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Benutzername: 
dorli
Wohnort: 
Berlin
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 878 Bewertungen
Bewertung vom 08.10.2013
Die Eistoten
Buder, Christian

Die Eistoten


sehr gut

Die 11-jährige Alice lebt mit ihrem Vater und ihrer Schwester Amalia in dem kleinen Dorf Hintereck. Ihre Mutter ist vor 4 Jahren gestorben. Angeblich erfroren - ein Unfall, heißt es offiziell. Doch Alice ist fest davon überzeugt, dass ihre Mutter ermordet wurde. Als Alice gemeinsam mit ihrem Freund Tom im Wald ein erfrorenes Mädchen entdeckt, geht sie davon aus, dass der Mörder wieder zugeschlagen hat und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln…

Christian Buder hat sich als Schauplatz für seinen Thriller ein beschauliches Dorf im Allgäu ausgedacht. Sehr idyllisch, möchte man meinen, doch der Schein trügt. Über dem Dorf liegt eine eigentümliche Stimmung: eiskalte Winterabende, an dem merkwürdige Dinge geschehen. Allabendlich bellende Hunde verstummen plötzlich, die Kirchentür ist mit Blut beschmiert. Hinzu kommt das zum Teil recht seltsame Verhalten der Dorfbewohner. Dem Autor gelingt hier eine angespannte, düstere Atmosphäre, die sehr gut zu der gesamten Situation passt.

Mittendrin die herrlich altkluge Alice. Sie ist blitzgescheit und sehr neugierig. Sie hinterfragt alles und gibt sich sehr zum Verdruss ihres Vaters nicht mit belanglosen Antworten zufrieden. Bei ihrer Spurensuche geht Alice mit Logik zu Werke und kann geschickt kombinieren. Buder legt ihr oft pfiffige Worte in den Mund, die mich immer wieder haben schmunzeln lassen.

Das Verhalten von Alices Vater hat mich erschreckt. Er scheint überfordert mit seiner hochbegabten Tochter und statt mehr auf sie einzugehen und zumindest zu versuchen, ihre Überlegungen zu verstehen, geht er von einer psychischen Störung aus, weil sie seiner Meinung nach den Tod ihrer Mutter nicht verkraftet.

Die Idee, philosophische Elemente mit einem Thriller zu verweben, finde ich sehr spannend. Alice kann den längst verstorbenen Ludwig Wittgenstein sehen und sich mit ihm unterhalten. Wittgenstein liefert Alice Denkanstöße und Erklärungen und bringt Alice dazu, ihre eigenen Gedanken intensiver zu hinterfragen. Die Gespräche sind ihr bei ihren Überlegungen zu den Vorkommnissen in Hintereck eine große Hilfe.

Ein weiteres Thema, dass Buder aufgreift, ist das Beichtgeheimnis. Schnell wird klar, dass der Pfarrer des Dorfes den Täter nicht nur kennt, sondern auch weiß, dass das Morden noch weitergehen wird. Der Pfarrer unternimmt wenig, das Beichtgeheimnis hindert ihn daran, die Identität des Mörders preiszugeben. Ich habe nicht gewusst, dass die Schweigepflicht auch gilt, wenn das Leben anderer Menschen in Gefahr ist. Für mich unfassbar, aber es ist wohl tatsächlich so, dass das Beichtgeheimnis unverletzlich ist und ein Priester auch bei schweren Straftaten keinerlei Informationen über das weitergeben darf, was er in der Beichte erfahren hat.

Nicht gefallen hat mir das Ende der Geschichte. Ich weiß nicht, ob es in der Realität schon einmal einen ähnlichen Fall geben hat, vorstellen kann ich mir das irgendwie nicht. Das Motiv wird noch ganz nachvollziehbar erklärt, aber ein Mörder, so wie er hier dargestellt wird, scheint mir sehr unwahrscheinlich und so wird die ganze Auflösung für mich unglaubwürdig. Schade.

Ein spannend erzählter Thriller, der leider am Ende etwas ins Holpern gerät.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.10.2013
Die Kunstjägerin
Fischer, Elis

Die Kunstjägerin


ausgezeichnet

Die Illustratorin Theresa Valier erbt ein Gemälde. Als sie auf der Rückseite eine kaum zu entziffernde Vignette entdeckt, auf der möglicherweise Sustermans und Rubens als Maler des Bildes genannt werden, wird sie neugierig und stellt Nachforschungen an. Hilfe erhofft sie sich unter anderem von dem Restaurator Rembert Wenz und bringt das Bild in sein Atelier. Nur wenige Tage später wird Wenz ermordet und das Gemälde gestohlen. Gemeinsam mit ihren Freunden, dem „Chianti-Club“, macht Theresa sich auf die nicht ganz ungefährliche Suche nach den Hintergründen und nach ihrem Bild…

In „Die Kunstjägerin“ teilt Elis Fischer mit dem Leser ihre Faszination für die Kunst, indem sie ein Gemälde aus ihrem Besitz in den Fokus dieses Krimis rückt.
Nicht nur das Verschwinden des Bildes, sondern auch das Bild selbst stellt im Verlauf der Handlung ein großes Rätsel dar. So wird die spannende Jagd nach Hinweisen doppelt interessant.
Die Autorin hat keinerlei Mitleid mit der sympathischen Theresa und lässt ihre Protagonistin allerhand Schrecken erleben. Ihr Handy wird abgehört, ihre Wohnung durchwühlt. Zusätzlich machen ein griesgrämiger Kommissar und ein Ehemann, der Vieles auf die leichte Schulter nimmt, Theresa das Leben schwer. Und auch Theresa steht sich bei der Spurensuche so manches Mal mit ihrer liebenswerten Schusseligkeit selbst im Weg. Richtig dramatisch wird es dann, als Theresa und ihr Sohn Dino in die Fänge des skrupellosen Täters geraten.
Sehr spannend fand ich auch die historische Komponente in Form von in Abständen eingeschobenen Briefen aus dem 17. Jahrhundert, alle unterzeichnet von einem „G.“. Diese Briefe haben einen besonderen Bezug zu dem verschwundenen Gemälde und liefern nach und nach Informationen zu einem mit dem Bild in Zusammenhang stehenden Geheimnis.
Fast nebenbei wird dieses Buch auch zu einen wunderbaren kulinarischen Reise, denn der Chianti-Club lässt sich bei seinen Treffen die ein oder andere Leckerei schmecken.

Ein gelungener Debütroman. Elis Fischer nimmt den Leser mit auf eine unterhaltsame Spurensuche und lädt zum Miträtseln ein.

Bewertung vom 20.09.2013
Friesenherz
Hagedorn, Verena

Friesenherz


ausgezeichnet

Die Lehrerin Maike Johannsen hat gerade ihren 40. Geburtstag gefeiert und von ihrem Mann Torge eine Wellnesswoche auf einer Nordseeinsel geschenkt bekommen. Hier trifft sie auf die chaotische Künstlerin Ann, ebenfalls gerade 40 geworden. Die beiden ganz und gar unterschiedlichen Frauen müssen sich unvorhergesehen ein Hotelzimmer teilen. Maike und Ann arrangieren sich miteinander, bis eine Neuigkeit ihnen den Boden unter den Füßen wegzieht und beide zwingt, ihr weiteres Leben ganz neu zu planen…

Janna Hagedorn erzählt diese Geschichte aus Maikes Sicht und es gelingt der Autorin ganz hervorragend, Maikes Gedanken und Gefühle zu vermitteln. Sie lässt Maike in einen wahren Strudel aus unterschiedlichen Emotionen purzeln und bewirkt damit eine rasante und vor allen Dingen positive Entwicklung bei ihrer Protagonistin.

Nicht nur, dass Maike das „Wellness, Watt und Weiblichkeit“ – Programm überhaupt nicht zusagt, die Ayurveda-Kur sie eher grummeln als entspannen lässt und die Sorge um ihre 16-jährige Tochter, die zu einem fragwürdigen Fotoshooting gehen möchte, sie fast verrückt macht, auch dass der junge Wattführer Jan sich für sie interessiert, wirft sie aus der Bahn. Sie schwankt zwischen Vorfreude und Panik, ist nahe dran, der Versuchung zu erliegen, wird immer wieder von Zweifeln gepackt. Als dann Ann mit einer unsäglichen Wahrheit rausrückt, kann man als Leser spüren, wie es in Maike brodelt. Sie fragt sich, wie es weitergehen soll, wo doch jetzt alles in ihrem sorgsam aufgebauten und rundum vertrauten Leben verrutscht ist.

Sowohl Maike wie auch Ann haben mich letztendlich überrascht. Es hat mir sehr gut gefallen, wie beide mit ihrer neuen Situation umgehen und nach vorne blicken.

Neben dem Gefühlskuddelmuddel von Maike und Ann gibt es auch einiges zum Schmunzeln. Die bunt gemischte Teilnehmergruppe der Wellnesswoche und auch die Einheimischen tragen mit ihren Eigenheiten prima zur Unterhaltung bei. Außerdem wurde Maike von der Autorin mit einer herrlichen Schlagfertigkeit ausgestattet.

Ein tolles Lesevergnügen, dass den Leser hier und da auch mal nachdenklich werden lässt.

Bewertung vom 18.09.2013
Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
Dicker, Joël

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert


sehr gut

Aurora, New Hampshire - Oktober 2008. Im Garten des Schriftstellers Harry Quebert werden bei Pflanzarbeiten menschliche Überreste gefunden. Schnell steht fest, dass es sich um die vor 33 Jahren spurlos verschwundene Nola Kellergan handelt. Neben der Leiche wird ein Manuskript des Buches gefunden, das Harry berühmt gemacht hat. Harry gerät unter Mordverdacht, und als er zugibt, eine Beziehung zu Nola gehabt zu haben, scheint seine Schuld erwiesen. Nur der junge Schriftsteller Marcus Goldman ist von der Unschuld seines Mentors überzeugt und macht sich auf die Suche nach der Wahrheit…

Hervorragend gelungen ist Joël Dicker der Aufbau dieses Romans. Neben Harrys 31 Ratschlägen für Schriftsteller, Boxer und Menschen enthält die Geschichte Auszüge aus Manuskripten und Protokollen, Briefwechsel, Telefonate und anonyme Nachrichten.
Zahlreiche Verschachtelungen, ständige Perspektiv- und einige Ortswechsel sowie überraschende Wendungen kommen hinzu, außerdem hüpft der Autor laufend in der Zeit zwischen 1975 und 2008 hin und her. Das mag alles verwirrend klingen, ist es aber erstaunlicherweise nicht. Trotz dieser augenscheinlichen Unordnung verliert man zu keiner Zeit den Faden und bleibt stets mittendrin im Geschehen. Einzig einige aus meiner Sicht völlig unnötige Wiederholungen haben mich ein wenig gestört.

Joël Dicker lässt seine Charaktere, von denen jeder Einzelne mit seinem ganz persönlichen Drama zu kämpfen hat, in dem kleinen idyllischen Städtchen Aurora aufeinanderprallen. Es wird geliebt, gehasst, gelogen. Alles mündet schließlich in einer Tragödie. Es gelingt dem Autor trotz der Vielzahl an Figuren ganz ausgezeichnet, jeden Einzelnen detailliert zu beschreiben und ihm ein eigenes Gesicht zu geben. Hier und da ist die Darstellung für meinen Geschmack ein wenig übertrieben, so ist zum Beispiel die Mutter von Marcus sehr nervig. Für sie gibt es nur ein einziges Thema: Marcus möge doch endlich heiraten. Sehr gut gefallen hat mir dagegen der Ermittler der State Police, Sergeant Perry Gahalowood. Er bringt eine ganze Menge Witz und gute Unterhaltung mit. Und er war glaube ich der einzig normale Mensch in diesem Haufen schräger Gestalten.

Die (platonische) Liebesgeschichte zwischen Harry und Nola wird sehr aufgebauscht und driftet vielfach ins Kitschige ab. Hier wäre etwas weniger Heckmeck von Vorteil gewesen.
Der Krimianteil hat mir am besten gefallen. Die Ermittlungen ziehen sich zwar zunächst ein wenig in die Länge, weil in Aurora alles sehr verworren ist. Zum Ende hin wird es dann aber immer spannender, die Ereignisse überschlagen sich fast. Das Miträtseln hat mir großen Spaß gemacht, besonders Motiv und Tathergang haben mich am Schluss überrascht.

„Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Joël Dicker versteht es, fesselnd und unterhaltend zu erzählen.

7 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.09.2013
Das Echo der Vergangenheit
Heitzmann, Kristen

Das Echo der Vergangenheit


ausgezeichnet

Sofie Michelli möchte sich aus dem Familienkokon befreien, um ihrem Leben neue Impulse zu geben. Sie verlässt New York und begibt sich nach Sonoma zu Lance und Rese in die Villa im Weinberg, um dort ihre Dissertation zu schreiben. Hier lernt Sofie den Jugendamtmitarbeiter Matt Hammond kennen und fühlt sich zu ihm hingezogen. Doch dann holt ihre Vergangenheit sie ein: Carly, die Tochter von Sofies früherem Lebensgefährten Eric, bittet Sofie dringend um Hilfe. Die Beziehung zu Eric endete vor sechs Jahren fast tragisch für Sofie, doch die große Sorge um Carly lässt Sofie nicht zögern, sie macht sich sofort auf nach New York - mit Matt an ihrer Seite…

„Das Echo der Vergangenheit“ ist der dritte Band um die Geschichte der Familie Michelli und schließt direkt an den zweiten Band an. Ich habe die beiden vorhergehenden Teile gelesen und muss zugeben, dass mir der Einstieg in dieses dritte Buch ohne die Vorkenntnisse sehr schwer gefallen wäre. Es gibt zahlreiche Anspielungen auf das bisherige Geschehen, es ist bereits so viel in der Villa im Weinberg passiert - um diese wundervoll erzählte Geschichte wirklich rundum genießen zu können, ist das Hintergrundwissen daher von Vorteil. Für das Verständnis der Geschichte von Sofie und Matt allerdings ist das Wissen um die vorherigen Ereignisse nicht unbedingt von Nöten, da man Matt erst in diesem Buch kennenlernt und Sofie nur im zweiten Band einen ganz kleinen Part inne hatte.

Kristen Heitzmann erzählt sehr intensiv, sie geht auf alle Ereignisse und Charaktere sowie deren Probleme genau ein, so dass man als Leser sofort mittendrin im Geschehen ist und sich als Teil dieser Familie fühlt. Die Art und Weise, wie die Michellis leben, die Hingabe, mit der sie alle Probleme gemeinsam bewältigen und ihren Alltag meistern, der große Zusammenhalt in der Familie und der starke Glaube an Gott kommen auch in diesem Band wieder zum Vorschein. Auch die Psychologie spielt eine große Rolle. Trauma¬tische Ereignisse müssen verarbeitet, Angst und Trauer überwunden werden.
Trotz der ernsten Themen liest sich das Buch sehr locker, die Autorin schreibt frisch, lebendig und farbenfroh, immer liegt Hoffnung über allem, so dass man als Leser mit einem positiven Gefühl durch das Buch wandert.

Besonders begeistert mich, wie Kristen Heitzmann das Thema Religion und Glaube handhabt. Während die Michellis ihren christlichen Glauben ganz selbstverständlich in ihren Alltag integriert haben, ist Matt sehr ablehnend gegenüber Religion und Gott. Zuviel Schreckliches musste er sowohl in seiner Vergangenheit wie auch in seinem Job als Mitarbeiter des Jugendamtes mit ansehen und er stellt zu Recht die Frage: „Warum nur gab Gott Dummköpfen Macht über andere Menschen?“ (S.384). Diese und auch andere Fragen werden ausgiebig diskutiert und besonders die Gespräche zwischen Sofie und Matt hierzu waren für mich sehr spannend und interessant.

Kristen Heitzmann ist mit „Das Echo der Vergangenheit“ eine wundervolle Fortsetzung der Michelli-Familiensaga gelungen. Fesselnd, gefühlvoll und immer wieder zum Nachdenken anregend.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.09.2013
Gone Girl - Das perfekte Opfer
Flynn, Gillian

Gone Girl - Das perfekte Opfer


ausgezeichnet

Amy und Nick Dunne leben in New York. Nachdem beide arbeitslos geworden sind, werden sie zunehmend unzufriedener mit ihrem Leben. Als Nicks Mutter an Krebs erkrankt, beschießt er ungeachtet den Wünschen Amys wieder in seine Heimat zurückzukehren. Amy fügt sich Nicks Beschluss, auch wenn es der gebürtigen New Yorkerin nicht leicht fällt, arrangiert sie sich mit dem Leben in der Missouri-Kleinstadt am Mississippi. Nick eröffnet gemeinsam mit seiner Schwester Go unter Zuhilfenahme des restlichen Geldes aus Amys Trustfond eine Kneipe. Alles scheint in Ordnung. Doch am Morgen ihres fünften Hochzeitstages verschwindet Amy spurlos. Die Polizei beginnt zu ermitteln und jede neue Spur lässt den Verdacht wachsen, dass Nick für Amys Verschwinden verantwortlich ist. Nick stellt eigene Nachforschungen an und entdeckt schnell die wahren Hintergründe, nur glaubt ihm niemand…

Aufgrund der überschwänglichen Aussagen des Klappentextes hatte ich sehr hohe Erwartungen an dieses Buch. Trotzdem habe ich nicht mit dem Wahnsinn gerechnet, der zwischen diesen Buchdeckeln steckt. Dieser Thriller ist genauso, wie Amy ihre persönliche Geschichte sieht: staunenswert und verblüffend. Mehr noch, die Geschehnisse sind haarsträubend - es ist unfassbar, was hier zwischen Amy und Nick abläuft.

Die Geschichte beginnt damit, dass Nick über Amys Kopf nachdenkt. Über die äußere Form und ganz besonders über ihren Verstand. Als ich die Geschichte zu Ende gelesen hatte, waren meine Gedanken wieder bei Amys Kopf und ihrem Verstand. Ich würde wirklich gerne wissen, wie dieser Kopf arbeitet. Obwohl es bei dem ganzen Lug und Trug den Nick so treibt in Amy vor Wut brodeln muss, bleibt sie nach außen ruhig und bereitet geduldig und präzise ihre Rache vor. Wie kann jemand so abgrundtief böse sein und so ausgeklügelt und vorausschauend denken? Das ist für mich beängstigend und faszinierend zugleich.

Nicht nur die Sprache mit tollen Formulierungen, herrlichen Wortkreationen („zuckerbesoffen“) und durchdachten Dialogen ist Gillian Flynn hervorragend gelungen, auch der Aufbau des Buches ist sehr geschickt. Während Nick von dem aktuellen Geschehen berichtet, erfährt man im ersten Teil von Amy mittels Tagebucheinträgen, wie sie und Nick sich kennengelernt haben und wie sich die beiden und ihre Ehe im Laufe der letzten fünf Jahre verändert haben.

Es ist einfach brillant, welch ein Schauspiel Gillian Flynn hier kreiert hat. Das Buch ist raffiniert und böse, steckt voller Wendungen und Überraschungen und hält den Leser Seite um Seite in Atem. Die Autorin spielt mit dem Leser, lenkt die Sympathien für die Figuren von einer zur nächsten. Man fragt sich laufend, wer in dieser Geschichte eigentlich wen manipuliert. Wer sagt die Wahrheit? Wer lügt? Ständig lauert man auf die nächste Schandtat und ist dann wieder sprachlos, wie eiskalt hier agiert wird.

Nicks Anwalt Tanner Bolt sagt über Nick und Amy: „… Sie beide sind die abgefucktesten Menschen, die mir jemals begegnet sind…“ (S.538). Wie recht er hat.

Ein grandioser Thriller. Unbedingt lesen!

22 von 27 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.08.2013
Ins Gras gebissen / Pippa Bolle Bd.4
Auerbach & Keller

Ins Gras gebissen / Pippa Bolle Bd.4


ausgezeichnet

Pippa Bolle hat einen neuen Auftrag. Als Gesellschafterin soll sie zwei Wochen lang die fast 100-jährige Christabel Gerstenknecht betreuen. Christabel besitzt eine Gartenzwergfabrik in Storchwinkel, einem kleinen beschaulichen Dorf in der Altmark.
Dort angekommen, wird Pippa schnell klar, das es hier bei „ein bisschen Lesen und Konversation“ nicht bleiben wird. Zwischen Störchen, Gartenzwergen und Baumkuchen wird gemordet, was das Zeug hält …

„Ins Gras gebissen“ ist bereits Pippa Bolles 4. Fall - für mich war dieser Einsatz in Storchwinkel der erste, den ich mit Pippa erleben durfte.

Das Autoren-Duo Auerbach und Keller hat sich als Handlungsort ein idyllisches Fleckchen in der Altmark ausgesucht, ganz wundervoll werden die Landschaft und die beeindruckende Natur beschrieben. Doch diese Beschaulichkeit ist trügerisch: Kaum in dem kleinen Dorf angekommen, steckt Pippa aufgrund einer Verwechslung prompt mittendrin in Mordermittlungen.

Der eigentliche Star in diesem Roman ist für mich Christabel Gerstenknecht. Was für eine bemerkenswerte Frau! Die rüstige Dame führt ihr Unternehmen trotz ihres hohen Alters hart aber gerecht und ist als ideenreiche Bürgermeisterin der Bevölkerung gegenüber sehr großzügig. Hinzu kommt, dass sie sehr schlagfertig ist, sich nichts vormachen lässt und jeden auf Anhieb durchschaut. Sie hat alles und jeden ganz wunderbar im Griff. Mit Pippa ist Christabel sehr schnell auf einer Wellenlänge, die beiden verstehen sich prächtig und machen sich dann gemeinsam mit den ermittelnden Kommissaren daran, die Serie merkwürdiger Todesfälle aufzuklären.

Auch wenn diese Geschichte sehr humorvoll erzählt wird, haben die Autoren für die Geschehnisse in Storchwinkel einen ernsten Hintergrund gewählt: es geht um Zwangsadoptionen in der ehemaligen DDR, unter denen manche Opfer bis heute leiden.

Ein rundum gelungenes Pippa-Abenteuer, das mir besonders durch die zahlreichen unterschiedlichen Akteure beste Unterhaltung geboten hat.

Bewertung vom 22.08.2013
Der erste Ball der Clara Carter
Mitchell, Siri

Der erste Ball der Clara Carter


ausgezeichnet

New York 1890. Die 17-jährige Clara Carter wird von ihrem Vater und ihrer Tante gedrängt, ein Jahr früher als geplant zu debütieren, denn Franklin de Vries, der begehrteste Junggeselle der Stadt, kommt pünktlich zu Saisonbeginn aus Europa zurück. Um die Familienehre wiederherzustellen, wird von Clara verlangt, alles daran zu setzen von Franklin den erwünschten Heiratsantrag zu erhalten. Anfangs fügt sich Clara den Plänen ihrer Familie, doch dann kommt alles ganz anders…

In „Der erste Ball der Clara Carter“ erhält man Einblicke in die New Yorker High Society des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Glanz und Glorie, Prunk und Schönheit – eine Welt, die prachtvoll und unbedingt erstrebenswert wirkt.
Im Verlauf der Handlung wird jedoch deutlich, dass diese Glitzerwelt nicht selten auf einem Gerüst aus Lug und Trug, aus Korruption, Ausbeutung und Täuschung steht. Siri Mitchell gibt ihrer Protagonistin das Buch „Wie die andere Hälfte lebt“ von Jacob Riis in die Hand und gewährt Clara und damit auch dem Leser einen Blick auf das andere New York. Auf die Armen, die Obdachlosen, die Migranten und die fürchterlichen Missstände, die hier herrschten. Riis’ Dokumentation veranlasst Clara, viele Fragen zu stellen und sie erkennt nach und nach das ganze Ausmaß an Lügen um sich herum. Die Illusion einer heilen Welt bröckelt.

Die Autorin lässt Clara eine bemerkenswerte Entwicklung durchmachen. Das wissbegierige und an vielen Dingen interessierte Mädchen legt für ihre Familie die eigenen Wünsche und Pläne beiseite und fügt sich dem strengen Prozedere, wie es von ihr erwartet wird. Sie lässt sich in ein viel zu enges Korsett pressen, erduldet alle Qualen und passt ihren Tagesablauf ganz den Erfordernissen für ein erfolgreiches Debüt an.

Ich habe nicht gewusst, nicht einmal geahnt, was für eine Tortur hinter so einem Debüt stand, aber Debütieren war richtig harte Arbeit. Die Mädchen wurden bis zur Perfektion gedrillt. Alles war auf das eine Ziel ausgerichtet: den begehrtesten Junggesellen der Stadt zu ergattern. Das äußerliche Erscheinungsbild war am wichtigsten, da spielte auch die Gesundheit der Mädchen keine Rolle, wie die Autorin in einem Nachwort erklärt. Zu enge Handschuhe, zu kleine Schuhe und auch ein extrem eng geschnürtes Korsett mussten ertragen werden. Schlimme Erkrankungen und Verstümmelungen waren die Folge.

Clara wird immer wieder eingetrichtert, dass Freundschaft, Liebe und Loyalität im Kreis der Reichen und Mächtigen keinen Platz haben, der Wert eines Menschen zeigt sich einzig und allein durch seine Stellung in der Gesellschaft. Geld und Ansehen lassen alles andere in den Hintergrund rücken.

Es ist ganz wunderbar zu beobachten, wie Clara all ihre Erfahrungen und Erlebnisse nutzt und sich Schritt für Schritt freistrampelt. Sie wird zu einer selbstbewussten jungen Frau, die in der Lage ist, auf eigenen Beinen zu stehen. Sie gelangt im Verlauf der Geschichte zu der Erkenntnis, dass Gott sie genau so liebt, wie sie ist, auch ohne diesen ganzen Pomp, einfach nur sie selbst.

Sehr gelungen finde ich, dass die Autorin hier kein einseitiges Bild zeichnet. Es gab durchaus Mädchen, die dem ganzen Ablauf des Debütierens und den Aussichten auf ein Leben in einem goldenen Käfig positiv gegenüberstanden. Claras gleichaltrige Freundin Lizzie fühlt sich inmitten der feinen Gesellschaft wohl und gut aufgehoben, sie freut sich nicht nur auf ihr Debüt und die anstehenden Aufgaben, sondern auch auf das gesellschaftliche Leben mit all seinen Zwängen, das sie nach ihrem Debüt erwartet.

Am Ende des Buches steht für mich die Botschaft, dass jeder wie Clara und Lizzies mutig genug sein sollte, das eigene Leben selbst zu bestimmen, und nicht so zu sein, wie andere es erwarten.

„Der erste Ball der Clara Carter“ hat mich durchweg begeistert. Siri Mitchell hat mich mit ihren facettenreichen Schilderungen über das Leben im damaligen New York sehr beeindruckt.

Bewertung vom 13.08.2013
Was mit Rose geschah
Penney, Stef

Was mit Rose geschah


ausgezeichnet

Ray Lovell ist Privatdetektiv und bekommt den Auftrag, die vor 6 Jahren spurlos verschwundene Romni Rose Janko zu finden. Ray übernimmt eigentlich keine Vermisstenfälle, wird jedoch von dem Vater des Mädchens angefleht, weil dieser keinen gorjio (Nicht-Roma) mit dem Fall betrauen möchte. Nur ein Insider wäre in der Lage, mit den Fahrenden zu reden und würde die Hintergründe verstehen. Ray zögert, doch der Fall weckt seine Neugierde, auch das angebotene Geld lockt und so begibt er sich auf die Suche nach Rose…

Mit „Was mit Rose geschah“ hat Stef Penney mich in eine Welt mitgenommen, die ich noch nicht kannte und die mich fasziniert, zugleich aber auch erschüttert hat.

Sehr eindrucksvoll erzählt die Autorin von den Traditionen der Roma, von Sitten und Bräuchen, an denen festgehalten werden muss, von ganz besonderen Werten. Sie lässt dabei abwechselnd den Privatdetektiv Ray und den 14-jährigen Rom JJ zu Wort kommen.
Ray ist halb Rom, aber in einem Haus aufgewachsen und hat das Fahren aber nie kennengelernt, während JJ mit seiner Familie in Wohnwagen lebt und sich nicht vorstellen kann, hinter festen Mauern zu wohnen.

JJ ist mir im Verlauf der Geschichte sehr ans Herz gewachsen. Er hat im Gegensatz zum Großteil seiner Familie eine erfrischende, offene Einstellung zu den Traditionen der Roma, der Welt außerhalb der Roma-Gemeinschaft und dem Leben allgemein. Er ist neugierig, an allem interessiert, seine Ansichten und Gedanken sind nicht so festgefahren, wie die seiner Familie. Er wurde von der Autorin mit einer jugendlichen Sprache ausgestattet, so dass alles, was er zu berichten hat, sehr glaubhaft und echt auf mich gewirkt hat.

Rays Ermittlungen verlaufen sehr zäh, er stößt bei den Jankos auf eine Wand aus Lügen und Widersprüchen. Die Familie Janko wird sehr undurchsichtig dargestellt. Zusammenhalt wird groß geschrieben, keiner verrät den anderen, aber das erschien mir wie eine Verpflichtung, für mich war innerhalb der Familie keinerlei Harmonie zu spüren. Die ganze Geschichte wird im Verlauf der Handlung immer rätselhafter, das Verschwinden von Rose rückt mehr und mehr in den Hintergrund. Alles dreht sich um den Janko-Fluch, eine seltsame Erbkrankheit, an der nur die männlichen Familienmitglieder erkranken.
Für Ray wird das stetige Stochern in den Familiengeheimnissen dann fast zum Verhängnis. Doch er gibt nicht auf und selbst als sich der Verbleib von Rose geklärt hat, lassen die Heimlichkeiten der Jankos Ray nicht ruhen.

Die tiefe Verwurzelung in der Tradition und das Festhalten an den alten Sitten münden in einer Tragödie. Das schreckliche Ausmaß dieser Familiengeschichte offenbart sich erst zum Schluss und lässt mich aufgewühlt zurück.

Im Nachhinein passen alle Andeutungen, die im Laufe der Handlung gemacht wurden, einfach perfekt zu dem überraschenden Ende und alles ist nachvollziehbar. Trotzdem hätte ich das so nie vermutet. Was für eine Geschichte!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.