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Havers
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Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 06.03.2017
Straße der Gewalt / Dave Robicheaux Bd.13
Burke, James Lee

Straße der Gewalt / Dave Robicheaux Bd.13


ausgezeichnet

Die Lücken schließen sich, dem PENDRAGON Verlag sei Dank. Nachdem nun „Straße der Gewalt“ (Last car to Elysian Fields, 2003), Band 13 der Dave Robicheaux-Reihe von James Lee Burke (erstmals in deutscher Übersetzung von Jürgen Bürger) vorliegt, warten von den mittlerweile zwanzig Romanen „nur“ noch sechs auf die Übertragung ins Deutsche. Da die Veröffentlichungen leider nicht in Reihe erfolgen, ist es bisweilen schwierig für den Leser, mit den Veränderungen der Lebensumstände des Protagonisten Schritt zu halten. Aber nach kurzem Einlesen, bekommt das schon ohne größere Schwierigkeiten sortiert.

„Straße der Gewalt“ setzt an einem Punkt ein, an dem es für Dave Robicheaux gar nicht gut läuft. Sein Haus ist niedergebrannt, die Liebe seines Lebens ist tot, seine Adoptivtochter hat die Koffer gepackt und ist nun am College. Deprimierend, denn alles, was ihm Halt gab, ist nun dahin, und als einzige Konstante ist nur noch sein Kumpel Clete Purcel übrig geblieben.

Jimmie Dolans Hilferuf, Priester und Freund aus alten Tagen, kommt genau richtig und führt Dave und Clete zurück an die alte Wirkungsstätte, mitten hinein in das dunkle Herz des „Big Easy“. Illegale Müllkippen, verseuchtes Grundwasser, ein spurlos verschwundener Blues-Musiker, skrupellose Schläger und Mafia-Killer, drei tote Teenager – und mittendrin Robicheaux und Purcel auf ihrem Kreuzzug. Die unbequemen Kämpfer mit Prinzipien und Moralvorstellungen, die sich nur ihrem eigenen Gewissen verpflichtet fühlen und auch dementsprechend agieren, haben sie doch nichts mehr zu verlieren.

James Lee Burke ist ein begnadeter Geschichtenerzähler, der vollkommen auf diese Fähigkeit vertrauen kann, was er einmal mehr in „Straße der Gewalt“ beweist. Er muss den Leser nicht mit obskuren Täuschungsmanövern in die Irre führen oder auf der Zielgeraden mit billigen Tricks den Täter aus dem Hut zaubern. Stattdessen bietet er seinen Lesern eine komplexe Story mit zahlreichen Handlungssträngen – inklusive eines Exkurses in die Geschichte des Strafvollzugs in Louisiana - und einer Vielzahl an Personen, zu deren Handlungen er aber im Detail die entsprechenden Hintergrundinformationen liefert, was wiederum für die gewünschte Tiefe sorgt. Absolut gelungen. Und natürlich schafft es Burke wie immer mühelos, alle losen Handlungsfäden am Ende stimmig zu verknüpfen. Hier gibt es absolut nix zu meckern – James Lee Burke ist zweifelsfrei eine Klasse für sich!

Bewertung vom 27.02.2017
Schlaflied / Olivia Rönning & Tom Stilton Bd.4
Börjlind, Rolf;Börjlind, Cilla

Schlaflied / Olivia Rönning & Tom Stilton Bd.4


ausgezeichnet

Europa versucht des Ansturms der Flüchtlinge Herr zu werden, und Schweden macht hier keine Ausnahme. Die Behörden sind überfordert, aber glücklicherweise gibt es auch engagierte Privatpersonen, die den Sozialarbeitern unterstützend zur Seite stehen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten dort helfen, wo Not am Mann ist. Aber nicht alle tun dies uneigennützig und aus reiner Nächstenliebe.

Diese Erfahrung muss auch das Team von Mette Olstätter machen, das den Tod eines Jungen untersucht, dessen Leiche im Wald vergraben wurde. Das Ergebnis der Obduktion offenbart sein schreckliches Schicksal. Und dieser Leichenfund soll kein Einzelfall bleiben. Obwohl alle mit Hochdruck ermitteln, sind die Ergebnisse spärlich. Die einzige Gemeinsamkeit der Opfer ist die Tatsache, dass es sich bei allen um Flüchtlingskinder ohne Erwachsenenbegleitung handelt.

Tom Stilton bietet seine Hilfe an und aktiviert alte Kontakte, die ihn mit Informationen versorgen. Die Spur führt nach Rumänien, und so macht sich Tom gemeinsam mit seiner Kollegin Olivia Rönning auf den Weg. Was sie dort erleben, bringt sie in Lebensgefahr und lässt nicht nur ihnen, sondern auch dem Leser den Atem stocken. Die Autoren Cilla und Rolf Börjlind schildern das Leben der rumänischen Straßenkinder ungeschönt und deshalb für den Leser umso schwerer zu ertragen (in ihrem Nachwort nennen sie die entsprechenden Quellen).

Parallel dazu behandelt ein weiterer Handlungsstrang die Suche eines nigerianischen Flüchtlingsmädchens nach ihrem Bruder. Muriel, eine ehemalige Bekannte aus Toms Obdachlosenumfeld, kümmert sich rührend um sie…zumindest solange, bis das Mädchen eines Tages spurlos verschwindet. Muriel bittet Tom um Hilfe, und gemeinsam mit dem Team macht er sich auf die Suche nach der Verschwundenen.

„Schlaflied“ der vierte Band der Rönning/Stilton-Reihe unterscheidet sich von den Vorgängern. Zwar gibt es hier auch wieder einiges an privaten Verwicklungen, aber im Kern ist dies ein hochpolitisches, aber dennoch sehr spannendes Buch, das sich mit verschiedenen Aspekten der Flüchtlingsfrage beschäftigt. Da sind zum einen die latent vorhandenen Vorurteile, die in den unbedachten Äußerungen von Olivias Kollege Bosse deutlich werden, zum anderen aber auch die Frage, wer die alleinreisenden Kinder vor skrupellosen Elementen schützt, die in ihnen eine leicht Beute sehen. Aber natürlich stellt sich auch die Frage aus der Sicht der Ermittler, wieviel Leid man im Laufe eines Berufslebens ertragen kann, bevor man völlig ausgelaugt das Handtuch wirft.

Bewertung vom 27.02.2017
Die Schatten von Edinburgh / Frey & McGray Bd.1
Muriel, Oscar de

Die Schatten von Edinburgh / Frey & McGray Bd.1


ausgezeichnet

Oscar de Muriel hat zwar mexikanische Wurzeln, ist aber im Zuge seiner Promotion nach Großbritannien übergesiedelt und lebt mittlerweile in Manchester. Und dass ein Mexikaner seine Passion für viktorianische Kriminalromane entdeckt, ist noch nicht weiter verwunderlich. Wenn er aber beschließt, sich in diesem Genre als Autor zu versuchen, finde ich das schon bemerkenswert. So war meine Neugier geweckt, als ich die Ankündigung des Goldmann Verlags für Oscar de Muriels „Die Schatten von Edinburgh“ sah. Und da ich ein großer Fan von schottischen Autoren bzw. Krimis mit schottischen Handlungsorten bin, habe ich natürlich zugegriffen – und ich wurde nicht enttäuscht.

Wir schreiben das Jahr 1888, im Londoner East End treibt ein Serienmörder sein Unwesen. Die Bevölkerung lebt in Angst und Schrecken, und obwohl die Polizei Himmel und Hölle in Bewegung setzt, ist Jack the Ripper nicht zu fassen. Als in Edinburgh ein Violinist grausam abgeschlachtet und ausgeweidet aufgefunden wird, schrillen bei den Politikern in London die Alarmglocken, denn sie befürchten den Beginn einer ähnlichen Mordserie. Lord Salisbury, der Premierminister reagiert umgehend und entsendet Ian Frey, Inspektor bei Scotland Yard, in den Norden. Zusammen mit McGray, dem leitenden Inspektor vor Ort, soll er den Fall lösen, was gar nicht so einfach ist, denn die beiden Ermittler verhalten sich zueinander wie Feuer und Wasser: auf der einen Seite der gebildete, vornehme, sich immer etwas etepetete verhaltende Engländer Frey, und im Gegensatz dazu sein schottischer Kollege McGray, bärbeißig, ruppig und voller Vorurteile gegen den feinen Pinkel, mit dem er zusammenarbeiten soll. Aber auch die Begleitumstände der Tat vereinfachen die Ermittlungen nicht, denn wie kann ein Mörder aus einem abgeschlossenen Raum entkommen? Vollends mysteriös wird es, als Details zu einer der Geigen bekannt werden, die sich im Besitz des Toten befanden. Ist das Instrument etwa mit einem Fluch belegt?

Natürlich lässt es sich nicht bestreiten, dass der Autor in die eine oder andere Klischeefalle tappt. Das wird schon bei der Charakterisierung seiner beiden Protagonisten deutlich, die sich – ganz im Stil eines Buddy-Movies – zuerst beharken und dann langsam annähern. Aber gerade aus diesem Gegensatz entstehen humorige Wortwechsel, die die Ironie gespickte Story zu einer unterhaltsamen Lektüre machen. Dazu kommt das Gefühl für die Epoche, garniert mit einer Portion „Gothic Novel“, das der Autor stimmig transportiert, sowie das Insiderwissen über die Kunst der Geigenbauerei. Letzteres resultiert aus der Vertrautheit de Muriels mit diesem Instrument, ist er doch selbst passioniert Violinist.

Dieses Debüt ist gelungen und lässt darauf hoffen, dass die reihe fortgesetzt wird. Im Original ist das Erscheinen des dritten Bandes für April dieses Jahres angekündigt.

Bewertung vom 23.02.2017
Ein Grab in den Wellen / Sea Detective Bd.1
Douglas-Home, Mark

Ein Grab in den Wellen / Sea Detective Bd.1


ausgezeichnet

Neben Peter May gibt es kaum einen schottischen Krimiautor, der die Fähigkeit hat, Gegenwärtiges und Vergangenes, gepaart mit grandiosen Landschaftsbeschreibungen, stimmig in eine spannende Geschichte zu verpacken, weshalb mich auch eine gewisse Wehmut ergriffen hat, als ich „Moorbruch“, dessen abschließenden Band der Lewis-Trilogie (kürzlich in einer ausgezeichneten Übersetzung bei Zsolnay erschienen), beendet hatte.

Glücklicherweise gibt es auch im Krimibereich ein monatliches Ranking, aus dem ich mir regelmäßig Lesetipps hole. Und in der Bestenliste Februar belegt der schottische Newcomer Mark Douglas-Home den neunten Platz mit seinem ersten Cal McGill-Kriminalroman „Sea Detective: Ein Grab in den Wellen“. Neuer Autor, Schottland und ein ungewöhnlicher Protagonist, mein Interesse war geweckt…und ich wurde nicht enttäuscht!
Die Handlung wird durch verschiedene Stränge bestimmt, die ineinandergreifen und sich teilweise überlappen, wobei sowohl Erzählperspektive als auch Handlungsort wechselt.

Das verbindende Element ist der unkonventionelle Protagonist Cal McGill, kein klassischer Polizist/Detective, sondern ein Meeresbiologe und Umweltaktivist. Polizeibekannt durch seine aufsehenerregenden Pflanzaktionen in Politikergärten, mit der er die Öffentlichkeit auf den globalen Klimawandel hinweisen möchte. Und ein Experte, wenn es um Meeresströmungen und an Land gespültes Treibgut geht, dessen Weg er mit Hilfe einer Computersimulation nachverfolgen kann. Eine Fähigkeit, die die Polizei von Edinburgh dringend benötigt, da an der Küste abgetrennte Füße angespült worden sind. Da Detective Helen Jamison bei ihrem Vorgesetzten auf taube Ohren stößt, beschließt sie hinter dessen Rücken McGill um Hilfe zu bitten.

Relativ zeitgleich versteckt sich Basanti, eine indische Jugendliche in unmittelbarere Nähe von McGills Wohnung und sieht bei einem Blick durch dessen Fenster ein Bild ihrer spurlos verschwundenen Freundin Preeti. In Rückblenden erfährt man, dass die beiden Bedia-Mädchen von ihren Familien als Kapital genutzt und für ein Leben als Prostituierte (Dhandewali) erzogen wurden. An Menschenhändler verkauft, gelangten sie nach Großbritannien, wurden von Zuhälter an Zuhälter weitergereicht, und später, wenn diese keine Verwendung mehr für die Mädchen hatten, wie Müll entsorgt. Preeti musste dieses Schicksal erleiden, aber Basanti konnte ihren Peinigern entkommen und muss sich nun vor ihnen verstecken.
Die besondere Note erhält dieser Kriminalroman aber durch einen besonderen Aspekt der Familienhistorie des Protagonisten, dessen Großvater unter ungeklärten Umständen im Zweiten Weltkrieg vor der schottischen Küste ums Leben kam. Um Licht ins Dunkel zu bringen, reist McGill nach Eilean Iasgaich, der (fiktiven) kleinen Fischerinsel an der Westküste. Heimat für seine Familie bis zum Tod des Großvaters. Was ist damals geschehen, und warum begegnen ihm fast alle Inselbewohner mit unverhohlener Feindseligkeit?

Der sehr gut durchdachte Plot, die Kompetenz in der Vermittlung der ozeanografischen Themen, die detaillierten Charakterisierungen, die gelungene Verknüpfung von Familiengeschichte und aktuellen Vorkommnissen und schlussendlich die Landschaftsbeschreibungen, die die Vorstellungskraft des Lesers befeuern, machen aus diesem Debüt ein unerwartet eindrückliches Leseerlebnis. Sehr empfehlenswert!

Bewertung vom 21.02.2017
Fest der Finsternis
Torreck, Ulf

Fest der Finsternis


ausgezeichnet

In der französischen Metropole regiert die Angst. Zum einen fallen immer mehr Menschen dem „Schwarzen Tod“ zum Opfer, zum anderen treibt offenbar ein Serienmörder, der es auf junge Frauen abgesehen hat, sein Unwesen. Die Mordopfer haben eine Gemeinsamkeit: sie haben alle kurz zuvor entbunden, und von ihren Neugeborenen fehlt jede Spur. Die Polizei ist ratlos, und so bleibt dem korrupten Polizeiminister Fouché nichts anderes übrig, als Louis Marais zurück nach Paris zu holen. Ehemals sein bester Mann, aber in der Zwischenzeit in Ungnade gefallen und strafversetzt. Diesem kommt der Ruf zurück gerade recht, hilft ihm die Arbeit doch, den Verlust von Frau und Kind durch die Pest leichter zu ertragen. Aber auch Marais ist bald mit seinem Latein am Ende, alle Spuren verlaufen im moralischen Sumpf der Millionenstadt. Bis auf eine, aber um diese deuten zu können, bedarf es der Hilfe eines prominenten Insassen der Nervenheilanstalt von Charenton. Und so macht sich Marais auf, um den Marquis de Sade mit ins Boot zu holen.

Das ungleiche Duo Marais und de Sade, der gläubige Halb-Gitan und der atheistische Adlige – aus dem Gegensatz dieser beiden unterschiedlichen Persönlichkeiten speisen sich die spannenden Ermittlungen, die sie nicht nur in die Elendsviertel der Metropole sondern auch in höchste politische Kreise führen. Die wahre Hauptfigur ist aber das postrevolutionäre Paris, diese düstere Kloake, die der Autor bildhaft und schonungslos beschreibt. Mit „Fest der Finsternis“ ist Ulf Torreck ein üppiger historischer Roman - eher ein Thriller, da man die blutigen Details nicht außer Acht lassen kann - mit einem wohlkonstruierten Spannungsbogen gelungen, der höchst stimmungsvoll diese besondere Atmosphäre in der französischen Hauptstadt zu Beginn des 19. Jahrhunderts kreiert. Die Rücksichtslosigkeit der Herrschenden, ihre Intrigen und Machtspielchen, die Prunksucht und Dekadenz des Adels, das Elend und die Verzweiflung der Armen und Ärmsten in den Randbezirken.

Die ideale Lektüre für ein langes Wochenende. Lesen!

Bewertung vom 21.02.2017
Unsere wunderbaren Jahre
Prange, Peter

Unsere wunderbaren Jahre


gut

Ein Roman, der den Titel „Unsere wunderbaren Jahre“ trägt, gibt damit bereits Wesentliches zum Inhalt preis, denn diese wunderbaren Jahre werden in Deutschland immer mit der Nachkriegszeit, der Währungsreform und dem Wirtschaftswunder in Verbindung gebracht. Und so startet der Autor Peter Prange seine Geschichte der Deutschen und ihrer Währung auch im Jahr 1948. Sechs Freunde, deren Umfeld und ihre persönliche Entwicklung tragen die Handlung, die immer wieder Bezug zu den herausragenden und prägenden Ereignissen der west- und ostdeutschen Geschichte nimmt.

Ausgangspunkt ist Altena, eine Kleinstadt im Sauerland. Wir schreiben das Jahr 1948 im Juni. Währungsreform, 40 Deutsche Mark Kopfgeld, Start in ein neues Leben, in dem alles möglich scheint. So auch für die drei Töchter der Unternehmerfamilie Wolf - Ruth, Ulla und Gundel - und deren Freunde Tommy, Bernd und Benno. Jeder der sechs hat seinen individuellen Traum vom Glück, und das Startguthaben soll bei der Realisierung helfen. Aber natürlich verläuft nicht alles nach Plan, die Pflicht muss der Neigung und die Liebe der Vernunft weichen. Und leider lassen sich auch nicht alle Vorstellungen in Altena verwirklichen, sodass es notwendig wird, der Heimat den Rücken zu kehren und das Glück in der Fremde zu suchen. Und schlussendlich wendet sich, nach einigen Irrungen und Wirrungen, auch alles für alle zum Guten. Und wenn sie nicht gestorben sind…

„Unsere wunderbaren Jahre“ ist eine unterhaltsame Lektüre, ein typischer Familienroman, der mit zeitgeschichtlichen Details aufgepeppt wurde. Und so bleibt es leider auch nicht aus, dass der Autor immer wieder in Klischees abgleitet. Die verstoßenen Tochter, der unbelehrbare Nationalsozialist, der notorische Fremdgänger, der rassige Spanier – alles in allem war mir das etwas zu viel Kleinbürgertum und zu wenig reales Leben. Natürlich ist es ein großer Zeitraum, den Prange hier mit seinem Rundumschlag abarbeitet, aber an manchen Stellen konnte man den Eindruck gewinnen, dass von Seiten des Autors ein Bezug zur deutschen Historie mit der Brechstange eingearbeitet werden musste. Verglichen mit den anderen Romanen Pranges ist dieser leider nur Mittelmaß, mit einem Plot, der wie geschaffen scheint für eine TV-Miniserie.

Der Musiktipp, passend zur Lektüre: „Love somebody“ von Doris Day & Buddy Clark (aus dem Jahr 1948).

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.02.2017
Das Mädchen aus dem Norden / Profilerin Sasza Zaluska Bd.1
Bonda, Katarzyna

Das Mädchen aus dem Norden / Profilerin Sasza Zaluska Bd.1


weniger gut

Katazyna Bonda, in ihrem Heimatland Polen eine der meistverkauften Autorinnen, im deutschsprachigen Raum ein unbeschriebenes Blatt. Sie schreibt Thriller/Kriminalromane, und da der Buchmarkt speziell in diesem Genre immer nach neuem Blut lechzt, war es nur eine Frage der Zeit, bis ihr Thriller „Das Mädchen aus dem Norden“ in der deutschen Übersetzung in den Buchhandlungen landete.

Hauptfigur ist die alleinerziehende Profilerin Sasza Zaluska, die nach einem traumatischen Erlebnis der Polizeiarbeit den Rücken kehren und gemeinsam mit ihrer Tochter einen Neuanfang wagen möchte. Aber das Leben ist teuer und die Rechnungen müssen bezahlt werden, und so nimmt sie dann doch wieder einen gut entlohnten Auftrag an. Hätte sie mal lieber auf ihr Bauchgefühl gehört…

Der Plot des Thrillers konnte mich leider nicht überzeugen, hat man alles bereits gelesen. Eine Protagonistin, deren Psyche in Ausübung ihres Berufs verletzt wird, die mit den Dämonen ihrer Vergangenheit kämpft, die sich zurückzieht und wieder einsteigt. Mir war das zu viel Nabelschau, die die kriminalistischen Aspekte komplett überlagerte. Dazu ein überambitionierter, verworrener Plot, der durch die Vielzahl der handelnden Personen nicht gerade übersichtlicher wurde. Offenbar ist „Das Mädchen aus dem Norden“ der Auftakt einer Reihe. Ich werde diese aber aus den genannten Gründen nicht weiterverfolgen.

Bewertung vom 15.02.2017
History of Murder / Detective Breen & Tozer Bd.3
Shaw, William

History of Murder / Detective Breen & Tozer Bd.3


ausgezeichnet

Es sind ungewöhnliche Kriminalromane, die der Brite William Shaw schreibt, denn er setzt seine Leser in eine Zeitmaschine, die sie direkt mitten hinein in die Swinging Sixties katapultiert. Flower Power, Hippies, Joints und Afghanenmäntel kennzeichnen diese Ära, und Shaws Verweise auf Popmusik und -musiker dieser Zeit bringen zusätzlich das entsprechende Flair in die Krimis der Breen und Tozer-Reihe, die mit dem vorliegenden „History of Murder“ mittlerweile auf drei Bände angewachsen ist. Aber es wären keine Kriminalromane, wenn der Autor nicht auch zeigen würde, dass neben „Love and Peace“ jede Menge Platz für das Verbrechen ist.

1969: Cathal „Paddy“ Breen, der zurückhaltende, besonnene, irischstämmige DS und seine Kollegin Helen Tozer haben der Londoner Polizei den Rücken gekehrt. Sie hat den Dienst quittiert und ist in Begleitung des rekonvaleszenten Paddy Breen, der eine Schussverletzung auskurieren muss, auf die elterliche Farm in Devon zurückgekehrt. Aber auch das Leben dort ist alles andere als beschaulich, denn Helens Vater vernachlässigt die Farm und ist dringend auf Hilfe angewiesen, da er noch immer um seine ermordete Tochter Alexandra trauert. Glücklicherweise gibt es Hibou, ein Hippiemädchen aus London, das Breen und Tozer aus den Fängen eines Sektengurus befreit (vgl. hierzu „Kings of London“, Bd. 2) und mit nach Devon gebracht haben. Sie gibt Helens Vater neuen Lebensmut, aber dennoch liegt der Mord wie ein Schatten auf der Familie. Als Breen wieder einigermaßen auf dem Damm ist, schaut er sich den fünf Jahre zurückliegenden Mordfall etwas genauer an und beginnt heimlich zu ermitteln. Das Ergebnis seiner Recherche ist erschreckend und verstörend, denn Alexandra war nicht das einzige Opfer. Die Spur führt in die unmittelbare Nachbarschaft und letztendlich zu einem unrühmlichen Kapitel britischer Kolonialvergangenheit, das noch immer totgeschwiegen wird.

„A book of scars“, so der Originaltitel und dieser trifft den Kern dieses Kriminalromans weit besser als das eher unverbindlich klingende „History of Murder“, denn vergangene Ereignisse haben bei allen Akteuren, unabhängig ob gut oder böse, Narben hinterlassen. Der Mordfall, natürlich, aber auch verratene Ideale, persönliche Verluste und falsche Entscheidungen.

William Shaw demaskiert in seinen Romanen den Flower Power Mythos und zeigt dessen hässliches Gesicht. Sexismus, Rassismus, Diskriminierung, Korruption und Gewalt gegen Schwache – die Reihe ließe sich endlos fortsetzen. Er schafft Atmosphäre durch ein stimmiges Setting und porträtiert eine Gesellschaft im Wandel, deren unverarbeitete Traumata bis in die Gegenwart wirken. Ergänzt werden diese „historischen“ Details durch überzeugende Charaktere und einen wohl durchdachten Plot, der fesselt und unterhält. Nicht unerwähnt bleiben soll die Übersetzung von Conny Lösch, wie immer genial!

Eine Bemerkung zum Schluss: Ich empfehle nachdrücklich die bisherigen Bände („Abbey Road Murder Song“, „Kings of London“ und „History of Murder“) in der richtigen Reihenfolge zu lesen, da immer wieder Bezüge zu vorangegangenen Ereignissen und Entwicklungen hergestellt werden. Band 4 der Reihe (Sympathy for the devil) ist im Original für Anfang Mai 2017 angekündigt und wird sehnsüchtig erwartet. In der Zwischenzeit können wir uns mit „Der gute Mörder“, einem Kriminalroman außerhalb dieser Reihe trösten, der im Juli 2017 im Suhrkamp Verlag erscheinen wird.

Und hier noch ein Musiktipp, passend zur Lektüre: „Judy Blue Eyes“ von Crosby, Stills & Nash (veröffentlicht 1969).