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melange
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Bonn
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 867 Bewertungen
Bewertung vom 31.03.2014
Winterkinder
Matthews, Owen

Winterkinder


ausgezeichnet

Liebe zwischen zwei Welten

Zum Inhalt:
In seinem Roman beschreibt Owen Matthews hauptsächlich die Liebe seines Vaters Mervyn zu seiner Mutter Ljudmila, dich sich lange Jahre nur durch Briefe zu nähren wusste. Flankiert wird diese Geschichte von der Vergangenheit seiner Großeltern im stalinistischen Russland und seinen eigenen Erlebnissen im Russland von Glasnost und Perestroika.

Zum Cover:
Wunderschön und entrückt, kalt und abweisend, genauso, wie sich Russland der Liebe gegenüber zeigte und wie sich die Liebenden darüber hinwegsetzten: Perfekt eingefangen!

Mein Eindruck:
Die Wahrhaftigkeit der Geschichte ist das, was den großen Reiz für den Lesenden ausmacht. Von den Zeiten Stalins, die der russische Großvater nicht überlebte und welche Großmutter, Mutter und Tante des Autors prägte, bis hin zum heutigen Russland, im dem Wenige hemmungslos Konsum und Luxus frönen, während viele andere unter die Räder kommen.
Das große Kernstück jedoch - die Briefliebe von Vater und Mutter - zeigt in fantastischer Weise Verzweiflung, Hoffnung und Glück, wie es ein fiktiver Roman nicht annähernd zu schaffen vermag. Die große Tragik, dass sich diese Liebe nicht in die wirkliche Welt retten kann, ist dabei so echt, dass es schon fast wieder wie eine erdachte Geschichte wirkt.
Hauptsächlich befasst sich Matthews mit der russischen Seite seiner Vorfahren bzw. mit den Teilen derer Vergangenheit, die in Russland spielen. Das spiegelt sich in den meisten der eingestreuten Fotografien wider. Die Zeiten in Großbritannien befassen sich fast ausschließlich mit dem Kampf von Mervyn um die Ausreise Ljudmilas, Orte und Menschen hier werden erwähnt, aber nicht näher beschrieben und scheinen beliebig austauschbar weil unwichtig. Da jedoch die russischen Teilstücke nicht nur in exotischer und interessanter Umgebung stattfinden, sondern die Vorkommnisse bedeutend dramatisch ablaufen (Verhaftungen, Flucht, Hungersnöte und Verfolgung), verhilft genau dieser Umstand dem Roman zu Spannung und Tiefe.
Die Ergänzung durch Fotos, eine ausführliche Bibliografie und ein Personenregister trägt zu einer Identifikation mit dem Buch bei, die ein einfacher Text nicht geschafft hätte.

Fazit:
Eine überaus gelungene Aufarbeitung der Familiengeschichte

5 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.03.2014
Frauen am Rande des Strandes
Groff, Maggie

Frauen am Rande des Strandes


sehr gut

Miss Marple ist Australierin

Zum Inhalt:
Die Journalistin Scout Davis erhält den Auftrag, einer aus Amerika nach Australien übergesiedelten Sekte nachzuforschen. Nebenher ist sie Mitglied der Strick-Guerilla und hilft ihrer Schwester Harper bei privaten Problemen und kriminellen Vorkommnissen an deren Schule. Ganz wie eine verjüngte Version der pfiffigen Schnüfflerin aus Merry Old England verlässt sie sich nicht auf Waffen, sondern auf ihren Instinkt und besitzt ebenfalls gute Kontakte zu den "echten" Ermittlern, wenn auch auf etwas anderem Gebiet.

Zu Cover und Titel:
Schön der Verweis auf Wolle und die Katze Miau-Zedong. Warum das Buch "Frauen am Rande des Strandes" in der deutschen Übersetzung genannt wird, ist mir - auch mit zum Titel passendem Cover - ein Rätsel. Der Originaltitel "Verrückte Männer, schlechte Mädchen" passt gerade mit seinem Bezug auf Sektenführer und Mädchenclique an Harpers Schule inhaltlich bedeutend besser.

Mein Eindruck:
Wegen des unpassenden Titels keine lange Feindschaft! Dafür ist die Geschichte viel zu charmant geschrieben. Obwohl bis zum Schluss keine Einsortierung in ein Genre möglich ist, macht die Mischung aus Krimi, Liebesgeschichte, Komödie und Familienerzählung großen Spaß. Zwar übertreibt die Autorin für meinen Geschmack die Beschäftigung Scouts mit ihrem Diabetes, da diese Krankheit jedoch den Aufhänger für einige witzige und spannende Teilstücke der Handlung bietet, ist diese Nabelschau entschuldbar. Einen inhaltlichen Kunstgriff zum Schluss fand ich besonders gekonnt: Die Ich-Erzählerin zählt die ganzen ungeklärten Rätsel der Geschichte auf, um dann zu erklären:" Das hätte ich auch gerne erfahren!" Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss selbst der miesepetrigste Leser über die Raffinesse der Erzählung schmunzeln.
Durch die interessanten Konstellationen innerhalb der Familie, dem Freundes- und Bekanntenkreis und dem beruflichen Umfeld und durch den hintersinnigen, teilweise britisch anmutenden Humos bieten sich noch einige Möglichkeiten der Fortsetzung der Geschichten um Scout Davis an, - und darauf kann man sich jetzt schon freuen.

Fazit:
Ein ruhig, aber nicht langweilig dahinplätschernder Krimi mit humorvollen und familiären Touch.
4 Sterne

Bewertung vom 02.03.2014
Vergeltung
Winslow, Don

Vergeltung


gut

Spannung, Action und zu viele Waffen

Zum Inhalt:
Nachdem die amerikanische Regierung den Anschlag auf ein Passagierflugzeug aus politischen Gründen totschweigen will, mobilisiert der Ex-Elitesoldat Dave Collins eine Söldnertruppe. Diese soll den Tod von Collins Frau und Sohn rächen, welche in dem Flugzeug saßen, das auf Befehl des Terroristen Aziz abgeschossen wurde. Während Aziz an einem noch größeren Anschlag tüftelt, kommt Daves Truppe ihm immer näher, - bis zum Showdown auf einer indonesischen Insel.

Zum Cover:
Brennendes Flugzeug über der Skyline von New York, Blockbuchstaben in stahlfarbener Schrift, - die Härte der Geschichte, die Härte der Mission und die Härte der Söldner und der Terroristen sehen sich perfekt dargestellt.

Mein Eindruck:
Ja, die Story ist spannend. Ja, der Stakkato-Stil von Winslow gefällt mir. Ja, die Beweggründe aller handelnden Personen sind nachvollziehbar. Aber: Ja, ich bin ein Stückweit enttäuscht!
Und zwar ein Stückweit ungefähr von der Reichweite eines B596, dem Nachfolgemodell des B595, welche als Kleinkalibergewehr etwa dem A566 entspricht, dabei aber mit mehr Patronen und höherer Durchschlagskraft punkten kann. Das ist das große Manko des Buchs, das stellenweise wie ein Katalog der Militärindustrie wirkt: Waffen werden nicht nur genannt, sondern in allen Einzelheiten in ihrer Leistungsfähigkeit und dem Unterschied zu anderen Modellen beschrieben. Ich frage mich ernsthaft: Wen interessiert das? 80 Seiten mit diesen nutzlosen Informationen hätten entweder ersatzlos gestrichen werden können, oder Winslow hätte sich mehr um die Zeichnung seiner Figuren bemühen können. So wirken die Söldner nur fast alle edel und gut, die Terroristen tumb und fanatisch und das bis zum Erbrechen. Diese Schwarz-Weiß-Malerei und der damit verbundene Patriotismus des aufrechten Manns, der tut, was ein Mann eben tun muss (wenn ihn seine Regierung politisch unkorrekt im Regen stehen lässt) hätte trotzdem wegen des wirklich brillanten Spannungsaufbaus gefallen können... aber irgendwann ist es eine Sprengstoffdurchschlagsbeschreibung zu viel und Ottilie-Normal-Leserin beginnt querzulesen.
Eine wirklich gute Textstelle möchte ich - ohne zu viel zu spoilern - trotzdem erwähnen, da ich sie zweimal gelesen habe: Es gibt eine Aktion, die nicht glatt läuft, weil eine Person falsch spielt. Dass das so ist, merkt man jedoch nicht beim ersten Lesen. Beim Zurückblättern fällt dann auf, dass die Sätze auch ganz anders interpretiert werden können. Das finde ich wirklich fantastisch!

Fazit: Die Technik würgt die Spannung fast ab. Für die Ehre und die Familie 3 Sterne

Bewertung vom 02.03.2014
Rabenschwestern
Kreslehner, Gabi

Rabenschwestern


sehr gut

Familiengeschichten

Zum Inhalt:
Franza Oberwieser, patente Kriminalbeamtin mit sympathischem Team, Ex-Mann, jungem Liebhaber und Plätzchenbackfimmel, muss den Mord an einer Töpferin aufklären. Diese fühlte sich von einem jungen Mann verfolgt, der auf der Suche nach seinen väterlichen Wurzeln ist und sie und ihre angenommene Schwester zur Vergangenheit befragen wollte. All das führt zu großen familiären Turbulenzen, die nicht nur durch den Mord einige Brüche zu Folge haben werden.

Cover und Titel:
Diese verstehe ich gerade im Nachhinein gar nicht, denn erstens mögen sich die Schwestern (teilweise fast zu sehr) und eine große Wiese hinter einem Gatter spielt überhaupt keine Rolle in dem Buch. Der erhabene Druck gefällt mir jedoch und verleiht dem Äußeren edle Güte.

Mein Eindruck:
Der Einfall Kreslehners, die Perspektive des Buchs kapitelweise wechseln zu lassen, verführt dazu, immer noch ein bisschen mehr zu lesen. Dazu schafft die Geschichte viel Angriffspotenzial für die kleinen, grauen Zellen der Leser: Einerseits das Privatleben des Ermittlerteams, welches zwar seine Ecken und Kanten vor allem für die Hauptperson Franza bietet, aber herrlich unaufgeregt und unspektakulär den Rahmen für die Mordermittlung bietet. Keine Leichen im Keller, keine unheilbaren Krankheiten, keine Depressionen, Drogenabhängigkeit oder Alkoholismus. Dazu ein Mord, in den mehrere Personen mit ihren ganz eigenen, unterschiedlichen Hoffnungen und Ängsten involviert sind. Und obwohl der Leser durch die Perspektivwechsel viele Informationen zum Fall erhält, bleibt er trotzdem lange im Unklaren über Tatmotiv und Täter, über das, was in ferner und naher Vergangenheit passierte. Stückchen für Stückchen erschließt sich das Puzzle und bietet letztendlich ein Gesamtkunstwerk von Schuld und Sühne, Liebe und Hass, Vergangenheit und Zukunft und einen Strudel der Ereignisse, der (an einer Stelle sogar plastisch) die Figuren verschlingt und wieder ausspuckt.

Fazit: Eine ernsthafte Geschichte über Fehler der Vergangenheit, die sich rächen und eine humorvolle Story über das Zusammenleben und -arbeiten und das Plätzchenbacken im Hier und Jetzt des Kommissariats.

4 Sterne

Bewertung vom 08.02.2014
Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung
D'Urbano, Valentina

Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung


gut

Trostlos, gnadenlos! Hoffnungslos?

Zum Inhalt:
Die junge Beatrice beschreibt ihr Aufwachsen in einer Armensiedlung Italiens und das Verhältnis zu Alfredo, dessen Beerdigung titelgebend für diesen Roman ist.

Zum Cover: Ein Aufbruch in ein (besseres) Leben, zwar noch in schwarz und ohne Schuhe, dafür aber mit gepackter Reisetasche und lackierten Fußnägeln. Dieses Cover trifft die Gefühle der Hauptprotagonistin sehr gut.

Mein Eindruck: Im Klappentext erfährt man, dass die junge Autorin in einem ähnlichen Viertel wie die Personen ihres Romans aufgewachsen ist. Daher verwundert nicht, dass sie Sprache und Umgebung treffend wiedergeben kann. Sie versteht es zu zeigen, dass auch unter widrigen Umständen Würde und Geborgenheit in einer Familie vorherrschen können und Ehrgefühl kein Privileg der gutbürgerlichen Schicht ist.
Leider tun sich dennoch einige Ungereimtheiten auf: Woher haben Beatrice und Alfredo das Geld, um sich das Bier und Haschisch zu leisten, welches sie dauernd konsumieren? Warum sieht Beatrice keine andere Möglichkeit als Schläge, Kratzen, Beißen und Treten, um Alfredo ihre Zuneigung zu zeigen? Schließlich sind ihre Eltern zwar arm, gehen aber zumeist liebevoll mit dem Nachwuchs um. Ganz im Gegenteil zu Alfredos Familie, - dieser jedoch bedenkt Beatrice mit vielen Schimpfworten, bleibt aber (bis auf eine sehr unrühmliche Ausnahme) gewaltfrei und bestraft sich lieber selbst. Hier zeigt sich auch das Manko einer Ich-Erzählerin: Wenn sich Beatrice so gut gegenüber den Lesenden erklären kann, warum schafft sie dieses dann nicht ein einziges Mal bei Alfredo?
Die ganze Erzählung gerät sehr trist und reiht ein unangenehmes Erlebnis an die nächste Prügelszene, eine Beschimpfung an den nächsten Entzug, einen Rückfall an die Beschreibung von Dreck; nur unterbrochen von einem kurzen Ausflug ans Meer und einiger Bastelstunden, die etwas Freude am Leben bereiten.
Glücklicherweise beschließt Beatrice zum Schluss den Abflug in ein anderes Leben, sonst hätte diese doch so dunkle Geschichte eine wahre Herausforderung für suizidgefährdete Zeitgenossen werden können.

Fazit:
Es wird Trauer sein und Schmerz. Für mich zu viel davon. Taschentücher bereithalten oder einen Eisblock ums Herz legen.

3 Sterne

Bewertung vom 08.02.2014
Die Verlobungen
Sullivan, J. Courtney

Die Verlobungen


sehr gut

Ein Diamant für die Ewigkeit

Zum Inhalt:
Fünf einzelne Geschichten - um eine Werbetexterin, ein älteres Paar, dessen Sohn sich scheiden lassen will, einen Violinvirtuosen und seine französische Freundin, eine sozial engagierte Frau mit schwulen Freunden und einen desillusionierten Krankenwagenfahrer, welcher um das wirtschaftliche Überleben seiner Familie kämpft - werden über einen Zeitraum von 65 Jahren für sich erzählt, um zum Schluss ineinander verwoben zu sein. Grundthemen sind dabei Diamanten (abstrakt als Slogan und konkret als Ringbestandteil) und Beziehungen, die starten, zerbrechen, gelebt und erkämpft werden.

Zur Aufmachung:
Titel und Cover passen zwar zusammen, sind aber für die Geschichten falsch gewählt. Eigentlich dreht sich alles um den Jahrhundert-Werbeslogan "A diamond is forever" und kaum um Verlobungen. Gut gefallen jedoch das Lesebändchen und der hochwertige Druck.

Mein Eindruck:
Mit großer Lässigkeit entwirft die Autorin ihre Geschichte um Beziehungen vieler Amerikaner und dreier Franzosen. Bewundernswert dabei die Art und Weise, wie sie sich den höchst unterschiedlichen Zeiten anpasst, in denen ihre Personen agieren: Egal ob ledige Frauen 1955 in Golfclubs unerwünscht sind, Scheidungen für die Eltern im Jahr 1972 undenkbar erscheinen oder 2012 Homoehen erlaubt sind, - J. Courtney Sullivan findet die richtigen Worte. Und obwohl sie die Leser lange im Unklaren über die Konstellationen der Figuren zueinander lässt, fügt sich zum Schluss alles ineinander wie ein gut berechnetes Uhrwerk. Das Schönste dabei ist zu merken, dass man bei sehr aufmerksamen Lesen schon früher auf einige Zusammenhänge hätte kommen könne, wenn man auf Vornamen, Eigenarten und Orte der Teilgeschichten geachtet hätte. Das Einzige, was man der Geschichte zum Vorwurf machen kann, ist ihr Dahinplätschern ohne große Dramatik...
... aber so ist das Leben ja größtenteils: Ein langer, ruhiger Fluss mit ein paar Stromschnellen.

Fazit:
Bitter, süß und strahlend, wie die Liebe und ein Diamant

4 Sterne

Bewertung vom 12.01.2014
Unschuldslamm / Schöffin Ruth Holländer Bd.1
Arendt, Judith

Unschuldslamm / Schöffin Ruth Holländer Bd.1


sehr gut

Ehrenamt und Ehrenmord

Zum Inhalt:
Die geschiedene Klein-Unternehmerin Ruth Holländerin wird kurz vor ihrem 50. Geburtstag als Schöffin berufen. Obwohl sie sich mit Tochter und Führung des Restaurants genug ausgelastet fühlt, fügt sie sich schnell in ihre neue Aufgabe ein. Ihr erster Prozess behandelt den Mord an einer 16jährigen Kurdin, die in ihrer Heimat verlobt wurde. Tatverdächtiger ist der Bruder des Mädchens.

Cover und Titel:
Leider zu nichtssagend und nicht wirklich treffend. Mit viel Phantasie lässt sich das Gebäude als Hütte in ländlicher Umgebung sehen und der Titel könnte in dem Sinne interpretiert werden, dass ein Lamm (wie das Lamm Gottes) zum Wohle aller auf die Schlachtbank geführt wird. Auch hier bleibt Spielraum: Das Mädchen mit ihrer Zwangsheirat oder der Bruder, der sich - wenigstens zu Beginn des Prozesses - nicht ernsthaft verteidigt. Selbsterklärend ist weder das eine noch das andere.

Mein Eindruck:
Abgesehen von dem unpassenden Cover liefert Frau Arendt einen sehr guten deutschen Kriminalroman mit viel Tiefe und ohne blutrünstige Phantasien. Dabei schafft sie es nicht nur, ihre Geschichte von einer möglichen Zwangsheirat einer jungen Kurdin über die Darstellung des Zusammenlebens mit pubertierenden Kindern, den alltäglichen Problemen einer kleinen Geschäftsfrau bis hin zu den Vorgängen hinter den Kulissen eines Strafprozesses glaubhaft darzustellen. Ihr gelingt das Kunststück, eine Frau in mittleren Jahren zu zeigen, die patent allen Problemen trotzt, welche sich ihr in den Weg stellen. Weder ist sie Alkoholikerin noch krank, die privaten Probleme bewegen sich im "üblichen" Rahmen, - was für eine Wohltat nach den ganzen kaputten Typen, die in der letzten Zeit die Krimilandschaft aufmischen.
Aber nicht nur die Hauptperson, auch ihr Kosmos wachsen den Leser schnell ans Herz: Familienmitglieder, Kollegin, Händler des Großmarkts und die Mitstreiter am Gericht, - alle plastisch und echt! Zusätzlich gefällt die differenzierte Darstellung der mit dem Fall verbundenen Personen. Judith Arendt vermeidet bloße Effekthascherei und springt auf keinen Zug auf. Ihre Figuren sind nicht schwarz oder weiß, sondern agieren allesamt in Graubereichen. Die Kulturkreise dienen zwar als Grenzen, werden aber nicht als feste Mauern interpretiert, sondern können aufgeweicht werden, - manchmal wider das Herz oder die Vernunft.

Fazit: Lebensnah geschildert, gerne mehr davon.
4 Sterne

Bewertung vom 12.01.2014
Die Hexe und der Leichendieb
Glaesener, Helga

Die Hexe und der Leichendieb


sehr gut

Liebe und Intrigen im Mittelalter

Zum Inhalt:
Sophie, unglückliche Ehefrau des Burgherren Marsilius, verhilft einem verurteilten Mörder kurz vor dessen Hinrichtung zur Fluch und gerät daraufhin in einen Strudel von Intrigen um Geld, Liebe, Hexenglauben und Politik.

Zum Cover:
Es wird zwar klar, dass der Roman im Mittelalter spielt, leider sind aber weder "Hexe" noch "Leichendieb abgebildet, welche beide als blond und - im Falle des Leichendiebs durch die Folter schwer mitgenommen geschildert werden. Das ist ein Problem, das sich immer wieder an Einbänden kritisieren lässt: Warum macht sich niemand die Mühe, sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen und diesen im Cover widerzuspiegeln?

Mein Eindruck:
Besonders gut gefällt, dass sämtliches "Hexenwerk" entlarvt und aufgeklärt wird, die Prozesse jedoch stattfinden und die Urteile vollstreckt werden. So kombiniert sich damaliger Aberglaube perfekt mit heutigem Wissen. Die Geschichte um Sophie ist spannend und vielfältig gesponnen: Ein bisschen Kriminalroman, etwas Erotik, viel Geschichte und noch mehr Liebe, dazu ein guter Schuss Humor und Entsetzen, wenn Folter, Söldnerleben und Hexenmissetaten geschildert werden. Durch diese Vermischung der Genres kommt keinerlei Langeweile auf und die Story bleibt immer im Fluss.
Glücklicherweise stattet Frau Glaesener alle Charaktere mit unterschiedlichen Eigenschaften aus, so dass selbst "die Bösen" etwas Verständnis beim Leser erwarten dürfen und "die Guten" nicht unfehlbar sind. Ein Aspekt ihrer Hauptperson hat mich jedoch gestört: Das dauernde Gejammer "wie kann er mich lieben, so wenig hübsch wie ich doch bin", - das erinnert fatal an "er ist so wundervoll und ich nichts wert" und bringt mich immer wieder auf die Palme. Vor allem deshalb, weil sich sogar zwei Männer fast um Kopf und Kragen bringen, um die Gunst der holden Maid zu erlangen und diese sich sonst höchst emanzipiert und mit eigenem Willen ausgestattet zeigt.

Fazit:
Eine spannende und farbenfrohe Sicht auf das Leben im 30jährigen Krieg mit Aspekten von Schlacht und Frieden.
4 Sterne

Bewertung vom 02.01.2014
Der einzige Ausweg / Héctor-Salgado-Trilogie Bd.2
Hill, Antonio

Der einzige Ausweg / Héctor-Salgado-Trilogie Bd.2


sehr gut

Der Fluch der bösen Tat

Zum Inhalt:
Nach dem Selbstmord einer Angestellten stellt Hector, der ermittelnde Kommissar, Zusammenhänge zu dem erweiterten Selbstmord eines Kollegen der Frau her. Bei seinen Recherchen bemerkt er, dass der Grund für die Todesfälle in der Firma zu finden ist. Neben dieser Hauptgeschichte thematisiert Antonio Hill das spurlose Verschwinden von Hectors Frau, welches eine schwangere Kollegin Hectors zu ergründen sucht.

Zum Cover:
Im ersten Moment wirkt das Cover wie ein stilisierter, geöffneter Mund, der alles zu verschlingen sucht. Beim zweiten Hinsehen entpuppt es sich als Blick in die Nacht, - hinauf aus dem Innenhof eines hohen Hauses. Diese Hintergründigkeit findet sich ebenfalls in dem Krimi wieder.

Mein Eindruck:
Antonio Hill gelingt das Kunststück, seine Polizisten menschlich und problembehaftet darzustellen, ohne mit dieser Darstellung zu nerven. Besonders gefällt dabei, dass zum Schluss des Buches zwar die Hauptgeschichte aufgeklärt ist, einige Nebenkriegsschauplätze jedoch der weiteren Bearbeitung bedürfen. Das Ende des Buchs ist dabei ein gigantischer und genialer Cliffhanger, der bestimmt zum Kauf des nächsten Buches animiert.
Die Einteilung der Kapitel in die grobe Struktur von handelnden bzw. behandelten Personen mit zusätzlicher Unterteilung in üblicher Nummerierung verführt zum Weiterlesen, um wenigstens einen Gesichtspunkt abschließen zu können.
Der flüssige Schreib- und Erzählstil tut sein Übriges zu dem Umstand, dass man das Buch - einmal angefangen - ungern aus der Hand legt. Das Einzige, was es zu bemängeln gibt, ist, dass Barcelona so gut wie keine Erwähnung im Roman findet, ganz im Gegensatz zum Umland und den wirtschaftlichen Problemen Spaniens, die ungeschminkt und ehrlich thematisiert werden. Dieses führt zu Verständnis für die Gefühle und Handlungen sämtlicher Figuren, - Haupt- wie Nebendarstellern.

Fazit: Eine Charakterstudie eingebunden in Spaniens Vergangenheit und Gegenwart, in der fast jeder den Preis für sein Verhalten zahlen muss.

4 Sterne