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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1127 Bewertungen
Bewertung vom 06.04.2019
Goethespur
Köstering, Bernd

Goethespur


gut

Hendrik Wilmut ist Literatur-Dozent an der Uni Frankfurt am Main mit dem Spezialgebiet Goethe. Zu Studienzeiten war er eng mit Eddie befreundet, der damals allerdings am Tag vor der letzten Prüfung verschwand. Jetzt, 20 Jahre später, steht Eddie plötzlich vor ihm und lädt ihn auf eine Reise ein. Du sollst mein Reiseführer sein, mein Cicerone. Und vor allem mein Berater.“ (S. 18)
Denn Eddie will Goethes erste Italienreise nachstellen und beweisen, dass der die damals gar nicht gemacht haben kann. Darüber will der jetzige Taxifahrer ein Enthüllungsbuch schreiben und so mit einem großen Knall in die Literaturwelt zurückkehren. Natürlich lehnt Hendrik ab. Die aufgestellten Thesen widersprechen allem, was er seit Jahren lehrt und erforscht. Eddie macht sich allein auf die Reise, hält Hendrik aber via SMS auf dem Laufenden. 3 Tage später kommt ein Anruf von Eddie – er wurde angeschossen. Hendrik kommt ins Grübeln. Warum sollte jemand Eddie umbringen wollen? Geht es „nur“ um den Erbstreit der Familie, von dem er erzählt hatte, oder will jemand mit aller Macht verhindern, dass Eddie seine Thesen bezüglich Goethes Reise beweisen kann?

Dass „Goethespur“ bereits der 4. Krimi mit dem ermittelnden Dozenten Hendrik Wilmut ist, war mir leider nicht bewusst. Als Neueinsteiger in diese Serie hatte ich Probleme, die Anspielungen und Hinweise auf die vorherigen Fälle und Hendriks Umfeld (Freunde, Bekannte etc.) zu verstehen. Man sollte sie vielleicht besser in der entsprechenden Reihenfolge lesen.
Auch sonst bin ich mit diesem Literaturkrimi nicht so richtig warm geworden. Mir fehlte die Spannung. Die eigentliche Krimihandlung beginnt erst nach ca. einem Drittel des Buches und plätschert eher vor sich hin. Zudem war mir schon nach der Hälfte klar, wer warum dahinter steckt. Erst zum Ende hin überschlagen sich plötzlich die Action-Szenen, um irgendwie Schwung in das Geschehen zu bringen.
Ansonsten begleitet man Eddie und Hendrik auf ihrer Reise in Richtung Italien und liest endlose Variationen desselben Diskussionsthemas: Hat Goethe die Reise damals nun gemacht oder nicht? Was spricht dafür, was dagegen? Das ist zwar auch interessant, nimmt für meine Begriffe aber viel zu viel Raum ein.

Mit den Protagonisten habe ich mich ebenfalls etwas schwer getan. Hendrik und seine Frau Hanna haben wohl schwere Traumata erlitten (Evtl. beim Lösen des letzten Falls?), auf die aber nicht näher eingegangen wird. Trotzdem verhält er sich von jetzt auf gleich wie ein Polizist und ermittelt, statt es der richtigen Polizei zu überlassen. Am Ende ist es auch er, der den entscheidenden Hinweis liefert. Da waren mir zu viele konstruierte Zufälle am Werk. Auch die gekünstelte, irgendwie hölzerne Sprachweise der Protagonisten passte für mich nicht so richtig. Wahrscheinlich soll damit ihre hohe Bildung dargestellt werden.

Mein Fazit: Literatur ja, Krimi eher nein. Leider nur 2,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 04.04.2019
Usedom
Pautz, Claudia

Usedom


ausgezeichnet

Seit 20 Jahren fahren mein Mann und ich fast jeden Sommer und auch einige Winter nach Usedom. Kann uns ein Buch da wirklich noch neue, unbekannte Kleinode auf „unserer Insel“ nennen? Ja, Autorin Claudia Pautz hat es geschafft, uns zu überraschen. Mit ganz viel Liebe zum Detail schreibt sie über ihre Heimat und teilt neben (uns) bereits bekannten, auch ihre geheimen Tipps. Dabei orientiert sie sich an der Insel selbst. An der Grenze Ahlbeck beginnend und in Swinemünde endend, nimmt sie den Leser auf eine Rundreise mit. Zur besseren Übersicht gibt es zu Beginn des Buches eine Karte, in der die Nummern der Sehenswürdigkeiten verzeichnet sind – so kann man sich einen schnellen Überblick verschaffen, wo man sein ausgesuchtes Ziel findet oder was noch in der Nähe ist. Sie empfiehlt z.B. Eisdielen und Restaurants, Museen und Galerien, versteckte Kirchen und abgelegene Naturschönheiten, besondere Aussichtpunkte und Orte der Ruhe. Hier sollte sich wirklich für jeden Geschmack und jede Stimmung etwas finden lassen. Außerdem gibt es zu jedem Ziel noch einen kleinen Zusatz-Tipp. Illustriert werden diese von sehr stimmungsvollen Fotos, welche die Sehnsucht nach Usedom schüren.
Bei unserem nächsten Besuch werde ich mir z.B. den Bücherbaum in Zempin ansehen, wo man die ausgelesene Urlaubsliteratur tauschen kann, aber auch die Kirche im Walde, der Kur- und Heilwald in Heringsdorf und der Sieben-Seen-Blick in Neu Sallenthin haben uns neugierig gemacht.
5 Sterne und meine Empfehlung für alle neuen und altgedienten Usedom-Urlauber.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.04.2019
Honigduft und Meeresbrise (Neuauflage)
Barns, Anne

Honigduft und Meeresbrise (Neuauflage)


ausgezeichnet

Ein Feldpostbrief für Martha
... ist es, der die Geschichte ins Rollen bringt.

Anna steckt gerade in einer Lebenskrise. Ihre beste Freundin Mona ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen und kurz darauf starb auch noch ihr Opa. Ihr Freund Jens hat kein wirkliches Verständnis für ihre anhaltende Trauer, weil er gerade mitten in seiner Doktorarbeit steckt. Also verkriecht sich Anna bei ihrer Oma Johanna in Lüdinghausen. Schon der Duft des frisch geschleuderten Honigs, den ihre Oma selber erntet und verarbeitet, lässt Anna etwas zur Ruhe kommen.
Da steht der Postbote mit einer Reporterin und einem alten Feldpostbrief vor Johannas Tür. Der Brief wurde 1941 auf Jersey von einem gewissen Johann Kranichberg an Johannas Mutter Martha, wohnhaft in Ahrenshoop, geschrieben. Johanna glaubt erst an eine Verwechslung, ihre Mutter war ihres Wissens nach nie in Ahrenshoop und auch der Absender sagt ihr nicht. Trotzdem lässt sie sich von Anna überreden und öffnet den Brief - und erfährt ein altes Familiengeheimnis. Um zu erfahren, was damals wirklich passiert und aus Johann geworden ist, fahren Anna und Oma Johanna spontan nach Ahrenshoop. Vielleicht können sie dort mehr über die Vergangenheit erfahren?
Der Darß hält wirklich so einige Geheimnisse für Anna bereit. Warum kennt sich Johanna in dem gemieteten Haus so aus, wenn sie noch nie da war? Wieso sieht eine junge Frau dort Johannas Vater so ähnlich? Und was hat es mit der Muschel auf ihrer Fensterbank auf sich, die der ihrer Uroma so ähnlich sieht?

„Honigduft und Meeresbrise“ ist nach „Apfelkuchen am Meer“ und „Drei Schwestern am Meer“ bereits der 3. Roman von Anne Barns mit echter Meeres-Wohlfühlgarantie. Ganz schnell ist man auf dem Darß und im Buch angekommen. Mir gefällt, dass Anne Barns Protagonisten immer sehr vielschichtig und aus dem Leben gegriffen sind.
Anna hat mir sehr leid getan. Sie gibt sich die Schuld an Monas Tod, weil diese damals auf dem Weg zu ihr war, als der Unfall passierte. Auch Timo, Monas Partner, ist noch nicht darüber hinweg. Er war damals der erste Mann, für den Anna und Mona gemeinsam geschwärmt haben. Mona hat ihn bekommen, doch jetzt entwickeln sich zwischen ihm und Anna zarte Bande. Wäre das nicht Betrug an Mona?! Und was ist mit Jens? Ihre Beziehung läuft zur Zeit zwar nicht so toll, aber daran könnte man ja arbeiten.
Dann taucht auch noch Annas beste Freundin Peggy aus Kindertagen wieder auf. Mona hat Peggy damals abgelöst, man hatte sich aus den Augen verloren. Trotzdem verstehen sich die beiden jetzt auf Anhieb wieder. Aber so ganz kann Anna ihre Vorbehalte gegenüber Peggy noch nicht fallen lassen. Die Auszeit am Meer kommt Anna da gerade recht. Auf dem Darß fallen ihr die Entscheidungen plötzlich viel leichter: „Über Ahrenshoop liegt ein Zauber, dem du dich nicht entziehen kannst.“ (S. 207)
Ihre Oma Johanna habe ich sofort gemocht. Sie ist eine Frau mit einem großen Herzen und tollem Humor, die mit beiden Beinen fest im Leben steht. Sie ist immer für andere da, obwohl sie selbst um ihren Mann trauert. Johanna fängt Anna auf, versorgt sie mit Honig(Schnaps), guter Hausmannskost, Lebensweisheiten und lenkt sie mit der Suche nach der Vergangenheit von ihrer Trauer ab.

„Honigduft und Meeresbrise“ ist ein wunderbarer Roman über Geheimnisse, Freundschaft, Liebe, Familie und Mee(h)r, bei dem man den Sand zwischen den Zehen, den Honig im Mund und Wind und Wellen auf der Haut spüren kann.

Bewertung vom 01.04.2019
Madame Piaf und das Lied der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.9
Marly, Michelle

Madame Piaf und das Lied der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.9


ausgezeichnet

Es gibt wohl kaum jemanden, der den von Édith Piaf gesungenen Chanson „La vie en Rose“ noch nie gehört hat. Aber welche Geschichte steht hinter dem Text, den sie selbst geschrieben hat? Es ist das Lied von Édiths Liebe zu Yves Montand.

Die beiden lernen sich 1944 kennen. Der Krieg in Frankreich ist gerade vorbei und die „Säuberungsaktionen“ laufen – auch Édith wird der Kollaboration mit Deutschen verdächtigt, weil sie in deutschen Kriegsgefangenenlagern gesungen hat. Édith hat Angst vor einer Verhaftung. Aber sie ist auch berühmt, soll in wenigen Wochen bei der Wiedereröffnung des Moulin Rouge auftreten und braucht noch einen „Anheizer“. Man schlägt ihr Yves Montand vor. Als sie sich zum ersten Mal sehen, sind sie sich sofort unsympathisch. Er nennt sie „Weltschmerzheulsuse“. Sie findet ihn talentlos, grotesk, albern und peinlich – kurzum: unmöglich. Bis er anfängt, Chansons zu singen ...

Selten gab es ein ungleicheres Liebespaar als Édith und Yves. Sie ist nicht mal 1,50 m, er fast 1,90 m, sie ist keine klassische Schönheit, er ein Frauenschwarm, sie katholisch und politisch eher unbedarft, er sehr engagiert, sie hat keine richtige Familie, er eine große italienische. Außerdem ist Édith 6 Jahre älter als Yves und hat eine großen Verschleiß an Liebhabern, nie hält sie es lange mit ihnen aus.

Michelle Marly erzählt die Geschichte einer kleinen Frau mit einem riesengroßen Herzen, die gern lebt, liebt, lacht, genießt und ihr Geld mit vollen Händen für sich und ihre Freunde ausgibt. Dabei stammt sie von ganz unten. Die Mutter hat die Familie verlassen, als sie gerade mal 2 Monate alt war. Ihr Vater hat ihr früh klar gemacht, dass sie Geld verdienen muss.
Erinnerungen und Ängste verdrängt Édith erfolgreich. Ihren Alltag meistert sie mit Hilfe ihre Entourage, zu der u.a. ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Simon zählt, die das (oft nicht vorhandene) Geld verwaltet, Sekretärin Dédée, Komponistin Marguerit Monnot (Guite) und Texter und Liebhaber Henri Content. Sie alle sorgen dafür, dass „die Marke Piaf“ funktioniert.

Und jetzt kommt da Yves. Der Sohn italienischer Einwanderer stammt auch aus ärmsten Verhältnissen, hatte im Gegensatz zu ihr aber eine behütete Kindheit und ist Teil einer großen liebevollen Familie. Schnell wird aus ihm und Édith ein Paar. Ihn scheint sie zum ersten Mal wirklich zu lieben – was nicht heißt, dass sie Henri sofort aus ihrem Bett oder Leben wirft. Aber für Yves nimmt sie sich zurück, protegiert und unterstützt ihn, bis er ihre Erwartungen übererfüllt. Jetzt müssen sich ihre künstlerischen Wege trennen, sagen die Veranstalter.
Auch ihre Liebe wird immer komplizierter, Yves immer besitzergreifender. Nur einen richtigen Antrag macht er ihr nie.

Michelle Marly hat es nach „Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe“ auch hier wieder geschafft, dass Édith, Yves und die anderen historischen Personen vor meinem inneren Auge lebendig wurden. Sehr bildlich schildert sie die damalige Lebensart, das französische Flair, welches auch kurz nach dem Krieg schon wieder zu spüren ist. Die schwierige Zeit zwischen Krieg und Frieden, die von Hunger und Ängsten, aber auch der Sehnsucht nach der guten alten Zeit und Unterhaltung geprägt ist.
Ja, Édith erscheint oft egoistisch, trotzdem mochte ich sie sehr. Ihren trockenen Humor und dass sie für ihre Freunde da ist, dass sie aus dem unbekannten Yves Montand einen Star macht und ihn nicht klein hält. Fesselnd und gespickt mit vielen Hintergrundinformationen erzählt die Autorin die große Liebe der „kleinen großen Édith Piaf“, in die ich eintauchen und den Alltag ringsum vergessen konnte.

Bewertung vom 28.03.2019
Sterne sieht man nur im Dunkeln
Werkmeister, Meike

Sterne sieht man nur im Dunkeln


ausgezeichnet

Wenn eine Auszeit am Meer Kopf und Herz so richtig durchpustet

„Ich finde, wir sollten heiraten.“ (S. 21) – jede andere Frau würde nach 10 Jahren Beziehung in Freudentränen ausbrechen, aber für Anni fühlt sich Thies Antrag falsch an. Sie lieben sich, keine Frage, aber sie sind doch auch ohne Trauschein glücklich. Außerdem hat ihr Chef ihr gerade das Angebot gemacht, die neue Niederlassung in Berlin zu leiten. Anni hat schon während des Studiums als Gamedesignerin gearbeitet und ist dort hängengeblieben, hat ihren Abschluss nie gemacht. Aber seit einiger Zeit ist sie nicht mehr ganz so glücklich im Job. Sie hat sich ein zweites Standbein geschaffen, indem sie Kunstdrucke als Poster und Postkarten entwirft und online verkauft.
Als Thies eine berufliche Veränderung nicht mal in Betracht zieht, kracht es zwischen ihnen. „Mein Thies, den ich immer für meinen Seelenverwandten gehalten hatte und den ich in letzter Zeit immer weniger verstand.“ (S. 49)
Und plötzlich ist da die Postkarte von ihrer ehemals besten Freundin Maria aus Norderney. 10 Jahre herrschte Funkstille zwischen ihnen. Kurzentschlossen nimmt sich Anni 6 Wochen frei und fährt zu ihr. Sie muss ihr Leben überdenken und entscheiden, wie es weitergehen soll ...

Obwohl das Debüt „Sterne sieht man nur im Dunklen“ von Meike Werkmeister als Liebesgeschichte angepriesen wird, steht diese für mich nicht im Vordergrund. Das Buch sagt sehr viel mehr aus, die Geschichte geht viel tiefer.
Anni ist Mitte 30 als sie merkt, dass sie und ihr Freund sich immer mehr auseinander leben. Nach dem Erfolg im Job sollen jetzt also Hochzeit, Kinder, Hund, Haus und Garten kommen. Dabei haben sie gerade die Freiheit, die sie sich gegenseitig gewährt haben, immer genossen.
Auf Norderney muss sie sich zusätzlich noch mit ihrer Herkunft und Vergangenheit auseinandersetzen, denn es gab einen guten Grund für die jahrelange Funkstille zwischen Marie und ihr – ihre Jugendliebe Jan. Wegen ihm kann Anni nur noch schwer vertrauen und ist sich unsicher in ihrer Beziehung zu Thies: „Ich trau dem Glück nur nicht mehr so recht über den Weg.“ (S. 155) Dabei war der bisher immer ihr sicherer Hafen, ihr Fels in der Brandung.

Das Buch ist eine echte Achterbahnfahrt der Gefühle und hat mich mehrfach überrascht, sprachlos gemacht und ja – ich musste auch 2-3 Tränchen wegdrücken. Einmal angefangen konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen und habe es in einer Nacht durchgelesen. Es zeigt, was Liebe alles sein kann, dass man auch verzeihen können, sein Schicksal annehmen und auf seine innere Stimme hören muss. „Manchmal braucht es eine Veränderung von außen, damit sich innen was bewegt.“ (S. 112)

Norderney bildet das perfekte Setting für diese Geschichte. Man kann den Sand zwischen den Zehen und Zähnen und den Wind und das Meerwasser im Gesicht förmlich spüren.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.03.2019
Die Bücherinsel / Inselbuchhandlung Bd.2
Mommsen, Janne

Die Bücherinsel / Inselbuchhandlung Bd.2


sehr gut

Sandra lebt seit 5 Jahren auf einer kleinen Insel, auf der jeder jeden kennt. Trotzdem hat sie es bisher geschafft, ihr größtes Geheimnis zu bewahren – sie ist Analphabetin. Nur Greta vom Insel-Buchladen weiß davon und ist sehr überrascht, als sich Sandra dem Lesekreis von Polizistin Ellen, Krabbenfischer Jan (Ellens Freund), Arzthelferin Andrea, dem neuen Grundschullehrer Björn und Werbetexterin Franziska aus Hamburg anschließt. Björn ist aber auch zu süß und da Sandra sehr viele Hörbücher hört, kann sie problemlos mitreden. Erst als sie vorlesen soll, kommt sie kurz ins Schwimmen – doch ihre alte Ausrede „Brille vergessen“ wird anstandslos akzeptiert. Auch auf Arbeit (sie putzt auf einer Fähre) ist ihr Analphabetismus noch niemandem aufgefallen.

Franziska liebt ihre Insel, die Natur, das Wasser, Licht, Farben und Stimmungen. Ihre Eindrücke verarbeitet sie in der Geschichte „Farben der Insel“, die sie in ein Diktiergerät spricht. Als sie die Geschichte im Lesekreis vorträgt, sind alle begeistert.
Nachdem sie einen tollen Nachmittag mit Björn verbracht hat beginnt sie, von mehr zu träumen: einem richtigen Beruf und einer Hochzeit in weiß – mit Björn vielleicht?! Doch sie fürchtet, dass die Unterschiede zwischen ihnen zu groß sind. Welcher kluge Mann würde sich schon in sie dumme Frau verlieben? Und dann wird sie auch noch von ihrer Vergangenheit eingeholt. Die Familie braucht sie. Gibt sie etwa auf, noch bevor es begonnen hat? Dabei besagt ihr Motto genau das Gegenteil: „Man darf nie aufgeben, es sei denn, man stirbt zufällig gerade.“ (S. 172)

Ich habe mich gefreut, bereits bekannten Protagonisten aus „Die kleine Inselbuchhandlung“ wieder zu begegnen. Die Bücher können aber unabhängig voneinander gelesen werden.
Janne Mommsen beschreibt die Natur der kleinen Insel sehr poetisch. Zudem schreibt er sehr humorvoll über das Miteinander der Bewohner („Du kannst ehrlich zu mir sein, Sandra, ... Nimmt der Gerke Drogen? Oder säuft er?“ (S. 48)) und lädt zum Träumen über Insel-Urlaube und die Liebe ein.
Im Gegensatz zu seinen anderen Büchern hat mir hier etwas Tiefe gefehlt. Das Drama um Sandras Analphabetismus und ihre Familie war mir stellenweise etwas zu viel, dafür war mir das Happy End zu abrupt und unromantisch. Dafür kann ich leider nur 3,5 Sterne vergeben.

Bewertung vom 27.03.2019
Tante Poldi und die Schwarze Madonna / Tante Poldi Bd.4
Giordano, Mario

Tante Poldi und die Schwarze Madonna / Tante Poldi Bd.4


ausgezeichnet

Der Deal mit dem Tod

Beim Exorzismus einer Frau in Rom behauptet deren Dämon plötzlich auf bayrisch, er sei Poldi: „Isolde Oberreiter aus Torre Archiafi, hast mi?!“ (S. 9). Wenige Stunden später stürzt sich die junge Nonne, die dieser Beschwörung assistiert hat, vom Dach der päpstlichen Wohnung zu Tode. Da ist es nicht verwunderlich, dass ein Commissario der vatikanischen Gendarmerie und ein päpstlicher Padre vor Poldis Tür stehen, um sie zu befragen. Und obwohl Poldi weder die Besessene noch die Nonne kennt und der Fall für sie damit eigentlich erledigt wäre, macht sie sich natürlich selbst auf den Weg nach Rom, um zu ermitteln. Dabei bringt sie anscheinend ganz Torre Archiafi gegen sich auf, denn es werden Drohungen an ihre Hauswand gesprüht und die Signora Cocuzza kündigt ihr die Freundschaft.
Doch auch der Neffe hat ein Problem. Irgendwas ist im Urlaub mit Valérie schief gegangen, aber er will (noch) nicht drüber reden.

Tante Poldi steckt wieder mal in Schwierigkeiten. OK, das ist für den Neffen jetzt nichts Neues, auch nicht, dass er in den Fall mit reingezogen wird. Neu ist allerdings, dass er sich jetzt (endlich) als ihr offizieller „Krimiograf“ versteht – er dokumentiert und schreibt mit und wird aus ihren Fällen ein Buch machen. Mit seiner großen Familiensaga kommt er nämlich nicht wirklich weiter.
Aber es gibt ein klitzekleines Problem – der Tod hat der Poldi ein Geschäft vorgeschlagen (welches, verrate ich hier natürlich nicht). Doch es sieht nicht so aus, als ob sich die Poldi an ihren Teil der Abmachen würde halten können ...
Also wird wieder ermittelt, geflucht, gestritten, geliebt, geschrieben und die Perücke autgetufft.

Ich liebe Tante Poldi und ihren Neffen einfach – den Humor, die Sprüche, die Spannung und das Zwischenmenschliche. Er hat bei ihr aber auch wirklich nichts melden. Außerdem warte ich inzwischen immer schon gespannt auf den Auftritt der Berühmtheiten, die Donna Poldina kennt – neben dem Papst sind es diesmal Gianna Nannini, Adiano Celentano (Danke für die Ohrwürmer lieber Mario Giordano) und Steve Jobs. Poldi ist eben einfach ein Original: gewitzt, erfahren, weit rumgekommen und sehr schlau. In ihren Commissario Vito Montana ist sie immer noch sehr verliebt – welches Vollweib könnte seiner „zyklopischen Virilität“ schon widerstehen?! Aber auch Russo scheint sich ja sehr für sie zu interessieren und es ist lange nicht klar, ob und wie er in diesen Fall involviert ist.

Mario Girodanos Erzählstil ist einzigartig. Er zelebriert die deutsche Sprache geradezu, wirft mit Aufzählungen, Adjektiven und Superlativen nur so um sich – vor allem, wenn es um „Dings“ geht ;-).

Die Handlung ist extrem spannend, mit mehr als einem echten Cliffhanger und einem filmreifen Showdown. Apropos: Die Bücher sollen nicht zufällig verfilmt werden? Also ich würde das Kino stürmen.
Mich fasziniert, wie gekonnt immer wieder Details der Vorgängerbände integriert werden – hier taucht z.B. Kigumbe aus „Tante Poldi und der schöne Antonio“ wieder auf. Die Geschichte scheint nie abschließend auserzählt, alles ist miteinander verwoben. Ich hoffe, dass Poldi 100 wird und bis zum bitteren Ende ermittelt!

Bewertung vom 26.03.2019
Zum Glück gibt es Umwege
Buist, Anne;Simsion, Graeme

Zum Glück gibt es Umwege


ausgezeichnet

Schon seit über 1000 Jahren pilgern Gläubige und Ungläubige nach Santiago de Compostela. Inzwischen gehen jährlich um die 300.000 Menschen den Camino. Dabei geht es längst nicht mehr allen um das Vergeben der Sünden, es scheint viel eher eine neue Art der Selbstfindung und des Auslotens seiner Grenzen zu sein.
Nicht erst seit „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling bin ich ein großer Fan des Pilgerns, denn auch viele historische Romane beschäftigen sich schon länger mit diesem Thema. Ich möchte den Jakobsweg auch irgendwann gehen, kreuze den sächsischen Abschnitt regelmäßig beim Gassigehen. Aber im Gegensatz zu Martin und Zoe, den beiden Hauptfiguren in „Zum Glück gibt es Umwege“, fehlt mir bisher noch der finale Anstoß.

Zoe und Martin sind gerade in einer Sinn- bzw. Lebenskrise. Sie ist frisch verwitwet und will in Cluny ihre ehemalige Studienfreundin Camille besuchen, da fällt ihr in einem Antiquitätengeschäft eine sehr ungewöhnliche Pilgermuschel auf. Obwohl es nie geplant war und sie weder die passende Ausrüstung noch genügend Geld hat, schafft sie sich eine kleine Grundausstattung an und läuft einfach los.
Martin wurde von seiner Frau betrogen und ist frisch geschieden. Er unterrichtet in Cluny Studenten und hat mit ihnen einen Wanderkarren für Pilger entwickelt, die ihr Gepäck nicht auf dem Rücken tragen können. Er geht die Reise wissenschaftlich an und will beweisen, dass der Karren wirklich funktioniert, denn er sucht einen Investor für die Serienproduktion.

Ich fand es sehr spannend, dass durch die beiden Hauptprotagonisten der Camino immer aus mindestens zwei Sichtweisen geschildert wird. Dazu kreuzt Bernhard mehrfach ihren Weg – ein junger Mann, welcher vor allem das Leben zu lieben scheint und sich fordernd und frech ungefragt in das Leben anderer einmischt.
Sie alle gehen zwar den gleichen Weg und treffen oft auch die gleichen Leute, machen aber nicht die gleichen Erfahrungen mir ihnen. Dass man seine Umgebung unterschiedlich wahrnimmt und es verschiedene Sichten auf die gleichen Dinge gibt, vergisst bzw. verdrängt man im Alltag oft – auf dem Camino hingegen wird es nur zu deutlich.

Als Zoe losläuft, glaubt sie noch den plötzlichen Tod ihres Mannes verarbeiten zu müssen, dabei gehen ihre Zweifel und Sorgen tiefer, reichen viel weiter in ihre Vergangenheit zurück. Erst nach und nach gesteht sie sich ein, was sie all die Jahre verdrängt hat. Außerdem muss sie sich klar werden, wo, wie und wovon sie in Zukunft leben will.
Martin meint, den Camino nur zu gehen, damit er am Ende seinen Karren an den Meistbietenden verkaufen kann. Aber seine Scheidung hat die Beziehung zu seiner Tochter sehr belastet und es gelingt ihm nur schwer, sich ihr wieder anzunähern.
Zoe und Martin sind sehr verschieden. Sie laufen den Weg nicht zusammen, treffen sich aber zwangsläufig (und manchmal auch geplant) immer wieder. Zwischen ihnen entwickeln sich zarte Bande und man hat das Gefühl, dass das zwischen ihnen was fürs Leben werden könnten. Aber sie kommen aus verschiedenen Teilen der Welt.

Man merkt dem Buch an, dass Grame Simsion und Anne Buist den Camino selbst gewandert sind und sie beim Schreiben eigene Erlebnisse einfließen ließen – das Leben ist manchmal nämlich noch viel verrückter als die Fantasie. Sie haben einen sehr angenehmen Erzählstil, ihre Beschreibungen der Pilger und des Weges haben die Bilder in meinem Kopf lebendig werden lassen.
Besonders gefiel mir das Zusammengehörigkeitsgefühl der Pilger untereinander, welches immer wieder beschrieben wird. Man hilft sich, teilt das Essen, die Unterkunft und vor allem die Erfahrungen. Das hat mich beeindruckt.

„Zum Glück gibt es Umwege“ hat mich zum Schmunzeln und vor allem zum Nachdenken gebracht. Was ist wirklich wichtig, wo komme ich her und wo will ich hin. Vor allem aber hat es mich in meinem Vorsatz bestärkt, den Camino auch eines Tages zu laufen.

Bewertung vom 20.03.2019
Die Alpen sehen und sterben
Archan, Isabella

Die Alpen sehen und sterben


ausgezeichnet

Maria Konstanze Schlager – genannt Mitzi – macht in Kufstein Urlaub, als sie eines Nachts auf einer Brücke einen Mord beobachtet. Sie sieht den Täter, kann sich bei der Polizei aber nicht an sein Gesicht, sondern nur an seinen Cowboyhut erinnern. Die Beamtin glaubt ihr nicht recht, zumal Mitzi ihre Beobachtung immer weiter ausschmückt: „Jetzt erzählen sie mir alles noch einmal. Halten sie sich am Geländer und an der Wahrheit fest.“ (S. 28)
Am nächsten Tag spricht sie ein Mann in einem Buchcafé an. Erst hinterher wird ihr klar, dass es wieder der Mörder war. Gegenüber der ermittelnden Inspektorin Agnes Kirschmüller deutet sie diese Begegnung zwar an, aber die versteht sie nicht. Für Agnes ist Mitzi eine unsichere junge Frau, die sich gern in Tagträume und Geschichten flüchtet. Agnes ist noch kein Jahr im Dienst und das ist ihr erster Mordfall, den ihr dann auch gleich das Tiroler LKA abnimmt. Trotzdem hält sie den Kontakt zu Mitzi ...

„Die Alpen sehen und sterben“ von Isabella Archan ist kein typischer kein „Whodunit“-Krimi, da man den Täter von Beginn an kennt. Eine weitere Besonderheit ist, dass sich der deutlich ältere Mörder und Mitzi zueinander hingezogen fühlen und eine ungesunde Symbiose bilden. Denn obwohl Mitzi Angst vor ihm hat, sucht sie immer wieder seine Nähe: „Ich hab soviel Angst, dass ich schon über die Stufe hinaus bin, bei der ich sie noch empfinden kann.“ (S. 167) Sie durchlebt ein Wechselbad der Gefühle, ist gleichzeitig ängstlich und fasziniert, fühlt sich abgestoßen und angezogen. „Ich erwarte jedes Mal ein Monster, begegne aber einem Menschen.“ (S. 192) Und auch er verfolgt sie, spricht sie immer wieder an – wohlwissend, dass er sich damit in Gefahr bringt.

Der Krimi ist sehr intelligent und extrem spannend. Nicht immer ist klar, wer gerade der Jäger ist und wer der Gejagte. Die Story wird abwechselnd aus der Sicht des Mörders, der Tatzeugin und der ermittelnden Beamten erzählt.
„ER“ ist ein sehr wandlungsfähiger Mann in den besten Jahren, den man sieht und gleich wieder vergisst. Aber er ist eben auch nur ein Mensch und hofft, noch bis zum nächsten runden Geburtstag durchzuhalten, bevor er sich zur Ruhe setzt. Ausgerechnet Mitzi, die sonst so ungeübt im Umgang mit anderen Menschen und im Knüpfen von Beziehungen ist, bringt diesen Plan und seine Tarnung gewaltig ins Wanken.
Neben Inspektorin Agnes ermittelt auch der vorübergehend dienstuntaugliche Kriminalhauptkommissar Heinz Baldur. Er leidet an einer dissoziativen Identitätsstörung und „lebt“ mit Luis zusammen, dem Geist des Autofahrers, der vor vielen Jahren Heinz’ Vater bei einem Unfall getötet hat. „Manchmal meine ich, dass ich weniger existiere als er.“ (S. 232) Zu Heinz aktiver Zeit gab es zwei ähnliche, bisher ungelöste Mordfälle in Frankfurt, später hat er weitere recherchiert und vermutet einen Auftragskiller dahinter. Seine Kollegen glaub(t)en ihm allerdings nicht.

Mein Fazit: Ein Mord, eine naive Zeugin, ein skurriler Mörder, der ihre Nähe sucht, eine junge Polizistin und ein KHK a.D. mit einer dissoziativen Identitätsstörung - das sind die Zutaten zum ungewöhnlichsten Krimi, den ich je gelesen habe! 5 Sterne und meine unbedingte Leseempfehlung.

Bewertung vom 18.03.2019
Tod im Land der tausend Seen
Jürß, Jana

Tod im Land der tausend Seen


ausgezeichnet

Wirre Handlung

„Du magst die Vergangenheit nicht so sehr, oder?“ „Ich versuche mit großer Mühe, das Heute zu ertragen. Deshalb habe ich keine Nerven, mich mit allem anderen auch noch zu beschäftigen.“ (S. 24) Lilo Glück ist seit 5 Jahren Witwe und gerade mit ihren Kindern von Stuttgart in ihre Geburtsstadt Neustrelitz zurückgezogen. Sie hat sich ihren Lebenstraum erfüllt und einen Buchladen übernommen. Der Tod ihres Mannes nimmt sie immer noch mit, sie fasst nur schwer Fuß und hat Probleme, neue Freundschaften zu schließen oder alte wieder aufleben zu lassen. Ihre Kindheit und Jugend in der DDR bis zur Flucht in den Westen scheint problematisch gewesen zu sein - sie möchte über diese Zeit nicht reden. Bei einer Wanderung im Müritz-Nationalpark stolpert sie über einen menschlichen Schädel.
Wenige Monate später findet Lilo bei der nächsten Wanderung die Leiche von Martin Friedemann, der Nationalparkamt arbeitete. Lilo und er gingen früher in eine Klasse. Hat sie sich für seine Drangsalierungen von früher gerächt? Oder hängen die beiden Mordfälle zusammen? Die Polizei ermittelt noch in alle Richtungen, da blasen besorgte Bürger bereits zur Hexenjagd auf Lilo – die hatte doch früher schon immer was zu verbergen ...

Ich mag Cosy-Krimis sehr und in Mecklenburg-Vorpommern haben wir früher jeden Sommer Urlaub gemacht, außerdem stammt mein Mann von da. Auch die Themen DDR-Flucht und Stasi finde ich spannend. Land und Leute werden sehr anschaulich beschrieben und auch mit geschichtlichen Hintergründen wird nicht gegeizt. Das Setting passt also. Auch die Mordfälle sind sehr spannend. Trotzdem bin ich mit „Tod im Land der tausend Seen“ von Jana Jürss nicht richtig warm geworden.

Das liegt zum einen an Lilo. Ihre Vergangenheit wird nur angedeutet, vieles bleibt unklar. Ist sie gemobbt worden? War sie bei der Stasi? Auf jeden Fall ist sie auf ihre früheren Mitschüler nicht gut zu sprechen. Auch erscheint ihre Persönlichkeit sehr unausgewogen. Sie ist einerseits sehr weinerlich, wird andererseits schnell wütend – das irritiert nicht nur die ermittelnden Beamten. Diese, Hauptkommissar Jens Meinhard und Kommissar Wilko Janssen, sind erst seit kurzem ein Team und müssen sich erst noch zusammenraufen. Den dauernden Streit zwischen ihnen fand ich etwas ermüdend.
Dazu kommen fehlende Zeitangaben. Die Ermittlungen erstreckten sich über mehrere Monate, aber das muss man sich aus Nebensätzen zusammenreimen. Und der Täter tauchte am Ende auf wie Kai aus der Kiste, ohne das ich ihn vorher überhaupt mal bewusst wahrgenommen hatte.
Darum gibt es von mir leider nur 3 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.