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Benutzername: 
dorli
Wohnort: 
Berlin
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 878 Bewertungen
Bewertung vom 06.11.2013
Burnout - für immer auskuriert
Spogis, Alice

Burnout - für immer auskuriert


ausgezeichnet

Ella Brandt fühlt sich kraftlos und ausgebrannt. Die freie Journalistin hatte drei Jobs gleichzeitig, um über die Runden zu kommen. Eine missglückte OP macht ihr immer noch zu schaffen. Ihr langjähriger Freund hat sie betrogen. Am Rande der totalen Erschöpfung schmeißt Ella alles hin und erhofft sich Hilfe in der Rehabilitationsklinik Dunenburg auf Juist. Doch bereits auf dem Weg vom Fähranleger zur Klinik erhält sie eine Warnung. In der Klinik gehe es nicht mit rechten Dingen zu und sie solle auf sich aufpassen. Schnell merkt Ella, dass an der Warnung etwas dran sein muss: ihr Zimmer wird durchwühlt, sie wird nachts verfolgt, ihr Handy verschwindet spurlos. Als ihre Zimmernachbarin tot aufgefunden wird und kurze Zeit später eine weitere, als geübte Schwimmerin bekannte Patientin ertrinkt, steht für Ella fest, dass sie den Dingen auf den Grund muss…

In „Burnout - für immer auskuriert“ schildert Alice Spogis sehr ausführlich und detailreich Ellas Aufenthalt in der Klinik Dunenburg. Durch die umfassenden Beschreibungen war ich sehr schnell mittendrin im Geschehen und konnte mir ein gutes Bild von den Schauplätzen und Vorkommnissen in dieser rätselhaften Klinik machen. Über der Dunenburg liegt von Anfang an eine sonderbare Atmosphäre.

Alice Spogis lässt ihre Protagonistin durch einen wahren Strudel aus verwirrenden Emotionen und undurchsichtigen Ereignissen rauschen und es gelingt der Autorin hervorragend, dem Leser Ellas Gefühlschaos zu vermitteln. Man nimmt dabei durchweg sehr intensiv an Ellas Gedanken und an den Geschehnissen um sie herum teil. Auch wenn ich persönlich keinerlei Erfahrung mit Burnout und Depressionen habe, konnte ich ihre Ängste und Sorgen verstehen und gut nachvollziehen, wie nahe Ella sich am Abgrund bewegt. Besonders gut konnte ich ihre Panik spüren, als sie zu der Erkenntnis gelangt, dass es sich bei den Todesfällen nicht wie offiziell verkündet um einen Selbstmord bzw. Unfall handelt, sondern dass in beiden Fällen nachgeholfen wurde und sie selbst möglicherweise das nächste Opfer sein könnte.

Auch wenn Ellas Probleme während der gesamten Handlung im Fokus stehen, geht Alice Spogis auch sehr ausführlich auf die Nebencharaktere ein und beschreibt auch deren persönliche Hintergründe und Schwierigkeiten und liefert damit Erklärungen für das manchmal sehr kuriose Verhalten und Handeln der Akteure. So bekommt man einen umfassenden Eindruck von den gesamten Abläufen in dieser eigenartigen Klinik.

Die Spannung steigert sich kontinuierlich. Jedes weitere Puzzleteilchen, das Ella gemeinsam mit Lysander aufdeckt, macht die Handlung fesselnder. Mit einer sehr gewagten Aktion steuert die Geschichte schließlich auf ein dramatisches Finale zu. Ich konnte dabei bis zum Schluss über Täter und Tathergang grübeln und wurde am Ende von dem wirklichen Täter genauso überrascht wie Ella.

Begeistert war ich von den schönen Formulierungen und kreativen Umschreibungen, die sich durch das ganze Buch ziehen. Die wortgewandte Ausdrucksweise hat mich immer wieder schmunzeln lassen und ist das i-Tüpfelchen auf diesem spannenden Thriller.

Ein rundum gelungenes Debüt. Ich freue mich jetzt schon auf weitere spannende Geschichten aus der Feder von Alice Spogis.

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.11.2013
Namibische Nächte
Van Hoop, Michelle

Namibische Nächte


gut

Die selbstständige Grafikdesignerin Vanessa beschließt, ihren Urlaub in Namibia zu verbringen – dem Heimatland ihrer großen Liebe Kian. Vanessa und Kian sind vor einigen Jahren im Streit auseinander gegangen und hatten seit dem keinen Kontakt mehr. In Namibia gibt es ein unerwartetes Aufeinandertreffen der beiden, denn Vanessa hat ihren Urlaub zufällig auf Kians Gästefarm gebucht. Hier begegnet Vanessa auch Isolde und ihren Kindern - Kian hat allem Anschein nach mittlerweile eine Familie…

Michelle van Hoop gelingt es hervorragend, dem Leser ihr Heimatland näher zu bringen. Man merkt auf jeder Seite, wie sehr die Autorin ihre Heimat liebt, denn sie erzählt ganz fantastisch sowohl von der Flora und Fauna wie auch von der Kultur und Geschichte Namibias. Äußerst detailreich schildert Michelle van Hoop das Leben zwischen der Hauptstadt Windhoek, der Gästefarm und dem Busch. Ich hatte beim Lesen tolle Bilder vor Augen – da flammte ganz schnell Fernweh auf.

Die Liebesgeschichte zwischen Vanessa und Kian hat mich dagegen kaum berührt. Das mag daran liegen, dass ich mich mit dem Verhalten der beiden Hauptpersonen sehr schwer getan habe. Vanessa ist oft aufbrausend und benimmt sich recht zickig, während Kian mir sehr überheblich und unnahbar vorkam. Das größte Problem zwischen den beiden war allerdings, das sie nicht in der Lage waren, über ihre Gefühle zu reden. Große Missverständnisse sind die Folge, jeder reimt sich eine eigene Sicht auf die Dinge zusammen, beide leiden und tun einander unbewusst weh. Diese Irrtümer und falschen Auslegungen ziehen sich dann fast bis zum Schluss hin.

„Namibische Nächte“ lässt mich sehr zwiespältig zurück. Während mich die Beschreibung von Land und Leuten begeistert hat, konnte ich bei der Liebesgeschichte nicht mitfühlen.

Bewertung vom 05.11.2013
Der Tote am Zülpicher See
Tillmanns, Andrea

Der Tote am Zülpicher See


sehr gut

Zülpich. Die Musiklehrerin Luisa Weinstrauß hütet den Hund ihrer Nachbarin Marianne. Als Hund Rolf eines Morgens partout nicht auf ihre Rufe hören will, folgt Luisa dem Hund ans Ufer des Wassersportsees, wo Rolf eine grausige Entdeckung gemacht hat: Im Unterholz liegt ein Toter – ermordet, wie bald darauf feststeht. Als der Sohn ihrer Nachbarin Else als Hauptverdächtiger verhaftet wird, begibt Luisa sich auf Spurensuche…

„Der Tote am Zülpicher See“ von Andrea Tillmanns ist ein Regionalkrimi, bei dem die polizeilichen Ermittler größtenteils im Hintergrund bleiben. Die Autorin hat für die Detektivarbeit in diesem Mordfall die Musiklehrerin Luisa in den Fokus gerückt.

Man kann von der ersten Seite an sehr gut mit der sympathischen Endvierzigerin mitfühlen. Luisa möchte die ganze Angelegenheit eigentlich schnellstens vergessen und die schrecklichen Bilder aus dem Kopf bekommen. Andererseits ist sie neugierig und möchte wissen, was hinter dem Mordfall steckt und macht sich ständig Gedanken über das Vorgefallene. Außerdem will sie gerne helfen und die Unschuld des Nachbarssohns beweisen.

Andrea Tillmanns ist es hervorragend gelungen, dem Leser Luisas Angst zu vermitteln, als diese einen Drohbrief erhält. Ich konnte sehr gut nachvollziehen, wie sehr Luisa die Drohung belastet und hätte in der Situation wahrscheinlich ähnlich reagiert wie sie.

Es hat mir sehr gut gefallen, dass Luisa sie selbst bleibt. Alle Nachforschungen, die sie anstellt, bleiben im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Sie befragt geschickt ihre Schüler und deren Eltern und beobachtet sehr aufmerksam ihr Umfeld. Dabei konnte ich durchweg miträtseln und mitgrübeln, war aber mit meinen Vermutungen am Ende auf dem Holzweg und wurde von der Identität des Mörders und von dem Motiv überrascht.

Ein gelungener Eifel-Krimi, der mir spannende Unterhaltung geboten hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.11.2013
Der grüne Blitz
Verne, Jules

Der grüne Blitz


ausgezeichnet

Die 18-jährige Miss Helena Campbell ist bei ihren Onkel Samuel und Sebastian Melvill aufgewachsen. Als Helena einen Artikel über das Naturphänomen „grüner Blitz“ liest, möchte sie dieses selbst sehen, denn eine alte Legende behauptet: „Der Blitz bewirkt, dass derjenige, der ihn gesehen hat, sich in Gefühlsdingen nicht mehr irren kann.“ Da Sam und Sib ihrer Nichte jeden Wunsch erfüllen, ist eine Entdeckungsreise schnell beschlossen. Als Ziel wird das Küstenstädtchen Oban auserkoren – nicht ohne Hintergedanken, denn in Oban befindet sich auch gerade der junge Wissenschaftler Aristobulus Ursiclos, den die Herren Melvill als Heiratskandidaten für Miss Helena ins Auge gefasst haben…

Jules Verne verstand es hervorragend, informativ und humorvoll zugleich zu schreiben. Das hat er auch in seinem einzigen Liebesroman „Der grüne Blitz“ bewiesen.
Vernes sehr ausführliche Reisebeschreibungen werden zu keiner Zeit langweilig, weil der außerordentlich wortgewandte Autor seine Berichte stets wie mit einem Augenzwinkern geschrieben und die Erlebnisse sehr schelmisch erzählt hat. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Verne die detailreich geschilderte Route durch einen Teil der Inneren Hebriden auch selbst bereist hat - man spürt mit jeder Zeile seine Begeisterung für das Gesehene und Erlebte.
Auch wenn es sich hier um einen Liebesroman handelt, darf in einem Werk von Jules Verne natürlich eine gute Portion Abenteuer nicht fehlen. Und auch seine umfangreichen naturwissenschaftlichen Kenntnisse hat der Autor geschickt in die Geschichte einfließen lassen.
Nicht nur seine Reise- und Landschaftsbeschreibungen sind faszinierend, Verne glänzt zudem mit seinen humorvollen Personenbeschreibungen. Er wartet dabei zwar mit allerhand Klischees auf, die aber keineswegs langweilig oder fad wirken, sondern witzig und sehr unterhaltend daherkommen. Einfach großartig.
Vortrefflich ist auch die Ausstattung des Buches. Das Hardcover kommt mit Lesebändchen und stabilem Schuber daher. Außerdem wurde die Geschichte durchweg mit sehr gelungenen Illustrationen gespickt, die die Handlung äußerst treffend wiedergeben.

Ein sehr lesenswerter Liebesroman, der mit kurzweiligen Reisebeschreibungen für beste Unterhaltung sorgt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.10.2013
Und dann kam Ute
Schröder, Atze

Und dann kam Ute


gut

Nachdem Atzes langjährige Nachbarin Helga Wachowiak vor einen halben Jahr ausgezogen ist, wurde deren Wohnung jetzt neu vermietet: Ute zieht ein. Ute ist Vegetarierin, arbeitet in einer Waldorfschule und ist schwanger – ihre Lebenseinstellung ist das genaue Gegenteil von Atzes Ansichten. Dennoch fühlt sich der Dauer-Single von der neuen Nachbarin angezogen. Ob eine Beziehung trotz der ganzen Unterschiede gut gehen kann?

Atze Schröder hat einen Roman geschrieben – ein Buch, auf das ich sehr neugierig war. Leider muss ich sagen, dass ich nach dem Lesen ein wenig enttäuscht bin. Der Klappentext hat mich eine fortlaufende Geschichte erwarten lassen, in der es durchweg um das Kennenlernen und das Miteinander von Atze und Ute geht.
Anders als erhofft, ist dieser Roman aber eher eine Aneinanderreihung von einzelnen Episoden, in denen Atze erzählt, was ihm bei seinen vielfältigen Unternehmungen so alles widerfährt. Die Szenen mit Ute sind oft nur eine Überleitung zu einem weiteren Atze-Abenteuer.
Die unterschiedlichen Erlebnisse für sich genommen haben mich trotzdem amüsiert, hier gibt es puren Atze-Humor. Auch wenn sich der Witz seines überbordenden Machogehabes im Verlauf der Geschichte etwas verliert, wurde ich von den meisten Storys doch gut unterhalten. Hier und da gibt es sogar einige nachdenkliche Sätze, die Atze seine Einstellung zum Leben überdenken lassen.

„Und dann kam Ute“ ist nicht ganz das, was ich erwartet habe, aber eingefleischte Atze-Fans werden dieses Buch lieben.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.10.2013
Letzte Ausfahrt Neckartal
Scheurer, Thilo

Letzte Ausfahrt Neckartal


ausgezeichnet

Rottweil. Die Kommissare Wolfgang Treidler und Carina Melchior werden zur Autobahnraststätte Neckartal gerufen. In einem abgestellten Fahrzeug wurde ein Toter gefunden. Noch bevor ihre Ermittlungen richtig in Gang kommen, klingt sich Rüdiger Paschl vom BKA in den Fall ein und übernimmt die Leitung. Paschl ist davon überzeugt, dass der Mord einen terroristischen Hintergrund hat. Als Melchior bei den persönlichen Dingen des Opfers einen USB-Stick mit mysteriösen Dateien findet, weisen die Spuren jedoch in eine andere Richtung. Melchior und Treidler beginnen, auf eigene Faust zu ermitteln…

„Letzte Ausfahrt Neckartal“ ist bereits der zweite Fall für die Rottweiler Kommissare Treidler und Melchior. Für mich war dieser Krimi aber das erste Buch, das ich von Thilo Scheurer gelesen habe. Auch ohne Kenntnis des ersten Bandes habe ich die beiden Kommissare gut kennengelernt und hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass mir Informationen fehlen würden.
Thilo Scheurer wartet in diesem Krimi mit einer tollen Mischung aus Spannung, Action, humorvollen Dialogen und dem interessanten und aktuellen Thema Datenüberwachung auf.
Die Handlung hat mich von Anfang an gefesselt. Durch die detaillierten Schilderungen der Ereignisse und ausführlichen Beschreibungen der Schauplätze ist man stets mittendrin im Geschehen und begleitet die Ermittler von Rottweil über Berlin nach Kattowitz und wieder zurück nach Rottweil, wo dann eine rasante Verfolgungsjagd nicht nur die Akteure in Atem hält.
Die von Treidler und Melchior gesammelten Informationen und Erkenntnisse bringen im Verlauf der Geschichte einige Wendungen und Überraschungen mit sich und haben mich bis zum Schluss über Täter und Hintergründe grübeln lassen.

„Letzte Ausfahrt Neckartal“ ein spannender Krimi mit zwei sehr sympathischen Ermittlern. Ich freue mich, dass es weitere Fälle mit Wolfgang Treidler und Carina Melchior geben wird.

Bewertung vom 24.10.2013
Schwarzlicht
Eckert, Horst

Schwarzlicht


ausgezeichnet

Düsseldorf. Wenige Tage vor der Landtagswahl wird Ministerpräsident Walter Castorp ertrunken im Swimmingpool eines befreundeten Bauunternehmers aufgefunden. Mord – wie kurze Zeit später die ersten Spuren bestätigen. Vincent Veih übernimmt die Ermittlungen. Der zum vorläufigen Leiter des K11 ernannte Hauptkommissar hat es mit der Aufklärung dieses Falls nicht leicht. Nicht nur, dass die Hinweise in ganz unterschiedliche Richtungen führen, seine Kollegen neiden ihm den neuen Posten und auch privat läuft es für Vincent nicht zum Besten. Außerdem wird wegen der bevorstehenden Wahl von Seiten der Politik Druck gemacht und ein schnelles Ermittlungsergebnis gefordert…

Horst Eckert hat mir in „Schwarzlicht“ alles geboten, was zu einem fesselnden Krimi dazugehört. Eine flüssig und spannend erzählte Geschichte, deren Spannungskurve durchgehend auf einem hohen Niveau bleibt, die logisch aufgebaut ist und die mir durch zahlreiche offene Fragen und unerwartete Wendungen viel Platz zum Miträtseln und Mitgrübeln gegeben hat.

Besonders gut gefallen hat mir die sehr vielschichtige Handlung. Man verbringt den ganzen Tag mit Vincent und ist so nicht nur bei den Ermittlungen dabei, sondern erlebt auch alles andere, was ihn beschäftigt, sehr intensiv mit. Sei es nun der Ärger mit seiner langjährigen Freundin Nina, die Beziehung zu seiner Mutter, deren Vergangenheit als Terroristin Vincent nach wie vor Probleme macht oder auch der Hickhack um die Nachfolge seiner Noch-Chefin Ela Bach im Präsidium.

Die Ermittlungen selbst gestalten sich als schwierig, die Hinweise gehen in ganz unterschiedliche Richtungen - eine Abhöraffäre, Schwarzgeld, Korruption aber auch Drogen und das Rotlichtmilieu scheinen in diesem Fall eine Rolle zu spielen. Es brodelt mächtig im Hintergrund, denn die bevorstehende Wahl macht alle nervös. Durch die Prominenz des Opfers ist das Interesse der Öffentlichkeit hoch und Vincent wird von allen Seiten unter Druck gesetzt. Sogar das Kanzleramt schaltet sich ein.

Horst Eckert hat mit Vincent Veih einen sehr starken Charakter erschaffen. Vincents schwere Kindheit beeinflusst ihn nachhaltig. Von der Mutter, die sich der RAF anschloss, zurückgelassen und bei den Großeltern aufgewachsen, hat Vincent bis heute mit der Nazi-Vergangenheit seines Großvaters zu kämpfen. Seinen Vater kennt er nicht. Dieser Hintergrund hat aus Vincent einen Mann gemacht, der, wenn es sein muss, auch gegen den Strom schwimmt. Er lässt sich nicht vorschreiben, wie er einen Fall zu lösen hat, und greift auch gern mal zu Mitteln, die nicht immer den Vorschriften oder Anweisungen entsprechen. Gerechtigkeit hat für ihn oberste Priorität, auch wenn er anderen damit auf die Füße tritt.

Die Auflösung des Mordfalls Castorp ist einleuchtend und schlüssig, wobei ich von der Identität des Mörders überrascht wurde. Welche Richtung Vincents Privatleben nehmen wird, bleibt am Ende des Buches offen. Macht aber nichts, denn es wird weitere Fälle für Hauptkommissar Vincent Veih geben. Ich freue mich drauf.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.10.2013
Wut im Quadrat
Emmerich, Alexander

Wut im Quadrat


sehr gut

Kriminalhauptkommissarin Olivia von Sassen ist mit dem ICE unterwegs von Berlin nach Mannheim, um hier ihren Dienst bei der Mordkommission anzutreten. Kurz vor ihrem Ziel glaubt sie auf dem Mannheimer Rangierbahnhof in einem abgestellten S-Bahnwaggon einen Mord zu beobachten.
Olivia zögert nicht und zieht die Notbremse. Sie eilt zu dem abgestellten Waggon und benachrichtigt noch im Laufen die Polizei. Doch als ihre künftigen Kollegen eintreffen, sind weder ein Opfer noch ein Täter auffindbar…

Alexander Emmerich beginnt seinen Krimi „Wut im Quadrat“ mit einem interessanten Prolog. Er erklärt ausführlich die Bedeutung von „Wut“ und lässt dann zwei sehr wütende Menschen aneinanderrasseln. Einer er Kontrahenten behält die Oberhand – mehr erfährt der Leser an dieser Stelle nicht.
Im Folgenden erlebt man gemeinsam mit Olivia von Sassen die ersten drei Tage auf ihrer neuen Dienststelle in Mannheim. Es bleibt Olivia wenig Eingewöhnungszeit, sofort fordern Mord und eine Entführung ihre ganze Aufmerksamkeit.

Der Autor schickt ein sehr sympathisches Ermittlerteam ins Rennen. Olivia ist ein Technikfreak. Sie wurde nach mehreren Jahren bei der Berliner Kripo nach Mannheim versetzt. Den Grund dafür verschweigt sie. Im Gegensatz zu Olivia hat ihr Kollege Moritz Martin mit technischen Geräten wenig am Hut, zudem hält sich seine Ordnungsliebe in Grenzen. Auch Moritz gibt sich geheimnisvoll, wenn es um seine zahlreichen Informanten in der Stadt geht. Die beiden Ermittler sind schnell auf einer Wellenlänge und werden ruckzuck zu einem eingespielten Team. Tatkräftige Unterstützung bei der Spurensuche erhalten sie von dem überaus korrekt arbeitenden Leiter der Gerichtsmedizin Dr. med. Fatih Üstbas, der von Moritz ab und an überredet wird, entgegen der Vorschriften zu handeln. Über allem wacht (am liebsten nur von seinem Schreibtisch aus) der Leiter der Mordkommission Dr. Manfred Klose.

Es hat mir großen Spaß gemacht, mit Olivia und Moritz auf Verbrecherjagd zu gehen. Die beiden machen sich beherzt ans Werk und ermitteln auf eigene Faust weiter, als Dr. Klose Olivas Beobachtungen im S-Bahnwaggon als Fehlalarm abtut.
Die ganze Handlung ist von der ersten bis zur letzten Seite gut durchdacht, auf spannende Ermittlungen folgt eine schlüssige Auflösung, alle Geschehnisse werden nachvollziehbar erklärt.
In die laufende Handlung streut Alexander Emmerich ganz geschickt immer wieder Wissenswertes über Mannheim ein und gibt hier und da interessante Einblicke in die Kultur der Quadratestadt.

Ein gelungenes Debüt, ich freue mich schon auf weitere spannende Fälle mit Olivia und Moritz.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.10.2013
Der Sternengarten
Burseg, Katrin

Der Sternengarten


ausgezeichnet

Schleswig 1640. Nachdem ihr Vater und ihr Bruder Christian von einem Ochsentrieb nicht zurückgekehrt sind, lässt die 12-jährige Sophie ihre kleine Schwester Melissa bei der Kräuterfrau Johanna Michels zurück und macht sich in der Kleidung ihres Bruders auf den Weg nach Gottorf, um als Gartenjunge zu arbeiten.
Hier begegnet Sophie dem jungen Perser Farid. Die beiden fühlen sich zueinander hingezogen, doch eine gemeinsame Zukunft wird nach einer Gräueltat des Ritters Rantzau für beide unmöglich. Während Farid Gottorf verlässt, findet Sophie im Haushalt der Familie Olearius Unterstützung und kann sowohl an der Herstellung des Gottorfer Codex wie auch an der Planung des Gottorfer Riesenglobusses mitarbeiten…

In „Der Sternengarten“ entführt Katrin Burseg den Leser in die Zeit der Regentschaft des Herzogs Friedrich III. nach Gottorf.
Nach einem kurzen Prolog beginnt die eigentliche Geschichte mit der öffentlichen Hinrichtung des für die fehlgeschlagene Orientexpedition verantwortlich gemachten Otto Brüggemann. Herzog Friedrich hat nach dem Debakel der Persienreise seine Handelspläne aufgegeben und wendet sich nun anderen Ideen und Träumen zu. Friedrich lässt nördlich des Gottorfer Schlosses den Neuwerk-Garten angelegen und plant hier den Bau eines Globushauses mit einem begehbaren Riesenglobus.

Es ist Katrin Burseg hervorragend gelungen, Sophies Geschichte in diese historischen Begebenheiten einzubetten. Fiktive und historische Figuren werden einleuchtend miteinander kombiniert, das Zusammenspiel ist gut durchdacht und ausgeklügelt. Man kann Sophies Lebensweg und ihren Werdegang in Gottorf von der Gartenarbeit über die Blütenmalerei für den Gottorfer Codex bis hin zu ihrer Mithilfe an den Plänen für den Globus sehr gut verfolgen und lernt dabei auch historische Persönlichkeiten wie den Hofmathematiker Adam Olearius oder den Kunstschmied Andreas Bösch gut kennen.

Die lebendige, flüssige Schreibstil und besonders das anschauliche Erzählen haben mich begeistert. So lässt die Autorin den Perser Farid ganz farbenprächtig seine Heimatstadt Istefan beschreiben oder Olearius sehr detailliert von der Planung und dem Bau des Globusses berichten und dessen genaue Funktion erklären, so dass man sich ein sehr gutes Bild von diesem technischen Wunderwerk der damaligen Zeit machen kann.

Katrin Burseg lässt auch die politischen Verwicklungen und die Schwierigkeiten in der von Kriegen strapazierten Region nicht aus. Seine kostspieligen Vorhaben will der Herzog mittels Steuererhöhungen finanzieren. Eine Maßnahme, die der Ritterschaft ein Dorn im Auge ist, da Friedrich die erforderliche Zustimmung der Ritter bei Steuerbewilligungen außer Acht lassen will. Es kommt zu Unruhen.

Die Autorin hat den Ritter Christian Rantzau als Bösewicht für ihren Roman auserkoren, hat aber im Nachwort erklärt, ihm mit dieser Rolle Unrecht zu tun. Nichtsdestotrotz spielt Rantzau den ihm zugedachten Part mehr als gut – er ist brutal und grausam und sieht sich selbst mit seinem Tun völlig im Recht, er ist der Meinung, Gott wäre auf seiner Seite. Besonders Sophie muss durch Rantzau sehr viel Leid erfahren.

Der Roman spielt in der Zeit von 1640 bis 1658. Eine recht große Zeitspanne. Ich hatte manchmal das Gefühl, als würde ich von einem großen Ereignis zum nächsten hüpfen und die Geschehnisse dazwischen würden viel zu schnell an mir vorbeiziehen. Hier und da hätte ich gerne noch mehr über Sophies Alltag gelesen. Aber das hätte dann wohl den Rahmen dieses ohnehin schon über 600 Seiten starken Romans gesprengt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.10.2013
Der Wolkenkratzerthron
Pollock, Tom

Der Wolkenkratzerthron


ausgezeichnet

Die 16-jährige Graffitikünstlerin Beth Bradley ist wegen frecher Graffitis von der Schule geflogen. Ihre beste Freundin Pen hat sie verraten. Zuhause wird Beth von ihrem Vater kaum wahrgenommen, seit ihre Mutter gestorben ist. So zieht sie enttäuscht und wütend zugleich durch Londons dunkle Straßen bis zu ihrem Tunnel - eine Zuflucht, in der sie seit Jahren ihre Fantasiewelt an die Wände sprayt. An diesem Abend fühlt Beth sich einsam und verlassen. Plötzlich geschieht etwas Merkwürdiges: Ein geisterhaftes Zugwesen rattert in den Tunnel. Beth steigt ein und landet in einem mysteriösen London. Seltsame Geschöpfe tummeln sich hier und Beth begegnet Filius Viae, Kronprinz der Straßen Londons. Filius erzählt Beth von einer schrecklichen Gefahr. Der Kran-König Reach bedroht die Stadt. Und so macht Beth sich mit Filius in dieser wundersamen Welt auf die Suche nach Verbündeten für den Kampf gegen Reach…

Was Tom Pollock ohne Zweifel besitzt, ist eine Mega-Portion Fantasie. Er hat in diesem Buch Kreaturen geschaffen, wie sie mir in noch keiner anderen Geschichte über den Weg gelaufen sind. Dabei orientiert er sich hauptsächlich an den Dingen, die eine Großstadt wie London zu bieten hat. So beherbergen zum Beispiel Straßenlaternen das Lampenvolk. In Statuen stecken Menschen, die aufgrund von Verbrechen in vergangenen Leben zur Strafe in die Steinhaut hineingeboren wurden. Gossenglas, Filius Aufpasser, ist ein Müllmonster und erschafft sich täglich mit Hilfe von Kakerlaken und Ameisen neu. Die spießigen Reflexokraten leben als Spiegelbilder im London-hinter-Glas. Gerüste und Kräne werden zu reißenden Bestien.

Neben diesen skurrilen Geschöpfen schickt der Autor auch sehr interessante Hauptfiguren ins Rennen.
Da ist zuallererst Beth. Die Sprayerin ist aufmüpfig, wild, leichtfertig und fahrlässig, gleichzeitig aber auch sehr einsam. Sie sehnt sich nach einem richtigen Zuhause und hofft, dieses bei Filius zu finden.
Filius Viae ist ein Kind der Straßen Londons, mit einer Haut grau wie Beton und Blut dunkel wie Öl. Filius ist in seiner Welt gefangen. Von Gossenglas aufgezogen, wartet er auf die Rückkehr seiner Mutter, der Göttin Mater Viae. Beths aufbrausende Art ermuntert ihn, sich dem bedrohlichen Krankönig Reach entgegenzustellen.
Pen ist Beths beste Freundin. Die Muslime ist einerseits geprägt von ihrer Tradition und Kultur, wird andererseits in ihrem Denken aber von Schule, Freizeit und natürlich besonders von Beth beeinflusst. Pen muss im Verlauf der Geschichte Bekanntschaft mit einer von Pollocks fiesesten Kreaturen machen.
Beths Vater Paul ist von der Trauer um seine verstorbene Frau wie gelähmt und merkt gar nicht, wie sehr seine Tochter ihn braucht. Beths plötzliches Verschwinden rüttelt ihn endlich wach und er macht sich auf eine verzweifelte Suche nach seiner Tochter.
Als besonders liebenswerte Nebenfigur muss noch Viktor genannt werden. Der ständig betrunkene Russe sorgt mit seinem herrlich trockenen Humor für beste Unterhaltung.

Vieles davon hört sich ein bisschen verrückt an, aber das Zusammenspiel all dieser Gestalten ist auf eine spannende und interessante Art verrückt und hat mich durchweg begeistert. Nicht nur Pollocks Einfallsreichtum ist einfach grandios, er wartet auch mit einer gut ausbalancierten Mischung aus dunklen Momenten, humorigen Szenen, gnadenlosen Kämpfen und einigen Überraschungen auf. Außerdem hebt er immer wieder hervor, wie wichtig Freundschaft ist und dass es sich lohnt, zusammenzuhalten und für seine Lieben zu kämpfen.

Der Autor verzichtet darauf, für die eigenartigen Geschehnisse Hintergründe zu nennen. Er lässt seine Figuren einfach Handeln und überlässt es dem Leser, eigene Schlüsse aus den Vorkommnissen zu ziehen und Zusammenhänge selbst herzustellen.

Pollocks frische Ideen machen dieses Buch zu einer atemberaubenden Entdeckungsreise in eine fremde und doch irgendwie bekannte Welt. Es kommt einfach darauf an, wie man die Dinge betrachtet :-)