlich schwüler Aprilmorgen. Hauptkommissarin Jo Weber wird auf eine Baustelle im ehemaligen Industriegebiet gerufen, weil ein Bauarbeiter unter ungeklärten Umständen von einem Gerüst gestürzt ist. Noch während Jo sich über die Vorgänge informiert, wird bei Baggerarbeiten ein Skelett gefunden. Jo begibt sich zu dem Fundort und kommt dort fast gleichzeitig mit ihrem gerade eintreffenden Kollegen Lutz Jäger an. In dem Moment passiert es: Ein Blitz schlägt in den hoch aufragenden Baggerarm ein und befördert Jo und Lutz in das Jahr 1898…

Auch im zweiten Teil ihrer Zeitreise-Krimi-Serie schickt Bea Rauenthal ihre beiden Protagonisten in die Vergangenheit, um sie einen Mordfall lösen zu lassen, der bereits viele Jahre zurückliegt. Es gilt, einen Serienkiller dingfest zu machen, der in der Kaiserzeit über viele Jahre sein Unwesen trieb.

Äußerst gut gelungen ist es Bea Rauenthal, die Atmosphäre des späten 19. Jahrhunderts darzustellen. Ich habe mich durchgehend in die prüde, reaktionäre Zeit, in der der gesellschaftliche Status über allen anderen Dingen steht, zurückversetzt gefühlt.

Wie schon in „Dreikönigsmord“ sind es auch hier zunächst einmal die besonderen Umstände und Gegebenheiten der damaligen Zeit, die Jo und Lutz große Probleme machen.
So wird Jo in das „demütige Dasein einer unmündigen 18-jährigen“ gepresst und muss sich von ihrer Großmutter Malfalda bevormunden und maßregeln lassen. Nicht nur die vorherrschenden Moralvorstellungen, auch die Mode wird für Jo zu einem Graus: In ein Korsett gezwängt und mit unbequemen Schuhen ausgestattet, fühlt Jo sich erniedrigt. Irgendwie nachvollziehbar. Dennoch ist es gerade Jos ständiger Kampf mit den für sie widrigen Umständen, der mich immer wieder hat Schmunzeln lassen.
Lutz kann sich, ähnlich wie schon bei dem Ausflug ins Mittelalter, schneller auf die ungewohnte Situation einstellen. Doch als einfacher Kommissar bei der preußischen Kriminalpolizei steht er unter der Knute von Kriminalhauptkommissar Horst Koschatzki.
Koschatzki ist mit Lutz’ lockerem, aufmüpfigem Verhalten und den unüblichen Ermittlungsmethoden gar nicht einverstanden und drangsaliert seinen Untergebenen wo er nur kann.

Es ist einfach herrlich, wie Bea Rauenthal Jos und Lutz' Erlebnisse schildert – eine tolle Mischung aus Historie, Krimi und einer großzügigen Portion Humor macht dieses Buch zu einem großartigen Lesevergnügen.

Bewertung vom 23.01.2014
Das Geheimnis von Ella und Micha / Ella und Micha Bd.1
Sorensen, Jessica

Das Geheimnis von Ella und Micha / Ella und Micha Bd.1


ausgezeichnet

8 Monate ist es her, dass Ella Daniels fluchtartig ihre Heimatstadt verlassen hat, um in Las Vegas zu studieren. Und um ein neues Leben zu beginnen, denn das alte Leben hat es ganz und gar nicht gut mit ihr gemeint.
Die Semesterferien will Ella zuhause verbringen. Kaum angekommen, steht Micha, ihr bester Freund seit Kindertagen, vor ihr und will unbedingt mit ihr reden. Ella weicht ihm aus, sie will nicht an die alten Zeiten erinnert werden. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht so einfach abschütteln und alles, was sie hinter sich gelassen hatte, bricht mit aller Macht erneut über sie herein…

Jessica Sorensen versteht es mit ihrem lockeren und angenehm zu lesenden Schreibstil sehr geschickt, den Leser in ihren Bann zu ziehen.
Gleich der Prolog macht neugierig auf die damaligen Geschehnisse und wirft zahlreiche Fragen auf. Wie dramatisch die Ereignisse wirklich waren, gibt die Autorin erst nach und nach preis und hält die Spannung in der Geschichte damit durchgehend aufrecht.

Es gelingt Jessica Sorensen ausgezeichnet, Ellas und Michas Gedanken und Gefühle zu vermitteln, indem sie die beiden die Geschichte abwechselnd erzählen lässt. Durch die unterschiedlichen Perspektiven bekommt man einen guten Einblick in die Ängste und Sorgen beider Hauptfiguren und lebt und leidet mit ihnen.

Ein wahrer Strudel aus widersprüchlichen Gefühlen erfasst Ella bei der Rückkehr in ihre Heimatstadt und sie gibt sich große Mühe, die Kontrolle über sich und ihre Emotionen zu behalten. Ihre größte Angst ist es, wie ihre Mutter zu werden. Diese litt an einer bipolaren Störung und hat Selbstmord begangen. Auch das instabile Leben in dem heruntergekommenen Stadtteil, die raue Welt aus Arbeitslosigkeit, Drogen, Alkohol machen Ella wenig Mut, sich ihrem alten Ich zu stellen. Ihre Empfindungen für Micha versucht Ella zu verdrängen, doch man spürt gleich beim ersten Aufeinandertreffen nach Ellas Flucht, wie sehr es zwischen den beiden knistert.

Micha war mir anfangs nicht sehr sympathisch. Er legt eine große Portion Egoismus an den Tag, akzeptiert Ellas neues Leben nicht und will ihr Einreden, wie sehr sie alles vermisst hat. Er fährt mit ihr zu ihrem geheimen Platz an einem See, nimmt sie mit auf Partys und zu Autorennen. Micha macht keinen Hehl daraus, wie gerne er mit Ella zusammen sein möchte, doch Ella lässt körperliche Nähe nur zögerlich zu, denn Hingabe bedeutet für sie Kontrollverlust. Nach und nach beginnt Ellas neue, sorgfältig aufgebaute Identität zu bröckeln und obwohl sie sich energisch wehrt, kommt die alte Ella langsam wieder zum Vorschein.

Jessica Sorensen hat auch ein gutes Händchen für Nebencharaktere. Jeder Einzelne bekommt ein eigenes Gesicht und einen interessanten Hintergrund. Jeder hat einen wichtigen Platz in der Geschichte, aber keiner drängt sich in den Fokus.
Einen besonderen Part hat Ellas Studienfreundin Lila inne. Sie kommt aus einer sehr wohlhabenden Familie und wollte Ella eigentlich nur nach Hause fahren. Mit ihrem Interesse an Ellas altem Leben beeinflusst sie Ella nicht unerheblich, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Mir hat „Das Geheimnis von Ella & Micha“ sehr gut gefallen – eine mitreißende, realitätsnahe Geschichte mit lebendigen Figuren und einer geballten Ladung Emotionen.

Bewertung vom 21.01.2014
Dreikönigsmord / Kommissarin Jo Weber Bd.1
Rauenthal, Bea

Dreikönigsmord / Kommissarin Jo Weber Bd.1


sehr gut

Hauptkommissarin Jo Weber und ihr Kollege Lutz Jäger werden zu einem Leichenfund ins Kloster Waldungen beordert. Dort angekommen, erweist sich die Leiche als mehrere hundert Jahre altes Skelett und ist damit wohl kein Fall für die beiden Ermittler. Doch weit gefehlt: Auf dem Rückweg in die Stadt erleiden Jo und Lutz einen schweren Autounfall und finden sich plötzlich im Jahr 1380 wieder, Jo als Kaufmannswitwe und Lutz als Kneipenwirt. Auf der Suche nach einem Weg zurück in die eigene Zeit begibt sich Jo ins Kloster Waldungen und trifft dort auf die Äbtissin Agneta. Agneta erklärt Jo, dass sie erst ins 21.Jahrhundert zurück kann, wenn sie den vor zwei Tagen geschehenen Mord an einem jungen Mann aufgeklärt hat…

Bea Rauenthal gelingt es hervorragend, den Leser schon mit den ersten Seiten ins Geschehen zu ziehen. Die Autorin lässt mit Jo und Lutz zwei gänzlich unterschiedliche Charaktere aufeinanderprallen. Jo ist diszipliniert, korrekt, ordentlich und Lutz locker, chaotisch, cool. Entsprechend ist die Stimmung zwischen den beiden anfangs fast explosiv, die Zusammenarbeit ist besonders Jo zuwider.

Sehr gut gelungen ist der Wechsel ins 14. Jahrhundert – die Atmosphäre ist plötzlich eine ganz andere. Geschickt gelöst fand ich, dass Jo und Lutz nach dem Zeitsprung jeweils in den Körper eines Urahns schlüpfen, so brauchen sie zumindest ihre Anwesenheit dem neuen Umfeld nicht erklären. Schwieriger sieht es mit ihrem Verhalten und der Sprache aus, hier kommt es zu einigen sehr humorvollen Verwicklungen.

Jo tut sich mit den Umständen und Gepflogenheiten im Mittelalter schwer und es ist äußerst hilfreich für sie, dass Bea Rauenthal ihr die liebenswürdige Magd Katrein zur Seite gestellt hat. Nicht nur die Ermittlungen im Mordfall machen Jo zu schaffen, auch die Brüder des verstorbenen Mannes ihres Mittelalter-Ichs wollen sie übervorteilen und sich die gut gehende Weberei unter den Nagel reißen. Es hat mir gut gefallen, dass Jo sich auch um die Belange und den Haushalt ihrer Urahnin kümmern muss.
Lutz kann sich ohne viel Mühe auf die neue Situation einstellen, fühlt sich in seiner Position als Kneipenwirt ganz wohl und findet sogar die Zeit, Fußballspiele zu organisieren.

Für die Ermittlungen müssen Jo und Lutz alle Zwistigkeiten aus der Gegenwart ablegen und Hand in Hand zusammenarbeiten. Die Autorin lässt es im Verlauf der Handlung sogar zu, dass es zwischen den beiden ganz leicht knistert, von einer wirklichen Romanze sind sie aber meilenweit entfernt.
Die Nachforschungen gestalten sich als schwierig, denn die zur Verfügung stehenden Mittel für eine Spurensuche sind dürftig. Dank der klugen Äbtissin Agneta, die Jo und Lutz mit pfiffigen Ideen unterstützt, gelingt es, nach und nach Licht in das Dunkel zu bringen. Trotzdem gehen die Ermittlungen sehr schleppend voran, und das wirkt sich auf die ganze Geschichte aus – der anfängliche Schwung in der Handlung lässt leider immer mehr nach. Dennoch ein gelungener Start in eine neue Serie - ich freue mich schon auf weitere Abenteuer mit Jo und Lutz.

Bewertung vom 15.01.2014
Theatertod
Schrage, Thomas

Theatertod


sehr gut

Köln. Regieassistent Michael will nach einem stressigen Arbeitstag im Kölner Schauspielhaus nur noch schlafen. Dass Schauspieler Peter ihm gerade an diesem Abend sein Leid klagen möchte, kommt Michael daher sehr ungelegen und er fertigt den Kollegen zügig und ohne näher auf seine Probleme einzugehen ab. Kurze Zeit später ist Peter tot – Selbstmord, wie es heißt. Entgegen der allgemeinen Ansicht zweifelt Michael jedoch an Peters Freitod und beginnt, eigene Nachforschungen anzustellen…

Da ich mich in der Welt des Theaters gar nicht auskenne, war ich sehr neugierig auf das alltägliche Geschehen in einem Stadttheater. Ich bin beeindruckt von dem täglichen Ablauf. Nie hätte ich vermutet, was alles nötig ist, um ein Stück auf die Bühne zu bringen. Schnell hat Thomas Schrage mir gezeigt, dass es hinter den Kulissen ganz anders zugeht, als ich mir ausgemalt hatte: kein fröhliches Miteinander - im Gegenteil, der Umgang unter den Mitarbeitern ist ruppig, es regiert ein harter Konkurrenzkampf. Seite um Seite wird deutlicher, dass Freundlichkeit und Menschlichkeit nicht viel zählt, allein die Professionalität ist wichtig. Hinzu kommt in diesem Krimi eine Theaterleitung, die mit Intrigen und Schikane für eine aggressive Stimmung sorgt.

Thomas Schrage schickt eine große Zahl Akteure ins Rennen:
Hauptprotagonist Michel ist die Unsicherheit in Person. Er schiebt Entscheidungen gerne vor sich her, sucht Ausreden, um unangenehme Dinge nicht erledigen zu müssen, ärgert sich aber gleichzeitig über sein eigenes Nichtstun. Thomas Schrage lässt Michael im Verlauf der Handlung eine tolle Entwicklung durchmachen, an deren Ende mehr Selbstvertrauen, Willensstärke und Entschlusskraft steht.
Besonders gut gelungen ist der Oberfiesling Theo Fleischer. Das miese Verhalten des Regisseurs ist kaum zu überbieten.
Sehr gut gefallen haben mir auch die Requisiteure Simon und Fränk, die mit ihrer lockeren Art für ein bisschen Normalität in dem ganzen Trubel sorgen.

Die Krimihandlung ist wenig spektakulär. Von der dürftigen Ermittlungsarbeit der Polizei enttäuscht, macht sich Michael daran, auf eigene Faust Licht in das Dunkel um Peters Tod zu bringen. Er wirkt dabei schnell überfordert, zum einem, weil der Theaterbetrieb seinen vollen Einsatz verlangt, zum anderen, weil seine Unentschlossenheit ihn immer wieder ausbremst. Michael führt zahlreiche Gespräche mit seinen Kollegen, die Spurensuche zieht sich in die Länge und manchmal möchte man als Leser in die Geschichte hinein klettern und Michael ein wenig anschieben. Trotz der langwierigen Ermittlungen hat es mir aber sehr gut gefallen, dass Michael im Rahmen seiner Möglichkeiten bleibt und durchweg als der Amateurdetektiv agiert, der er nun einmal ist.

Ein tolles Debüt - ein spannender Ausflug in eine rücksichtslose Theaterwelt.

Bewertung vom 14.01.2014
Der Fluch des Sündenbuchs
Maly, Beate

Der Fluch des Sündenbuchs


ausgezeichnet

1618. Die Apothekerin Jana Jeschek und der Arzt Conrad Pfeiffer besitzen eine Schatzkarte, die den Weg zu einem Goldschatz in der Neuen Welt weist. Die beiden machen sich auf in Richtung des sagenhaften El Dorado. Dabei gerät die gefahrenvolle Reise zu einem spannenden Wettrennen, denn nicht nur zwei Abenteurer aus England haben das gleiche Ziel, auch ein rätselhafter Mönch ist Jana und Conrad auf den Fersen…

Beate Maly wartet in ihrem historischen Roman „Der Fluch des Sündenbuchs“ mit einer geballten Ladung Abenteuer auf. Von Gran Canaria aus geht es in die Karibik nach Trinidad und Tobago, dann weiter ins Orinoko-Delta und nach Caracas. Ein häufiger Szenenwechsel und die ausführliche Schilderung der zahlreichen Schauplätze machen die Geschichte durchweg abwechslungsreich und kurzweilig. Die Autorin hat mir mit ihren farbenprächtigen Beschreibungen der unterschiedlichen Landschaften eine große Portion Fernweh beschert.

Humorvoll und mit reichlich Schwung erzählt Beate Maly von der Suche nach dem sagenumwobenen El Dorado. Schnell ist man mit den Figuren vertraut und erlebt gemeinsam mit ihnen eine Reise voller fesselnder Abenteuer:
Schon die Überfahrt ist spannungsgeladen, besonders wegen heftiger Reibereien zwischen Conrad und dem Schiffsarzt Rodriguez, im Zuge dessen Conrad aber seinen späteren Freund und Weggefährten Assante kennenlernt.
Nach einem Piratenüberfall werden Jana und Conrad getrennt und der Leser erhält im Folgenden Einblicke in die erstaunlich geordnete Welt der Bukanier.
Ein Highlight ist auch eine Flussfahrt auf dem Orinoko, die mit einem Aufenthalt bei den Warao endet. Hier erfährt man Interessantes über die Lebensweise und Kultur der Ureinwohner.

Alle Figuren werden bunt und detailliert beschrieben und es macht großen Spaß, die sehr unterschiedlichen Akteure auf ihren Wegen zu begleiten.
Jana ist sehr zielstrebig und handelt entsprechend. Sie kann durchaus mutig sein, was sie zum Beispiel zeigt, als vor Piratenkapitän Jack Morgan steht und ihm ganz keck auf seine Fragen antwortet.
Conrad besticht besonders durch seinen Sinn für gut und böse - auch wenn sein Handeln unangenehme Konsequenzen mit sich bringt, kuscht er nicht und vertritt vehement seine Ansichten.
Besonders fasziniert hat mich das Miteinander des Jesuiten und Bonifàcio. Immer wieder redet der Mönch sich ein, dass der Junge ihm lästig ist, dennoch lässt er ihn nicht zurück. Mit seiner liebenswerten, offenen Art beeinflusst Bonifàcio den gefühlskalten Mönch auf eine Weise, wie ich sie anfangs nicht vermutet hätte.

„Der Fluch des Sündenbuchs“ ist eine temporeiche, spannend erzählte Abenteuergeschichte vor einer fantastischen Kulisse.

Bewertung vom 09.01.2014
Wasserfest
Kreisler, Frank

Wasserfest


sehr gut

Leipzig. Kommissar Heiner Trotzenburg hat es mit einem eigenartigen Fall zu tun: Ein Toter treibt wie ein Segelboot zurechtgemacht in der Weißen Elster. Todesursache eine extrem hohe Dosis Algengift. Kurze Zeit später wird eine zweite Leiche gefunden. Mit Spielzeugautos dekoriert liegt sie auf Trotzenburgs Tiefgaragenparkplatz. Doch nicht nur die Leichenfunde geben der Polizei Rätsel auf, auch an unterschiedlichen Orten entdecktes Ostseewasser macht das Ermittlerteam stutzig – nur Trotzenburg ahnt, dass dieser Fall ihn ganz persönlich betrifft…

Frank Kreisler hat einen ungewöhnlichen Schreibstil, der es mir anfangs nicht leicht gemacht hat, mich in dieser Geschichte wohlzufühlen. Und auch nachdem ich das Buch ausgelesen habe, bin ich mir nicht wirklich sicher, wie mir dieser Krimi gefallen hat. Mal fand ich die Handlung richtig klasse, dann wieder war ich fast genervt, weil viele Dinge bis ins Kleinste erklärt werden. Eine Fülle von Informationen prasselt auf den Leser ein. Jeder Gedanke Trotzenburgs wird aufgegriffen und mit Kommentaren, Mutmaßungen und Vergleichen gespickt. Immer wieder hatte ich das Gefühl, dass der Autor damit weit vom eigentlichen Geschehen abschweift. Der Handlungsverlauf wirkt dadurch irgendwie sprunghaft und ich hatte über weite Strecken den Eindruck, die Ermittlungen kommen nicht in Schwung. Interessanterweise habe ich trotz der ganzen Umschweife nie den roten Faden der Geschichte verloren.

Es war nicht die Krimihandlung, die mich in diesem Buch gefesselt hat, sondern die Hintergründe, die überhaupt erst zu den Taten geführt haben. Ein grausames, in der Vergangenheit geschehenes Ereignis wirkt bis in die Gegenwart nach, kann auch nach vielen Jahren nicht verarbeitet werden und lässt einen Menschen schließlich zum Mörder werden. Trotzenburg spielt bei den damaligen Geschehnissen eine zentrale Rolle. Doch wofür er genau zur Verantwortung gezogen werden soll, versteht Trotzenburg erst, als es fast zu spät ist. Leider bleiben nach Aufklärung des Falls einige Fragen offen, deren Beantwortung ich mir zur Abrundung der Geschichte gewünscht hätte.

Begeistert haben mich die ausführlichen Beschreibungen der Schauplätze. Ich konnte mir die Handlungsorte in Leipzig und Umgebung und auch in Warnemünde sehr gut vorstellen. Und auch die Informationen rund um das Leipziger Wasserfest haben mir gut gefallen.

Insgesamt ein wenig spektakulärer Krimi, der hauptsächlich mit seinen spannenden Hintergründen punkten kann.

Bewertung vom 08.01.2014
Auf Sendung
Baum, Beate

Auf Sendung


sehr gut

Erfurt 1991. Kirsten Bertram und ihr Exfreund Andreas Rönn sind Kollegen beim Erfurter Tageskurier. Andreas hat schon seit einigen Wochen den Privatsender PLT im Visier und recherchiert das Verschwinden zweier junger Frauen. Die Siegerinnen einer recht freizügigen Fernsehshow sind von ihrem gewonnenen Marokko-Urlaub nicht zurückgekehrt. Als Andreas zu einem vereinbarten Termin mit dem Verantwortlichen der Sendung erscheint, liegt dieser ermordet neben seinem Schreibtisch. Andreas gerät unter Tatverdacht und Kirsten macht sich eifrig daran, Andreas aus diesem Schlamassel herauszuhelfen. Hierzu baut sie auf die Hilfe ihres neuen Freundes, des Privatdetektivs Dale Ingram…

In „Auf Sendung“ nimmt Beate Baum den Leser mit auf eine Reise ins Erfurt des Jahres 1991 – und damit in spannende und turbulente Zeit, die von Umschwung und Neuerungen geprägt war. Es gelingt der Autorin ausgezeichnet, die Stimmung kurz nach dem Fall der Mauer zu vermitteln. Auch die ausführlichen Beschreibungen des damaligen Erfurts haben mich durchweg begeistert.
Zwischen sanierungsbedürftigen Plattenbauten und einer kleinen, sich im Aufbau befindlichen Zeitungsredaktion bemüht sich das Ermittlertrio Licht in das Dunkel um die Ermordung von Manfred Haffmann zu bringen. Die eigentliche Spurensuche wird dabei leider sehr oft von der launenhaften Dreiecksbeziehung der Hauptfiguren in den Hintergrund gedrängt. Da es sich bei „Auf Sendung“ aber um die Vorgeschichte zu mehreren bereits erschienenen Dresden-Krimis mit Kirsten, Andreas und Dale als Ermittler handelt, ist der Fokus auf das Kennenlernen und das Miteinander der drei nachvollziehbar.
Die Krimihandlung endet sehr undurchsichtig und auch die verschwundenen Mädchen werden nur noch beiläufig erwähnt. Hier hätte ich mir einen deutlicheren Schlussstrich gewünscht.

Unbedingt erwähnenswert ist das Cover. Es ist den Covergestaltern des Sutton Verlags wieder einmal gelungen, mit ganz einfachen Mitteln ein ausdrucksstarkes und zum Inhalt passendes Cover zu entwerfen. Die abgebildete Schwingungskurve symbolisiert nicht nur das Auf und Ab der Handlung, sondern stellt mit den Umrissen der Turmspitzen von Dom und Severikirche auch einen Bezug zu Erfurt dar.