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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2029 Bewertungen
Bewertung vom 14.02.2022
Butter
Yuzuki, Asako

Butter


ausgezeichnet

Japan heute

Butter ist ein japanischer Roman, der bei Aufbau-Verlag bzw. Blumenbar in der Übersetzung von Ursula Gräfe erschien.

Die Handlung ist raffiniert gestaltet.
Eine Journalistin,die eine Mörderin im Gefängnis besucht, um sie zu interviewen. Das klingt nach Psychothriller, doch Butter ist ein Roman, der in erster Linie ein Bild des modernen Japans und seiner Gesellschaft zeigt. Es geht vor allen um die Rolle der Frau und die eigene Entwicklung.

Das Lebensgefühl von Rika Machida, der Journalistin in Tokio wird erfahrbar. In einem männerdominierten Beruf muss sie sich durchsetzen. Sie hat einen Freund, lebt aber nicht mit ihm zusammen. Wie schon in anderen zeitgenössischen, japanischen Romanen meine ich das Thema Einsamkeit deutlich zu spüren.
Von der wegen Mordverdachts im Gefängnis sitzenden Bloggerin Manako Kajii ist Rika zunächst fasziniert und sie folgt den kulinarischen Tipps dieser Frau. Das ändert ihr Leben.

Die vom Verlag angebotene Vergleiche zu Han Kang und mehr noch zu Sayaka Murata sind nicht schlecht und auch bei Butter entwickelt sich die Handlung ungewöhnlich.

Asako Yuzuki ist eine Entdeckung und ich hoffe, auf weitere Bücher von ihr.

Bewertung vom 13.02.2022
Die dritte Hälfte eines Lebens
Herzig, Anna

Die dritte Hälfte eines Lebens


sehr gut

Dorf-Roman

Die dritte Hälfte eines Lebens ist ein ungewöhnlicher Roman und nicht das, was ich erwartet hatte. Ich merkte dann, dass man sich auf diesen Text einlassen muss.
Die österreichische Schriftstellerin Anna Herzig hat ein knappen Stil, nicht ohne Härten. Kein Wunder, dass das Buch relativ kurz ist.

Schon der erste Satz bringt einen auf die Spur: Es sind die kleinen Verbrechen an der Seele, die die inneren Blutungen ausmachen.

Das Leben in einem Dorf lässt keine Raum für Menschen, die anders sind.
Zu spüren bekommt dass der vaterlose Seppi, der als Negerkind verhöhnt wird. Auch von seiner Mutter wird er nicht geliebt. Doch Sepp iist ein eigenwilliger Typ, der dennoch so weit getrieben wird, dass er sich das Leben nehmen will.
Eine weitere interessante, weil geheimnisvolle Figur ist Lorenz Karl Ignatius Rathbauer, kurz El-Kah-Ih.

Es ist ein bemerkenswert gnadenloses Buch. Das ist teilweise auch ein Problem, weil man das beim lesen erst einmal verdauen muss. Die sprachlichen Möglichkeiten der Autorin haben mich beeindruckt, daher würde ich unbedingt wieder ein Buch von ihr lesen.

Bewertung vom 07.02.2022
Langeweile
Feimer, Isabella

Langeweile


sehr gut

Langeweile ist ein Buch aus der wunderbaren Essay-Reihe Übermorgen,die bei K+S erscheint.

Langeweile kann ein schmerzhafter Zustand sein, den viele Menschen vermutlich aus der Kindheit kennen, wenn sie nicht spielen konnten. Und in der Pandemie hat sich dieser Zustand oftmals neu ergeben.
Unter Umständen kann Langeweile aber auch zu Kreativität führen.

Isabella Feimer nähert sich diesem Thema aus verschiedenen Richtungen an, vor allen nutzt sie viele Zitate und Quellen aus Philosophie,Literatur und Kunst wie auch Film.
Zu nennen sind u.a. Heidegger, Charles Baudelaire, Walter Benjamin, Kierkegaard, aber auch moderne Künstler.
Mich haben besonders die Prosa-Aufzeichnungen der amerikanischen Autorin Mary MacLane beeindruckt.

Sie verbindet das ganze, ergänzt eigene Gedanken und nutzt verschiedene Methoden. Das gestaltet sie auch sprachlich angemessen.

Bewertung vom 06.02.2022
Wie man seine Tochter liebt
Blum, Hila

Wie man seine Tochter liebt


ausgezeichnet

Die israelische Schriftstellerin Hila Blum hat einen fesselnden und interessanten Roman über eine Mutter-Tochter-Beziehung geschrieben.
Das Buch wurde von Ruth Achlama aus dem Hebräischen übersetzt.

Es beginnt mit einer besonderen Szene: Eine Frau aus Israel, die Icherzählerin, sieht in Holland ihre erwachsene Tochter Lea. Sie haben sich seit Jahren nicht mehr gesehen. Doch sie nähert sich ihr nicht.
Das Geheimnis über das Ereignis, das zur Trennung führte, durchzieht den ganzen Roman.

Die Mutter erinnert sich dann an das Aufwachsen von Lea und das Familienleben.
Erst allmählich erfährt man mehr von dem was passiert ist und das hält die Spannung am Leben. Es wird zwar ruhig, aber mit großer Intensität erzählt.
Ich halte den Roman aufgrund dieser Schreibweise für sehr überzeugend und die Autorin ist für mich eine Entdeckung.

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Bewertung vom 05.02.2022
Erschütterung
Everett, Percival

Erschütterung


ausgezeichnet

Einnehmend erzählt

Percival Everett entwirft in seinem Roman Erschütterung das Bild eines eigentlich durchschnittliches Mannes, der an der Erkrankung seiner 12jährigen Tochter zu verzweifeln droht.
Erzählt wird durchgängig und konsequent aus seiner Perspektive, deshalb ist man als Leser dicht an der Figur dran.
Zunächst wird das Familien- und Berufsleben gezeigt. Zach Wells ist Paläontologe und arbeite und unterrichtet an der Uni. Mit seiner Ehefrau lebt er eine zufriedenstellende, aber langweilige Ehe. Aber beide lieben ihre Tochter Sarah. Als diese eine seltene Krankheit bekommt, bringt das Zach in eine Krise.
Interessant sind auch die Szene an der Uni. Dort bewundert die Studentin Rachel ihn sehr und sucht seine Nähe.

Der Roman wurde aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl übersetzt und ich denke, es handelt sich um eine sprachlich gute Leistung von Autor und Übersetzer. Besonders die Dialoge sind gewitzt, aber vor allen die inneren Gedanken Zachs vermögen zu fesseln.
Zwischen den Kapiteln gibt es kurze paläontologische Notizen, die die Handlung immer wieder erden. Später verschwinden diese Zwischenstellen aber und die Handlung verdichtet sich immer mehr.

Es gibt auch einzelne Episoden, die herausragen, z.B. eine Szene in der Wüste mit den Studenten, bei der eine Bedrohung durch eine Klapperschlange und die Paris-Reise, die die Familie gemeinsam unternimmt. Im letzten Romandrittel gibt es Passagen in New Mexico.

Es ist ein interessanter Roman und ich hoffe, bald weitere Bücher von Percival Everett lesen zu können.

Bewertung vom 03.02.2022
Die gigantischen Dinge des Lebens
Nielsen, Susin

Die gigantischen Dinge des Lebens


gut

Wilbur und Charlie

Die gigantischen Dinge des Lebens von Susin Nielsen ist ein Jugendroman über eine 14jährigen Jungen Namens Wilbur, der mit seinen Müttern in Toronto lebt.
Wilbur ist sensibel, manchmal etwas chaotisch und naiv. In der Schule ist er ein sozialer Außenseiter.Sein bester Freund ist Sal, ein 85jähriger Mann.
Erst als mit Charlie eine Austauschschülerin aus Paris zu ihnen kommt, ändert sich für Wilbur viel. Er beschließt, selbstbewusster zu werden.

Was ich an Wilbur mag, ist unter anderen sein Sinn für Selbstironie und seine Einfühlsamkeit.
Die Figuren sind nicht die originellsten, aber sie steigern sich im Verlaufe des Romans und das Ende empfand ich als gelungen.

Irgendwie bleibt aber das Gefühl, solche Bücher gab es schon öfter und die kanadische Autorin Susin Nielsen setzt zu sehr auf das bewährte.
Die Qualität ihres großartigen Roman „Adresse unbekannt“ erreicht dieser nicht. Es fehlt im Vergleich an Tiefe.
Hinsichtlich der Alterseinstufung für diesen Roman tendiere ich mehr zu 12 als zu 17jährig.

Bewertung vom 02.02.2022
Tamons Geschichte
Hase, Seishu

Tamons Geschichte


gut

Begegnungen

Tamons Geschichte - Roman einer Reise nach Süden ist episodenhaft aufgebaut.
Ich glaube, dass Buch ist deswegen so erfolgreich, weil er sprachlich leicht zugänglich ist und der Hund keine große Persönlichkeit hat. Das erlaubt den Menschen,die ihn begegnen, dasin ihn zu projizieren, was sie brauchen.
Das ist für eine demente Frau die Kindheit, für einen Gangster ist er ein Schutzgott. Tamon hat etwas geisterhaftes.
Aber Tamon hat auch ein Ziel und das liegt im Süden.

Den Roman kennzeichnen die Merkmale einer Fabel.
Es sind die Geschichten der Menschen,die wechselhaft Halt an Tamon finden und ihre schicksalshafte Lebenswendung ihm verdanken.

Bewertung vom 01.02.2022
The Maid / Regency Grand Hotel Bd.1 (1 MP3-CD)
Prose, Nita

The Maid / Regency Grand Hotel Bd.1 (1 MP3-CD)


ausgezeichnet

Zustand der Perfektion

Für dieses Hörbuch habe ich mich aus 2 Gründen entschieden. Zum einen Anna Thalbach, die eine ganz besondere Sprecherin ist. Zum anderen der Handlungsort Hotel aus Sicht einer eingeweihten. Molly, the Maid ist ein Zimmermädchen mit Fähigkeiten,aber auch Einschränkungen. Diese werden im Buch nicht genau benannt, aber es scheint eine Form von Autismus zu sein. Molly hat daher Schwierigkeiten mit dem sozialen Umfeld und sie versteht keine Ironie, aber sie hat einen hohen moralischen Kompass.

Ein Hotel als Schauplatz ist schon seit Arthur Haileys legendären Roman Hotel reizvoll. Für Molly ist ihr Arbeitsplatz alles. Als sie aber eines Morgens einen Hotelgast tot auffindet, wird sie des Mordes verdächtigt.

Die Sprecherin prägt die Figur mit, gerade weil alles aus Mollys Perspektive geschildert wird. Das führt auch dazu das man als Leser bzw. Zuhörer sofort für Molly eingenommen ist und sie gerne durch das Buch begleitet.

Nita Prose hat ein gutes Debüt vorgelegt.

Bewertung vom 29.01.2022
Serge
Reza, Yasmina

Serge


gut

Yasmina Reza ist eine vielbeachtete Theaterautorin, daher sind auch bei ihren Romanen die Figuren das wichtigste. Hier sind es 3 erwachsene Geschwister einer französisch-jüdischen Familie.

Das ungekürzte Hörbuch geht 5 Stunden, 25 Minuten und wird von dem Film-und Theaterschauspieler Peter Jordan gesprochen. Und seine Stimme passt gut zum lakonischen Icherzähler.
Der dialogbetonte Text hat eine Leichtigkeit, aber thematisch auch eine Schwere. Das mündet in eine Reise nach Auschwitz.Mit den Beschreibungen hatte ich so meine Probleme. Es wird eine andauernde Kakophonie von Streitgesprächen zwischen den Geschwistern.

Das Hörbuch hat mir etwas besser gefallen als Rezas früheres Buch Glücklich die Glücklichen.
Aber mehr als 3 von 5 Sterne kann ich nicht geben.

Bewertung vom 29.01.2022
Manifesto. Warum ich niemals aufgebe. Ein inspirierendes Buch über den Lebensweg der ersten Schwarzen Booker-Prize-Gewinnerin und Bestseller-Autorin von »Mädchen, Frau etc.«
Evaristo, Bernardine

Manifesto. Warum ich niemals aufgebe. Ein inspirierendes Buch über den Lebensweg der ersten Schwarzen Booker-Prize-Gewinnerin und Bestseller-Autorin von »Mädchen, Frau etc.«


ausgezeichnet

Magna Opera der Worte

Manifesto ist ein ausgezeichnet geschriebenes Memoir von Bernadine Evaristo, die seit dem Gewinn des Booker-Awards eine bekannte Schriftstellerin ist. Sie hat das Buch zeitlich strukturiert und es beginnt natürlich mit Kindheit und Jugend. Mit einer englischen Mutter und einem Vater, der aus Nigeria stammt, erlebt sie im England der sechziger Jahre Rassismus. Diese Passagen sind beklemmend zu lesen, weil man (oder viele) das Ausmaß unterschätzen.

Man spürt auf allen Seiten, dass hier eine selbstbewusste, kluge Frau schreibt.
Sie ist auch geprägt von ihren Eltern, die aus der Working class stammen. Besonders mit ihrem cholerischen, strengen Vater setzt sie sich im ersten Abschnitt auseinander. Auch mit dem politischen Engagement ihrer Eltern.
Interessant dann auch, was die Autorin später an Themen erzählt: Beziehungen, Sexualität, Feminismus, Theater.
Dann kommt ein Abschnitt über ihrer Literatur, die Bücher die sie schon geschrieben hat und die meistens sind noch nicht in Deutsch veröffentlicht. Vieles hört sich sehr interessant an und man darf hoffen, dass es noch Übersetzungen geben wird.